Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluß aus Gewerkschaft wegen Mitgliedschaft in einer gewerkschaftsfeindlichen Partei: Bindung an Satzung; Auslegung von Satzung und Parteiprogramm

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Bindung eines Verbandes an die Bestimmungen seiner Satzung bei Ausschluß eines Mitgliedes.

 

Orientierungssatz

Hier: Ausschließung eines Gewerkschaftsmitglieds wegen Tätigkeit für eine die Gewerkschaft bekämpfende Organisation (hier: politische Partei).

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Entscheidung vom 30.12.1992; Aktenzeichen 19 U 199/92)

LG Stuttgart (Entscheidung vom 16.07.1992; Aktenzeichen 17 O 168/92)

 

Tatbestand

Der Kläger ist sowohl Mitglied der beklagten Gewerkschaft als auch der Partei „D. R.”, für die er in verschiedenen Funktionen innerhalb wie außerhalb der Partei tätig ist. Mit Schreiben vom 9. Oktober 1990 wandte sich der Ortsverein K. der Beklagten an den Landesbezirksvorstand mit der Bitte, beim Hauptvorstand der Beklagten einen Ausschlußantrag gegen den Kläger nach Nr. 11 Abs. 1 lit. c und d ihrer Satzung zu stellen. Nr. 11 der Satzung der Beklagten hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

„1. Der Ausschluß des Mitgliedes kann erfolgen, wenn dieses

  1. gegen Bestimmungen der Satzung oder Beschlüsse der IG M. verstößt, insbesondere bei einem von der IG M. ausgerufenen Arbeitskampf Streikbrecherarbeit leistet;
  2. die Interessen oder das Ansehen der Gewerkschaft schädigt oder ihren Grundsätzen zuwiderhandelt;
  3. für Organisationen und Gruppierungen tätig ist, die die Gewerkschaften bekämpfen;
  4. faschistische Ziele verfolgt.

In den Fällen a) und b) erfolgt der Ausschluß durch den Landesbezirksvorstand, in den Fällen c) und d) durch den Hauptvorstand.”

Anlaß für diese Bitte um Ausschluß des Klägers war eine nach Ansicht des Ortsvereins von dem Kläger zu verantwortende Kampagne der „R.” gegen ausländische Einwohner K., insbesondere Asylbewerber, in der vor allem deren Umgang mit Abfällen beanstandet wurde. Darüber hinaus wurde dem Kläger vorgeworfen, sich als Mitglied des K. Stadtrates für die Auflösung des dortigen Ausländerbeirates eingesetzt zu haben. Mit Schreiben vom 16. August 1991 teilte der Hauptvorstand dem Kläger nach vorheriger schriftlicher Anhörung mit, er habe auf seiner letzten Sitzung dessen Ausschluß beschlossen. Das Schreiben, das sich auf Nr. 11 Abs. a), b) und c) der Satzung der Beklagten stützt, führt als Ausschlußgründe vor allem die Mitgliedschaft des Klägers in den „R.” und sein ausdrückliches Eintreten für die Ziele dieser Partei an. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers wurde von dem Hauptausschuß der Beklagten mit Schreiben vom 7. November 1991 zurückgewiesen.

In dem vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der gegen ihn gerichteten Ausschließungsbeschlüsse der Beklagten und des Fortbestandes seiner Mitgliedschaft in der beklagten Gewerkschaft. Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren in den Vorinstanzen erfolglos gebliebenen Abweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht geht bei seiner Sachverhaltswürdigung in rechtlicher Hinsicht davon aus, daß die Entscheidung einer Gewerkschaft, eines ihrer Mitglieder auszuschließen, von den staatlichen Gerichten daraufhin zu überprüfen ist, ob der Ausschluß eine Grundlage in der Satzung hat, in einem elementaren rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechenden Verfahren zustande gekommen und durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Dies entspricht, ebenso wie seine weitere Annahme, die beklagte Gewerkschaft zähle zu denjenigen Verbänden, die aufgrund ihrer überragenden Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich bei der Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung, d.h. der Billigkeit, ihrer Ausschlußentscheidungen, nur einen begrenzten Ermessensspielraum für sich in Anspruch nehmen können, der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Sen.Urt. v. 15. Oktober 1990 - II ZR 255/89, NJW 1991, 485 m. umfangr. w.N.). Unter Anlegung dieses auch von der Revision der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen rechtlichen Maßstabes hält das Berufungsgericht die Angriffe des Klägers gegen die Ordnungsmäßigkeit des gegen ihn durchgeführten Ausschlußverfahrens für unbegründet, ist jedoch der Ansicht, daß die Entscheidung, den Kläger auszuschließen, keine ausreichende Grundlage in der eigenen Satzung der beklagten Gewerkschaft finde. Dabei geht es zutreffend davon aus, daß als Ausschließungsgrund im vorliegenden Fall nur der in Nr. 11 Abs. 1 lit. c der Satzung aufgeführte Tatbestand in Betracht kommt. Für einen Ausschluß des Klägers nach lit. a und b der bezeichneten Satzungsbestimmung fehlte dem im Ausschlußverfahren tätig gewordenen Hauptvorstand, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei feststellt, die Zuständigkeit; auf lit. d – Verfolgung faschistischer Ziele – hat die Beklagte den Ausschluß zu keinem Zeitpunkt gestützt. Dagegen erhebt auch die Revision, die den Ausschließungsgrund gemäß Nr. 11 Abs. 1 lit. c ebenfalls als den zuletzt allein noch strittigen bezeichnet, keine Einwendungen. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist mithin, da Ausschlußentscheidungen privater Verbände nur mit der Begründung überprüft werden können, mit der sie im verbandsinternen Verfahren zustande gekommen sind (st. Sen.Rspr., vgl. Urt. v. 10. Juli 1989 - II ZR 30/89, NJW 1990, 40, 41 m.w.N.), im vorliegenden Fall nicht die Frage, ob die Beklagte berechtigt gewesen wäre, den Kläger nach einer anderen Bestimmung ihrer Satzung, insbesondere wegen Schädigung des Ansehens oder der Interessen der Gewerkschaft oder Zuwiderhandlung gegen ihre Grundsätze (Nr. 11 Abs. 1 lit. b), auszuschließen, wie es an sich nahegelegen hätte und worauf noch der im Verfahren zunächst tätig gewordene Hauptvorstand ausweislich seines Schreibens vom 16. August 1991 den Ausschluß in erster Linie stützen wollte. Ebensowenig wirft der vorliegende Rechtsstreit die Frage nach den Grenzen des außer Zweifel stehenden, auch durch die Verfassung garantierten Rechts der Gewerkschaften auf, in ihrer Satzung zum Schutz ihres Rechtes auf Selbstbewahrung Bestimmungen über die Beendigung der Mitgliedschaft von Personen zu treffen, deren Tätigkeit mit der Zugehörigkeit zur Gewerkschaft in grundlegender Weise unvereinbar ist (vgl. Sen.Urt. v. 15. Oktober 1990 aaO m.w.N.). Von diesem Recht hat die Beklagte u.a. in Gestalt von Nr. 11 Abs. 1 lit. c ihrer Satzung Gebrauch gemacht, deren rechtliche Wirksamkeit auch das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde legt. Es geht mithin, da auch die beklagte Gewerkschaft wie jeder andere Verband die Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidungen an den Bestimmungen der von ihr selbst eigenverantwortlich beschlossenen Satzung messen lassen muß, jedenfalls in der Revisionsinstanz allein um die Frage, ob die von der Beklagten getroffene Ausschließungsentscheidung eine Grundlage in der bezeichneten Bestimmung der Satzung findet. Der auf sie gestützte Ausschluß des Klägers ist danach bereits unwirksam, wenn der Ausschließungsgrund einer Tätigkeit des Klägers für eine die Gewerkschaften bekämpfende Organisation oder Gruppierung nicht erfüllt ist.

II.

Dazu hat das Berufungsgericht festgestellt, das Parteiprogramm der „R.”, auf das sich die Beklagte allein stütze, enthalte keine Aussagen, die den Schluß rechtfertigen könnten, diese Partei wolle die Gewerkschaften abschaffen oder bekämpfen. Das Parteiprogramm bezeichne vielmehr Tarifautonomie und Gewerkschaften ausdrücklich als unverzichtbare Bestandteile der Gesellschaft. An dieser grundlegenden Aussage ändere es nichts, daß die bestehenden Einheitsgewerkschaften anschließend unter dem Gesichtspunkt kritisiert werden, sie seien heute leider nicht mehr in erster Linie Interessenvertretung der Arbeitnehmer, sondern Speerspitze ideologischer Veränderungen, weshalb die Einheitsgewerkschaft in Frage gestellt und wie im Mutterland der Demokratie, Frankreich, und anderen demokratischen Staaten gewerkschaftliche Vielfalt gefordert werde. Darin liege ebensowenig wie in der an anderer Stelle des Parteiprogramms geäußerten Kritik an Versuchen der Beklagten, die Veröffentlichung von Meinungsäußerungen politisch Andersdenkender durch Einflußnahme auf Redaktionen und Verlage zu verhindern, ein Bekämpfen der Gewerkschaft als solcher oder eine Forderung nach wesensmäßiger Umgestaltung des historisch gewachsenen Bildes der Gewerkschaft, sondern lediglich die Forderung nach politischer Neutralität, zu der sich auch die Beklagte in Nr. 4 Abs. 2 ihrer Satzung bekenne. Soweit gewerkschaftliche Vielfalt gefordert werde, geschehe dies nur in Gegenüberstellung zu einer angeblich einseitig ausgerichteten Einheitsgewerkschaft, die dem gewachsenen Bild der zu weltanschaulicher Toleranz und Neutralität verpflichteten Einheitsgewerkschaft nicht mehr entspreche. Die in dem Schreiben des Hauptausschusses vom 7. November 1991 weiter aufgeführten, von der Haltung der beklagten Gewerkschaft teilweise abweichenden Aussagen des Parteiprogramms zur Stellung der Frau, zur betriebsfremden Mitbestimmung, zur Abschaffung des staatlichen Arbeitsvermittlungsmonopols und zur Ausländerfrage fielen von vornherein nicht unter den allein zu prüfenden Ausschlußgrund der Nr. 11 Abs. 1 lit. c der Satzung. Diese tatrichterliche Würdigung ist zumindest möglich und läßt ebensowenig wie die ihr zugrundeliegenden tatsächlichen, für das Revisionsgericht grundsätzlich bindenden (vgl. Sen.Urt. v. 28. September 1972 - II ZR 5/70, NJW 1973, 35) Feststellungen einen Rechtsfehler erkennen, der den Senat zur Aufhebung des angefochtenen Urteils berechtigen könnte.

III.

Entgegen der Ansicht der Revision kommt es für den Ausgang des Rechtsstreits nicht entscheidend darauf an, ob man der Auslegung des Berufungsgerichts folgt, wonach der dem Ausschluß des Klägers zugrunde gelegte Tatbestand der Tätigkeit in einer die Gewerkschaften bekämpfenden Organisation nur dann erfüllt ist, wenn die betreffende Organisation die Gewerkschaften schlechthin und nicht nur eine einzelne von ihnen bekämpft. Der Gebrauch des Plurals „die Gewerkschaften” spricht zwar eher für die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach damit ein Bekämpfen der Gewerkschaften in ihrer Gesamtheit gemeint ist. Das Ergebnis wäre aber auch dann kein anderes, wenn der Ansicht der Revision zu folgen wäre, wonach unter Umständen auch schon das Bekämpfen einzelner Gewerkschaften, insbesondere der Beklagten selbst, den Tatbestand erfüllen kann. Denn jedenfalls kann Nr. 11 Abs. 1 lit. c der Satzung der Beklagten nicht dahingehend verstanden werden, daß die Gewerkschaft für sich das Recht in Anspruch nehmen will, jedes Mitglied auszuschließen, das einer Partei angehört, die in einzelnen Fragen von den Ansichten der Beklagten abweichende Standpunkte vertritt. Dies muß selbst dann gelten, wenn diese Fragen von nicht nur nebensächlicher Bedeutung sind und sich die damit verbundene Kritik auch gegen die Gewerkschaft selbst richtet, solange die betreffenden Äußerungen nicht den Kernbereich des historisch gewachsenen und verfassungsrechtlich anerkannten gewerkschaftlichen Selbstverständnisses in Frage stellen oder durch ihre Form eine generelle Ablehnung der Gewerkschaftsbewegung offenbaren. Schon nach allgemeinem Wortverständnis ist ein Bekämpfen der Gewerkschaften etwas wesentlich anderes als die Kritik an dem gegenwärtigen Erscheinungsbild oder der Stellungnahme einer oder einer Mehrzahl von Gewerkschaften zu einzelnen tagespolitischen Fragen. Sowohl der Gebrauch des Wortes „Bekämpfen” als solcher als auch dessen Verbindung mit der in diesem Zusammenhang verstärkend wirkenden Verwendung des Plurals „die Gewerkschaften” machen deutlich, daß die Satzung an dieser Stelle nur Gruppierungen und Organisationen bezeichnen will, die aus einer grundsätzlich gewerkschaftsfeindlichen oder doch mindestens ihnen gegenüber ablehnenden Haltung heraus freie Gewerkschaften schlechthin oder jedenfalls einzelne von ihnen in ihren tragenden Grundlagen in Frage stellen und deshalb mit dem Ziel angreifen („bekämpfen”), sie überhaupt abzuschaffen oder doch in ihrem Wesenskern umzugestalten. Zu demselben Auslegungsergebnis führt die Gegenüberstellung der Nr. 11 Abs. 1 lit. c mit den übrigen in der Satzung der Beklagten vorgesehenen Ausschlußgründen. Danach führen Verstöße gegen die Satzung oder Beschlüsse der Gewerkschaft ebenso wie Schädigungen ihres Ansehens oder ihrer Interessen schon nach lit. a und b der bezeichneten Bestimmung zum Ausschluß aus der Gewerkschaft. Wenn die Satzung darüber hinaus in einem eigenen Tatbestand zusätzlich die Tätigkeit in anderen Organisationen ohne Bezugnahme auf einzelne konkrete Schädigungen ihrer Interessen unter der Voraussetzung mit dem Ausschluß bedroht, daß diese Organisationen „die Gewerkschaften bekämpfen”, so weist auch dies nachdrücklich darauf hin, daß mit diesem weiteren Ausschlußgrund Organisationen gemeint sind, die nicht lediglich in einzelnen Fragen von der Gewerkschaft abweichende Auffassungen vertreten, sondern vielmehr allein Gruppierungen, bei denen sich der Einzelnachweis, daß die Tätigkeit für sie ein gewerkschaftsschädliches Verhalten darstellt, wegen ihrer grundlegenden gewerkschaftsfeindlichen Einstellung und Stoßrichtung generell erübrigt. Wortbedeutung und Sinnzusammenhang führen damit übereinstimmend zu dem Auslegungsergebnis, daß Nr. 11 Abs. 1 lit. c als allgemeiner Unvereinbarkeitstatbestand zu verstehen ist, der die Tätigkeit eines Gewerkschaftsmitgliedes in Organisationen erfassen soll, die vor dem Hintergrund einer generell feindseligen oder doch ablehnenden Einstellung gegenüber freien Gewerkschaften diese allgemein oder mindestens einzelne von ihnen mit dem Ziel angreifen, sie zu zerschlagen oder doch jedenfalls in ihrem geschichtlich gewachsenen von dem Grundgesetzgeber insbesondere in Art. 9 GG anerkannten und von der überwältigenden Mehrheit ihrer Mitglieder bejahten Erscheinungsbild zu beseitigen oder wesensmäßig umzugestalten (vgl. dazu auch die Senatsentscheidungen v. 15. Oktober 1990 sowie vom 28. September 1972, jeweils aaO).

IV.

Das Berufungsgericht hat den Prozeßstoff, insbesondere die politischen Aussagen des Parteiprogramms der „R.”, auf die sich der gegen den Kläger erhobene Vorwurf des Verstoßes gegen Nr. 11 Abs. 1 lit. c nahezu ausschließlich stützt, dahingehend gewürdigt, daß ihnen nicht die Absicht dieser Partei zu entnehmen ist, die Gewerkschaften im allgemeinen oder auch nur die Beklagte in dem oben (unter III.) näher umschriebenen Sinn zu bekämpfen. Auch dies hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. Auch die Revision vermag insoweit keinen Rechtsfehler aufzuzeigen. Sie erstrebt lediglich auf rein tatsächlicher Ebene eine andere ihr günstigere Würdigung des Sachverhaltes. Damit kann sie keinen Erfolg haben.

1. Das Parteiprogramm der „R.” vermeidet jeden Angriff auf die Existenz freier Gewerkschaften in dem in den westlichen Demokratien üblichen und geschichtlich gewachsenen Verständnis. Es bekennt sich vielmehr in seinen einleitenden grundsätzlichen Aussagen zur Wirtschaftspolitik nachdrücklich „zu Gewerkschaft und Tarifautonomie” als „unverzichtbarer Bestandteil” der von ihm bejahten, sozial verpflichtenden (an anderer Stelle, vgl. S. 44, als „sozialökologisch” bezeichneten) Marktwirtschaft (S. 43). Entgegen der Ansicht der Revision wird dieses grundlegende Bekenntnis der „R.” zu Gewerkschaften und Tarifautonomie auch nicht in den folgenden Abschnitten ihres Parteiprogramms durch abweichende Aussagen in einer Weise aufgehoben, die es rechtfertigen könnte, die „R.” allein aufgrund ihres Parteiprogramms als Organisation einzustufen, die sich den Kampf gegen die Gewerkschaften im Sinne der Nr. 11 Abs. 1 lit. c der Satzung der Beklagten zur Aufgabe gemacht hat.

TEXTDies gilt auch, soweit in dem folgenden Abschnitt des Parteiprogramms (S. 44) die Einheitsgewerkschaften an einer Stelle in Frage gestellt werden. Die dort geäußerte Kritik an der Einheitsgewerkschaft ist zwar schwerwiegend, da die Beklagte ebenso wie andere Gewerkschaften, wie die Revision zu Recht herausstellt, die Einheitsgewerkschaft wegen ihrer Geschlossenheit, die eine nachdrückliche und effektive Durchsetzung der Arbeitnehmerinteressen ermögliche, als wichtige organisatorische Errungenschaft der Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung betrachtet, zu der sich auch die Beklagte in Nr. 4 Abs. 1 ihrer Satzung als Organisationsprinzip bekennt. Es bedarf im gegebenen Zusammenhang keiner generellen Entscheidung der Frage, inwieweit auch schon grundsätzliche programmatische Angriffe auf einzelne gewerkschaftliche Organisationsprinzipien, die als solche, wie der Vergleich mit dem Ausland zeigt, die Existenz freiheitlicher Gewerkschaften und die Substanz ihres historisch gewachsenen Aufgabenkreises unberührt lassen, im Einzelfall den Ausschlußtatbestand des Bekämpfens der Gewerkschaften im Sinne von Nr. 11 Abs. 1 lit. c der Satzung der Beklagten erfüllen können. Denn jedenfalls kann dem Parteiprogramm der „R.” entgegen der Ansicht der Revision keine grundlegende Ablehnung der Einheitsgewerkschaft als Institution verbunden mit der Absicht, diese notfalls gewaltsam zu zerschlagen, entnommen werden. Soweit die Einheitsgewerkschaft in dem Parteiprogramm der „R.” in Frage gestellt (S. 44 oben) und ihr die Vorteile gewerkschaftlicher Vielfalt, wie sie in den anderen demokratischen Ländern besteht, gegenübergestellt werden, geschieht dies, wie bereits das Berufungsgericht rechtfehlerfrei festgestellt hat, ersichtlich ausschließlich in dem Kontext des dort gegen die existierenden Einheitsgewerkschaften erhobenen Vorwurfes einer ihrem eigenen Prinzip und der Vertretung der Interessen aller Arbeitnehmer untreu gewordenen ideologischen Einseitigkeit. Ungeachtet der polemisch zugespitzten Formulierung richtet sich die an dieser Stelle geäußerte Kritik mithin ersichtlich gerade nicht gegen die Einheitsgewerkschaft als Institution, sondern allein gegen ihre gegenwärtige, nach Ansicht der „R.” von mangelnder weltanschaulicher Neutralität geprägte politische Linie. Da sich das Programm zudem jeder Aussage über die Mittel enthält, mit denen die für wünschenswert erachtete gewerkschaftliche Vielfalt angestrebt werden soll, kann in den von der Beklagten beanstandeten Sätzen des Parteiprogramms der „R.” ohne Zerstörung des Sinnzusammenhanges nicht mehr als eine allerdings scharfe Kritik an dem gegenwärtigen äußeren Erscheinungsbild der Einheitsgewerkschaft und ihrer nach Ansicht dieser Partei einseitigen ideologischen Ausrichtung gesehen werden. Eine auf grundlegender Ablehnung beruhende Kampfansage gegen freiheitliche Gewerkschaften heutiger Prägung und ihre organisationsrechtliche Unabhängigkeit mit dem Ziel ihrer Beseitigung oder wesensmäßigen Umgestaltung (vgl. Sen.Urt. v. 28. September 1972 aaO) ist daraus nicht zu entnehmen. Der vorliegende Fall liegt insofern deutlich anders als die den Senatsentscheidungen vom 28. September 1972 und 15. Oktober 1990 (jeweils aaO) zugrundeliegenden Sachverhalte, in denen die aus ihrer Gewerkschaft ausgeschlossenen Kläger für politische Parteien aktiv waren, die in ihren Programmen Staats- und Gesellschaftsordnungen anstrebten, in denen für die Existenz und Tätigkeit freiheitlicher Gewerkschaften in dem allen Demokratien gemeinsamen Grundverständnis kein Raum wäre. In diese Richtung zielende Vorwürfe gegen die „R.” sind von der Beklagten nicht erhoben worden. Sie fänden auch in dem Programm dieser Partei keine Anhaltspunkte. Nach den von der Revision nicht angegriffenen ausdrücklichen Feststellungen des Berufungsgerichts sind gegenwärtig auch keine hinreichenden Anzeichen dafür gegeben, daß die „R.” abweichend von ihrem Parteiprogramm und über dieses hinausgehend die freiheitlich-demokratische Grundordnung, als deren Bestandteil sich die deutschen Gewerkschaften verstehen, bekämpfen wollen.

2. a) Entgegen der Ansicht der Revision kann auch aus der auf Seite 29 des Parteiprogramms geäußerten Kritik an der Beklagten nicht der Schluß gezogen werden, die „R.” hätten sich die Bekämpfung dieser Gewerkschaft im Sinne des Ausschlußtatbestandes der Nr. 11 Abs. 1 lit. c zur Aufgabe gemacht. Wenn das Parteiprogramm in diesem Abschnitt unter der Überschrift „Erziehung, Bildung, Wissenschaft, Kultur, Medien” seine Forderung nach unbehinderter Medienfreiheit mit dem Vorwurf an die beklagte Gewerkschaft verbindet, sie habe ihre Macht als Medieneinheitsgewerkschaft zu dem Versuch benutzt, durch Einflußnahme auf Redaktionen und Verlage die Veröffentlichung von ihr abgelehnter Beiträge zu verhindern, so liegt darin, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausführt, lediglich eine Kritik an einzelnen Verhaltensweisen der Beklagten. Ihr Existenzrecht und ihr legitimer Aufgabenbereich als unabhängige Vertretung der Arbeitnehmerinteressen werden damit jedoch ebensowenig grundlegend in Frage gestellt, wie ihr Organisationsprinzip als Einheitsgewerkschaft im Medienbereich. Noch weniger ist anzuerkennen, daß die darin zum Ausdruck kommende medienpolitische Zielsetzung der „R.”, wie die Revision ohne nähere Erläuterung meint, die Forderung nach einer wesensmäßigen Umgestaltung der beklagten Gewerkschaft zum Inhalt haben soll.

b) Schließlich ist dem Berufungsgericht auch darin zuzustimmen, daß unterschiedliche Aussagen zu einzelnen gesellschaftspolitischen Fragen – die Revision kommt in diesem Zusammenhang beispielhaft auf die Forderung des Parteiprogramms der „R.” nach Beendigung des Bleiberechtes von ausländischen Gastarbeitern nach einjähriger Arbeitslosigkeit zurück – von vornherein nicht unter den im vorliegenden Rechtsstreit allein zu prüfenden Ausschlußtatbestand der Nr. 11 Abs. 1 lit. c der Satzung der Beklagten fallen. Unterschiedliche Stellungnahmen zu Problemen im Schnittpunkt gewerkschaftlicher Tätigkeit und allgemeiner Gesellschaftspolitik sind keine Besonderheiten, die gerade das Verhältnis der Beklagten zu den „R.” betreffen. Meinungsunterschiede selbst in Grundsatzfragen treten auch in den Beziehungen der Gewerkschaften zu den klassischen politischen Parteien auf. Sie sind Teil des normalen demokratischen Meinungsbildungsprozesses und machen politische Parteien, die zu bestimmten politischen Fragen andere Ansichten als die beklagte Gewerkschaft vertreten, nicht zu feindlichen, die Gewerkschaften im allgemeinen oder die Beklagte im besonderen im Sinne des Ausschlußtatbestandes der Nr. 11 Abs. 1 lit. c ihrer Satzung bekämpfenden Organisationen. Die Unabhängigkeit der Gewerkschaftsbewegung wie diejenige der einzelnen Gewerkschaft wird dadurch ungeachtet der Probleme, die sich daraus im Einzelfall für denjenigen, der Mitglied in beiden Organisationen ist, ergeben können, ebensowenig in Frage gestellt, wie ihre Möglichkeit zu sachgerechter Wahrnehmung der Interessen der von ihr vertretenen Arbeitnehmer.

V.

Nach alledem ist die Würdigung des Prozeßstoffes durch das Berufungsgericht, wonach die Gewerkschaft nicht schlüssig darzulegen vermocht hat, daß die „R.” nach dem gegenwärtigen Sach- und Erkenntnisstand als eine die Gewerkschaften bekämpfende Organisation im Sinne von Nr. 11 Abs. 1 lit. c der Satzung der Beklagten angesehen werden müssen, aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Der allein auf die Tätigkeit für eine solche Organisation gestützte Ausschluß des Klägers aus der beklagten Gewerkschaft ist mithin, wie beide Vorinstanzen zutreffend entschieden haben, rechtlich unwirksam.

 

Fundstellen

DStR 1994, 30-32 (KT)

NJW 1994, 43

NJW 1994, 43-45 (LT)

LM BGB § 25, Nr. 32 (3/1994) (LT)

BGHR BGB § 25, Ausschließung 2 (LT)

NJW-RR 1994, 315 (L)

EWiR 1994, 19 (S)

WM IV 1993, 2172-2176 (LT)

WuB BGB § 39, II L 1.94 (LT)

ZIP 1994, 33

ZIP 1994, 33-36 (LT)

AP GG Art. 9, Nr. 70 (LT)

AR-Blattei ES 420, Nr. 37 (T)

ArbuR 1995, 380-381 (ST)

MDR 1994, 105 (LT)

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