Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehegattenerbvertrag
Leitsatz (amtlich)
Zur tatrichterlichen Prüfung der Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers bei sogenannten unbenannten Zuwendungen unter Ehegatten.
Normenkette
BGB § 2287
Tatbestand
Der Kläger ist der ersteheliche Sohn und aufgrund Erbvertrages seiner Eltern alleiniger Vertragserbe des Anfang 1988 verstorbenen Erblassers. Die Beklagte war seit Ende 1966 mit dem Erblasser in dessen zweiter Ehe verheiratet. Durch notariellen Vertrag vom 14. Februar 1975 schenkte der Erblasser der Beklagten sein gesamtes Mobiliar und belastete sein Wohnhausgrundstück mit einem lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch an Haus und Garage zugunsten der Beklagten. Nach Auflösung von Konten, die für den Erblasser und die Beklagte gemeinsam geführt wurden, erhielt die Beklagte 1986 72.000 DM und 1987 weitere 50.000 DM. Nach der Behauptung des Klägers hat der Erblasser der Beklagten diese Beträge sowie weitere 30.000 DM aus einem Wertpapierdepot und auch den Nießbrauch und das Mobiliar in der Absicht geschenkt, den Kläger zu benachteiligen. Demgegenüber beruft die Beklagte sich auf Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungs- sowie Zugewinnausgleichsansprüche und darauf, daß es sich um ehebedingte, unbenannte Zuwendungen gehandelt habe.
Nach Erledigung weitergehender Streitpunkte in den Vorinstanzen hat der Senat durch sein Urteil vom 27. November 1991 (BGHZ 116, 167ff.) entschieden, daß die unbenannte Zuwendung unter Ehegatten im Erbrecht grundsätzlich wie eine Schenkung zu behandeln ist. Demgemäß hat er das frühere Berufungsurteil aufgehoben, soweit es um die vom Kläger verlangte Zahlung von 152.000 DM nebst Zinsen und die Aufgabe des Nießbrauchs sowie Räumung und Herausgabe des belasteten Wohnhausgrundstückes geht.
Das Berufungsgericht hat die Sache in diesem Umfang neu verhandelt und Beweis erhoben. Unter Zurückstellung der Entscheidung über den Zahlungsantrag hat es durch Teilurteil die Beklagte antragsgemäß verurteilt, hinsichtlich des Nießbrauchrechts die Löschung zu bewilligen und zu beantragen und das Haus und die Garage zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Teilurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die in dem Senatsurteil vom 27. November 1991 gegebenen weiterführenden Hinweise hat das Berufungsgericht nicht genügend beachtet. Entgegen seiner Auffassung hängt die Entscheidung über den Nießbrauch auch davon ab, wie der Streit über den Rest ausgeht. Deshalb kann über den Anspruch des Klägers aus §§ 2287, 812 BGB nicht durch Teilurteil, nämlich nicht ohne weitere Feststellungen des Tatrichters entschieden werden.
1.
Zutreffend ist die angefochtene Entscheidung, soweit sie die Nießbrauchsbestellung im Jahre 1975 als eine unbenannte Zuwendung wertet, die im Rahmen des Anspruchs des Klägers aus § 2287 BGB als objektiv unentgeltlich anzusehen und wie eine Schenkung zu behandeln ist. Die Beklagte selbst hat von Anfang an den Standpunkt vertreten, es handele sich um eine ehebedingte, unbenannte Zuwendung. Es ist ihr nicht gelungen, ausreichend Tatsachen dafür vorzutragen, daß die danach anzunehmende objektive Unentgeltlichkeit hier ausnahmsweise verneint werden muß. Soweit ihre Revisionsangriffe diesen Punkt betreffen, kann sie die rechtsfehlerfrei im Berufungsurteil gegebene Begründung nicht erschüttern.
a)
Das Berufungsgericht hat die Überschrift des notariellen Vertrages vom 14. Februar 1975 "Nießbrauchsbestellungs- und Schenkungsvertrag" mit Recht als bedeutsames Indiz - aber eben nur als Indiz - für den Schenkungscharakter herangezogen. Der Auffassung der Revision, das Wort "Schenkungsvertrag" beziehe sich lediglich auf die Mobiliarschenkung, ist nicht zu folgen. Vielmehr spricht mindestens ebensoviel dafür, daß der Notar mit der Doppelüberschrift die zweifache Natur der Urkunde als dingliches Vollzugsgeschäft einerseits und dem zugrundeliegenden obligatorischen Schenkungsvertrag andererseits verdeutlichen wollte.
b)
Die Beklagte hat die Nießbrauchsbestellung im Rechtsstreit stets als ehebedingte, unbenannte Zuwendung angesehen. Das spricht gegen ein von ihr erbrachtes Äquivalent. In diesem Zusammenhang brauchte der Tatrichter auf den bereits am 3. Oktober 1968 abgeschlossenen Erbvertrag der Beklagten mit dem Erblasser nicht einzugehen. Darin hatte diese ihre Schwester als Alleinerbin eingesetzt. Der daneben dem Erblasser beschränkt auf seinen "verwitweten Stand" eingeräumte Nießbrauch am Nachlaß der Beklagten kann die Einordnung als unentgeltlich für den sechseinhalb Jahre später zugewendeten, sofort im Grundbuch eingetragenen Nießbrauch am ungleich wertvolleren Wohnhausgrundstück des Erblassers nicht in Frage stellen.
c)
Daß in der Vertragsurkunde vom 14. Februar 1975 niedergelegt ist, der Erblasser beabsichtige, die Beklagte "für die Zukunft abzusichern", ist vom Berufungsgericht mit Recht nicht als entscheidend gegen eine Schenkung sprechender Umstand betrachtet worden. Unstreitig hat die Beklagte das mit dem Nießbrauch belastete Wohnhausgrundstück jedenfalls ab August 1989 für monatlich 1.200 DM vermietet.
aa)
Auf diesen Betrag war und ist sie nicht angewiesen. Nicht zu beanstanden sind nämlich die Erwägungen des Tatrichters dazu, daß nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten die Nießbrauchseinräumung unterhaltsrechtlich nicht erforderlich war. Unstreitig finanzierte der Erblasser zu seinen Lebzeiten den gesamten Unterhalt beider Ehegatten einschließlich der Fahrzeuge und Urlaubsreisen. Der Kläger hat vorgetragen, das sei mit der mietfreien Wohnung und aus seinen laufenden Einkünften von damals rund 2.800 DM geschehen; die Beklagte habe ihre eigene Rente von 800 DM für eigene Zwecke verwenden können. Dem hat die Beklagte in ihrem Erwiderungsschriftsatz nur entgegengesetzt, daß sie ihre Rente erstmals in Gestalt einer Nachzahlung von knapp 12.000 DM am 14. Mai 1985 und danach mit monatlich 813, 93 DM bezogen habe. Konnte aber der großzügige Lebensstil der Ehegatten unstreitig mit dem mietfreien Wohnen und den Gesamteinkünften des Erblassers von "damals 2.800 DM" bestritten werden, dann sind die Erwägungen des Berufungsgerichts dazu nicht fehlerhaft, daß und warum die Beklagte auch für die Zukunft - also für die Zeit nach dem Tod des Erblassers - weitgehend abgesichert war. Unstreitig wohnt sie im eigenen Haus mietfrei und verfügt an Renten- und Mieteinkünften über mehr als 2.100 DM. Also kommt es auf die Erträge aus dem wegen ihres Pflichtteils und Zugewinnausgleichs ihr verbleibenden Teil des Erblasservermögens und auf die nicht unerheblichen Zinserträge nicht einmal an, die sie aus den ihr 1986 und 1987 unstreitig ausgezahlten und neben dem Nießbrauch im Streit befindlichen 152.000 DM ziehen kann.
bb)
Allerdings kann die Pflicht des Ehegatten, gegebenenfalls für eine angemessene Alterssicherung zu sorgen, der Einordnung einer Zuwendung als unentgeltlich entgegenstehen (BGHZ 116, 167, 173 m.w.N.). Das ist jedoch nicht die Regel (a.a.O. S. 174).
Hier war die Absicht zur Zukunftssicherung nur vorgeschoben. Das ergibt die vom Tatrichter getroffene Feststellung, der Erblasser habe mit dem Wissen und der Billigung der Beklagten den Nießbrauch bei der Bestellung im Jahre 1975 ihr "ausschließlich in der Absicht zukommen lassen, den Kläger als... Vertragserben zu beeinträchtigen". Die von der Revision gegen diese tatrichterliche Feststellung erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft; sie sind nicht begründet (§ 565a ZPO).
Im Hinblick auf diese Feststellung ist die erstmals in ihrem Schriftsatz vom 17. Februar 1993 vorgetragene Behauptung der Beklagten unerheblich, der Erblasser habe im Beisein ihrer Schwester erklärt, die Beklagte solle nach seinem Tod in ihr Haus nach B. ziehen, das ihr zum Nießbrauch gegebene Haus vermieten und aus der Miete leben. Nach der genannten tatrichterlichen Feststellung muß nämlich davon ausgegangen werden, daß auch dieser im Beisein der Schwester der Beklagten gegebene Hinweis auf die Zukunftssicherung nur der Verschleierung der Beeinträchtigungsabsicht dienen sollte. Deshalb kann unerörtert bleiben, welche Bedeutung es hat, daß die Beklagte insoweit widersprüchlich vorgetragen, nämlich ebenso behauptet hat, der Erblasser habe ihr zur Zukunftssicherung das Weiterwohnen auf dem Nießbrauchsgrundstück zuwenden wollen.
2.
Der Tatrichter hat demgemäß verfahrensfehlerfrei die Feststellung getroffen, der Erblasser (und die Beklagte) hätten mit der Nießbrauchsbestellung ausschließlich die Absicht verfolgt, den Kläger als Vertragserben zu beeinträchtigen. Damit und weiter im Hinblick auf die Erörterung der unterhaltsrechtlichen Seite ist ausgeschlossen, daß der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an dieser Schenkung gehabt hat. Vielmehr ist auch das Vorliegen der (erst) im Rahmen der Mißbrauchsprüfung zu behandelnden Anspruchsvoraussetzung der Benachteiligungsabsicht (BGHZ 82, 274, 272; 108, 73, 77; 116, 167, 176) zu bejahen.
3.
Rechtsfehlerhaft hat der Tatrichter ohne weitere Prüfung allein im Hinblick auf die Tatsache der Nießbrauchsbestellung angenommen, der Kläger sei durch diese Schenkung benachteiligt.
a)
In seinem Urteil vom 27. November 1991 hat der Senat zum Umfang der insoweit erforderlichen Prüfung ausgeführt (BGHZ 116, 167, 175):
Dazu gehört auch die Frage, ob und in welchem Umfang der Kläger durch die möglichen Zuwendungen des Erblassers trotz der Ansprüche der Beklagten auf Zugewinnausgleich und auf ihren Pflichtteil überhaupt benachteiligt ist und gegebenenfalls in welchem Umfang.
Dieser Hinweis geht auf die Rechtsprechung des Senats zurück, wonach der Bereicherungsanspruch aus § 2287 BGB auf das beschränkt ist, was nach Begleichung des Pflichtteils des Beschenkten übrig bleibt (BGHZ 88, 269, 272). Demgemäß setzt eine rechtsfehlerfreie Feststellung der Beeinträchtigung des Klägers und ihres Umfangs voraus, daß die Zugewinn- und Pflichtteilsansprüche der Beklagten der Höhe nach festliegen.
b)
Weiter (BGHZ 116, 167, 177) hat der Senat ausdrücklich zur Nießbrauchsbestellung gesagt:
Da hier mehrere Vermögensverschiebungen in Betracht kommen, fragt es sich, ob der Kläger in seinen berechtigten Erberwartungen erst infolge des Zusammenwirkens aller Zuwendungen (oder einiger von ihnen) objektiv beeinträchtigt ist. Ist das der Fall, dann wird weiter zu berücksichtigen sein, daß auch im Rahmen von § 2287 BGB der Rechtsgedanke der §§ 2329 Abs. 3, 528 Abs. 2 BGB zum Zuge kommen muß. Das beruht dar auf, daß die früheren Zuwendungen des Erblassers den Vertragserben im allgemeinen weniger einschneidend beeinträchtigen als die späteren (vgl. BGHZ 85, 274, 283, 284; Senatsurteil vom 13.2.1991 - IV ZR 108/90 - WM 1991, 1311, 1313).
Die im Senatsurteil vom 13. Februar 1991 unter 4. d) erwähnte "Rangordnung" führt zum Grundsatz der "Posteriorität". Danach wird zu beachten sein, daß die Zuwendung des Nießbrauchs im Februar 1975 möglicherweise die jüngste in Betracht zu ziehende Schenkung darstellt, auf die der Kläger am ehesten Zugriff nehmen darf, während die Konten unstreitig bereits vorher gemeinschaftlich waren.
c)
Diese ihm aufgegebenen Prüfungen hat der Tatrichter unterlassen; er wird sie nachholen müssen.
Fundstellen