Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 21. November 2000 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagten mit der Begründung, sie hätten als von ihm beauftragte Rechtsanwälte ihre Pflichten in einem Umlegungsverfahren verletzt, auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. März 1999 hat er mit einem Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten von diesem Tage die Berufung begründet. Auf dem Eingangsstempel des Oberlandesgerichts ist vermerkt, daß der Schriftsatz über den Nachtbriefkasten „nach 24.00 Uhr des 22. März 1999” eingegangen sei. Nach einem entsprechenden Hinweis der Senatsvorsitzenden hat der Kläger vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter habe am 22. März 1999 zusammen mit dessen damaliger Mitarbeiterin und jetzigen Ehefrau bis etwa 22.30 Uhr an dem Schriftsatz gearbeitet. Die Mitarbeiterin habe in Anwesenheit des Prozeßbevollmächtigten um 22.50 Uhr die Kanzlei verlassen und sei mit dem Schriftsatz zum 300 Meter entfernten Oberlandesgericht gefahren, wo sie ihn zusammen mit einem weiteren Schriftsatz – dieser enthält einen gleichlautenden Eingangsstempel – in den Nachtbriefkasten eingeworfen habe. Gleichzeitig hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Nach Aufhebung dieser Entscheidung durch den Senat (Urteil vom 30. März 2000 – IX ZR 251/99, NJW 2000, 1872) hat das Oberlandesgericht die Berufung wiederum verworfen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die nach § 547 ZPO zulässige Revision ist nicht begründet.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der gerichtliche Eingangsstempel eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO ist und den Beweis für den Zeitpunkt des Eingangs erbringt, daß dieser Beweis jedoch durch den Nachweis der Unrichtigkeit des im Eingangsstempel ausgewiesenen Zeitpunkts entkräftet werden kann (BGH, Urteil vom 30. März 2000 aaO S. 1873). Das Berufungsgericht hat im Streitfall diesen Gegenbeweis durch die von ihm durchgeführte Beweisaufnahme nicht als erbracht angesehen. Es hat sich von der ordnungsmäßigen Funktion des Nachtbriefkastens überzeugt und in Anbetracht der Aussage des von ihm als Zeugen vernommenen, für die Leerung des Nachtbriefkastens zuständigen Beamten, des Justizobersekretärs B., die Bekundungen der weiteren Zeugen, nämlich des damaligen Prozeßbevollmächtigten des Klägers, seiner Büroangestellten und jetzigen Ehefrau W. und der am Abend des 22. März 1999 zeitweise im Büro anwesenden Buchhalterin C., nicht zur Widerlegung der von dem Eingangsstempel ausgehenden Beweiswirkung ausreichen lassen. Nach den im wesentlichen übereinstimmenden Aussagen dieser Zeugen soll die jetzige Ehefrau des Prozeßbevollmächtigten seinerzeit kurz vor 23.00 Uhr die Anwaltskanzlei mit dem Berufungsbegründungsschriftsatz verlassen und mit dem Auto zum nahegelegen Oberlandesgerichtsgebäude gefahren sein sowie den Schriftsatz zusammen mit dem erwähnten anderen – lange vor Mitternacht – in den Nachtbriefkasten eingeworfen haben.
Der Senat, der in der von Amts wegen zu prüfenden Frage der Zulässigkeit der Berufung nicht an die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts gebunden ist (BGH, Beschluß vom 27. November 1996 – XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312), tritt der Beurteilung durch das Oberlandesgericht bei. Die Revision weist demgegenüber darauf hin, daß der Zeuge B. nach seiner Schilderung jeweils am Morgen nach Leerung des Briefkastens die dort in zwei verschiedenen Säcken (einem für die bis und einem für die nach 24.00 Uhr eingegangene Post) befindlichen Schriftstücke nach deren Entnahme ungetrennt und zunächst ungestempelt vom Keller nach oben in die Geschäftsstelle zu tragen und erst dort abzustempeln pflege. Bei einer solchen Behandlung könnten, so meint die Revision, die Schriftstücke unterwegs leicht durcheinander geraten und, oben angekommen, den falschen Stempelaufdruck erhalten.
Diese für die allgemeine Handhabung möglicherweise richtige Erwägung hat für den konkreten Vorgang, der hier zu beurteilen ist, keine Bedeutung. Der Zeuge B. hat, wie das Berufungsgericht in seinem Urteil festgehalten hat, ausgesagt, er könne sich daran erinnern, daß ihm am Morgen des 23. März 1999 beim Leeren des Briefkastens die beiden nicht in einem Umschlag befindlichen Schriftsätze des Prozeßbevollmächtigten des Klägers, neben denen sich nur noch wenig weitere Post – Beihilfeanträge von Referendaren – in dem für Eingänge nach 24.00 Uhr bestimmten Sack befunden habe, sofort aufgefallen seien, weil es sich erkennbar um fristgebundene Schriftsätze gehandelt habe, bei denen die Gefahr der Verspätung bestanden habe. Ausweislich des Protokolls über seine Vernehmung hat der Zeuge aus diesem Grund von sich aus die Geschäftsstelle informiert, weil ihm die Angelegenheit kritisch erschien. Daß er an die beiden Schriftstücke eine konkrete Erinnerung habe, hatte B. auch bereits am 19. April 1999 in einer „schriftlichen Stellungnahme” der Gerichtsverwaltung gegenüber angegeben. Wenn es so war, kann sich die allgemeine Gefahr, daß Schriftstücke aus beiden Teilen des Briefkastens beim Transport in die Geschäftsstelle durcheinander geraten, in diesem Fall nicht ausgewirkt haben. Das Berufungsgericht hat im Hinblick auf die Angaben des für die Briefkastenleerung zuständigen Beamten, für deren Unrichtigkeit es keine sonstigen Anhaltspunkte gibt, die Darstellung, die die übrigen Zeugen von den Vorgängen am Abend des 22. März 1999 gegeben haben, mit Recht nicht zur Widerlegung der Datumsangabe im Eingangsstempel ausreichen lassen.
2. Die Revision wendet sich ohne Erfolg auch dagegen, daß das Berufungsgericht dem hilfsweise gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben hat. Eine Partei ist zwar, wie bereits im ersten Revisionsurteil dargelegt ist, nicht gehindert, für den Fall, daß sie den rechtzeitigen Eingang eines fristgebundenen Schriftsatzes nicht zu beweisen vermag, Wiedereinsetzung mit der Begründung zu beantragen, sie und ihren Prozeßbevollmächtigten treffe kein Verschulden an der Fristversäumung. Der Senat hat jedoch in jenem Urteil auch darauf hingewiesen, daß die Darstellung des Klägers von den Vorgängen am Abend des 22. März 1999 keinen Raum für die Annahme läßt, der Berufungsbegründungsschriftsatz könnte ohne Verschulden des Prozeßbevollmächtigten zu spät in den Briefkasten eingeworfen worden sein. Die Revision macht geltend, der Kläger würde gegen seine Wahrheitspflicht verstoßen, wenn er ins Blaue hinein behaupten würde, auf dem Weg seiner (jetzigen) Ehefrau zum Oberlandesgericht sei es zu Verzögerungen gekommen. Ein verspäteter Einwurf des Schriftsatzes in den Briefkasten könne jedoch nur entweder darauf beruhen, daß der Schriftsatz das Anwaltsbüro zu spät verlassen habe, oder darauf, daß die Zeugin W. den Einwurf aus unbekannten Gründen verzögert habe; daß ersteres nicht der Fall gewesen sei, ergebe sich insbesondere aus der Aussage der damals zufällig in der Anwaltskanzlei anwesenden Zeugin C., die bestätigt habe, daß die jetzige Ehefrau des Prozeßbevollmächtigten das Büro rechtzeitig verlassen habe.
Das reicht nicht aus, um glaubhaft zu machen, daß es erst auf dem Weg zum Oberlandesgericht und damit ohne Verschulden des Prozeßbevollmächtigten des Klägers zu einer Verspätung gekommen ist. Eine solche Annahme würde voraussetzen, daß (nur) der Prozeßbevollmächtigte und die Zeugin C. die Wahrheit, die Zeugin W. aber die Unwahrheit gesagt haben; diese hat erklärt, sie habe sich „direkt ins Auto gesetzt und … (sei) zum OLG gefahren”, und auf Nachfrage nochmals betont, daß sie „tatsächlich unmittelbar zum Nachtbriefkasten gefahren” und nicht irgendwie abgelenkt worden sei. Eine positive Feststellung, daß (nur) dieser Teil der Aussage der Zeugin unzutreffend und die übrige Darstellung der Ereignisse durch sie und ihren (jetzigen) Ehemann sowie die Zeugin C. richtig ist, läßt sich jedoch nicht treffen.
Unterschriften
Kreft, Stodolkowitz, Fischer, Raebel, Kayser
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.09.2001 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen