Orientierungssatz
1. Bei der Beschlußfassung über die fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrages darf der betroffene Gesellschafter nicht mitstimmen.
2. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund kann nicht darauf abgestellt werden, daß das Dienstverhältnis allein schon wegen einer ordentlichen Kündigung abgelaufen ist, wenn sich bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages sämtliche Gesellschafter einig waren, daß der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers und Mitgesellschafters bei Fehlen eines wichtigen Grundes nicht ohne seine Zustimmung beendet werden könne. Insoweit muß erst die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung geklärt werden.
Tatbestand
Die am 18. Juli 1973 gegründete Beklagte ist die persönlich haftende Gesellschafterin der F. & N. K. GmbH und Co. KG, die sich im wesentlichen mit Tunnelbauten beschäftigt. Von dem Stammkapital der Beklagten in Höhe von DM 125.000 halten die Gesellschafterin U. L. DM 75.000 und ihr Sohn K. L. sowie der Kläger je DM 25.000. Nach § 5 des Gesellschaftsvertrages ist jeder Geschäftsführer zur alleinigen Geschäftsführung und Vertretung der Beklagten berechtigt, solange die genannten Personen Geschäftsführer sind. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung bedürfen die Gesellschafter für eine Reihe von Maßnahmen, darunter für „sonstige außergewöhnliche Geschäfte” (Abs. 3 h), der Zustimmung aller Gesellschafter. Nach § 7 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages werden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit der anwesenden Stimmen gefaßt. Für eine Reihe einzeln aufgeführter Geschäfte ist 3/4 Mehrheit oder Einstimmigkeit vorgeschrieben.
Bis zum Eintritt der Beklagten am 1. Januar 1974 war die Kommanditgesellschaft ein reines Familienunternehmen. Einzige persönlich haftende Gesellschafterin war U. L., einziger Kommanditist K. L. Bei Eintritt der Beklagten erhielt auch der Kläger, der für die Kommanditgesellschaft schon viele Jahre lang als leitender Angestellter tätig gewesen war, einen Kommanditanteil. Nach dem am 19. April 1974 neu abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag ist die Beklagte einzige persönlich haftende Gesellschafterin mit einer Kapitaleinlage von DM 125.000, Kommanditisten sind U. L. mit einer Kommanditeinlage von DM 1.575.000 sowie K. L. und der Kläger mit Kommanditeinlagen von je DM 150.000. Nach § 3 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages bringt die Beklagte außerdem „ihre Arbeitskraft, repräsentiert durch ihre Geschäftsführer” ein. Nach § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages sind die Gesellschafter verpflichtet, der Kommanditgesellschaft während der Zeit, in der sie ihr angehören, sowie für die Dauer von zwei Jahren nach ihrem Ausscheiden keine Konkurrenz zu machen.
Beide Gesellschaftsverträge enthalten ferner unter anderem Bestimmungen, wonach ein ausscheidender Gesellschafter nur den nominalen Wert seines Anteils bzw. seines Ausscheidungsguthabens (ohne Berücksichtigung der stillen Reserven und des Firmenwertes) erhält, sowie Nachfolgeregelungen, durch die nach dem Tode der Gesellschafterin U. L. eine paritätische Beteiligung der Stämme des Klägers und K. L. erreicht werden soll.
Die Beklagte schloß mit dem Kläger einen Anstellungsvertrag als Geschäftsführer, der zunächst bis zum 31. Dezember 1980 galt und sich jeweils um drei Jahre verlängern sollte, wenn er nicht von einem Vertragspartner unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten mit eingeschriebenem Brief gekündigt würde.
Auf einer am 22. Januar 1983 abgehaltenen Gesellschafterversammlung der Beklagten, an der alle Gesellschafter teilnahmen, wurde mit den Stimmen der Mehrheitsgesellschafterin U. L. unter Stimmenthaltung des Gesellschafters K. L. beschlossen, den Kläger mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abzuberufen, seinen Anstellungsvertrag zum 31. Dezember 1983 zu kündigen, ihn mit sofortiger Wirkung zu beurlauben und ihm ein Hausverbot zu erteilen. Die Wirksamkeit dieses Beschlusses und der auf ihm beruhenden Maßnahmen gegenüber dem Kläger ist Gegenstand eines Parallelrechtsstreits (LG Kassel 11 O 36/83 – OLG Frankfurt am Main 14 U 185/83 – BGH II ZR 240/85).
Seit etwa 1981 ermittelte das Bundeskartellamt gegen rund 160 Baufirmen, insbesondere auch solche, die wie die K. KG mit dem Tunnelbau befaßt waren, wegen verbotener Preisabsprachen. Dabei wurden auch die Geschäftsräume der K. KG durchsucht. Mit Schreiben vom 21. Januar 1983 erhob das Bundeskartellamt gegen den Kläger den Vorwurf, in vier Fällen verbotene Preisabsprachen getroffen und in 17 Fällen vorsätzlich Aufsichtsmaßnahmen unterlassen zu haben, die erforderlich gewesen wären, um solche Verstöße der Gesellschaft zu verhindern. Gegen U. L. und K. L. wurde der Vorwurf vorsätzlicher oder fahrlässiger Unterlassung von Aufsichtsmaßnahmen erhoben. Daraufhin wurde in der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 8. Februar 1983 in Anwesenheit des Klägers mit den Stimmen der Gesellschafter U. und K. L. beschlossen, den Anstellungsvertrag des Klägers fristlos zu kündigen. Auf Anweisung der Gesellschafterversammlung sprach der Gesellschafter K. L. diese Kündigung zunächst mündlich gegenüber dem Kläger aus. Mit Schreiben an den Kläger vom 9. Februar 1983 bestätigte er die Kündigung nochmals. Durch Bußgeldbescheid vom 21. September 1983 wurde wegen der erwähnten Vorwürfe gegen den Kläger ein Bußgeld in Höhe von DM 20.000, gegen die F. & N. K. GmbH und Co. KG ein solches von DM 180.000 festgesetzt. Beide legten Einspruch ein. Die Kommanditgesellschaft nahm jedoch später auf Empfehlung ihres Kartellrechtsanwalts ihren Einspruch als aussichtslos zurück, nachdem ihr Ratenzahlungen bewilligt worden waren. Der Kläger ist inzwischen vom Kartellsenat des Kammergerichts im Bußgeldverfahren rechtskräftig freigesprochen worden.
Der Kläger begehrt die Feststellung, daß sein Dienstverhältnis durch die ihm am 8. Februar 1983 von dem Geschäftsführer K. L. erklärte fristlose Kündigung nicht beendet worden sei, sondern fortbestehe; ferner hat er gegen den zugrundeliegenden Beschluß der Gesellschafterversammlung vom selben Tage Anfechtungsklage mit dem Ziel erhoben, daß dieser für nichtig erklärt wird.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat beiden Klageanträgen stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Zurückverweisung.
I. 1. Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß die fristlose Kündigung des Klägers und der ihr zugrundeliegende Gesellschafterbeschluß unwirksam sind, wenn es an einem wichtigen Grund fehlt. Dies folgt zwar entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht daraus, daß es sich im vorliegenden Fall um eine Geschäftsführungsmaßnahme handelt, die gemäß § 5 Abs. 3 h der Satzung der Beklagten der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter und damit auch des Klägers bedurft hätte. Wie der Senat entschieden hat, darf ein Gesellschafter schon dann nicht mitstimmen, wenn über seine Abberufung aus einem von den Mitgesellschaftern behaupteten wichtigen Grund beschlossen werden soll (Urt. v. 21. August 1969 – II ZR 200/67, LM Nr. 5 zu § 38 GmbHG, BGHZ 86, 177 f). Für die Beschlußfassung über die Kündigung des Anstellungsverhältnisses kann nichts anderes gelten (so ausdrücklich auch Hachenburg-Martens, GmbHG, 7. Aufl., § 38 Rdnr. 22). Der Kläger ist aber befugt, den Beschluß mit der Begründung anzufechten, es habe an einem wichtigen Grund und damit an der materiellen Berechtigung zur Kündigung seines Dienstverhältnisses gefehlt (vgl. Sen. Urt. v. 28. Januar 1985 – II ZR 79/84, WM 1985, 567 ff.).
2. Das Berufungsgericht hat zugunsten der Beklagten unterstellt, daß die vom Bundeskartellamt erhobenen Vorwürfe, der Kläger habe sich an verbotenen Preisabsprachen beteiligt, berechtigt seien. Es hat jedoch die fristlose Kündigung des Klägers trotzdem als unwirksam angesehen, weil die Beklagte den Dienstvertrag schon vorher fristgemäß zum 31. Dezember 1983 gekündigt hatte und es ihr deshalb zumutbar gewesen sei, das Anstellungsverhältnis für die bis dahin verbleibende verhältnismäßig kurze Zeit fortzusetzen.
Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob das Berufungsgericht in allen Punkten seiner Begründung der Schwere der von ihm unterstellten kartellrechtlichen Verstöße gerecht geworden ist. Diese Bedenken bedürfen jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn dem Berufungsgericht kann wenigstens im Ergebnis gefolgt werden, wenn der Dienstvertrag bereits gekündigt und deshalb nur noch über die Zumutbarkeit der Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses bis zum 31. Dezember 1983 zu befinden war. Die Revision macht zwar geltend, die Beklagte habe sich mit sofortiger Wirkung vom Kläger trennen müssen, weil sie wirtschaftlich von der Bundesbahn abhängig gewesen sei und bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers habe befürchten müssen, keine Aufträge mehr zu erhalten. Davon mußte das Berufungsgericht jedoch nicht ausgehen. In Anbetracht der Kürze der bis zu der angenommenen Beendigung des Anstellungsverhältnisses am 31. Dezember 1983 verbleibenden Frist und der Tatsache, daß die Berechtigung der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe des Bundeskartellamtes nicht feststand, sondern Gegenstand der Klärung in einem noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen gerichtlichen Verfahren war, drängte es sich nicht auf, daß die Beklagte mit unmittelbaren wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen hatte, wenn sie das Anstellungsverhältnis des Klägers nicht mit sofortiger Wirkung löste.
II. Das angefochtene Urteil kann jedoch deshalb keinen Bestand haben, weil es, wie die Revision zu Recht rügt, allein auf der Annahme beruht, das Dienstverhältnis des Klägers laufe zum 31. Dezember 1983 ab, und nicht feststeht, daß diese Voraussetzung zutrifft. Die dem Urteil des Berufungsgerichtes zugrundeliegende Annahme ist deshalb fraglich, weil der Kläger in dem Parallelrechtsstreit (LG Kassel 11 O 36/83 – OLG Frankfurt am Main 14 U 185/83) die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung zum 31. Dezember 1983 u.a. mit der Begründung angegriffen hat, bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages habe unter sämtlichen Gesellschaftern Einverständnis darüber bestanden, daß sein Anstellungsvertrag als Geschäftsführer der Beklagten bei Fehlen eines wichtigen Grundes nicht ohne seine Zustimmung beendet werden könne. Dies ist auch in dem vorliegenden Rechtsstreit zu berücksichtigen. Beide Prozesse sind in den Vorinstanzen parallel geführt und vom Berufungsgericht gleichzeitig entschieden worden. Der Kläger hat ausdrücklich bereits in der Klagschrift seinen Vortrag in der Parallelsache durch Bezugnahme in den Prozeß eingeführt. Das Berufungsgericht konnte deshalb nicht davon ausgehen, daß der Dienstvertrag des Klägers unter allen Umständen am 31. Dezember 1983 endete. Es mußte vielmehr, soweit es nach seiner Ansicht auf die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung ankam, den Sach- und Streitstand in dem anderen Verfahren mitberücksichtigen. Inwieweit dies ohne Rechtsfehler geschehen ist, ist im Revisionsverfahren nachprüfbar.
Das Berufungsgericht legt nicht ausdrücklich dar, womit es die von ihm unterstellte Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung begründet. Es liegt jedoch nahe anzunehmen, daß sich das Berufungsgericht auf sein am selben Tage verkündetes Berufungsurteil in dem Parallelverfahren stützen will, durch das es die Abweisung der Klage, mit der der Kläger u.a. die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung seines Anstellungsvertrages geltend macht, bestätigt hat. Dieses Urteil ist jedoch nicht dazu geeignet, die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung zum 31. Dezember 1983 festzustellen. Es erweist sich vielmehr, wie sich aus der Entscheidung des Senats in der Parallelsache II ZR 240/85 vom gleichen Tage ergibt, als rechtsfehlerhaft, weil das Berufungsgericht den unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers, sämtliche Gesellschafter seien sich bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages einig gewesen, daß sein Anstellungsvertrag bei Fehlen eines wichtigen Grundes nicht ohne seine Zustimmung kündbar sein solle, übergangen hat. Unter diesen Umständen beruht die Entscheidung des Oberlandesgerichtes, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, das Dienstverhältnis des Klägers fristlos zu kündigen, auf der Annahme eines nicht feststehenden, sondern erst noch klärungsbedürftigen Umstandes. Sie kann deshalb mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht bestehen bleiben.
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes läßt sich auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten. Das Oberlandesgericht hat lediglich entschieden, daß es der Beklagten zumutbar gewesen wäre, das Anstellungsverhältnis des Klägers noch bis zum 31. Dezember 1983 fortzusetzen. Es fehlt an einer Abwägung, ob der Beklagten die Weiterbeschäftigung auch dann zumutbar gewesen wäre, wenn die zum 31. Dezember 1983 ausgesprochene Kündigung unwirksam war und für die Beklagte keine Möglichkeit bestand, sich durch eine befristete ordentliche Kündigung in absehbarer Zeit von dem Kläger zu trennen. Da diese Abwägung sowie die Feststellung der dafür heranzuziehenden Tatsachen, die auch alle bisher nicht berücksichtigten, den Kläger entlastenden Umstände einzubeziehen hat, dem Tatrichter vorbehalten ist, kann sie der Senat nicht selbst vornehmen. Das Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 650003 |
NJW 1987, 1889 |