Entscheidungsstichwort (Thema)
Abtretung von Lebensversicherungsansprüchen. Sicherung der Schuld eines Dritten. Nachrangige Bezugsrechtsvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
Tritt der Versicherungsnehmer seine Ansprüche aus einer Lebensversicherung zur Sicherung der Schuld eines Dritten an dessen Gläubiger ab, so sprechen die Interessen der Beteiligten regelmäßig dafür, dass der vereinbarte Sicherungszweck sich nicht mit dem Tod des Versicherungsnehmers erledigt haben soll.
Eine vor der Sicherungsabtretung widerruflich getroffene Bezugsrechtsbestimmung steht dann auch in der Zeit nach Eintritt des Versicherungsfalls - bis auf weiteres - im Rang hinter den Rechten des Sicherungsnehmers zurück (Fortführung von BGHZ 109, 67).
Normenkette
VVG a.F. § 166; VVG n.F. § 159
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des KG vom 12.12.2008 wird auf Kosten der Klägerin, die auch die Kosten der Nebenintervention zu tragen hat, zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin begehrt als widerruflich eingesetzte Bezugsberechtigte einer bei der Beklagten abgeschlossenen Risikolebensversicherung die Zahlung der Todesfallleistung.
Rz. 2
Der verstorbene Versicherungsnehmer - der Lebensgefährte der Klägerin - hatte den Anspruch auf die Todesfallleistung unter Übergabe des Versicherungsscheins zur Sicherung an die Streithelferin der Beklagten, eine Sparkasse, abgetreten und dabei das Bezugsrecht der Klägerin widerrufen, "insoweit es den Rechten der Sparkasse entgegensteht". Hierbei wurde eine Formularerklärung der Streithelferin verwendet. Gesichert werden sollten deren Forderungen gegen eine GmbH & Co. KG aus einem Kontokorrentkredit. Nach dem Tod des Versicherungsnehmers im Oktober 1999 brachte die Beklagte im Juni 2000 auf Anweisung der Streithelferin die Todesfallleistung von 383.468,91 EUR dem Kontokorrentkonto gut. Sowohl im Zeitpunkt des Todes des Versicherungsnehmers als auch bei Anforderung und Leistung der Auszahlung stand das Kontokorrentkonto mit über 1,5 Mio. EUR im Soll. Den Kontokorrentkredit kündigte die Streithelferin Ende des Jahres 2001.
Rz. 3
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei ihr als Bezugsberechtigter verpflichtet geblieben und durch die Zahlung an die Streithelferin nicht befreit worden. Diese habe kein erkennbares Interesse an einer Sicherung über den Tod des Versicherungsnehmers hinaus gehabt. Da die Streithelferin bei Eintritt des Versicherungsfalles nicht von ihrem Verwertungsrecht Gebrauch gemacht habe, sei der ihr eingeräumte Vorrang weggefallen.
Rz. 4
Das LG hat die Klage abgewiesen, das OLG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Rz. 6
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagte durch die Zahlung an die Streithelferin von ihrer Leistungsverpflichtung frei geworden sei und daher ein Anspruch der Klägerin nicht mehr bestehe.
Rz. 7
Zwar sei die Klägerin ursprünglich widerruflich als Bezugsberechtigte bestimmt worden, was durch den im Zuge der Sicherungsabtretung erfolgten Widerruf nicht vollständig beseitigt worden sei. Vielmehr sei das Recht der Klägerin nur im Rang hinter das Recht der Streithelferin zurückgetreten, soweit der Sicherungszweck dies erfordert habe. Daher hätte der Klägerin ein eigener Anspruch gegen die Beklagte zugestanden, wenn und soweit die Todesfallleistung die zu sichernde Forderung überstiegen hätte, was nicht der Fall gewesen sei. Unschädlich sei, dass die Saldoforderung mangels Kündigung des Kontokorrentkredits noch nicht fällig gewesen sei. Eine Auslegung der Sicherungsabrede ergebe, dass auch künftig entstehende und fällig werdende Forderungen aus dem Kontokorrentkredit vom Sicherungszweck erfasst gewesen sein sollten.
Rz. 8
Die Streithelferin sei auch nicht verpflichtet gewesen, nach Eintritt des Versicherungsfalles den Kontokorrentkredit zu kündigen, um die Saldoforderung fällig zu stellen und den Anspruch auf die Todesfallleistung zeitnah zu verwerten. Vielmehr sei sie nach dem Sicherungsvertrag berechtigt gewesen, die Versicherungsforderung schon vor Verwertungsreife einzuziehen. Daher habe die Beklagte mit befreiender Wirkung an die Streithelferin als materiell Berechtigte geleistet. Ob sich die befreiende Wirkung daneben auch aus der Legitimationswirkung des von der Streithelferin vorgelegten Originalversicherungsscheins ergebe, könne dahinstehen.
Rz. 9
II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 10
1. Das Berufungsgericht hat den anlässlich der Sicherungsabtretung erklärten Widerruf der Bezugsrechtsbestimmung zugunsten der Klägerin zutreffend so verstanden, dass ihr Recht in dem durch den Sicherungszweck bestimmten Umfang im Rang hinter das Recht der Streithelferin zurückgesetzt wurde. Dieser Vorrang der Streithelferin bestand sowohl bei Eintritt des Versicherungsfalles als auch bei der Auszahlung der Versicherungssumme fort, weil zu beiden Zeitpunkten die zu sichernde Forderung die Versicherungssumme überstieg. Die Streithelferin war daher bei der Auszahlung materiell berechtigte Inhaberin des gesamten Anspruchs auf die Todesfallleistung, weshalb die Beklagte von ihrer Leistungspflicht frei wurde (§ 362 Abs. 1 BGB).
Rz. 11
a) Die Reichweite des Widerrufs einer Bezugsrechtsbestimmung ist ebenso wie der - in der Sicherungsabrede vereinbarte - Sicherungszweck einer Sicherungsabtretung für jeden Einzelfall durch Auslegung zu bestimmen. Da es sich hier sowohl bei der Widerrufserklärung als auch bei der Sicherungsabrede um formularmäßige Erklärungen handelt, die im Bundesgebiet allgemein verwendet werden, kann der Senat die Erklärungen selbst frei auslegen (vgl. nur BGH, Urt. v. 18.10.1989 - IVa ZR 218/88, BGHZ 109, 67 [70 m.w.N.]).
Rz. 12
b) Der Senat teilt die Auslegung des Berufungsgerichts, die insb. die bisherige Senatsrechtsprechung zur Kollision einer Sicherungsabtretung mit einer widerruflichen Bezugsrechtsbestimmung beachtet und zutreffend fortführt.
Rz. 13
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 12.12.2001 - IV ZR 124/00, VersR 2002, 218 unter 3; v. 25.4.2001 - IV ZR 305/00, VersR 2001, 883 unter II 2a; v. 8.5.1996 - IV ZR 112/95, VersR 1996, 877 unter 3a; v. 3.3.1993 - IV ZR 267/91, VersR 1993, 553 unter 3b; v. 31.10.1990 - IV ZR 290/89, juris Rz. 19 f.; vom 18.10.1989, a.a.O., S. 69) liegt in der Sicherungsabtretung der Rechte aus einer Lebensversicherung im Allgemeinen nicht auch der konkludente Widerruf bestehender Bezugsrechtsbestimmungen. Ein anlässlich der Sicherungsabtretung erklärter Widerruf ist vielmehr regelmäßig dahin zu verstehen, dass etwaige Bezugsrechte im Rang hinter das vereinbarte Sicherungsrecht zurücktreten sollen.
Rz. 14
Soweit im maßgeblichen Zeitpunkt des Versicherungsfalles (Senatsurteil vom 25.4.2001, a.a.O., unter III 2) dem Sicherungsnehmer gesicherte Forderungen gegen den Versicherungsnehmer zustehen, ist der Sicherungsnehmer - als Inhaber des Anspruchs, nicht etwa nur als Bezugsberechtigter (Senatsurteil vom 25.4.2001, a.a.O., unter II 2a) - allein befugt, Zahlung der Todesfallleistung an sich zu verlangen. Der Anspruch auf einen eventuell verbleibenden Überschuss steht dagegen - ohne dass eine weitere Rechtshandlung, etwa eine Rückabtretung, erforderlich wäre - dem Bezugsberechtigten zu (sog. "dingliche Lösung", vgl. Senatsurteile vom 12.12.2001, a.a.O., unter 3; vom 3.3.1993, a.a.O., unter 3b; ebenso Brömmelmeyer in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 2. Aufl., § 42 Rz. 203; Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl., § 166 Rz. 17; kritisch dagegen Reiff/Schneider in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl., § 13 ALB 86 Rz. 57 ff.; Harder, Anm. zu LM § 166 VVG Nr. 15).
Rz. 15
bb) Die vom Senat bisher entschiedenen Fälle zeichnen sich allerdings dadurch aus, dass der Versicherungsnehmer jeweils auch persönlicher Schuldner der gesicherten Forderung war, er somit eine Eigensicherheit gestellt hatte. Daher konnte im Regelfall angenommen werden, dass mit dem Versicherungsfall gleichzeitig der in der Sicherungsabrede vereinbarte Sicherungsfall eintrat. Bei der unmittelbar nach Eintritt des Versicherungsfalls stattfindenden Verwertung konnte der Anspruch auf die Todesfallleistung zwischen dem Sicherungsnehmer und dem Bezugsberechtigten dinglich aufgeteilt werden.
Rz. 16
Hingegen hat hier der Versicherungsnehmer den Anspruch auf die Todesfallleistung zur Sicherung der Schuld einer dritten Person, der GmbH & Co. KG, abgetreten und somit eine Fremdsicherheit gestellt. Bei einer solchen Konstellation tritt mit dem Versicherungsfall nicht regelmäßig auch der Sicherungsfall mit anschließender Verwertung der Sicherheiten ein. Auch wenn der Sicherungsnehmer - wie die Streithelferin - nach der Sicherungsabrede beim Tod des Sicherungsgebers zur Kündigung des Kontokorrentkredits ggü. dem persönlichen Schuldner berechtigt sein kann, so sprechen regelmäßig die Interessen der Beteiligten - die der Versicherungsnehmer bei Erklärung des Widerrufs vor Augen gehabt hat - gegen eine sofortige Verwertung der Sicherheit durch Einziehung und Verrechnung des Anspruchs. Der persönliche Schuldner ist daran interessiert, bei einem Versterben des Fremdsicherungsgebers nicht mit einer außerordentlichen Kündigung des Kredits rechnen zu müssen. Auch das Interesse des Sicherungsnehmers ist darauf gerichtet, den Kredit planmäßig fortzuführen und dabei den Anspruch auf die Todesfallleistung auch über den Eintritt des Versicherungsfalls hinaus als Sicherheit zu behalten. Selbst das Interesse des Bezugsberechtigten, der bei einem Freiwerden der Sicherheit die gesamte Todesfallleistung erhielte, geht im Regelfall dahin, dass der Sicherungsnehmer von einer Verwertung des Anspruchs absieht und abwartet, bis der persönliche Schuldner seine Verbindlichkeiten zurückführt. So hätte auch hier die Klägerin bei einer unmittelbar nach dem Tod des Versicherungsnehmers vorgenommenen Verwertung nichts erhalten, sondern vielmehr ihr Bezugsrecht endgültig verloren. Nach der Auslegung des Berufungsgerichts bestand für die Klägerin zumindest die Hoffnung, dass die GmbH & Co. KG ihre Verbindlichkeiten selbst zurückführte und die Sicherheit dadurch frei würde, was nach der unstreitigen wirtschaftlichen Lage der GmbH & Co. KG auch nicht ausgeschlossen war.
Rz. 17
Die im Fall der Gestellung einer Eigensicherheit regelmäßig anzunehmende Aufteilung des Anspruchs auf die Todesfallleistung unmittelbar mit Eintritt des Versicherungsfalls verbietet sich daher im Allgemeinen, wenn die Abtretung die Schuld eines Dritten sichern soll. Vielmehr soll der Sicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalls den Anspruch auf die Versicherungsleistung - oder, wenn der Sicherungsnehmer zur Einziehung berechtigt ist, die an dessen Stelle tretende Valuta - bis zum Eintritt des Sicherungsfalls als Sicherheit behalten dürfen. Die im Rang zurückgesetzte Bezugsrechtsbestimmung besteht nur im Rahmen der Sicherungsabrede, was dazu führt, dass dem Bezugsberechtigten ein Anspruch gegen den Sicherungsnehmer zusteht, wenn und soweit die Versicherungsleistung im Sicherungsfall die gesicherte Forderung übersteigt.
Rz. 18
cc) Unschädlich ist dabei, dass die zu sichernde Forderung aus dem Kontokorrentkredit bei Eintritt des Versicherungsfalls noch nicht fällig war und erst bei Kündigung des Kontokorrentkredits fällig wurde (dazu BGH, Urt. v. 1.10.2002 - IX ZR 360/99, NJW 2003, 360 unter III 1 m.w.N.). Im Urteil vom 18.10.1989 (a.a.O. S. 71 f.) hat der Senat seine Rechtsprechung zur dinglichen Teilung des Versicherungsanspruchs in einem Fall entwickelt, in welchem der Versicherungsnehmer den Versicherungsanspruch zur "Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen" aus einem Geschäftsverhältnis "in der jeweiligen Vertragshöhe" abgetreten hatte. Maßgeblich war, dass die zu sichernden Forderungen bei Eintritt des Versicherungsfalls hinreichend bestimmbar festlagen. Übertragen auf Fälle der Gestellung einer Fremdsicherheit, die auch über den Tod des Versicherungsnehmers hinaus bestehen bleiben soll, bedeutet dies, dass die zu sichernden Forderungen beim späteren Eintritt des Sicherungsfalls hinreichend bestimmbar sein müssen. Da im Streitfall die Forderungen aus einem bestimmten Kontokorrentkredit gesichert sein sollten, ist die hinreichende Bestimmbarkeit anzunehmen.
Rz. 19
dd) Dabei übersieht der Senat nicht, dass der Bezugsberechtigte in Fällen der vorliegenden Art über längere Zeit im Ungewissen bleiben kann, ob und in welcher Höhe er im Ergebnis in den Genuss der Versicherungsleistung kommen wird. Dies ist jedoch die unmittelbare Folge der vom Versicherungsnehmer vorgenommenen Abtretung zur Sicherung einer fremden Schuld. Der Bezugsberechtigte steht hinsichtlich seines Anspruchs auf die Versicherungsleistung nicht schlechter, als der Versicherungsnehmer zu seinen Lebzeiten selbst hinsichtlich seiner Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag (vgl. zu dessen Rechtsstellung im Einzelnen das BGH, Urt. v. 28.4.2010 - IV ZR 73/08, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen Rz. 34 ff.) gestanden hatte. Auch der Versicherungsnehmer wäre nur dann wieder Inhaber seiner Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geworden, wenn diese - etwa nach Ablösung durch eine andere Sicherheit, nach Ausgleich des Kontokorrentkontos oder nach einer teilweisen Verwertung - ganz oder teilweise frei geworden wären. Diese Rechtsstellung des Versicherungsnehmers setzt sich beim Bezugsberechtigten lediglich fort und ist von diesem daher hinzunehmen. Auch bei der Zuwendung mittels Bezugsrechts kann der Versicherungsnehmer dem Begünstigten grundsätzlich keine bessere Rechtsstellung verschaffen, als er selbst innehat.
Rz. 20
c) Im Übrigen hat das Berufungsgericht sämtliche für die Auslegung maßgeblichen Umstände berücksichtigt (vgl. BGH, Urt. v. 14.10.1994 - V ZR 196/93, NJW 1995, 45 unter II 2; v. 25.2.1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967 unter II 3a) und insb. die von der Revision betonte Frage nach dem Fortbestand des Vorrangs des Sicherungsnehmers über den Eintritt des Versicherungsfalls hinaus geklärt. Entgegen der Auffassung der Revision musste das Berufungsgericht nicht berücksichtigen, dass der Versicherungsnehmer der Streithelferin nur die Todes-, nicht jedoch eine Erlebensfallleistung abgetreten habe, weil es sich unstreitig um eine Risikolebensversicherung handelte, die eine Erlebensfallleistung naturgemäß nicht vorsah.
Rz. 21
2. Da die Streithelferin bereits materiell Inhaberin des Anspruchs auf die Todesfallleistung war, konnte es das Berufungsgericht dahinstehen lassen, ob die Beklagte auch wegen der Legitimationswirkung des Originalversicherungsscheins von ihrer Leistungspflicht frei wurde (vgl. dazu etwa das BGH, Urt. v. 10.3.2010 - IV ZR 207/08, ZIP 2010, 890 Rz. 15).
Fundstellen
Haufe-Index 2545115 |
BGHZ 2011, 220 |
DB 2010, 2663 |