Normenkette
VVG § 5a aF; BGB §§ 242, 812, 818
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. Januar 2020 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird wie folgt festgesetzt:
bis zum 13. Juni 2021: 4.577,47 €
ab dem 14. Juni 2021: 240,90 €
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin macht als registrierte Inkassodienstleisterin aus abgetretenem Recht weitergehende Ansprüche auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung einer fondsgebundenen Lebensversicherung geltend.
Rz. 2
Diese wurde zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten mit Versicherungsbeginn zum 1. November 2004 nach dem so genannten Policenmodell gemäß § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Die Versicherungsnehmerin zahlte fortan die Beiträge. Unter dem 30. Dezember 2011 kündigte sie den Vertrag. Die Beklagte zahlte daraufhin einen Rückkaufswert und einen Schlussüberschussanteil unter Abzug der Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag aus.
Rz. 3
Die Klägerin zeigte der Beklagten die Abtretung aller nach Auszahlung des abgerechneten Rückkaufswerts noch bestehenden Rechte aus dem Versicherungsvertrag unter dem 23. August 2013 und - nach Rückabtretung - erneut unter dem 11. Oktober 2014 an. Die Beklagte zahlte nach der ersten Abtretung einen geringfügigen Betrag zuzüglich Zinsen aus. Nach der zweiten Abtretung erklärte sie, der Widerspruch führe zur Rückabwicklung des Vertrages, und zahlte an die Klägerin einen Betrag, der sich aus der Prämiensumme abzüglich Risikobeiträgen und erfolgten Leistungen errechnete.
Rz. 4
Den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages erklärte die Klägerin unter dem 17. Juli 2017.
Rz. 5
Mit der Klage hat die Klägerin die Rückzahlung restlicher Prämien und die Herausgabe restlicher Nutzungen in Höhe von insgesamt 5.205,64 € nebst Zinsen verlangt.
Rz. 6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Rz. 7
Auf die Berufung der Klägerin hat das Kammergericht das erstinstanzliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise geändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 241,44 € nebst Zinsen zu zahlen.
Rz. 8
Mit der vom Kammergericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ihr weitergehendes Klagebegehren zunächst in Höhe von 4.577,47 € weiterverfolgt. Nach einem Hinweis des erkennenden Senats hat sie die Revision nur noch in Höhe von 240,90 € aufrechterhalten und im Übrigen zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
Rz. 9
Die Revision hat keinen Erfolg.
Rz. 10
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klägerin aufgrund der zweiten Abtretung Inhaberin der restlichen Ansprüche aus der Rückabwicklung des Versicherungsvertrages geworden. Das Widerspruchsrecht gemäß § 5a VVG a.F. habe noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fortbestanden. Ein der Klägerin zustehender Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Rückzahlung der Prämien sei durch die Zahlungen der Beklagten bereits übererfüllt worden.
Rz. 11
Herausgabe der aus den Prämien tatsächlich gezogenen Nutzungen könne die Klägerin nur noch in Höhe von 241,44 € fordern. Nutzungen aus dem Prämienanteil, der auf die Abschlusskosten entfallen sei, blieben für Nutzungsersatzansprüche außer Betracht. Mangels abweichender Anhaltspunkte sei davon auszugehen, dass der Versicherer die für die Abschlusskosten aufgewandten Prämien nicht zur Kapitalanlage habe nutzen können. Die Klägerin habe keine Gesichtspunkte vorgetragen, aus denen sich Anhaltspunkte für eine tatsächliche Nutzungsziehung durch die Beklagte ergäben. Die in dem von ihr eingeholten versicherungsmathematischen Gutachten vorgenommene Schätzung und darauf beruhende Behauptung, dass die Beklagte maximal 70 % des für Abschlusskosten kalkulierten Prämienanteils für Provisionen aufgewandt habe, habe die Beklagte zwar nicht konkret bestritten. Darauf komme es aber nicht an. Denn Abschlusskosten beinhalteten, wie sich aus § 43 Abs. 2 der Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen (vom 8. November 1994 in der Fassung vom 19. Dezember 2018, BGBl. I S. 2672, im Folgenden: RechVersV) ergebe, nicht allein die Zahlung von Provisionen an Versicherungsvertreter und von Maklercourtagen, sondern als unmittelbar zurechenbare Aufwendungen weitere mit dem Abschluss eines Versicherungsvertrages verbundene Kosten, wie etwa die Aufwendungen für die Anlegung der Versicherungsakte, für die Aufnahme des Versicherungsvertrages in den Versicherungsbestand und für die ärztlichen Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Abschluss von Versicherungsverträgen, als auch die in § 43 Abs. 2 Nr. 2 RechVersV aufgeführten mittelbar zurechenbaren Aufwendungen. Diese generelle Behandlung und Ausweisung von Kosten müsse sich auch der widersprechende Versicherungsnehmer zurechnen lassen. Der Klägerin stünden Nutzungen lediglich aus 5,5 % der kalkulierten Verwaltungskosten von 348 €, mithin aus 19,14 € zu. Insoweit habe die Beklagte den Einsatz sonstiger Finanzmittel erspart. Die Höhe der Nutzungszinsen könne gemäß § 287 ZPO anhand der Nettoverzinsung auf 6,91 € geschätzt werden. Die von der Klägerin angesetzte Eigenkapitalrendite sei keine geeignete Berechnungsgrundlage. Außerdem stehe der Klägerin der restliche mit der Anlage des Sparanteils erzielte Gewinn in Höhe von 303,76 € zu. Dieser Betrag reduziere sich infolge der Überzahlung auf 234,53 €.
Rz. 12
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Revision fordert mit Blick auf das Senatsurteil vom 29. April 2020 (IV ZR 5/19, VersR 2020, 836 Rn. 15 ff.) nicht mehr die Berechnung der Nutzungen anhand der Eigenkapitalrendite und nimmt den vom Berufungsgericht gewählten Berechnungsmaßstab der Nettoverzinsung hin. Sie wendet sich ohne Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht der Klägerin Nutzungen aus den Abschlusskosten verwehrt und hinsichtlich des Verwaltungskostenanteils nur aus einem Bruchteil von 5,5 % gewährt hat.
Rz. 13
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats bleibt der auf Abschlusskosten entfallende Prämienanteil für Nutzungsersatzansprüche regelmäßig außer Betracht; mangels abweichender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Versicherer diesen Prämienanteil nicht zur Kapitalanlage nutzen konnte (Senatsurteile vom 29. April 2020 - IV ZR 5/19, VersR 2020, 836 Rn. 14; vom 26. September 2018 - IV ZR 304/15, VersR 2018, 1367 Rn. 31; vom 1. Juni 2016 - IV ZR 482/14, VersR 2017, 275 Rn. 30; vom 11. November 2015 - IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 44 f.).
Rz. 14
Nichts Anderes gilt entgegen der Ansicht der Revision deshalb, weil zu den Abschlusskosten sowohl externe als auch interne Kosten zählen. Abschlusskosten beinhalten, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, als unmittelbar zurechenbare Aufwendungen nicht allein die Zahlung von Provisionen an Versicherungsvertreter und von Maklercourtagen gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a und b RechVersV, sondern weitere mit dem Abschluss eines Versicherungsvertrages verbundene Kosten, wie die Aufwendungen für die Anlegung der Versicherungsakte, für die Aufnahme des Versicherungsvertrages in den Versicherungsbestand und für die ärztlichen Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Abschluss von Versicherungsverträgen (§ 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c RechVersV) sowie die in § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 RechVersV aufgeführten mittelbar zurechenbaren Aufwendungen.
Rz. 15
Diese Differenzierung bedeutet nicht, wie die Revision meint, dass interne Abschlusskosten dem Versicherer für die Ziehung von Nutzungen zur Verfügung stehen. Vielmehr handelt es sich dabei ebenso wie bei externen Abschlusskosten um Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Zustandekommen des Versicherungsvertrages. Mit Blick darauf muss der widersprechende Versicherungsnehmer konkrete Anhaltspunkte dafür vorbringen, dass der Versicherer aus diesen Prämienanteilen Nutzungen ziehen konnte.
Rz. 16
Das Berufungsgericht hat solche Anhaltspunkte dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen können. Diese hat unter Bezugnahme auf das von ihr eingeholte versicherungsmathematische Privatgutachten vorgetragen, dass die Beklagte von den kalkulierten Abschlusskosten in Höhe von 1.230,24 € nur 865,44 € für die Abschlusskosten verbraucht habe, weil die tatsächlich ausgezahlten Provisionen innerhalb der kalkulierten Abschlusskosten "im Marktschnitt" ca. 70 % der tatsächlich gezahlten Beiträge betrügen. Diese Behauptung hat die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwar nicht konkret bestritten. Das Berufungsgericht hat dies aber ohne Rechtsfehler für unerheblich gehalten, weil die Klägerin keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen hat, dass die Beklagte die für die (internen) Abschlusskosten aufgewandten Prämienanteile zur Kapitalanlage genutzt hat.
Rz. 17
2. Der zur Bestreitung von Verwaltungskosten aufgewandte Prämienanteil kann nach der Rechtsprechung des Senats zur Berechnung von Nutzungszinsen herangezogen werden, soweit der Versicherer auf diese Weise den Einsatz sonstiger Finanzmittel ersparte, die er zur Ziehung von Nutzungen verwenden konnte (Senatsurteile vom 26. September 2018 - IV ZR 304/15, VersR 2018, 1367 Rn. 31; vom 11. November 2015 - IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 47).
Rz. 18
Davon ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat eine Ersparnis sonstiger Finanzmittel nur insoweit angenommen, als der Versicherer den für die Verwaltungskosten kalkulierten Anteil der Prämien nicht für die anteilig auf den Vertrag des Versicherungsnehmers entfallenden Verwaltungskosten tatsächlich verbraucht und Kostenüberschüsse erzielt hat. Dabei hat es richtig gesehen, dass es für die Frage der Nutzungen entscheidend darauf ankommt, ob positiv festgestellt werden kann, dass der Bereicherungsschuldner aus dem empfangenen Geldbetrag im Ergebnis einen Erfolg erzielt hat, ob und inwieweit also die Verwendung dieses Betrages in seinem Unternehmen zu dessen Ertrag beigetragen hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 1975 - V ZR 184/73, BGHZ 64, 322 [juris Rn. 17]). Dass das Berufungsgericht auf der Grundlage des Beklagtenvorbringens die Nutzungen aus den verbliebenen 5,5 % der kalkulierten Verwaltungskosten von 348 €, mithin aus 19,14 € bemessen und diese anhand der Nettoverzinsung mit dem Quotienten von 0,3610 multipliziert und daraus einen Betrag von 6,91 € errechnet hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Rz. 19
III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 565 Satz 1, 516 Abs. 3 Satz 1, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Mayen |
|
Harsdorf-Gebhardt |
|
Dr. Brockmöller |
|
Dr. Bußmann |
|
Dr. Bommel |
|
Fundstellen
NJW-RR 2022, 181 |
VersR 2022, 95 |