Leitsatz (amtlich)
›Zur Darlegungslast eines erwerbslosen Unterhaltsbedürftigen, der erfolglose Bemühungen um einen Arbeitsplatz behauptet.‹
A. Soweit der Unterhaltsbegehrende für Zeiten der Arbeitslosigkeit Unterhalt beansprucht, muß, um der Darlegungslast zu genügen, daher in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte er im einzelnen unternommen hat, um einen zumutbaren Arbeitsplatz zu finden und sich bietende Erwerbsmöglichkeiten zu nutzen. Die bloße Meldung beim Arbeitsamt kann nicht genügen.
B. a. Auch bei langer Dauer des Getrenntlebens kann ein Anspruch nach § 1361 BGB gegeben sein.
b. Auch bei extrem langer Trennung, z.B. mehr als 30 Jahre nach 6tägigem Zusammenleben, kann nur geprüft werden, ob ein Ausschluß oder eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1361 Abs. 3 i.V.m. § 1579 Nr. 2 bis 7 BGB gerechtfertigt ist.
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten um Trennungsunterhalt. Sie schlossen am 30. April 1970 die (beiderseits zweite) Ehe und lebten danach bis Ende August 1971 in Köln zusammen. Die Klägerin, eine gelernte Kinderpflegerin, gab wegen der Ehe ihre Anstellung bei der Kurverwaltung ihrer Heimatgemeinde auf und arbeitete seit dem 1. November 1970 als Bankangestellte. Nach der Trennung bezog sie in ihrer norddeutschen Heimat eine Wohnung in ihrem ererbten Hause. Sie war bis Ende März 1975 weiterhin bei einer Bank erwerbstätig. Nach vorübergehender Arbeitslosigkeit fand sie ab 1. Januar 1976 eine Stellung als Sprechstundenhilfe in einer Arztpraxis. Nach erneuter Erwerbslosigkeit ab 1. Januar 1977 arbeitete sie vom 1. Juli 1978 an mehr als zwei Jahre lang als medizinisch-technische Gehilfin in einer Kurklinik. Als ihre im Oktober 1980 erneut eingetretene Erwerbslosigkeit nach einem Jahr nicht behoben und die Klägerin seit dem 1. Oktober 1981 auf Arbeitslosenhilfe angewiesen war, wandte sie sich erstmals seit der Trennung wegen Unterhalt an den Beklagten. Seither erzielte sie Erwerbseinkünfte nur durch Aushilfstätigkeiten in der kirchlichen Sozialarbeit.
Der Beklagte leitet wie schon während des Zusammenlebens der Parteien als verantwortlicher Ingenieur den technischen Betrieb einer chemischen Fabrik. Außer seinem Gehalt hat er seit 1971 Einkommen aus der Vermietung des zuvor von den Parteien bewohnten Hauses. Zum Unterhalt der Klägerin beizutragen weigert er sich im Hinblick auf das kurze Zusammenleben und die bei der Trennung bestehenden Einkommensverhältnisse der Parteien. Er hat den Standpunkt eingenommen, die Klägerin müsse sich so behandeln lassen, als könne sie weiterhin das Einkommen einer Bankangestellten erzielen.
Die Klägerin hat eine monatliche Unterhaltsrente von 1.000 DM für die Zeit vom 1. November 1981 bis zum 31. Oktober 1982 und von 1. 100 DM ab 1. November 1982 eingeklagt. Das Amtsgericht ist von monatlichen Nettoeinkommen der Klägerin von 800 DM und des Beklagten von 3. 440 DM ausgegangen und hat daraus einen Unterhaltsbetrag von 1.131 DM (drei Siebtel des Differenzbetrages) errechnet; es hat der Klägerin jedoch nur 750 DM monatlich zugesprochen, weil aus Billigkeitsgründen wegen des kurzen ehelichen Zusammenlebens eine Herabsetzung geboten sei.
Eine hiergegen eingelegte Berufung hat die Klägerin zurückgenommen, nachdem das Oberlandesgericht ihren Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe für eine Berufung zurückgewiesen hatte. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Die Ehe der Parteien ist inzwischen durch Urteil vom 21. Mai 1984 geschieden worden.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.
I. Das Oberlandesgericht hat der Klägerin einen Unterhaltsanspruch aus § 1361 Abs. 1 BGB versagt, weil sie nicht bedürftig sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Unterhaltsbedarf der Klägerin bemesse sich - soweit er über den durch die Nutzung ihres Hauses gedeckten Wohnbedarf hinausgehe - allein nach ihrem bis zum Eintritt der Erwerbslosigkeit erzielten Einkommen. Denn sie habe nach der Trennung zehn Jahre lang keine Unterhaltsansprüche gegen den Beklagten erhoben, was die Annahme nahelege, daß sie bis 1981 selbst nicht von einer Anspruchsberechtigung ausgegangen sei. Diese Einschätzung decke sich mit dem Vortrag der Parteien zu ihrer im Zeitpunkt der Trennung bestehenden beiderseitigen wirtschaftlichen Lage; daraus ergebe sich nämlich bei Berücksichtigung der Einkünfte aus Erwerbstätigkeit und Vermietung abzüglich der Belastungen durch Hausfinanzierung und Unterhaltspflichten gegenüber den erstehelichen Kindern keine bessere finanzielle Situation des Beklagten, die einen Anspruch der Klägerin auf Differenzunterhalt gerechtfertigt hätte. Wenn das anderes zu beurteilen wäre und die Klägerin sich jahrelang mit einem geringeren als dem eheangemessenen Unterhalt zufrieden gegeben hätte, habe sie dies unter Darlegung entsprechender Tatsachen im einzelnen vortragen müssen.
Der Verlust ihres Arbeitsplatzes führe nicht zu einem Unterhaltsanspruch der Klägerin, weil sie sich so behandeln lassen müsse, als erziele sie mit einer vollen Erwerbstätigkeit weiterhin entsprechende Nettoeinkünfte. Sie habe nicht dargetan, daß sie sich um einen neuen Arbeitsplatz ausreichend bemüht habe. Ihr Vortrag, daß sie beim Arbeitsamt gemeldet sei und telefonisch bei potentiellen Arbeitgebern immer wieder vergeblich um Arbeit nachgefragt habe, sei weder hinreichend substantiiert noch nachprüfbar. Auch in Zeiten eines angespannten Arbeitsmarktes und unabhängig von der Arbeitslosenquote des Bezirks ließen sich über Zeitungsanzeigen erfahrungsgemäß immer wieder Stellen finden.
Mit der Begründung, der eheangemessene Unterhalt der Klägerin sei wie im ersten Jahrzehnt nach der Trennung allein durch ihre eigenen Einkünfte geprägt worden, hat das Berufungsgericht einer seither eingetretenen Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten keinen Einfluß auf die Unterhaltsbemessung zuerkannt, selbst wenn sich sein Einkommen durch Gehaltssteigerungen und den Fortfall früherer Belastungen so erhöht haben sollte, daß sich für die Klägerin trotz fiktiver Einkünfte aus voller Erwerbstätigkeit noch ein Anspruch auf Differenzunterhalt ergäbe. Eine solche in den letzten Jahren bis zur Scheidung möglicherweise eingetretene Entwicklung müsse außer Betracht bleiben, weil sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien erst Jahre nach der Trennung auseinanderentwickelt hätten und es dem Gebot von Treu und Glauben widerspreche, den Beklagten nunmehr zu einer Unterhaltsleistung heranzuziehen. Denn eine finanzielle Verbesserung sei allein auf seine eigene und nicht auf eine gemeinsame Lebensleistung der Parteien zurückzuführen; die Parteien hätten sich persönlich und wirtschaftlich während der Trennungszeit völlig verselbständigt. Sie seien lediglich formell noch durch die Ehe verbunden gewesen. Wenn es wie hier dem getrennt lebenden Ehegatten über lange Jahre gelungen sei, seinen Unterhalt nachhaltig durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern und die Trennung den Umständen nach als endgültig anzusehen sei, müsse der Rechtsgedanke des § 1573 Abs. 4 BGB eingreifen und ein Anspruch auf Unterhalt entfallen.
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.
1. Leben Ehegatten getrennt, kann der Bedürftige von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen (§ 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB). Zu Recht ist das Berufungsgericht daher von der Frage ausgegangen, auf welche Weise der angemessene Unterhalt der Klägerin zu bestimmen ist, und hat erst anschließend geprüft, ob sie außerstande ist, diesen Bedarf ohne Unterhaltsleistungen des Beklagte zu decken. Es begegnet indessen durchgreifenden Bedenken, daß das Berufungsgericht den Unterhaltsbedarf der Klägerin nur nach ihrem eigenen Erwerbseinkommen und der Nutzung ihres Hausbesitzes bemessen hat.
a) Mit der Rechtsprechung des Senats stimmt es im Ansatz überein, daß die für die Höhe eines Anspruchs maßgeblichen ehelichen Lebensverhältnisse im allgemeinen durch das Einkommen geprägt werden, in einer Doppelverdienerehe daher durch die (zusammengerechneten) Einkünfte beider Ehegatten (std. Rspr. seit dem Urteil vom 9. Juni 1980 - IVb ZR 526/80 - FamRZ 1980, 876, 877). Beide Ehegatten haben an dem durch die Einkünfte bestimmten Lebensstandard grundsätzlich gleichen Anteil; demgemäß werden sie regelmäßig von der Entwicklung während der Ehe bis zu deren Auflösung in gleichem Maße betroffen (ebenfalls std. Rspr. im Anschluß an das Senatsurteil vom 23. April 1980 - IVb ZR 510/80 - FamRZ 1980, 770; vgl. z.B. Urteil vom 8. Februar 1984 - IVb ZR 54/82 - FamRZ 1984, 561, 562). Veränderungen der Einkommensverhältnisse, die erst nach der Trennung der Ehegatten bis zur Scheidung eingetreten sind, beeinflussen daher die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen ehelichen Lebensverhältnisse, es sei denn, daß sie auf einer unerwarteten und vom Normalverlauf erheblich abweichenden Entwicklung beruhen (Senatsurteile vom 31. März 1982 - IVb ZR 652/80 und 661/80 - FamRZ 1982, 575 und 576, sowie vom 9. Juni 1982 - IVb ZR 698/80 - FamRZ 1982, 892, 893). Derartige außergewöhnliche Umstände ergeben sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch nicht. Der Beklagte ist wie schon während des Zusammenlebens der Parteien als Betriebsleiter in derselben Firma tätig und der Klägerin obliegt - vorbehaltlich ihres Gesundheitszustandes (vgl. unten III) - ebenfalls unverändert eine Erwerbstätigkeit, wie sie sie nach Art und Umfang schon während ihres Aufenthaltes in Köln ausgeübt hat.
b) Haben sich die Einkommensverhältnisse bei keinem der getrennt lebenden Ehegatten außergewöhnlich verändert, bestimmen sie weiterhin die ehelichen Lebensverhältnisse. Da es sich hierbei um eine objektiv bestimmbare Größe handelt, kommt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht darauf an, wie ein getrennt lebender Ehegatte die wirtschaftliche Lage des anderen einschätzt und ob er demgemäß einen ergänzenden Unterhalt verlangt oder anbietet. Hat der besser verdienende Ehegatte nach der Trennung zum Unterhalt des anderen nicht beigetragen, so daß sich der Lebensstandard beider Ehegatten in tatsächlicher Hinsicht unterschiedlich gestaltet hat, kann hieraus keine Beschränkung des Unterhaltsbedarfs des Ehegatten mit dem geringeren Einkommen abgeleitet werden (Senatsurteil vom 9. Juli 1980 aaO.). Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts braucht deshalb ein Ehegatte, der nach längerer Trennungszeit erstmals einen Unterhaltsanspruch geltend macht, nicht durch substantiierten Tatsachenvortrag zu erklären, daß er sich in der Vergangenheit mit einem geringeren als dem eheangemessenen Unterhalt zufrieden gegeben und einen bestehenden Unterhaltsanspruch lediglich nicht geltend gemacht habe. Für einen Anspruch auf Trennungsunterhalt sind vielmehr regelmäßig nur die gegenwärtigen beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse darzulegen. Es ist Sache des Ehegatten, der sich auf eine unerwartete und außergewöhnliche Entwicklung der Einkünfte seit der Trennung berufen und daraus Rechte herleiten will, dies durch Tatsachenvortrag darzulegen und notfalls zu beweisen (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1983 - IVb ZR 351/81 - FamRZ 1983, 352, 353).
c) Aus dem eigenen Verhalten der Klägerin in den ersten zehn Jahren nach der Trennung können für die Bemessung ihres Unterhaltsbedarfs nicht die vom Berufungsgericht angenommenen Schlüsse gezogen werden. Verlangt ein Ehegatte über eine längere Zeit keinen Unterhalt, wird das allerdings in vielen Fällen darauf beruhen, daß keine Bedürftigkeit bestand (vgl. Senatsurteil vom 16. Juni 1982 - IVb ZR 709/80 - FamRZ 1982, 898 = BGHZ 84, 280, 284). Es können aber auch persönliche Motive dieses Verhalten bestimmt haben, etwa Stolz oder Rücksichtnahme auf den Ehegatten. In diese Richtung weist, daß beide Parteien im ersten Rechtszug vorgetragen haben, sie hätten auch nach der Trennung keine Scheidung angestrebt, weil abgesprochen gewesen sei, unter Umständen wieder zusammenzuleben, wenn die Kinder groß und aus dem Hause seien. Zu bedenken ist auch, daß in den ersten Trennungsjahren, nämlich bis zum Inkrafttreten des 1. EheRG am 1. Juli 1977, der Anspruch auf Trennungsunterhalt gemäß § 1361 BGB a. F. noch von Billigkeitsgesichtspunkten abhing, vor allem vom Trennungsverschulden - über das die Parteien sich möglicherweise nicht auseinandersetzen wollten -, aber auch von der Dauer der Ehe. Auf der Grundlage des reformierten Rechts steht die Auffassung des Berufungsgerichts jedoch vor allem im Widerspruch zu § 1361 Abs. 3 BGB, wonach die Vorschrift des § 1579 Abs. 1 Nr. 1 BGB von der entsprechenden Anwendung auf den Trennungsunterhalt ausgenommen ist.
d) Aus alledem folgt bereits, daß der für den nachehelichen Unterhalt in § 1573 Abs. 4 BGB zur Geltung gebrachte Gedanke, mit der nachhaltigen Sicherung des Unterhalts durch eine eigene Erwerbstätigkeit des einen Ehegatten entfalle eine fortwirkende unterhaltsrechtliche Verantwortung des anderen, auf Fälle des Getrenntlebens nicht angewendet werden kann. Eine nur formell bestehende Ehe mit anderen (verminderten) als den gesetzlichen Rechten und Pflichten gibt es nicht. Auch bei extrem langer Trennung (z. B. OLG Hamm FamRZ 1979, 581: mehr als 30 Jahre nach sechstägigem Zusammenleben) kann nur geprüft werden, ob ein Ausschluß oder eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1361 Abs. 3 i.V.m. § 1579 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 BGB gerechtfertigt ist. Unter diesem Gesichtspunkt, den offenbar das Amtsgericht seiner Beurteilung zugrundegelegt hat, ist dem vorliegenden Sachverhalt nach den bisher getroffenen Feststellungen indessen kein eine Kürzung rechtfertigender Grund zu entnehmen.
2. Auch gegen die Begründung, mit der das Berufungsgericht der Klägerin ein monatliches Nettoeinkommen von 1. 500 DM zugerechnet hat, weil sie sich so behandeln lassen müsse, als habe sie einen Arbeitsplatz mit entsprechendem Verdienst, wendet sich die Revision mit Erfolg.
Allerdings trifft der Ausgangspunkt dieser Beurteilung zu. Wie die Revision nicht in Abrede stellt, trifft die Klägerin - vorbehaltlich ihres Gesundheitszustandes (dazu unter III) - nach ihren persönlichen Verhältnissen, insbesondere wegen ihrer bisherigen Erwerbstätigkeit, eine Erwerbsobliegenheit (§ 1361 Abs. 2 BGB). Für seine Bedürftigkeit trägt der Unterhaltbegehrende die Darlegungs- und Beweislast (vgl. Senatsurteil vom 4. November 1981 - IVb ZR 625/80 - FamRZ 1980, 255, 257). Soweit er für Zeiten der Arbeitslosigkeit Unterhalt beansprucht, muß er, um dieser Darlegungslast zu genügen, daher in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte er im einzelnen unternommen hat, um einen zumutbaren Arbeitsplatz zu finden und sich bietende Erwerbsmöglichkeiten zu nutzen. Die bloße Meldung beim Arbeitsamt kann nicht genügen.
Die Anforderungen, die an den Vortrag des Unterhaltbegehrenden zu stellen sind, können jedoch nicht in allen denkbaren Fällen gleich sein. Art und Ausmaß der Bemühungen, die der Bedürftige darzulegen hat, hängen im Einzelfall sowohl von den objektiven Bedingungen für die Erwerbsmöglichkeit als auch von den subjektiven Voraussetzungen ab, unter denen er Arbeit suchen muß. In Zeiten der Vollbeschäftigung müssen an den Nachweis vergeblichen Bemühens höhere Anforderungen gestellt werden, als bei einem hohen Anteil von Arbeitslosen auf dem betroffenen Arbeitsmarkt. In dicht besiedelten Bezirken mit hohem Beschäftigungsstand bestehen generell bessere Bedingungen als in strukturschwachen und weniger bevölkerten Landesteilen. Für den Erfolg bei der Bewerbung um einen freien Arbeitsplatz kommt es zudem nicht nur auf die Zahl der Mitbewerber an; zwischen diesen besteht keine Chancengleichheit, weil sie sich nach Alter, Geschlecht und Familienstand unterscheiden und außerdem ihre jeweilige Ausbildung und etwaige berufliche Erfahrungen mit ins Gewicht fallen. Bei der Beurteilung, ob ein Vortrag ausreicht, um das ernsthafte und nachhaltige Bemühen um eine Erwerbstätigkeit darzutun, darf aber vor allem nicht außer Betracht bleiben, ob sich aus der Arbeitsbiografie oder anderen Umständen Erkenntnisse über die subjektive Arbeitsbereitschaft des Anspruchstellers gewinnen lassen. Diesem Gesichtspunkt muß der Richter schon deshalb besondere Aufmerksamkeit schenken, weil nicht auszuschließen ist, daß eine Unterhalt begehrende Partei versuchen könnte, ihre mangelnde Arbeitswilligkeit dadurch zu verschleiern, daß sie zu mißglückten Versuchen, eine Beschäftigung zu finden, zwar umfangreich vorträgt, zumutbare Stellenangebote jedoch verschweigt.
Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht - wie die Revision zu Recht rügt - im vorliegenden Fall die Anforderungen an die Darlegungslast der Klägerin überspannt. Schon die von der Klägerin nach der Trennung der Parteien ausgeübten Erwerbstätigkeiten sprechen dagegen, daß sie es an der nötigen Bereitschaft hat fehlen lassen, eine zumutbare Beschäftigung anzunehmen und jede Möglichkeit zu nutzen, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Denn die Klägerin, die Kinderpflege gelernt hat, hat durch die Aufnahme von für sie zunächst berufsfremden Tätigkeiten mehrfach ihre Anpassungsfähigkeit und ihren Arbeitswillen unter Beweis gestellt. So war sie zunächst noch jahrelang als Bankangestellte tätig, seit Januar 1976 dann ein Jahr lang als Sprechstundenhilfe in einer Arztpraxis und seit dem 1. Juli 1978 für mehr als zwei Jahre als medizinisch-technische Gehilfin mit Nachtarbeit in einer Kurklinik. Auch in der Zeit, für die sie Trennungsunterhalt geltend macht, hat sie als Hauspflegerin - teilweise wiederum in Nachtarbeit - im kirchlichen Sozialdienst immer wieder Einkünfte erzielt, solange der Evangelische Kirchenkreis E. dafür Mittel bereitstellen konnte. Wenn sie als inzwischen über fünfzig Jahre alte Frau auf dem Hintergrund dieses bisherigen Erwerbslebens unter Beweisangebot vorträgt, ihre Bemühungen, weitere Arbeit zu finden, seien - mit Ausnahme der erwähnten zeitlich befristeten Tätigkeit beim kirchlichen Sozialdienst in den Jahren 1982 und 1983 - bisher erfolglos geblieben, obwohl sie immer wieder telefonisch bei potentiellen Arbeitgebern anfrage, kann das jedenfalls dann nicht als unzureichend angesehen werden, wenn gleichzeitig auf dem Arbeitsmarkt im Wohnbezirk der Klägerin die vorgetragenen Verhältnisse bestehen. Denn eine allgemeine Arbeitslosenquote von mehr als 20 % wirkt sich erfahrungsgemäß auf weibliche Arbeitssuchende im Alter der Klägerin besonders ungünstig aus. Die entgegenstehende Annahme des Berufungsgerichts, unabhängig von der Höhe der in einem konkreten Arbeitsamtsbezirk bestehenden Arbeitslosenquote ließen sich auch in Zeiten eines angespannten Arbeitsmarktes über Zeitungsanzeigen erfahrungsgemäß immer wieder Stellen finden, kann jedenfalls unter den bei der Klägerin vorliegenden besonderen Verhältnissen keine Geltung beanspruchen.
Das angefochtene Urteil muß daher aufgehoben werden. Deshalb kann offen bleiben, ob die Revision auch zu Recht rügt, das Berufungsgericht habe der Klägerin zur Frage der Arbeitssuche kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt (§§ 139, 526 Abs. 2 ZPO), weil es die Klägerin nicht rechtzeitig vor dem Verhandlungstermin darauf hingewiesen habe, daß ihre schriftsätzlich vorgetragenen Bemühungen um einen Arbeitsplatz nicht genügten.
Da weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich sind, kann der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden, sondern muß sie an das Berufungsgericht zurückverweisen.
III. Im weiteren Verfahren wird die Klägerin Gelegenheit haben, die mit der Revision geltend gemachten Einwände gegen die Beurteilung ihrer Erwerbsfähigkeit aufgrund ihres Gesundheitszustandes dem Oberlandesgericht erneut vorzutragen.
Rechtlich ist hierzu nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht von einer Darlegungs- und Beweislast der Klägerin aus ausgegangen ist. Denn auch wer seine Bedürftigkeit mit Erwerbsunfähigkeit rechtfertigt, muß deren Gründe und Umfang im einzelnen vortragen und bei Bestreiten beweisen (vgl. Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 2, § 1361 BGB Rdn. 3 m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 2992822 |
NJW 1986, 718 |
NWB 1986, , 84 |
FamRZ 1986, 244 |
MDR 1986, 388 |
LSK-FamR/Hülsmann, LS 15 |
LSK-FamR/Hülsmann, LS 27 |
LSK-FamR/Hülsmann, LS 41 |
LSK-FamR/Hülsmann, LS 8 |