Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundstücksübertragung
Leitsatz (amtlich)
a) Die ein Grundstück übertragende Umwandlung einer Gebietskörperschaft ist zwar keine Verfügung im Sinne des bürgerlichen Rechts, wohl aber im Sinne des Art. 233 § 2 Abs. 2 EGBGB und § 8 VZOG.
b) Ist die Verfügung über ein Grundstück, das im Grundbuch als Volkseigentum eingetragen ist, vor dem Inkrafttreten des VZOG getroffen worden, so ist sie nur wirksam, wenn das Grundstück auch materiellrechtlich Volkseigentum war.
c) Die Verfügung einer nicht verfügungsberechtigten Gebietskörperschaft wird nicht dadurch wirksam, daß diese die Verfügungsmacht später erlangt.
d) Im Rahmen einer Stufenklage kann der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch mit einer Zwischenfeststellungsklage verbunden werden.
Leitsatz (redaktionell)
Die ein Grundstück übertragende Umwandlung einer Gebietskörperschaft ist zwar keine Verfügung im Sine des bürgerlichen Rechts, wohl aber im Sinne des Art. 233 § 2 Abs. 2 EGBGB und § 8 VZOG.
Normenkette
EGBGB 1986 Art. 233 § 2 Abs. 2 S. 1; BGB § 185 Abs. 2; UmwG § 58; VZOG § 8; ZPO § 254
Verfahrensgang
OLG Dresden (Urteil vom 24.04.1997) |
LG Leipzig |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 24. April 1997 im Kostenpunkt aufgehoben.
Die Revision wird im übrigen mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß
- die in Ziff. I 1 enthaltene Einschränkung „zu Händen des Nachlaßpflegers, Rechtsanwalt R. H.” entfällt,
- die Sache wegen des Zahlungsantrags an das Landgericht Leipzig zurückverwiesen wird.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz bleibt dem Schluß urteil vorbehalten. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger sind die Erben dritter Ordnung des am 27. No vember 1979 verstorbenen Eigentümers eines in P. gelegenen Grundstücks E. A. G. (Erblasser). Nachdem die Erben erster und zweiter Ordnung die Erbschaft ausgeschlagen hatten, erteilte das Staatliche Notariat in Leipzig am 19. Februar 1981 einen Erbschein zugunsten der Deutschen Demokratischen Republik. Aufgrund dieses Erbscheins wurde das Grundstück im Grundbuch als Volkseigentum gekennzeichnet und als Rechtsträger der VEB G. Leipzig eingetragen. Mit Beschluß vom 5. September 1995 zog das Amtsgericht Leipzig den Erbschein als unrichtig ein, weil die Kläger die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatten.
Das zur Wohnungsversorgung genutzte Grundstück wurde gemäß Art. 22 Abs. 4 EV von der Stadt Leipzig in Anspruch genommen. Diese errichtete am 10. Dezember 1990 die beklagte GmbH. Der notariellen Umwandlungserklärung war ein Grundstücksnachweis beigefügt, in dem u.a. das Grundstück des Erblassers aufgeführt ist. Einzige Gesellschafterin der am 9. Januar 1991 in das Handelsregister eingetragenen Beklagten ist die Stadt Leipzig, die mit Zuordnungsbescheid vom 25. Mai 1992 das Grundstück zugeordnet erhielt. Dementsprechend wurde in das Grundbuch zunächst die Stadt Leipzig und am 13. August 1992 die Beklagte als Eigentümerin eingetragen. Diese veräußerte das Grundstück am 28. Februar 1995 an die Eheleute Z., zu deren Gunsten am 6. April 1995 eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen wurde.
Die Kläger verlangen von der Beklagten Auskunft über den erzielten Kaufpreis sowie die hieraus gezogenen Nutzungen und Zahlung des Kaufpreises nebst Zinsen zuzüglich der Nutzungen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat der Auskunftsklage stattgegeben und die Verpflichtung zur Herausgabe des Kaufpreises nebst Nutzungen festgestellt. Dagegen richtet sich die Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht verneint einen Eigentumserwerb der Beklagten. Ein gutgläubiger Erwerb scheide aus, weil die übertragende Umwandlung kein Verkehrsgeschäft sei. Die Stadt Leipzig sei auch nicht gemäß § 8 Abs. 1 VZOG verfügungsbefugt gewesen. Die Umwandlung sei zwar eine Verfügung im Sinne dieser Vorschrift, doch setze die Norm voraus, daß Volkseigentum tatsächlich bestanden habe. Durch § 8 Abs. 1 VZOG werde der Rechtszustand, wie er sich nach Erteilung eines Zuordnungsbescheides darstelle, auf die Rechtslage vor Erlaß des Bescheides ausgedehnt. Ebensowenig wie durch einen Zuordnungsbescheid könne durch § 8 Abs. 1 VZOG das Eigentum privater Dritter überwunden werden.
Dagegen wendet sich die Revision im wesentlichen ohne Erfolg.
II.
1. Die angefochtene Entscheidung hat nur insoweit keinen Bestand, als das Berufungsgericht über die Klage durch Schluß urteil und nicht durch Teilurteil entschieden hat. Denn es handelt sich um eine Stufenklage, bei der der Zahlungsanspruch zwar mit der Auskunftsklage rechtshängig wird, über die verschiedenen Stufen aber gesondert zu entscheiden ist (BGH, Urt. v. 16. Mai 1994, II ZR 223/92, NJW-RR 1994, 1185, 1186). Nachdem das Landgericht die Stufenklage insgesamt abgewiesen hatte, hätte das Berufungsgericht dem Auskunftsbegehren nur durch Teilurteil entsprechen dürfen. Ein Schlußurteil war auch nicht dadurch veranlaßt, daß die Kläger auf richterlichen Hinweis ihren für die nächste Stufe gestellten Zahlungsantrag nunmehr als Feststellungsantrag gestellt haben. Hätten die Kläger damit nämlich die Stufenklage in eine Auskunfts- und Feststellungsklage ändern wollen, hätte der Feststellungsantrag wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses abgewiesen werden müssen, weil hierfür die Stufenklage zur Verfügung steht. Daß das Berufungsgericht einen solchen unzulässigen Antrag mit seinem Hinweis hätte herbeiführen und die Kläger dem hätten entsprechen wollen, ist bei verständiger Würdigung auszuschließen. Mithin ist der Feststellungsantrag als Zwischenfeststellungsantrag im Rahmen der erhobenen Stufenklage auszulegen, der die Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs unberührt läßt. Ein solcher Antrag in der ersten Stufe ist zulässig.
In der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, daß für die Zwischenfeststellungsklage dann kein Raum ist, wenn durch die Entscheidung über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen, die sich aus dem streitigen Rechtsverhältnis ergeben können, mit Rechtskraftwirkung erschöpfend klargestellt werden (BGH, Urt. v. 29. Oktober 1954, I ZR 169/53, LM Nr. 4 zu ZPO § 280). Sieist jedoch zulässig, wenn mit der Klage mehrere selbständige Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis verfolgt werden, mögen sie auch in ihrer Gesamtheit die Ansprüche erschöpfen, die sich aus ihm überhaupt ergeben können (Senatsurt. v. 13. Oktober 1967, V ZR 83/66, LM Nr. 15 zu ZPO § 280). So verhält es sich bei der Stufenklage. Sie ist ein besonders geregelter Fall der objektiven Klagenhäufung (MünchKomm-ZPO/Lüke § 254 Rdn. 6), bei dem die auf der ersten Stufe stattgebende Entscheidung über den Auskunftsanspruch in bezug auf das zugrundeliegende Rechtsverhältnis für den auf der letzten Stufe verfolgten Zahlungsanspruch noch keine materielle Rechtskraft oder innerprozessuale Bindungswirkung erzeugt (Senatsurt. v. 19. Dezember 1969, V ZR 114/66, LM Nr. 10 zu ZPO § 254; BGH, Urt. v. 14. November 1984, VIII ZR 228/83, NJW 1985, 862; MünchKomm-ZPO/Lüke, § 254 Rdn. 22). Wird aber durch die Entscheidung über den Auskunftsanspruch das Rechtsverhältnis nicht erschöpfend klargestellt, ist ein Zwischenfestellungsantrag zulässig.
Das angefochtene Urteil hat daher verfahrensrechtlich nur als Teilurteil Bestand. In der Sache hat die Revision dagegen keinen Erfolg.
2. Einer Prüfung der Rechtswegfrage ist der Senat gemäߧ 17 a Abs. 5 GVG enthoben. Eine Rüge gemäß § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG ist im ersten Rechtszug nicht erhoben worden. Das Landgericht hat den ordentlichen Rechtsweg mit seiner klageabweisenden Entscheidung inzidenter bejaht. Damit stand er bereits für das Berufungsgericht unangreifbar fest (Senatsurteile v. 19. November 1993, V ZR 269/92, WM 1994, 441; v. 19. Juni 1998, V ZR 356/96, WM 1998, 1832).
3. Inhaltlich wird der Klageanspruch durch die Bestimmungen des Vermögensgesetzes nicht verdrängt.
Der die Erbausschlagung regelnde besondere Restitutions tatbestand des § 1 Abs. 2 VermG (Senatsurt. vom 19. Juni 1998, V ZR 356/96, WM 1998, 1832, 1833 m.w.N.) ist nicht gegeben, weil keine Hinweise dafür vorliegen, daß das Grundstück überschuldet war. Die Frage, inwieweit zivilrechtliche Ansprüche nachberufener Erben durch vermögensrechtliche Ansprüche ausschlagender Erben gemäß § 1 Abs. 1 VermG verdrängt werden (vgl. BVerwG VIZ 1997, 641; 1998, 33), stellt sich nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Ausschlagung der Erbschaft durch die Erben erster und zweiter Ordnung oder die Nichtermittlung der Erben dritter Ordnung auf einer unlauteren Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG beruhten.
III.
Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, das Eigentum an dem zum Nachlaß gehörenden Grundstück sei nicht gemäß § 369 ZGB in Volkseigentum übergegangen, sondern den Klägern im Wege der Erbfolge gemäß §§ 399, 404, 368 ZGB zugefallen. Die erst während des Revisionsverfahrens als Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 des Wohnraummodernisierungsgesetzes – WoModSiG – vom 17. Juli 1997 (BGBl I 1823) in Kraft getretene, vom Senat zu berücksichtigende (BGHZ 37, 233, 236), Vorschrift des Art. 237 § 1 EGBGB steht dem nicht entgegen. Denn die Überführung eines Nachlaßgrundstücks in Volkseigentum unter Nichtberücksichtigung der Erben dritter Ordnung war nach dem Recht der DDR nicht möglich und genießt deswegen keinen Bestandsschutz (Senatsurt. v. 19. Juni 1998, V ZR 356/96, WM 1998, 1832, 1833).
IV.
Da Volkseigentum nicht wirksam begründet worden ist, ist das Eigentum an dem Grundstück nicht gemäß Art. 21 Abs. 4 Satz 3 EV an die Stadt Leipzig gefallen. Sie konnte es daher der Beklagten nicht verschaffen. Die Beklagte hat es auch nicht aus anderen Gründen wirksam erworben.
1. Ein gutgläubiger Erwerb nach § 892 BGB scheidet aus, weil es sich bei der Ausgliederung von Vermögen einer Gebietskörperschaft auf eine im Wege der übertragenden Umwandlung gegründete kommunalen Eigengesellschaft nicht um ein Verkehrsgeschäft handelt, das die Vorschrift voraussetzt (Senatsurt. v. 19. Juni 1998, V ZR 356/96 aaO).
2. Die im Wege der Ausgliederung am 10. Dezember 1990 erfolgte „Übertragung” des Grundstücks war auch nicht nach Art. 233 § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB i.d.F. des WoModSiG wirksam. Nach dieser Bestimmung wird bei ehemals volkseigenen Grundstükken unwiderleglich vermutet, daß in der Zeit vom 3. Oktober 1990 bis zum 24. Dezember 1993 die in § 8 VZOG in der seit dem 25. Dezember 1993 geltenden Fassung bezeichneten Stellen zur Verfügung über das Grundstück befugt waren.
a) Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß die Stadt Leipzig als nach § 8 Abs. 1 Buchst. a VZOG verfügungsbefugte Stelle durch die „Übertragung” des Grundstücks auf die im Wege der Teilumwandlung gegründete Beklagte eine Verfügung über das Grundstück getroffen hat. Denn der Begriff der Verfügung in Art. 233 § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB ist wie in § 8 Abs. 1 a VZOG weit auszulegen. Er umfaßt neben Verfügungen im Sinne des bürgerlichen Rechts – wie Übertragung des Eigentums, Begründung, Bestellung und Übertragung von dinglichen Rechten an Grundstükken – die schuldrechtlichen Verträge, die den genannten Verfügungen zugrunde liegen, und schließt die Vermietung und Verpachtung volkseigener Grundstücke oder Gebäude ein (BGH, Urt. v. 17. Mai 1995, XII ZR 235/93, WM 1995, 1679, 1681). Bei der übertragenden Umwandlung nach § 58 UmwG i.d.F. vom 6. November 1969 (BGBl I S. 2081) handelt es sich um die Ausgliederung von Vermögen einer Gebietskörperschaft auf ein neugegründetes Unternehmen mit partieller Gesamtrechtsnachfolge. Sie setzt gemäß §§ 58 Abs. 2, 51 Abs. 1 UmwG die Neugründung eines Unternehmens und einen Vertrag voraus, der sich auf die Übertragung des auszugliedernden Vermögens richtet. Dieser Vertrag ist die Rechtsgrundlage für die partielle Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes und deswegen eine auf eine Rechtsänderung gerichtete Verfügung im Sinne des § 8 VZOG (h.M., vgl. BezG Dresden VIZ 1993, 160, 161; Schmidt-Räntsch/Hiestand, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR [RVI], Bd. II, Stand: Januar 1998, § 8 VZOG Rdn. 6; Messerschmidt, VIZ 1993, 373, 376; Frenz, VIZ 1994, 144; Gohrke, ZOV 1997, 224; a.M.: Keller, VIZ 1993, 536, 538).
b) Die unwiderleglich vermutete Verfügungsbefugnis hat der Stadt Leipzig jedoch nicht die Rechtsmacht verliehen, über nicht entstandenes Volkseigentum zu verfügen.
Dies ergibt sich schon unmittelbar aus dem Wortlaut von Art. 233 § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB „ehemals volkseigenen Grundstücken”). Er unterscheidet sich wesentlich von dem des § 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a VZOG, der ebenfalls durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz neu gefaßt worden ist und die Verfügungsbefugnis über Grundstücke regelt, „die im Grundbuch oder Bestandsblatt noch als Eigentum des Volkes eingetragen sind”, und zwar „unabhängig von der Richtigkeit dieser Eintragung”.
c) Der dem Wortlaut nach bestehende Unterschied beider Vorschriften wird durch die Gesetzesmaterialien verstärkt. Der Gesetzgeber hat in der Begründung zur Neufassung des § 8 Abs. 1 VZOG eindeutig zu erkennen gegeben, daß die von dem Senat für die bis dahin geltende Fassung für richtig gehaltene Auslegung (Senatsurt. v. 19. Juni 1998, V ZR 356/96 aaO) nicht gelten soll, dem Verfügungsberechtigten also nicht nur eine Buchposition, sondern das volle Verfügungsrecht des privaten Grundstückseigentümers eingeräumt sein soll. Dafür, daß dies auch für Art. 233 § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB n.F. gelten sollte, enthalten die Materialien keine Anhaltspunkte. Die Neufassung dieser Vorschrift war zunächst nicht Gegenstand des schon am 31. März 1995 durch einen Gesetzesantrag des Landes Brandenburg (BR-Drucks. 184/95) eingeleiteten Gesetzgebungsverfahrens, sondern findet sich erstmals in der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 12. Juni 1997 (BT-Drucks. 13/7957 S. 2 f). Als Begründung ist hierzu allein die mündliche Erklärung des Berichterstatters (Minister Dr. Bräutigam, Brandenburg) dokumentiert (Stenographischer Sitzungsbericht des Bundesrates vom 4. Juli 1997, Plenarprotokoll 714, S. 261). Darin heißt es:
„Die Verfügungsbefugnis staatlicher Stellen, die im Grundbuch als Rechtsträger volkseigener Grundstücke eingetragen sind, wird unwiderleglich vermutet …”
Diese Erklärung läßt verschiedene Deutungen zu. Sie kann so verstanden werden, daß die Vermutungswirkung schon dann bestehen soll, wenn eine staatliche Stelle als Rechtsträger eines volkseigenen Grundstücks (zu Recht oder zu Unrecht) im Grundbuch eingetragen ist. Sie kann aber auch dahin ausgelegt werden, daß die Vermutung der Verfügungsbefugnis über (wirklich) volkseigene Grundstücke an die Eintragung der Rechtsträgerschaft anknüpfen soll. Geben aber die Materialien über einen vom Wortlaut abweichenden Sinngehalt der Vorschrift keinen eindeutigen Aufschluß, muß es bei dem objektiv zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers verbleiben, wonach die Verfügungsbefugnis nur bei „ehemals volkseigenen Grundstücken” vermutet wird, also bei Grundstücken, die im Volkseigentum standen und nicht nur im Grundbuch als solches eingetragen waren.
d) Setzt Art. 233 § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB damit voraus, daß Volkseigentum wirksam begründet worden ist, bestehen für die Verfügungsbefugnis unterschiedliche Anknüpfungspunkte, je nach dem, ob die Verfügung bis zum Inkrafttreten der durch das Hemmnisbeseitigungsgesetz vom 22. März 1991 (BGBl I S. 766) geschaffenen frühen Fassung der Vorschrift des § 8 VZOG n.F. (damals § 6 VZOG) am 29. März 1991 oder später getroffen worden ist. Während die erste nach Art. 233 § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB i.d.F. des WoModSiG nur wirksam ist, wenn das Grundstück auchwirklich im Eigentum des Volkes stand, hängt die Wirksamkeit von Verfügungen, die nach dem 28. März 1991 getroffen wurden, nach § 8 VZOG i.d.F. des WoModSiG allein davon ab, ob das Grundstück im Grundbuch als Volkseigentum eingetragen war. Dieser Unterschied könnte nur dann als ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers angesehen werden, wenn er jeder sachlichen Berechtigung entbehrte. Das ist aber nicht der Fall.
Die Neufassung von Art. 233 § 2 Abs. 2 Satz 1 2. Fall EGBGB trägt dem Umstand Rechnung, daß die Verfügungsbefugnis staatlicher und kommunaler Stellen über volkseigene Grundstücke mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 weggefallen war (MünchKomm-BGB/Säcker, Erg.Bd. zur 3. Aufl., 1997, Art. 233 § 2 EGBGB Rdn. 6; Eickmann/Böhringer, Sachenrechtsbereinigung, Kommentar, Stand: Februar 1998, Art. 233 § 2 EGBGB Rdn. 62; Böhringer, VIZ 1997, 583). In der Praxis zeichnete sich daher eine große Rechtsunsicherheit ab (Böhringer, OV-Spezial 1997, 263, 264). Bereits eingeleitete Grundstücksveräußerungen blieben stecken, weil nach den Grundsätzen des Liegenschaftsrechts (vgl. BGHZ 27, 360, 366) bis zur Vornahme der Grundbucheintragung die Verfügungsbefugnis des Veräußerers fortbestehen muß (Böhringer, VIZ 197, 583). Hierauf hat der Gesetzgeber reagiert und die Verfügungsbefugnis staatlicher und kommunaler Stellen über volkseigene Grundstücke wieder hergestellt sowie eine sinngemäße Anwendung des § 878 BGB für den Fortfall der Verfügungsbefugnis angeordnet (Böhringer, aaO). Demgegenüber ging es bei der Neuregelung von § 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a VZOG darum, der Zielsetzung des Gesetzes zum Erfolg zu verhelfen, im Interesse der Investitionsförderung im Beitrittsgebiet die Verkehrsfähigkeit der von der Vermögenszuordnung betroffenen Grundstükke vor Erlaß eines Zuordnungsbescheides zu gewährleisten (vgl. BT-Drucks. 12/449, S. 18). Zu diesem Zweck sollte Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 WoModSiG sicherstellen, daß die Verkehrsfähigkeit der betroffenen Grundstücke nicht daran scheitert, daß das Grundbuchamt die wirksame Begründung von Volkseigentum nicht erkennen kann und ein Nachweis darüber im Einzelfall nicht möglich ist (Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 20. März 1997, BT-Drucks. 13/7275 S. 10, 35; vgl. dazu Senatsurt., aaO). Hierzu war eine „Heilung” der vor dem Inkrafttreten des Vermögenszuordnungsgesetzes vorgenommenen Übertragungen von nicht volkseigenen Grundstücken aber nicht notwendig. Daß der Gesetzgeber sie hätte herbeiführen, d.h. den zeitlichen Anwendungsbereich von § 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a VZOG i.d.F. des WoModSiG auf den 3. Oktober 1990, 0.00 Uhr, zurückverlagern wollen (vgl. Stavorius, NotBZ 1998, 6, 7; Gohrke, ZOV 1997, 224, 228), ist nicht erkennbar.
3. Die Überführung des Grundstücks in das Vermögen der Beklagten ist auch nicht gemäß § 185 Abs. 2 BGB nachträglich wirksam worden. Die Bestimmung ist schon deswegen nicht unmittelbar anwendbar, weil eine Verfügung im Rechtssinne, nämlich ein Rechtsgeschäft, durch das auf ein Recht unmittelbar eingewirkt wird (BGHZ 1, 294, 304; 75, 221, 226; 101, 24, 26), nicht vorliegt. Die ausgliedernde Umwandlung einer Gebietskörperschaft ist kein Rechtsgeschäft, durch das das Grundeigentum unmittelbar auf das neu gegründete Tochterunternehmen übertragen wird, sondern ein gesellschaftsrechtlicher Strukturänderungsakt. Er hat die Eigentumsänderung nicht unmittelbar zum Inhalt, sondern zur gesetzlichen Folge, so daß es auch keiner Auflassung bedarf. In Betracht käme daher allenfalls eine entsprechende Anwendung. Ob sie greift, bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil die weiteren Voraussetzungen des § 185 Abs. 2 BGB ebenfalls nicht gegeben sind.
a) Ein Fall des § 185 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. BGB liegt nicht vor. Die Eigentümer haben die Übertragung des Grundstücks auf die Beklagte nicht genehmigt.
b) Die Voraussetzungen des § 185 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. BGB sind ebenfalls nicht erfüllt. Die Stadt Leipzig hat das Eigentum an dem Grundstück zu keiner Zeit erworben. Sie hat nachträglich durch die am 17. Juli 1997 in Kraft getretene Neufassung von § 8 Abs. 1 Satz 1 lit. a VZOG rückwirkend (ab Inkrafttreten des Vermögenszuordnungsgesetzes, also ab 29. März 1991) allenfalls eine vorläufige Verfügungsbefugnis erlangt. Dies führt aber nicht dazu, daß die am 10. Dezember 1990 erfolgte Eigentumsübertragung bei entsprechender Anwendung des § 185 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. BGB rückwirkend ipso jure wirksam geworden wäre (a.A. Gohrke, ZOV 1997, 224, 228). Die Rechtslage ist nicht anders zu beurteilen als bei Verfügungen eines Testamentsvollstreckers, Konkursverwalters oder anderer Vertreter kraft Amtes vor Amtsantritt. In diesen Fällen bedarf es nach Erlangung der Verfügungsmacht immer noch einer besonderen Genehmigung nach § 185 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. BGB aus dem Recht des Berechtigten, um das Rechtsgeschäft wirksam werden zu lassen (Erman/Brox, BGB, 9. Aufl., § 185 Rdn. 12; MünchKomm-BGB/Schramm, 3. Aufl., § 185 Rdn. 60; Soergel/Leptien, BGB, 12. Aufl., § 185 Rdn. 30; Staudinger/Gursky, aaO, Rdn. 73 m.w.N.). Denn der der Konvaleszenz zugrundeliegende Gedanke der Treuwidrigkeit greift hier nicht, weil die Konvaleszenz nicht zu Lasten eines fremden Vermögens gehen soll (Staudinger/Gursky, BGB (1995) § 185 Rdn. 72).
c) Eine Genehmigung ist aber nicht erteilt worden, und zwar auch nicht konkludent (vgl. BGH, Urt. v. 15. Mai 1990, X ZR 82/88, WM 1990, 1573, 1575), weil sich die Stadt Leipzig der Möglichkeit einer schwebenden Unwirksamkeit der Grundstücksübertragung nicht bewußt war (vgl. Senatsurt. v. 20. Juni 1980, V ZR 186/78, WM 1980, 1032). Als ihr dies nach dem Inkrafttreten des WoModSiG hätte bewußt werden können, war sie nicht mehr verfügungsbefugt, so daß eine Genehmigung nicht mehr wirksam geworden wäre. Eine schwebend unwirksame Verfügung kann durch Genehmigung nur dann wirksam werden, wenn der Genehmigende im Zeitpunkt der Genehmigung auch verfügungsbefugt ist (BGHZ 107, 340, 341 m.w.N.). Daran fehlt es. Eine (vorläufige) Verfügungsbefugnis bestand allenfalls bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Zuordnungsbescheid unanfechtbar geworden und dem Grundbuchamt in der gesetzlich vorgeschriebenen Form vorgelegt worden ist (§ 8 Abs. 3 Satz 1 VZOG). Der Zuordnungsbescheid ist am 25. Mai 1992 ergangen und hat dem Grundbuchamt spätestens am 28. Juli 1992 vorgelegen, als die Stadt Leipzig auf ihr Ersuchen gemäß § 3 VZOG als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde. Nach diesem Zeitpunkt konnte eine Genehmigung nicht mehr erteilt werden. Etwas anderes widerspräche den überkommenen Auffassungen des Zivilrechts und findet im Gesetz, insbesondere in der Vorschrift des Art. 7 WoModSiG, die den (zeitlichen) Anwendungsbereich der geänderten Norm regelt, keine Stütze.
V.
Nach alledem ist die Beklagte nicht Eigentümerin des Grundstücks geworden und hat darüber bei dem Verkauf als Nichtberechtigte verfügt. Diese Verfügung ist den Klägern (Berechtigten) gegenüber wirksam geworden, weil sie die Weiterveräußerung genehmigt haben, indem sie von der Beklagten die Herausgabe des Erlöses verlangen (BGH, Urt. vom 20. März 1996, III ZR 236/84; BGB-RGRK/Steffen, 12. Aufl., § 184 Rdn. 1). Die Beklagte hat daher gemäß § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB den erzielten Kaufpreis und gemäß § 818 Abs. 1 BGB die daraus gezogenen Nutzungen herauszugeben. Da den Klägern die Höhe des Kaufpreises und der Umfang der Nutzungen nicht bekannt sind, können sie darüber gemäß § 260 BGB Auskunft verlangen.
Wegen des noch rechtshängigen Zahlungsanspruchs ist die Sache in entsprechender Anwendung des § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an das Landgerichts zurückzuverweisen (vgl. BGH, Urt. v. 22. Mai 1981, I ZR 34/79, NJW 1982, 235, 236; Urt. v. 14. November 1984, VIII ZR 228/83, NJW 1985, 862).
Die Entscheidung über die Kosten I. und II. Instanz bleibt dem Schlußurteil vorbehalten (MünchKomm-ZPO/Lüke, § 254 Rdn. 29). Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen, weil sie in der Sachentscheidung unterlegen ist (§§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO).
Unterschriften
Hagen, Lambert-Lang, Wenzel, Krüger, Klein
Fundstellen
Haufe-Index 1129042 |
BGHR |
EWiR 1999, 165 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 1999, 161 |
WM 1999, 746 |
WuB 1999, 483 |
WuB 1999, 499 |
ZEV 1999, 282 |
ZIP 1999, 447 |
ZfIR 1999, 187 |
MDR 1999, 350 |
NJ 1999, 263 |
Rpfleger 1999, 176 |
Rpfleger 1999, 268 |
ZNotP 1999, 129 |
OVS 1999, 80 |