Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 11.02.1969) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Karlsruhe vom 11. Februar 1969 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin bestellte den Beklagten mit Vertrag vom 28. November 1957 zu ihrem Generalvertreter in einer Reihe von westfälischen Stadt- und Landkreisen. Nach dem Zusatzvertrag vom selben Tage war der Beklagte auch berechtigt, R.-Organisationsmittel als selbständiger Händler zu beziehen und weiter zu verkaufen.
Für das Geschäftsjahr 1961/62 (1. Juli 1961 bis 30. Juni 1962) gewährte die Klägerin dem Beklagten einen Bonus von 2,5 % des von ihm erzielten Maschinenumsatzes = 10.233,55 DM. Sie ging dabei davon aus, daß der Beklagte als Voraussetzung für den Bonus das ihm gesetzte Umsatzsoll von 525.000 DM überschritten habe, nachdem die Parteien im Juni 1962 vereinbart hatten, daß dem Beklagten bis Ende Juni noch bestellte Maschinen auf das laufende Geschäftsjahr angerechnet werden sollten.
Mit Schreiben vom 20. Juli 1964 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, nachdem er im Geschäftsjahr 1963/64 das mit ihm vereinbarte Gebietssoll nicht erreicht habe, mache sie von Punkt 31 des Generalvertretervertrages i.V. mit Punkt 82 Abs. 1 Gebrauch und werde ab sofort die Gebiete Stadt- und Landkreis H., E.-R.-Kreis, sowie die Kreise I. und A. selbst bearbeiten bzw. durch Dritte bearbeiten lassen. Der Beklagte möge ihr eine Liste der Interessenten mitteilen, die er in den genannten Gebieten im Augenblick bearbeite und für die er einen Schutz von 6 Monaten verlange.
Durch Kündigungsschreiben der Klägerin vom 30. März 1965 wurde das gesamte Vertragsverhältnis der Parteien fristgerecht zum 30. Juni 1965 aufgelöst.
Die Klägerin hat mit der Klage u.a. Rückzahlung des Bonus von 10.233,55 DM verlangt. Sie hat dazu vorgetragen, der Beklagte habe, wie sie erst später erfahren habe, von den im Geschäftsjahr 1961/62 auf eigene Rechnung bezogenen Maschinen zwei im Betrage von 26.655 DM unzulässigerweise außerhalb seines Gebietes verkauft. Damit entfalle die Voraussetzung für die Gewährung des Bonus, weil er bei Nichtberücksichtigung dieser beiden Maschinen den Sollumsatz von 525.000 DM nicht erreicht habe.
Der Beklagte habe ihr weiter einen Teil des ihm für diese beiden Maschinen gewährten Rabatts in Höhe von 555,41 DM zurückzuzahlen, weil sie bei Meldung der Interessenten an sie, wozu er nach Ziffer 41 des Vertrages verpflichtet gewesen wäre, und beim Zustandekommen der Verkäufe über den zuständigen Generalvertreter nur eine um diesen Betrag geringere Provision hätte zahlen müssen.
Der Beklagte hat mit seiner Widerklage zuletzt u.a. beantragt:
- festzustellen, daß das Vertragsverhältnis bezüglich der Gebiete Stadt- und Landkreis H., E.-R.-Kreis und der Kreise I. und A. (im folgenden kurz „H. Gebiet” genannt) erst am 30. Juni 1965 beendet worden sei,
- die Klägerin zu verurteilen, ihm Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen darüber, welche Verkäufe sie selbst oder durch Dritte in der Zeit vom 20. Juli 1964 bis 30. Juni 1965 in dem H. Gebiet getätigt habe.
Das Landgericht hat durch Teilurteil der Klage in Höhe von 1.221,78 DM nebst Zinsen stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Auf die Widerklage hat es unter Abweisung des Feststellungsantrages die Klägerin zur Auskunfterteilung und Rechnungslegung für die Zeit bis zum 31. März 1965 verurteilt.
Das Oberlandesgericht hat die Klage ganz abgewiesen und den beiden vorbezeichneten Widerklageanträgen in vollem Umfang entsprochen.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin die Klage in Höhe von 10.233,55 + 555,41 = 10.788,96 DM nebst Zinsen und den Antrag auf Abweisung der Widerklage, soweit das Berufungsgericht sie zuerkannt hat, weiter.
Der Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. (Zur Klage)
1. Das Berufungsgericht legt den Zusatzvertrag der Parteien vom 28. November 1957 dahin aus, daß der Beklagte danach auch Maschinen, die er als Eigenhändler von der Klägerin bezogen habe, nur in die ihm im Generalvertretervertrag zugewiesenen Gebiete habe weiterverkaufen dürfen. Es folgert daraus, auch bei der Berechnung des Bonus für das Geschäftsjahr 1961/62 sei grundsätzlich davon auszugehen, daß der Maschinenumsatz „nur diejenigen Käufe umfassen sollte, die vom Beklagten in sein Vertretergebiet weitergeleitet” worden seien.
Die Vertragsauslegung des Berufungsgerichts bindet das Revisionsgericht. Auch die daraus gezogene Schlußfolgerung ist rechtlich nicht zu beanstanden; sie ist im übrigen der Revisionsklägerin günstig.
2. Das Berufungsgericht hat aber auf Grund einer Beweisaufnahme festgestellt, die Klägerin habe wiederholt in Einzelfällen, in denen Generalvertreter Maschinen in ein anderes Vertretergebiet verkauft hätten, in entsprechender Anwendung der Ziffer 74 des Generalvertretervertrages diese Verkäufe dem Maschinenumsatz des abschließenden Vertreters gutgeschrieben, während die beiden Vertreter die Provision hätten teilen müssen. Es habe sich dabei zwar um Einzel- und Ausnahmefälle gehandelt; auch bei den in Frage stehenden Verkäufen des Beklagten habe es sich aber um Einzelfälle und nicht um ein planmäßiges Vorgehen des Beklagten zur Umgehung der vertraglichen Bestimmungen gehandelt. Habe aber die Klägerin bei anderen Vertretern in gleichgelagerten Fällen die Verkäufe akzeptiert und Gutschriften auf das Umsatzsoll erteilt, so gebiete der Grundsatz von Treu und Glauben, daß sie den Beklagten mit ihren anderen Generalvertretern und Händlern gleichbehandele und demgemäß auch ihm die hier in Rede stehenden Maschinenverkäufe auf seinen Umsatz gutschreibe. Der Beklagte habe daher den Bonus von 10.233,55 DM zu Recht erhalten.
3. Die Anwendung eines „Gleichbehandlungsgrundsatzes” im Handelsvertreterrecht ist in Rechtsprechung und Schrifttum bisher, soweit festgestellt werden kann, nicht erörtert worden. Es bestehen dagegen auch Bedenken. Ein Unternehmer ist rechtlich nicht gehindert, mit seinen einzelnen Handelsvertretern, die rechtlich selbständige Kaufleute sind, voneinander abweichende Verträge zu schließen. Er braucht auch Vergünstigungen, die er dem einen über die vertraglichen Vereinbarungen hinaus einräumt, nicht ohne weiteres in gleicher Weise dem anderen zu gewähren. Die Beziehungen zwischen Unternehmer und Handelsvertreter und erst recht diejenigen zwischen einem Fabrikanten und dem dessen Erzeugnisse beziehenden und weiterverkaufenden Eigenhändler sind wesentlich anders gelagert als die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wenn auch in einzelnen Punkten rechtlich und soziologisch Ähnlichkeiten bestehen.
4. Es bedarf aber keiner weiteren Erörterung hierzu, weil dem Berufungsgericht jedenfalls im Ergebnis beizutreten ist.
a) Nach dessen Feststellung hat die Klägerin in einer Reihe von Fällen, in denen ihre Vertreter Maschinen in ein anderes Vertretergebiet verkauft hatten, in entsprechender Anwendung der Ziff. 74 des Generalvertretervertrages diese Verkäufe jeweils dem Maschinenumsatz des abschließenden Vertreters gutgeschrieben. Zwar hat das Berufungsgericht nicht ausdrücklich festgestellt, daß das dem Beklagten bekannt geworden ist und er daraus folgern durfte, die Klägerin werde ihn ebenso behandeln. Der Beklagte hat aber vorgetragen, eine andere Handhabung als die Anrechnung auf den Umsatz in solchen Fällen sei ihm nie bekannt geworden, es sei ferner über diesen Punkt bei den Vertretertagungen wiederholt gesprochen worden. Das hat die Klägerin nicht bestritten. Nach dem unstreitigen Sachverhalt konnte der Beklagte daher darauf vertrauen, daß die Klägerin in gleichgelagerten Fällen ihm dieselbe Vergünstigung gewähren werde. Er brauchte deshalb im Hinblick auf die Erreichung seines Umsatzsolls keine Bedenken zu haben, zwei Maschinen in ein fremdes Gebiet zu verkaufen.
b) Das Berufungsgericht spricht in diesem Zusammenhang von einer entsprechenden Anwendung der Ziff. 74 des Generalvertretervertrages. Der Beklagte konnte diese Vertragsklausel, wenn sie auch objektiv auf Fälle der hier vorliegenden Art nicht unmittelbar zutreffen mag, im Hinblick auf das ihm bekanntgewordene Verhalten der Klägerin gegenüber anderen Vertretern gutgläubig dahin verstehen, die Klägerin werde in Einzelfällen auch ihm Verkäufe außerhalb seines Gebiets auf den Umsatz anrechnen. Das Berufungsgericht nimmt ausdrücklich an, es handele sich auch beim Beklagten um Einzelfälle und nicht um ein planmäßiges Vorgehen zur Umgehung der vertraglichen Bestimmungen.
c) Unter diesen Umständen kann der Revision nicht darin gefolgt werden, daß man bei anderen Vertretern vorgekommene Einzelfälle nicht, ohne weiteres mit solchen beim Beklagten vergleichen könne. Es handelt sich, wie das Berufungsgericht der Beweisaufnahme entnehmen konnte, um in den hier wesentlichen Punkten ganz gleichgelagerte Fälle. Der Beklagte durfte daher nach Treu und Glauben annehmen, daß die Klägerin ihn in diesen Fällen ebenso wie die anderen Vertreter behandeln werde.
d) Die Revision kann sich bei dieser Sachlage auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Fall habe beim Beklagten insofern besonders gelegen, als die Klägerin ihm schon ein Entgegenkommen durch das Zugeständnis gezeigt habe, daß erst später zu liefernde Maschinen noch auf seinen Umsatz im laufenden Geschäftsjahr angerechnet werden sollten. Das Berufungsgericht brauchte dem in diesem Zusammenhang keine die Anrechnung der zwei Maschinen auf den Umsatz des Beklagten ausschließende Bedeutung beizumessen.
Es ist hiernach rechtlich nicht zu mißbilligen, daß das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Rückgewähr des dem Beklagten gezahlten Bonus verneint hat.
5. Unter diesen Umständen hat das Berufungsgericht den Beklagten auch mit Recht nicht als verpflichtet angesehen, der Klägerin einen Betrag von 555,41 DM zurückzuzahlen (BU 20). Nach Feststellung des Berufungsgerichts hat der Beklagte unstreitig 4.000 DM an den Nachbarvertreter Lö. als Ersatz für die diesem entgangene Provision gezahlt. Nach dem Vorgesagten waren dem Beklagten die beiden Maschinen auf den Umsatz anzurechnen; er hat deshalb auch den Rabatt auf den Kaufpreis für sie nicht zu Unrecht erhalten und braucht daher der Klägerin die Differenz zwischen der Provision, die sie an Lö. hätte zahlen müssen, und dem ihm gewährten höheren Rabatt nicht zu erstatten.
II. (Zur Widerklage)
1. Das Berufungsgericht hat dem Feststellungsantrag des Beklagten stattgegeben, weil in dem Schreiben der Klägerin vom 20. Juli 1964 eine Kündigung des Vertragsverhältnisses bezüglich des H. Gebiets zu sehen sei, die als Teilkündigung unwirksam sei. Die Bestimmungen der Ziffern 31 und 82 des Generalvertretervertrages rechtfertigten eine so weitgehende Maßnahme – das H. Gebiet umfasse etwa die Hälfte des gesammten Vertretergebietes des Beklagten – nicht (BU 21, 22).
2. Auch insoweit ist die Entscheidung des Berufungsgerichts rechtlich nicht zu beanstanden. Dabei kann dahinstehen, ob, wie das Berufungsgericht meint, die Bestimmung der Ziffer 31, nach der die Klägerin das Gebiet eines Generalvertreters „neu gliedern” kann, wenn dieser sein Gebiet nicht gründlich bearbeitet oder „auch nur die Soll-Umsätze nicht erzielt”, nicht eindeutig ist. Unklar war jedenfalls, wie schon das Landgericht ausgeführt hat, die Erklärung der Klägerin im Schreiben vom 20. Juli 1964, in der sie sich nicht nur auf die Ziffer 31 des Vertrages, sondern daneben zugleich auf die Ziffer 82 des Vertrages berief. Nach dieser Bestimmung hatte die Klägerin, wenn die Soll-Umsätze nicht erreicht wurden, das Recht zu Direktverkäufen oder zu Verkäufen über Dritte, für die der Generalvertreter dann keine Provision zu beanspruchen hatte. Die Ziffer 82 sieht also anders als die Ziffer 31, die von abgegebenen Gebietsteilen spricht, ein Fortbestehen des Vertragsverhältnisses auch in dem Gebiet vor, in dem die Klägerin Direktverkäufe ohne Provisionsansprüche des Vertreters vornehmen konnte. Die beiden Bestimmungen haben also eine verschiedene Tragweite, so daß zunächst unklar war, was die Klägerin bezweckte, und ihrer Erklärung schon deshalb eine rechtliche Wirkung abgesprochen werden muß.
Hernach ergab sich, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, freilich, daß die Klägerin dem Beklagten das ganze H. Gebiet von einem Tag zum anderen wegnehmen wollte. Dabei handelte es sich fast um die Hälfte des Vertragsgebietes. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß eine so weitgehende Maßnahme gegen Treu und Glauben verstieß. Damit will es sagen, daß sie in keinem angemessenen Verhältnis zu dem vom Beklagten gegebenen Anlaß stand und deshalb eine übermäßige also unzulässige Rechtsausübung darstellte. Auch hiergegen ist aus Rechtsgründen nichts einzuwenden.
Unentschieden kann bleiben, ob dem Berufungsgericht auch insoweit beizutreten ist, als es eine unzulässige Teilkündigung angenommen hat.
3. Die Revision hat auch keinen Erfolg mit der Rüge, das Berufungsgericht habe unter Prozeßverstoß angenommen, daß das H. Gebiet etwa die Hälfte des Vertreterbezirks des Beklagten darstelle. Der Beklagte hat vorgetragen, das H. Gebiet habe 840.000 Einwohner, das übrige Gebiet 1.218.000 Einwohner, in dem H. Gebiet seien aber weit mehr Klein- und Mittelbetriebe ansässig, die für das Verkaufsprogramm der Klägerin als Abnehmer in Frage kämen. Die Klägerin hat dem nicht widersprochen. Daher ist die dem Vortrag des Beklagten entnommene Feststellung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden. Auch die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge aus § 139 ZPO ist hiernach nicht gerechtfertigt.
4. Da das Vertragsverhältnis der Parteien im ganzen erst durch die Kündigung der Klägerin zum 30. Juni 1965 beendet worden ist, hat das Berufungsgericht die Klägerin auch zu Recht zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung über die in dem Hagener Gebiet bis dahin vorgenommenen Verkäufe verurteilt. Seine Annahme, die Klägerin habe mit ihren Angaben während des Rechtsstreits ihrer Pflicht zur Rechnungslegung nicht genügt, ist gleichfalls rechtlich nicht zu beanstanden; die Revision hat die diesbezüglichen Einwendungen auch nicht weiterverfolgt.
III. Nach alledem ist die Revision der Klägerin in vollem Umfang unbegründet und daher mit Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Glanzmann, Rietschel, Erbel, Finke, Girisch
Fundstellen