Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 2. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 26. Oktober 2000 aufgehoben und das Urteil der Zivilkammer 10 des Landgerichts Berlin vom 17. Juni 1999 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 147.949,00 DM nebst 8,5 % Zinsen auf 367.949,00 DM vom 21. Dezember 1996 bis 24. Februar 1997 und auf 147.949,00 DM seit dem 25. Februar 1997 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus abgetretenem Recht Auszahlung eines Kontoguthabens über 147.949,00 DM, hilfsweise Schadensersatz in gleicher Höhe.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die später in K. GmbH umfirmierte Ka. GmbH, war in Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der F. GmbH (im folgenden: F. GmbH) Inhaberin des Kontos Nr. bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der B. L.bank. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts hatte in G. (B.) Wohnungs- und Teileigentumseinheiten errichtet. Ein aus dem Verkauf dieser Einheiten erzielter Erlös in Höhe von 754.000,00 DM wurde auf das bezeichnete Konto der Gesellschaft bei der B. L.bank eingezahlt.
Die Gesellschaft hatte bereits mit der Durchführung eines Bauvorhabens in Le., für das die B. L.bank ihr einen Bauträgerkredit gewährt hatte, begonnen, als die Ka. GmbH sich aus dem Bauträgergeschäft zurückziehen wollte. Die F. GmbH gründete mit der J. M. GmbH i.G. eine neue Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die in die Verträge mit der Bank eintrat. Die Ka. GmbH sowie ihr Geschäftsführer E. Ka. wurden von der Bank aus allen Darlehensverpflichtungen und persönlichen Haftungen für das Le.er Projekt entlassen. In der in diesem Zusammenhang getroffenen, von allen Beteiligten unterzeichneten Vereinbarung vom 7./15. November 1995 erklärte die aus der F. GmbH und der Ka. GmbH bestehende Gesellschaft ihr Einverständnis, die 754.000,00 DM, auch nach Umschreibung des Kontos Nr. auf die neue Gesellschaft, bis zur – inzwischen eingetretenen – Erfüllung einer Verkaufsauflage von 13.000.000,00 DM für das Le.er Bauvorhaben auf jenem Konto zu belassen. Weiter heißt es hierzu unter VIII. Abs. 3 der Vereinbarung:
„Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus den Firmen „F. GmbH” und „J. M. GmbH i. G.”, stimmt hiermit unwiderruflich zu, daß der Betrag von 754.000,00 DM z. L. des Kontos Nr. an die GbR ausbezahlt wird, sobald die vorstehend genannte Verkaufsauflage von 13.000.000,00 DM erfüllt ist. Weiterhin stimmt die GbR zu, daß beide GbR-Gesellschafter unabhängig voneinander die Auszahlung ihres Hälfteanteils verlangen können.”
Nach der Definition unter II. der Vereinbarung steht die Abkürzung „GbR” für die aus der F. GmbH und der Ka. GmbH bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
Im Dezember 1996 hat die Klägerin von der Beklagten Auszahlung der Hälfte des nach Abzug einer Provisionsforderung der Beklagten für den Vertrieb der Immobilien in G. in Höhe von 18.102,00 DM verbleibenden Kontoguthabens, also 367.949,00 DM verlangt. Die Beklagte, von der die F. GmbH im Herbst 1996 gefordert hatte, daß sie mehr als 200.000,00 DM des Guthabens an die Gemeinde G. zur Begleichung von Gewerbesteuerschulden der aus der F. GmbH und der Ka. GmbH bestehenden Gesellschaft zahle, überwies der Klägerin im Februar 1997 220.000,00 DM.
Die restlichen 147.949,00 DM nebst Verzugszinsen sind Gegenstand der Klage, die in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben ist. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
I.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß sich ein fälliger Zahlungsanspruch weder aus dem Kontoführungsvertrag noch aus der Vereinbarung vom November 1995 ergebe. Aus VIII. Abs. 3 Satz 1 der Vereinbarung folge ein nur den Gesellschaftern in gesamthänderischer Verbundenheit zustehender Anspruch auf Auszahlung des Verkaufserlöses. Satz 2 dieser Vertragsbestimmung gebe den Gesellschaftern zwar einen individuellen Anspruch. Dieser Anspruch richte sich aber nicht auf Auszahlung des hälftigen Kontoguthabens, also auf den hälftigen Verkaufserlös von 754.000,00 DM abzüglich der Provision der Beklagten, sondern nur auf Auszahlung eines künftig erst noch zwischen den Gesellschaftern zu ermittelnden Auseinandersetzungsguthabens. Der „Hälfteanteil” sei nicht beziffert worden. Das spreche dafür, daß er nicht notwendig die Hälfte des Guthabens ausmachen, sondern erst ermittelt werden sollte, nachdem aus dem Guthaben etwaige noch vorhandene Gesellschaftsverbindlichkeiten berichtigt wären. Solange die Höhe des Anteils nicht feststehe, komme auch ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung nicht in Betracht.
Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Die Beurteilung des Berufungsgerichts beruht auf einer die Grenzen tatrichterlichen Beurteilungsspielraums überschreitenden Auslegung, die vom Wortlaut der Regelung unter VIII. Abs. 3 nicht gedeckt ist.
II.
Der Wortlaut von VIII. Abs. 3 Satz 2 ist eindeutig: Beide Gesellschafter sollten unabhängig von der Mitwirkung des jeweils anderen Gesellschafters die Auszahlung ihres „Hälfteanteils” verlangen können.
Unter „Hälfteanteil” ist nach dem Regelungszusammenhang die Hälfte des in dem vorangegangenen Satz 1 ausdrücklich genannten Betrages von 754.000,00 DM zu verstehen, dessen Auszahlung an die GbR zu Lasten des Kontos Nr. die neue Gesellschaft bürgerlichen Rechts als künftige Inhaberin jenes Kontos unwiderruflich zustimmte. Ein Anhalt dafür, daß damit nicht die Auszahlung dieses Betrages, sondern ein Anspruch auf Auszahlung eines erst noch zu ermittelnden Auseinandersetzungsguthabens gemeint sein sollte, findet sich in dem Vertragstext nicht.
Daß es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei den 754.000,00 DM um das letzte Aktivum der Gesellschaft handelte, rechtfertigt dessen Annahme nicht, die fragliche Regelung betreffe nicht dieses Guthaben, sondern lediglich ein späteres Auseinandersetzungsguthaben. Eine solche Vereinbarung hätten die Gesellschafter sicherlich treffen können, sie mußten es aber nicht. Es stand ihnen tatsächlich wie rechtlich frei, eine Regelung allein hinsichtlich des zum Gesamthandsvermögen der Gesellschaft gehörenden Kontoguthabens zu treffen. Den an der Vereinbarung vom November 1995 Beteiligten ging es darum, daß der Bank der Erlös aus dem Bauvorhaben G. zunächst noch als Sicherheit für das Le.er Projekt zur Verfügung stehen sollte, obwohl er materiell der „GbR” zustand, die aus den Verträgen mit der Bank jedoch entlassen werden sollte. Notwendig waren von daher lediglich Abmachungen über das Schicksal der 754.000,00 DM, auf eine Auseinandersetzung der „GbR” kam es nicht an. Dies gilt um so mehr, als die vom Berufungsgericht zum Anlaß seiner abweichenden Überlegungen genommenen Steuerschulden der Gesellschaft seinerzeit offensichtlich noch nicht im Gespräch waren und zudem nicht erkennbar ist, daß für ihre Begleichung schon aus damaliger Sicht jedenfalls für die Gesellschafterin Ka. GmbH nur der Verkaufserlös in Betracht kommen würde.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Parteien die Vereinbarung gleichwohl in dem von ihm angenommenen Sinne verstanden hätten. Der Widerspruch der F. GmbH gegen eine Auszahlung des Guthabens an die Gesellschafter erfolgte erst im Oktober 1996 und läßt damit nicht ohne weiteres auf ein bei den Gesellschaftern schon knapp ein Jahr zuvor etwa vorhandenes Verständnis schließen. Daß die Bank zur Verrechnung von Provisionsansprüchen aus dem Vertrieb der Immobilien gegen den auf ihrem Konto eingegangenen Erlös berechtigt sein würde, verstand sich von selbst. Deshalb kann die Tatsache, daß der im Schreiben der Bank vom 30. November 1995 angekündigte Abzug von der Rechtsvorgängerin der Klägerin und dieser selbst hingenommen wurde, ebenfalls nicht als Bestätigung der Rechtsansicht des Berufungsgerichts gewertet werden. Dies gilt um so mehr, als die Annahme des Berufungsgerichts, die Gesellschafter sollten einen Anspruch lediglich auf das künftige, erst noch einvernehmlich untereinander zu ermittelnde Auseinandersetzungsguthaben erhalten, in unvereinbarem Gegensatz zu dem von ihnen unstreitig verfolgten Ziel stünde, jedem Gesellschafter gerade einen individuellen, von der weiteren Mitwirkung des jeweils anderen Gesellschafters unabhängigen Auszahlungsanspruch gegen die Beklagte zuzuwenden.
Das Berufungsgericht hat damit den anerkannten Grundsatz verletzt, daß die Auslegung in erster Linie den von den Parteien gewählten Wortlaut und den ihm zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen zu berücksichtigen hat (vgl. nur BGH, Urt. v. 27. November 1997 – IX ZR 141/96, NJW 1998, 900, 901 m.w.N.).
III.
Da weitere tatrichterliche Feststellungen nicht in Betracht kommen, kann der Senat die Vereinbarung vom November 1995 selbst auslegen. Auf der Grundlage des oben Ausgeführten ergibt die Auslegung, daß der Rechtsvorgängerin der Klägerin gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch in Höhe von 367.949,00 DM zustand. Die Klageforderung ist daher in der Hauptsache begründet.
Das gilt auch für den – vom Berufungsgericht zwar nicht ausdrücklich festgestellten, aber nach seinen Ausführungen unter 2. der Entscheidungsgründe offenbar für gegeben erachteten – Fall, daß die Beklagte der Weisung des Geschäftsführers der F. GmbH nachgekommen ist und aus dem Guthaben der „GbR” an die Gemeinde G. Zahlungen auf Gewerbesteuerschulden der Gesellschaft geleistet hat. Denn gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin war die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der B. L.bank, die Vertragspartnerin der Vereinbarung vom November 1995 war, zu einer Verfügung über das Guthaben der „GbR” allein auf Weisung eines der Gesellschafter nicht berechtigt. Die Gesellschafter hatten in jener Vereinbarung eine verbindliche Bestimmung dahin getroffen, daß sie unabhängig voneinander von der Bank die Auszahlung des hälftigen der Gesellschaft zustehenden Guthabens sollten verlangen können. Diese Regelung hätte, wovon auch die Beklagte ausgehen mußte, nur von den Gesellschaftern der „GbR” einvernehmlich geändert werden können. Da das Guthaben nach dem Inhalt der Vereinbarung allein der „GbR” zustand, nicht aber der neuen Gesellschaft bürgerlichen Rechts, auch wenn diese inzwischen Kontoinhaberin war, durfte die Beklagte nicht darauf abstellen, daß die Weisung zur Begleichung der Gewerbesteuerschulden von dem oder den für das Konto Zeichnungsberechtigten erteilt wurde.
Die Zinsforderung der Klägerin ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Henze, Kraemer, Münke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 28.01.2002 durch Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 706800 |
ZfIR 2004, 170 |