Leitsatz (amtlich)
Der einzelne Wohnungseigentümer kann nach Inkrafttreten des WEMoG nicht mehr von einem anderen Wohnungseigentümer oder dessen Mieter die Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung des Wohnungseigentums verlangen. Entsprechende Unterlassungsansprüche können nunmehr allein von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht werden (Bestätigung von Senat, Urteil vom 16. Juli 2021 - V ZR 284/19, NZM 2021, 717 Rn. 13, 19 f.).
Normenkette
WoEigG § 14 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 1004 Abs. 1; WEMoG
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 04.05.2021; Aktenzeichen 2-09 S 11/20) |
AG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 19.02.2020; Aktenzeichen 33 C 1451/19 (93)) |
Nachgehend
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4. Mai 2021 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien sind Mitglieder einer aus fünf Einheiten bestehenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Die Klägerin ist Eigentümerin der im zweiten Obergeschoss der Anlage gelegenen Wohnung Nr. 3. Der Beklagten gehört die Erdgeschosswohnung mit der Nr. 1. Durch Nachtragsurkunde vom 15. September 1986 wurde die ursprüngliche Teilungserklärung hinsichtlich der Kellerräume verändert. Unter anderem wurden der Wohnung Nr. 1 vier Kellerräume zugewiesen. Nach § 3 b der Urkunde sind die Wohnungseigentümer berechtigt, die „in ihrem Sondereigentum und Sondernutzungsrecht stehenden Kellerräume umzubauen und zu jeglichen Zwecken zu nutzen, ohne dass hierdurch eine über das übliche Maß hinausgehende Geräuschbelästigung erfolgen darf“. Die Beklagte plante, die ihrer Wohnung zugewiesenen Kellerräume umzubauen; u.a. sollte ein Gästezimmer mit Zugang zu einer Terrasse entstehen. Dies führte in der Folge zu einem von der Bauaufsichtsbehörde verfügten Baustopp und einer einstweiligen Verfügung des Amtsgerichts, nach der die Beklagte Durchbruchmaßnahmen vom Keller in ihre Wohnung sowie Fundament- und Erdarbeiten im Keller zu unterlassen hatte. Hintergrund dieser Erdarbeiten war die Absicht, den Kellerraum mit Ausgang zum Garten 25 cm tiefer zu legen, damit dieser die für Wohnräume erforderliche Höhe aufweist. Die Umbauarbeiten waren Thema auf mehreren Eigentümerversammlungen, ohne dass eine Einigung erzielt wurde.
Rz. 2
Mit der Klage beantragt die Klägerin - soweit noch von Interesse - die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft über die im Kellergeschoss vorgenommenen baulichen Veränderungen zu erteilen (Klageantrag zu 1), ihr mit einem Sachverständigen den Zutritt zu den Kellerräumen zwecks Inaugenscheinnahme der baulichen Veränderungen zu gewähren (Klageantrag zu 2), den Deckendurchbruch zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand des Fußbodenaufbaus in den Kellerräumen wiederherzustellen (Klageantrag zu 3) sowie die Nutzung der Kellerräume als Wohnung zu unterlassen (Klageantrag zu 4). Das Amtsgericht hat den Klageanträgen zu 1, 2 und 4 in vollem Umfang stattgegeben. Hinsichtlich des Antrags zu 3 hat es die Beklagte zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands des Fußbodenaufbaus in den Kellerräumen verurteilt, die Klage aber im Hinblick auf die Beseitigung des Deckendurchbruchs abgewiesen. Das Landgericht hat am 4. Mai 2021 die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage auch im Übrigen abgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageansprüche weiter. Während des Revisionsverfahrens hat der Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft durch Schreiben vom 13. August 2021 mitgeteilt, dass die Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung vom 22. Juli 2021 beschlossen hätten, es der Klägerin zu untersagen, die im Prozess verfolgten Ansprüche gegen die Beklagte geltend zu machen.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 3
Nach Ansicht des Berufungsgerichts fehlt der Klägerin die Prozessführungsbefugnis für Ansprüche, die auf eine Beeinträchtigung oder Veränderung des Gemeinschaftseigentums gestützt seien. Dies gelte auch für die mit Blick auf das Gemeinschaftseigentum geltend gemachten Nebenansprüche (Auskunfts- und Zugangsanspruch). Nach § 9a Abs. 2 WEG in der Fassung des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) sei die Gemeinschaft für die Ansprüche aus § 1004 BGB auf Beseitigung von Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums ausschließlich zuständig. § 9a Abs. 2 WEG sei ab dem Inkrafttreten des WEMoG am 1. Dezember 2020 anwendbar, weil § 48 Abs. 5 WEG eine Übergangsvorschrift nur für das Verfahrensrecht enthalte. Die Klägerin könne die Beseitigungsansprüche auch nicht auf eine Beeinträchtigung ihres Sondereigentums stützen. Zwar sei dem einzelnen Eigentümer die Abwehr solcher Störungen auch nach der WEG-Reform möglich. Voraussetzung hierfür sei aber eine konkrete tatsächliche Beeinträchtigung des Sondereigentums, worunter nur Störungen zu verstehen seien, die im räumlichen Bereich des Sondereigentums aufträten. Davon sei hier nicht auszugehen.
Rz. 4
Deshalb stelle sich nur die Frage, ob ein aus Sicht der Klägerin vorliegender „formaler“ Gebrauchsverstoß durch die beabsichtigte Nutzung der im Untergeschoss befindlichen „Kellerräume“ zu Wohnzwecken gegeben sei und ob hieraus ein eigenständig durchsetzbarer Abwehranspruch der Klägerin i.S.d. § 1004 Abs. 1 BGB folge. Dies scheide aus, weil die Bezeichnung als „Kellerraum“ hier keine die Wohnnutzung eindeutig ausschließende Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter darstelle. Unabhängig davon erscheine fraglich, ob der Verstoß gegen eine im Grundbuch eingetragene Zweckbestimmung bzw. Gebrauchsregel als Beeinträchtigung des Sondereigentums anzusehen sei. Jedenfalls stehe nach der WEG-Reform dem einzelnen Wohnungseigentümer kein Abwehranspruch wegen Verstoßes gegen eine Zweckbestimmung mehr zu. § 9a Abs. 2 WEG bezwecke eine einheitliche Störungsabwehr durch die Gemeinschaft.
II.
Rz. 5
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
Rz. 6
1. Die Revision ist entgegen der Auffassung der Beklagten insgesamt zugelassen worden und nicht nur beschränkt auf Ansprüche, die sich aus einer Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums ergeben. Nach dem Tenor des Berufungsurteils ist die Revision „nach näherer Maßgabe der Entscheidungsgründe zugelassen“ worden. Danach „war die Revision zur Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hinsichtlich der Frage zuzulassen, welche Auswirkungen § 9a Abs. 2 WEG und die vom Gesetzgeber bewusst vorgesehenen Übergangsvorschriften des § 48 WEG auf bereits vor dem 1.12.2020 anhängige Verfahren haben, in denen die Gemeinschaft aus mehr als zwei Miteigentümern besteht“. Durch die Zulassung soll erkennbar eine Klärung herbeigeführt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Wohnungseigentümer gegen einen anderen Wohnungseigentümer nach Inkrafttreten des WEMoG Ansprüche wegen Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums und/oder des Sondereigentums geltend machen kann. Dies bezieht sich auf sämtliche Klageanträge einschließlich des Klageantrags zu 4, hinsichtlich dessen Beurteilung das Berufungsgericht im Übrigen ausdrücklich - jedenfalls auch - auf die Vorschrift des § 9a Abs. 2 WEG verweist.
Rz. 7
2. In der Sache hat das Berufungsgericht die Klage mit sämtlichen Klageanträgen zu Recht abgewiesen, auch wenn die hierfür gegebene Begründung teilweise von Rechtsfehlern beeinflusst ist.
Rz. 8
a) Dies gilt zunächst für die Abweisung des Klageantrags zu 3, mit dem die Klägerin die Beseitigung des Deckendurchbruchs und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands des Fußbodenaufbaus in den Kellerräumen verlangt, und damit auch für die mit den Klageanträgen zu 1 und 2 geltend gemachten Nebenansprüche.
Rz. 9
aa) Für einen Anspruch aus § 1004 BGB wegen der behaupteten Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums fehlt der Klägerin die Prozessführungsbefugnis.
Rz. 10
(1) Dies folgt allerdings entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht bereits unmittelbar aus § 9a Abs. 2 WEG. Zwar übt nach dieser Vorschrift, die aufgrund des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) vom 16. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2187) ab dem 1. Dezember 2020 gilt, die GdWE die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte aus. Damit ist nunmehr allein die GdWE für die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB prozessführungsbefugt. Für die bereits vor dem 1. Dezember 2020 bei Gericht anhängigen Verfahren besteht aber, wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat, die Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers, der sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte geltend macht, über diesen Zeitpunkt hinaus in Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 WEG fort, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der GdWE zur Kenntnis gebracht wird (vgl. Senat, Urteil vom 7. Mai 2021 - V ZR 299/19, NJW-RR 2021, 1170 Rn. 12 ff., 20 ff.; Urteil vom 1. Oktober 2021 - V ZR 48/21, WuM 2021, 766 Rn. 15). Entsprechendes gilt für die Aktivlegitimation (vgl. Senat, Urteil vom 1. Oktober 2021 - V ZR 48/21, aaO Rn. 16). Eine entsprechende Äußerung des vertretungsberechtigten Organs lag im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht vor; die Klägerin blieb deshalb weiter prozessführungsbefugt.
Rz. 11
(2) Die Sachlage hat sich aber im Revisionsverfahren geändert. Der nach § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG vertretungsberechtigte Verwalter hat durch Schreiben vom 13. August 2021 mitgeteilt, dass die GdWE der Klägerin untersagt, die hier im Prozess anhängigen Ansprüche gerichtlich geltend zu machen; insoweit hat er auf einen entsprechenden Beschluss der Wohnungseigentümer vom 22. Juli 2021 verwiesen. Aufgrund dieser eindeutigen Erklärung des Verwalters ist die zunächst weiter fortbestehende Prozessführungsbefugnis der Klägerin - ebenso wie ihre Aktivlegitimation - entfallen (vgl. zu den Anforderungen an die Erklärung näher Senat, Urteil vom 28. Januar 2022 - V ZR 106/21, zur Veröffentlichung bestimmt).
Rz. 12
(3) Entgegen der Auffassung der Revision hat die GdWE ihr Recht, der Klägerin durch Erklärung des zur Vertretung berechtigten Verwalters die Prozessführungsbefugnis zu entziehen, nicht verwirkt. Dies käme zwar in Betracht, wenn die GdWE noch vor Inkrafttreten des WEMoG das bis zu diesem Zeitpunkt mögliche Recht der Vergemeinschaftung (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG aF) des Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB verwirkt hätte. Dann spräche einiges dafür, dass sie auch nach Inkrafttreten des WEMoG der Prozessführung der Klägerin nicht mehr durch ihren Verwalter widersprechen könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Annahme der Verwirkung eines Rechts neben dem reinen Zeitablauf erforderlich, dass der Berechtigte durch sein gesamtes Verhalten bei dem Verpflichteten das Vertrauen geschaffen hat, er werde sein Recht nicht mehr geltend machen und dass dieser sich darauf eingerichtet hat; der Vertrauenstatbestand kann nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2021 - V ZR 234/19, NJW 2021, 2882 Rn. 10; Urteil vom 15. Dezember 2017 - V ZR 275/16, NZM 2018, 909 Rn. 22 mwN). Vor diesem Hintergrund rechtfertigt der Vortrag, die GdWE habe seit Erlass der von der Klägerin am 18. November 2016 erwirkten einstweiligen Verfügung in Kenntnis sämtlicher Umstände keine Veranlassung gesehen, die Geltendmachung der Ansprüche an sich zu ziehen, die Annahme einer Verwirkung nicht. Ein Wohnungseigentümer, der eine auf § 1004 Abs. 1 BGB gestützte Klage wegen Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums erhoben hatte, musste damit rechnen, dass die GdWE den Anspruch vergemeinschaftete (vgl. Senat, Urteil vom 5. Dezember 2014 - V ZR 5/14, BGHZ 203, 327 Rn. 17). Dem nachträglichen Wegfall der Prozessführungsbefugnis konnte durch eine Erledigungserklärung Rechnung getragen werden (vgl. Urteil vom 24. Januar 2020 - V ZR 295/16, NJW-RR 2020, 894 Rn. 14).
Rz. 13
bb) Auch für einen Anspruch aus § 1004 BGB unter dem Gesichtspunkt einer behaupteten Beeinträchtigung ihres Sondereigentums ist die Klägerin nicht prozessführungsbefugt.
Rz. 14
(1) Im Ausgangspunkt kann allerdings ein Wohnungseigentümer insoweit prozessführungsbefugt sein, als seine Klage auf eine Störung im räumlichen Bereich des Sondereigentums gestützt wird, und zwar auch dann, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2021 - V ZR 41/19, NZM 2021, 613 Rn. 13; Urteil vom 1. Oktober 2021 - V ZR 48/21, WuM 2021, 766 Rn. 8). Abwehransprüche gegen einen anderen Wohnungseigentümer, die der gestörte Wohnungseigentümer selbst durchsetzen kann, können sich auf der Grundlage der zum 1. Dezember 2020 in Kraft getretenen Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes sowohl aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG als auch aus § 1004 BGB ergeben. Solche Ansprüche können dann bestehen, wenn Immissionen wie Lärm und Gerüche auf das Sondereigentum einwirken (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2021 - V ZR 41/19, NZM 2021, 613 Rn. 13 mwN); auch dann, wenn die Klage auf eine gravierende Beeinträchtigung der Aussicht aus der Einheit oder eine starke Verschattung der zu dem Sondereigentum gehörenden Räume gestützt wird, hat der Senat eine eigene Prozessführungsbefugnis des Sondereigentümers in Betracht gezogen (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2021 - V ZR 41/19, NZM 2021, 613 Rn. 15). Ob eine solche Störung tatsächlich vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit der Klage.
Rz. 15
(2) Wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler annimmt, lässt sich dem Vortrag der Klägerin aber die Behauptung einer Störung im räumlichen Bereich ihres Sondereigentums nicht entnehmen. Es nicht zu beanstanden, dass es den Vortrag der Klägerin, es liege auf der Hand, dass der erfolgte Erdaushub nicht ohne statische Auswirkungen auf das Gebäude bleiben dürfte und auch Senkungen oder Senkrisse in den folgenden Jahren nicht gänzlich ausgeschlossen seien, als unzureichend bewertet. Dieser Vortrag bezieht sich auf das Gemeinschaftseigentum und nicht (unmittelbar) auf das Sondereigentum. Die Statik eines Gebäudes ist zwar auch für alle Sondereigentumseinheiten von elementarer Bedeutung. Das ändert aber nichts daran, dass sich die Störungsquelle im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums befindet und ein koordiniertes Vorgehen der GdWE erforderlich ist (vgl. zum Brandschutz Senat, Urteil vom 28. Januar 2022 - V ZR 106/21, zur Veröffentlichung bestimmt).
Rz. 16
cc) Für einen Anspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG ist die Klägerin zwar prozessführungsbefugt. § 9a Abs. 2 WEG findet insoweit keine Anwendung. Nach der zuerst genannten Vorschrift ist jeder Wohnungseigentümer gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet, deren Sondereigentum nicht über das in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG bestimmte Maß hinaus zu beeinträchtigen. Ihnen darf über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwachsen. Hier fehlt es aber bereits an einer hinreichenden Darlegung einer Beeinträchtigung des Sondereigentums der Klägerin.
Rz. 17
(1) Ebenso wie bei einem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB liegt eine Beeinträchtigung des Sondereigentums nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG nur dann vor, wenn sich die Störung, die abgewehrt werden soll, auf den räumlichen Bereich des Sondereigentums bezieht. Der Maßstab ist der gleiche (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2021 - V ZR 41/19, WuM 2021, 521 Rn. 13). Unterschiede zwischen den beiden Anspruchsgrundlagen ergeben sich nur daraus, dass bei fehlendem Vortrag des Klägers zu der Beeinträchtigung des räumlichen Bereichs des Sondereigentums für einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB bereits die Prozessführungsbefugnis fehlt, während der Anspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG in diesem Fall materiell-rechtlich nicht gegeben ist.
Rz. 18
(2) Aus dem von der Revision angeführten Urteil des Senats vom 21. Dezember 2000 (V ZB 45/00, BGHZ 146, 241, 245 ff.) ergibt sich nichts Anderes. Diese Entscheidung ist noch zu § 14 Nr. 1 WEG aF ergangen, wonach jeder Wohnungseigentümer verpflichtet ist, die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile so instand zu halten und von diesen sowie von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. In diesem Zusammenhang hat der Senat die von der Revision zitierte Aussage getroffen, dass bei der Beseitigung einer tragenden Wand ein relevanter Nachteil der übrigen Wohnungseigentümer erst dann ausgeschlossen ist, wenn kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass ein wesentlicher Eingriff in die Substanz des Gemeinschaftseigentums unterblieben ist, insbesondere zum Nachteil der übrigen Eigentümer keine Gefahr für die konstruktive Stabilität des Gebäudes und dessen Brandsicherheit geschaffen worden ist (Senat, Urteil vom 21. Dezember 2000 - V ZB 45/00, BGHZ 146, 241, 248). Das besagt nichts dazu, ob bei solchen Gefahren eine nach neuem Recht anspruchsbegründende Beeinträchtigung des Sondereigentums der übrigen Wohnungseigentümer im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG vorliegt, was - wie ausgeführt - zu verneinen ist. Ob die von der Beklagten durchgeführten Baumaßnahmen nicht ohne Auswirkungen auf die Statik des Gebäudes geblieben sind, kann deshalb dahinstehen.
Rz. 19
dd) Eine mögliche Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums durch etwaige Veränderungen der Kellerdecke bzw. des Kellerbodens kann die Klägerin auch nicht gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG abwehren. Für einen solchen Anspruch ist die Klägerin nicht aktivlegitimiert. Der Anspruch ist aufgrund der Neuregelung durch das WEMoG an die Stelle von § 15 Abs. 3 WEG aF getreten und nunmehr allein der Gemeinschaft zugewiesen (vgl. Senat, Urteil vom 16. Juli 2021 - V ZR 284/19, NZM 2021, 717 Rn. 13; Urteil vom 1. Oktober 2021 - V ZR 48/21, WuM 2021, 766 Rn. 5).
Rz. 20
b) Keinen Erfolg hat die Revision schließlich auch insoweit, als sie sich gegen die Abweisung des Klageantrags zu 4 wendet, mit der die Klägerin von der Beklagten die Unterlassung der Wohnnutzung beansprucht.
Rz. 21
aa) Nutzte ein Eigentümer seine ihm als Teileigentum zugewiesenen Räume zu Wohnzwecken oder umgekehrt ihm als Wohnungseigentum zugewiesene Räume zu anderen Zwecken, konnte allerdings jeder Wohnungseigentümer von ihm nach § 15 Abs. 3 WEG aF grundsätzlich Unterlassung dieser zweckwidrigen Nutzung verlangen (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2017 - V ZR 193/16, BGHZ 216, 333 Rn. 5 f. mwN; Urteil vom 16. Juli 2021 - V ZR 284/19, NZM 2021, 717 Rn. 19; siehe zum sog. unselbständigen Teileigentum Senat, Beschluss vom 4. Dezember 2014 - V ZB 7/13, ZWE 2015, 208 Rn. 10). Nach der unter der Geltung des bisherigen Wohnungseigentumsgesetzes ergangenen Rechtsprechung des Senats liegt in der Nutzung einer Sondereigentumseinheit, die der durch die Eintragung im Grundbuch „verdinglichten“ Zweckbestimmung der Einheit widerspricht, zugleich eine Verletzung des Eigentums der übrigen Sondereigentümer. Diese begründet einen Unterlassungsanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers gemäß § 1004 Abs. 1 BGB, und zwar auch gegen einen Mieter (vgl. Senat, Urteil vom 25. Oktober 2019 - V ZR 271/18, BGHZ 223, 305 Rn. 18). Einem Wohnungseigentümer fehlte bei der zweckwidrigen Nutzung einer Sondereigentumseinheit jedoch sowohl für einen Anspruch aus § 15 Abs. 3 WEG aF als auch für einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB die Prozessführungsbefugnis, wenn die Wohnungseigentümer diese Ansprüche durch Mehrheitsbeschluss an sich gezogen und damit eine sog. gekorene Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG aF begründet hatten (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 169/14, NJW 2016, 53 Rn. 5 f.; Urteil vom 15. Dezember 2017 - V ZR 275/16, NZM 2018, 909 Rn. 6, 8; Urteil vom 25. Oktober 2019 - V ZR 271/18, BGHZ 223, 305 Rn. 6; Urteil vom 24. Januar 2020 - V ZR 295/16, NJW-RR 2020, 894 Rn. 12).
Rz. 22
bb) Durch die WEG-Reform hat sich diese Rechtslage geändert. Der einzelne Wohnungseigentümer kann nach Inkrafttreten des WEMoG nicht mehr von einem anderen Wohnungseigentümer oder dessen Mieter die Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung des Wohnungseigentums verlangen. Entsprechende Unterlassungsansprüche können nunmehr allein von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht werden (so auch bereits Senat, Urteil vom 16. Juli 2021 - V ZR 284/19, NZM 2021, 717 Rn. 13, 19 f.).
Rz. 23
(1) Eine dem § 15 Abs. 3 WEG aF entsprechende Vorschrift gibt es nach dem neuen Recht nicht mehr. Sie ist durch § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG ersetzt worden. Hiernach besteht die von konkreten Beeinträchtigungen losgelöste Pflicht der Wohnungseigentümer, das in der Gemeinschaft geltende Regelwerk einzuhalten, nur gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Soweit ein Verstoß gegen das Regelwerk keinen Wohnungseigentümer konkret beeinträchtigt, ist es nach der Auffassung des Gesetzgebers sachgerecht, dass die damit zusammenhängenden Auseinandersetzungen nicht zwischen einzelnen Wohnungseigentümern geführt werden, sondern mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (vgl. BT-Drucks. 19/18791, S. 52 u. 53). Anspruchsinhaber ist hiernach die Gemeinschaft (vgl. auch Senat, Urteil vom 16. Juli 2021 - V ZR 284/19, NZM 2021, 717 Rn. 13).
Rz. 24
(2) Das WEMoG hat allerdings nichts daran geändert, dass die einer Zweckbestimmung widersprechende Nutzung einer Sondereigentumseinheit sich als (mittelbare) Beeinträchtigung des Eigentums aller Wohnungseigentümer darstellt (vgl. hierzu näher Senat, Urteil vom 25. Oktober 2019 - V ZR 271/18, BGHZ 223, 305 Rn. 18). Dies begründet einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB, dessen Inhaber materiell-rechtlich nicht die GdWE ist; der Anspruch steht vielmehr den einzelnen Wohnungseigentümern zu. Die Wohnungseigentümer sind jedoch nicht (mehr) befugt, diesen Anspruch geltend zu machen. Prozessführungsbefugt ist nach § 9a Abs. 2 WEG nur die GdWE (so auch LG Frankfurt a.M., NJW 2021, 643 Rn. 6, 8; im Ergebnis ebenso Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 1435 f.; Hogenschurz in Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 14 Rn. 12; Hügel/Elzer, DNotZ 2021, 3, 25; wohl auch Dötsch/Schultzky/Zschieschak, WEG-Recht 2021, Kapitel 4 Rn. 31). Insoweit liegt der Fall anders als bei einer Beeinträchtigung von Störungen im räumlichen Bereich des Sondereigentums, für die die Wohnungseigentümer weiter prozessführungsbefugt sind. Wie gezeigt, soll nach dem in der Gesetzesbegründung dokumentierten Willen des Gesetzgebers die Gemeinschaft für die Abwehr von Verletzungen des Binnenrechts allein zuständig und damit prozessführungsbefugt sein. Hiermit verträgt es sich nicht, wenn der Anspruch auf Einhaltung des Binnenrechts nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG der Gemeinschaft zugeordnet wird und der auf das gleiche Ziel gerichtete Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB individuell von den einzelnen Wohnungseigentümern geltend gemacht werden könnte. Dem entspricht es, dass die Gemeinschaft nach bisherigem Recht zwar den Anspruch eines Wohnungseigentümers aus § 1004 Abs. 1 BGB - ebenso wie einen Anspruch aus § 15 Abs. 3 WEG aF - wegen zweckwidriger Nutzung einer anderen Einheit im Interesse eines einheitlichen Vorgehens an sich ziehen konnte, nicht jedoch Unterlassungsansprüche, die dem einzelnen Wohnungseigentümer zur Abwehr von Störungen im räumlichen Bereich seines Sondereigentums zustehen (vgl. Senat, Urteil vom 24. Januar 2020 - V ZR 295/16, NJW-RR 2020, 894 Rn. 12, 18).
Rz. 25
(3) Lehnt es die GdWE ab, gegen eine zweckwidrige Nutzung vorzugehen, kann der einzelne Sondereigentümer unter den Voraussetzungen von § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG ein Einschreiten beanspruchen und mit einer Beschlussersetzungsklage (§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG) durchsetzen. Unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen eine Pflicht zum Einschreiten anzunehmen ist, ist noch ungeklärt (vgl. dazu allgemein Sommer/Heinemann in Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 18 Rn. 122), hier aber nicht entscheidungserheblich (vgl. auch Senat, Urteil vom 28. Januar 2022 - V ZR 106/21, zur Veröffentlichung bestimmt).
Rz. 26
cc) Folglich kann sich der von der Klägerin mit dem Klageantrag zu 4 geltend gemachte Unterlassungsanspruch nur aus § 1004 Abs. 1 BGB ergeben, für den sie aber nicht prozessführungsbefugt ist. Ob die weitere - die Begründetheit des Antrags betreffende - Annahme des Berufungsgerichts zutreffend ist, es liege keine zweckwidrige Nutzung durch die Beklagte vor, kann offenbleiben.
III.
Rz. 27
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Laube |
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Fundstellen