Leitsatz (amtlich)
In der Erklärung des Prozeßbevollmächtigten, daß er die Berufung nur hinsichtlich der Widerklage durchführen werde, kann ein Berufungsverzicht hinsichtlich des Gegenstandes der Klage liegen.
Normenkette
ZPO § 514
Verfahrensgang
OLG Zweibrücken (Urteil vom 21.07.1988) |
LG Frankenthal (Pfalz) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 21. Juli 1988 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision fallen dem Beklagten zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Dem Beklagten ist durch Urteil des Landgerichts bei Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 10.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, verboten worden, die Klägerin als Hure zu bezeichnen oder zu behaupten, sie sei geschlechtskrank oder geschlechtskrank gewesen oder sie sei vorbestraft oder es sei ein Strafverfahren gegen sie anhängig, oder sie mit einem tätlichen Angriff zu bedrohen. Zugleich hat das Landgericht eine auf Zahlung von 11.722,50 DM nebst Zinsen gerichtete Widerklage des Beklagten abgewiesen. Die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen, soweit er auf die Klage zur Unterlassung verurteilt worden ist, weil der in dem Berufungsverfahren zunächst für ihn tätig gewordene Prozeßbevollmächtigte insoweit gegenüber dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin auf die Durchführung der Berufung verzichtet habe; hinsichtlich der Widerklage hat das Oberlandesgericht die Berufung als sachlich nicht begründet zurückgewiesen. Mit seiner Revision bekämpft der Beklagte das Berufungsurteil, soweit die Berufung als unzulässig verworfen worden ist.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe der für den Beklagten im Berufungsverfahren zunächst tätig gewordene Prozeßbevollmächtigte gegenüber dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin erklärt, daß er die Berufung nur hinsichtlich der Widerklage durchführen werde. Darin, so das Berufungsgericht weiter, liege der Verzicht auf die Durchführung der Berufung zum Gegenstand der Klage, der auf entsprechende Einrede insoweit die Verwerfung der gleichwohl eingelegten Berufung als unzulässig nach sich ziehe. Der Einwand des Beklagten, er habe den Prozeßbevollmächtigten zu einem derartigen Rechtsmittelverzicht nicht bevollmächtigt, sei im Hinblick auf § 83 Abs. 1 ZPO unerheblich. Unbeschadet dessen habe die Beweisaufnahme aber auch ergeben, daß der Beklagte damit einverstanden gewesen sei, das landgerichtliche Urteil nur wegen der Abweisung der Widerklage, nicht aber zur Verurteilung auf die Klage anzugreifen.
II.
Die Revision gegen den verwerfenden Teil des Berufungsurteils ist gemäß § 547 ZPO statthaft, erweist sich aber als unbegründet.
1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß ein Berufungsverzicht (§ 514 ZPO) nicht nur gegenüber dem Gericht, sondern auch gegenüber dem Prozeßgegner erklärt werden kann (BGH Urteil vom 6. März 1985 – VIII ZR 123/84 – NJW 1985, 2335 m.w.N.). Es handelt sich dabei wie bei dem gegenüber dem Gericht erklärten Berufungsverzicht um eine einseitige Prozeßhandlung (BGH a.a.O. sowie Urteil vom 14. Juni 1967 – IV ZR 21/66 – NJW 1968, 794, 795). Anders als der gegenüber dem Gericht erklärte Berufungsverzicht, der von Amts wegen zu beachten ist, führt der gegenüber dem Gegner erklärte Berufungsverzicht allerdings erst auf Einrede des Gegners zur Verwerfung der Berufung als unzulässig (BGH Beschluß vom 8. Mai 1985 – IVb ZB 56/84 – NJW 1985, 2334 m.w.N.; s. auch AK-ZPO/Ankermann § 514 Rdn. 9 mit Rdn. 3). Der Berufungsverzicht ist auch als Teilverzicht zulässig, soweit – wie hier bezüglich des landgerichtlichen Urteils zur Klage einerseits und zur Widerklage andererseits – eine Teilanfechtung möglich ist (Ankermann a.a.O. Rdn. 10).
2. Vorliegend ist zu dem Gegenstand der Klage ein Berufungsverzicht erfolgt. Das Berufungsgericht hat die diesen Teil des landgerichtlichen Urteils betreffende Berufung daher auf die Einrede der Klägerin zu Recht als unzulässig verworfen.
a) Die Revision zieht nicht in Zweifel, daß der damalige Prozeßbevollmächtigte des Beklagten gegenüber dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin erklärt hat, daß er die Berufung nur hinsichtlich der Widerklage durchführen werde. Bei der Frage, ob darin ein Berufungsverzicht im übrigen liegt, hat der Senat, da es um eine Prozeßhandlung geht, diese Erklärung ohne Bindung an die Auslegung des Berufungsgerichts selbst auszulegen (BGH Urteil vom 6. März 1985 a.a.O. m.w.N.; Ankermann a.a.O. Rdn. 8). Er ist indes mit dem Berufungsgericht der Auffassung, daß die wiedergegebene Wendung des damaligen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten einen Berufungsverzicht zum Streitgegenstand der Klage beinhaltet. Des Wortes „Verzicht” bedarf es nicht. Es genügt, daß klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck gebracht wird, das Urteil endgültig hinzunehmen und es nicht anfechten zu wollen (vgl. BGH Urteile vom 6. März 1985 a.a.O. und vom 3. April 1974 – IV ZR 83/73 – NJW 1974,1248). Dies ist hier anzunehmen. Dem damaligen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten kam es, wie er als Zeuge bekundet hat, darauf an, die Zustimmung des gegnerischen Prozeßbevollmächtigten zur Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu erhalten. Um ihm dies zu erleichtern, kündigte er an, daß das erstinstanzliche Urteil nur wegen der Abweisung der Widerklage angegriffen werde. Damit legte er sich den Umständen nach in dieser Hinsicht fest. Der Senat hat etwa in der Erklärung eines Rechtsanwalts, die den Wortlaut hatte: „Klägerin legt keine Berufung ein”, einen Berufungsverzicht erblickt (Senatsbeschluß vom 12. Oktober 1955 – VI ZB 15/55 – LM ZPO § 514 Nr. 6). Ebenso hat der Bundesgerichtshof bei einer Erklärung entschieden, die lautete: „Herr W. wird gegen das Urteil des LG … keine Berufung einlegen” (Urteil vom 6. März 1985 a.a.O.). In der letztgenannten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof dabei dem Umstand besondere Bedeutung beigemessen, daß die Erklärung von einem Rechtsanwalt abgegeben worden war. Dem liegt erkennbar die Erwägung zugrunde, daß ein Rechtsanwalt, anders als zuweilen die Partei selbst (vgl. insoweit etwa BGH Urteil vom 3. April 1974 a.a.O.), eine Erklärung dieses Inhalts nicht leichthin, sondern erst nach verantwortungsbewußtem Abwägen des Für und Wider abzugeben pflegt. Auf der Linie dieser Entscheidungen sieht der Senat auch in der hier abgegebenen anwaltlichen Erklärung, daß die Berufung nur hinsichtlich der Widerklage durchgeführt werde, einen Verzicht auf die Berufung hinsichtlich des Gegenstandes der Klage.
b) Der damalige Prozeßbevollmächtigte des Beklagten konnte einen solchen Berufungsverzicht wirksam erklären. Seine Prozeßvollmacht ermächtigte ihn gemäß § 81 ZPO „zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen”. Hierzu gehört ggfls. auch der Rechtsmittelverzicht (allgemeine Meinung, s. etwa Baumbach/Lauterbach/Hartmann ZPO 47. Aufl. § 81 Anm. 2 A und Thomas/Putzo ZPO 15. Aufl. § 81 Anm. 2). Selbst eine diesbezügliche Beschränkung der Vollmacht wäre zufolge § 81 Abs. 1 ZPO dem Gegner gegenüber unbeachtlich. Auf die Hilfserwägung des Berufungsgerichts, daß der Beklagte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit der Hinnahme des landgerichtlichen Urteils zu dem hier interessierenden Komplex einverstanden gewesen sei, kommt es nicht an.
c) Der Beklagte konnte von dem Berufungsverzicht nicht einseitig wieder abrücken. Der gegenüber dem Gegner erklärte Rechtsmittelverzicht kann grundsätzlich nur mit Zustimmung des Gegners wieder rückgängig gemacht werden. Diese führt ggfls. dazu, daß der Gegner daran gehindert ist, die prozessuale Einrede, der Berufungskläger habe ihm gegenüber auf die Berufung verzichtet, zu erheben oder aufrechtzuerhalten (vgl. näher BGH Beschluß vom 8. Mai 1985 a.a.O.). Sonst kann der Berufungsverzicht nur bei Vorliegen eines Restitutionsgrundes widerrufen werden (vgl. BGH Urteile vom 6. März 1985 a.a.O. und vom 14. Juni 1967 a.a.O.). Einen solchen hat der Beklagte indes nicht geltend gemacht. Darüberhinaus kann der durch den außergerichtlichen Berufungsverzicht eröffneten prozessualen Einrede im Einzelfall der Einwand der Arglist entgegenstehen (BGH a.a.O.). Anhaltspunkte, die hier eine solche Annahme rechtfertigen könnten, sind jedoch nicht ersichtlich.
Nach alledem ist dem Berufungsurteil beizutreten und war die Revision daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Dr. Steffen, Dr. Kullmann, Dr. Ankermann, Dr. Macke, Bischoff
Fundstellen