Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtteilsrechtliche Nachabfindungsansprüche. Ausgleichsansprüche nach dem Vermögensgesetz. Beginn der Verjährung. In-kraft-treten des Vermögensgesetzes. Zumutbarkeit einer verjährungsunterbrechenden Feststellungsklage
Leitsatz (amtlich)
Die Verjährung der auf Leistungen nach dem Vermögensgesetz bezogenen Ausgleichsansprüche entsprechend § 2313 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 3 BGB beginnt mit In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes (Bestätigung von BGH v. 23.6.1993 - IV ZR 205/92, BGHZ 123, 76 = MDR 1993, 988).
Unerheblich ist, wann Ansprüche nach dem Vermögensgesetz durch Verwaltungsbescheide festgestellt werden.
Normenkette
BGB § 2313 Abs. 2 S. 1, § 2332 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 20.02.2003; Aktenzeichen 24 U 792/01) |
LG Memmingen (Urteil vom 31.07.2001) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 24. Zivilsenats des OLG München, Zivilsenate in Augsburg, v. 20.2.2003 aufgehoben und das Teil-, Grund- und Endurteil der 2. Zivilkammer des LG Memmingen v. 31.7.2001 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin macht im Wege der Stufenklage Pflichtteilsansprüche gem. § 2313 BGB geltend an Leistungen nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz -VermG). Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz nur noch darüber, ob diese Ansprüche verjährt sind.
Erblasser ist der Vater der Klägerin und des Beklagten zu 2) aus erster Ehe und Ehemann der früheren Beklagten zu 1) in zweiter Ehe, die von ihrer Tochter aus erster Ehe, der jetzigen Beklagten zu 1), beerbt worden ist. 1956 verließ er die ehemalige DDR. Sein dort gelegener umfangreicher Grundbesitz wurde daraufhin enteignet. Bis zu seinem Tod 1978 lebte er in der Bundesrepublik. In seinem notariellen Testament von 1978 setzte er die frühere Beklagte zu 1) und den Beklagten zu 2) zu Erben zu je 1/2 ein und enterbte die Klägerin. Die Erben zahlten ihr 1980 den Pflichtteil i.H.v. 1/8 nach dem im Zeitpunkt des Erbfalls festgestellten Nachlass.
Nach der Wiedervereinigung beantragten die Erben Restitution des enteigneten Grundbesitzes nach dem Vermögensgesetz. Seit 1994 wurden bislang 18 der betroffenen 31 Grundstücke zurückübertragen. Auf die 1996 erhobene Klage erteilten die Beklagten nach entsprechender rechtskräftiger Verurteilung 1998 der Klägerin Auskunft über das enteignete Grundvermögen und den Stand der Restitutionsverfahren. Auf dieser Grundlage verlangt die Klägerin nunmehr Ausgleichszahlungen i.H.v. 236.368,69 DM für den bereits zurückübertragenen Grundbesitz sowie Feststellung der Ausgleichspflicht für noch rückzuübertragende oder zu entschädigende Grundstücke.
Das LG hat mit Teil-, Grund- und Endurteil den Zahlungsantrag dem Grunde nach und den Feststellungsantrag uneingeschränkt zuerkannt. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgen sie ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hält die pflichtteilsrechtlichen Nachabfindungsansprüche gem. § 2313 BGB nicht für verjährt, weil die Verjährung erst mit der Entstehung der Ansprüche nach dem Vermögensgesetz durch rechtserzeugende Akte der Verwaltung beginnen könne; das sei hier frühestens mit der ersten Grundstücksrückübertragung 1994 der Fall gewesen. Die Klageerhebung 1996 habe daher die dreijährige Frist des § 2332 Abs. 1 BGB gewahrt.
Abgesehen davon wäre diese Frist auch dann nicht abgelaufen, gelte sie starr ab In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes am 3.10.1990. Der Klägerin sei es nicht möglich und zugleich auch nicht zumutbar gewesen, die Verjährung etwa durch Erhebung einer Feststellungsklage zu unterbrechen, weil es ihr noch bei Klageerhebung 1996 an der verwaltungsrechtlich fundierten Gewissheit gefehlt habe, ob das unbewegliche Vermögen des Erblassers in der ehemaligen DDR nach dem Vermögensgesetz überhaupt und insbes. vollständig dem Nachlass zuzurechnen sei.
II. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die gegenständliche spezielle Verjährungsproblematik einer höchstrichterlichen Klärung bedürfe.
Der Senat hat die vom Berufungsgericht für klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage jedoch bereits entschieden. Die Verjährung der auf Leistungen nach dem Vermögensgesetz bezogenen Ausgleichsansprüche entsprechend § 2313 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 3 BGB beginnt mit In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes. Die vom Berufungsgericht und der Revisionserwiderung für ihre abweichende Auffassung herangezogenen Gründe hat der Senat bereits bei seiner Rechtsprechung berücksichtigt und für nicht durchgreifend erachtet.
1. Nicht zu beanstanden ist die Anwendung des Erbrechts des BGB (BGH v. 4.10.1995 - IV ZB 5/95, BGHZ 131, 22 [26 ff.] = MDR 1996, 68). Zutreffend zieht das Berufungsgericht für das Pflichtteilsbegehren auch § 2313 BGB analog heran, wenn der Erblasser vor dem Erbfall den Grundbesitz - wie hier durch die Enteignungen - endgültig verloren hatte und den Erben deswegen Vorteile auf Grund des Vermögensgesetzes zufließen (BGH v. 23.6.1993 - IV ZR 205/92, BGHZ 123, 76 [78 ff.] = MDR 1993, 988).
2. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats kommt es für den Beginn der Verjährung gem. § 2332 Abs. 1 BGB auf die Kenntnis des Erbfalles und der den Pflichtteilsberechtigten beeinträchtigenden Verfügung an sowie zusätzlich, wenn dem Nachlass zuzurechnende Vermögenswerte erst durch eine (spätere) gesetzliche Neuregelung geschaffen wurden, auf die Entstehung dieser neuen Ansprüche (BGH v. 23.6.1993 - IV ZR 205/92, BGHZ 123, 76 [82 ff.] = MDR 1993, 988; Urt. v. 10.11.1976 - IV ZR 187/75, FamRZ 1977, 128 f.). Bei den Ansprüchen nach dem Vermögensgesetz ist maßgeblicher Zeitpunkt der des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes. Unerheblich ist dagegen, wann ein solcher Anspruch verbindlich, wie etwa durch bestandskräftige Verwaltungsbescheide, festgestellt wird (BGH, Beschl. v. 13.12.1995 - IV ZR 342/94, ZEV 1996, 117 zu OLG Oldenburg v. 18.10.1994 - 5 U 81/94, ZEV 1996, 116 f., mit zustimmender Anm. Dressler, ZEV 1996, 117 f.; vgl. auch Urt. v. 10.11.1976 - IV ZR 187/75, FamRZ 1977, 128 [129 f.]; Frank in MünchKomm, BGB, 3. Aufl., § 2332 Rz. 9a; Staudinger/Olshausen, BGB [1998], § 2332 Rz. 24; Bamberger/Roth/J. Mayer, BGB, § 2332 Rz. 12).
Anders als das Berufungsgericht meint, spielt es daher keine Rolle, ab wann der Erbe selbst im Verwaltungsverfahren Gewissheit über seinen Vermögenszuwachs erlangt. Denn ein zum Nachlass gehörender Anspruch ist nicht deswegen ungewiss (und auch nicht zweifelhaft) i.S.v. § 2313 Abs. 2 BGB, wenn und weil die Höhe des Anspruchs noch nicht genau feststeht. Ungewiss ist ein Anspruch vielmehr nur, wenn nicht sicher ist, ob er überhaupt besteht oder einem anderen zusteht (BGHZ 3, 394 [397]; BGH, Urt. v. 10.11.1976 - IV ZR 187/75, FamRZ 1977, 128 [130]). Die Ungewissheit über das Bestehen von Restitutionsansprüchen war aber mit dem In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes beseitigt. Von diesem Zeitpunkt an konnten darauf bezogene Nachabfindungsansprüche jedenfalls im Wege der Feststellungsklage verfolgt werden (BGH, Beschl. v. 13.12.1995 - IV ZR 342/94, ZEV 1996, 117).
Ein solches verjährungsunterbrechendes Handeln ist dem Pflichtteilsberechtigten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung auch zuzumuten. Dafür bedarf es nicht der verwaltungsrechtlich fundierten Gewissheit, inwieweit das ehemalige Grundvermögen des Erblassers nach dem Vermögensgesetz dem Nachlass zuzurechnen ist. Auf die Vorstellungen und Kenntnisse des Pflichtteilsberechtigten vom Stande und insb. vom Wert des Nachlasses und etwaige bei ihm bestehende Unsicherheiten über das Ausmaß seiner Beeinträchtigungen kommt es gerade nicht an (BGH, Urt. v. 25.1.1995 - IV ZR 134/94, MDR 1995, 719 = ZEV 1995, 219 unter I 1b; Urt. v. 10.11.1976 - IV ZR 187/75, FamRZ 1977, 128 [130], jew. m.w.N.).
Schließlich trifft auch die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu, dass eine Feststellungsklage vor rechtsbeständigem Abschluss des Restitutionsverfahrens scheitern würde, weil das Rechtsverhältnis erst durch die von der Verwaltung erzeugten Rechte entstünde. Es handelt sich vielmehr um vom Vermögensgesetz erzeugte Ansprüche (Staudinger/Haas, BGB [1998], § 2313 Rz. 31). Denn die gesetzlichen Voraussetzungen von Rückerstattungs- und Entschädigungsansprüchen stehen auch im Hinblick auf die von der Revisionserwiderung geäußerten Zweifel bezüglich der Inhaberschaft bei mehreren Antragstellern seit dem In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes fest (§§ 2, 3, 9 VermG; zur Anspruchsdurchsetzung § 30 VermG; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 31.7.2002 - 8 C 32/01, NJW 2002, 3489 zur sog. Kettenerbausschlagung). Damit bestehen auch an einem über § 256 ZPO feststellbaren Rechtsverhältnis keine Zweifel. Für die vom Berufungsgericht gesehenen Leistungsverweigerungsrechte und Ähnlichkeiten mit der Rechtslage bei der Verfolgung unsicherer materiell-rechtlicher Ansprüche, die einer Feststellungsklage entgegenstehen sollen, gibt es deshalb keine Grundlage.
Fundstellen
Haufe-Index 1168604 |
BGHR 2004, 1223 |
FamRZ 2004, 1284 |
VIZ 2004, 455 |
WM 2005, 386 |
ZAP 2004, 917 |
ZEV 2004, 377 |
MDR 2004, 1060 |
NJ 2004, 468 |