Leitsatz (amtlich)
Kenntnis und schuldhafte Unkenntnis des Käufers von einem Sachmangel finden auf Schadensersatzansprüche wegen Gewährleistung nur nach Maßgabe des § 460 BGB Berücksichtigung; für eine Heranziehung des § 254 Abs. 1 BGB ist daneben kein Raum.
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Entscheidung vom 25.03.1977) |
LG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 15.05.1974) |
Tenor
Unter Zurückweisung der Revision des Beklagten wird auf die Revision des Klägers das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 14. Zivilsenat in Freiburg - vom 25. März 1977 abgeändert.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg i.Br. vom 15. Mai 1974 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.
Tatbestand
Der Beklagte - von Beruf Bauunternehmer - war persönlich haftender und geschäftsführender Gesellschafter der inzwischen aufgelösten Tanklagergesellschaft Wilhelm F. & Co. KG (im folgenden: KG), die in B. ein Tanklager für Öl und sonstige feuergefährdende Stoffe unterhielt. Von den im Jahre 1971 vorhandenen insgesamt 19 Tankbehältern waren - das wurde anläßlich einer am 2. August 1967 im Beisein des Beklagten vom Wasser- und Schiffahrt samt F. durchgeführten Besichtigung festgestellt - die zuletzt errichteten 6 Behälter nicht gesondert bau- und wasserrechtlich genehmigt. Mit Kaufvertrag vom 2. April 1971 verkaufte die KG ihr Anlagevermögen nebst Firma zum Preise von 3.219.000 DM an den Kläger. Dieser verpflichtete sich, das am 30. April 1971 übergebene Tanklager wie bisher als "neutrales Lager für den Umschlag feuergefährdender Stoffe" weiterzuführen (Nr. 4 des Vertrages). Außerdem enthielt der Kaufvertrag als handschriftlichen Zusatz folgende Erklärung der Verkäuferin:
"Beanstandungen von Seiten des TÜV bestehen nicht."
Nachdem der Kläger am 12. Dezember 1972 von den fehlenden bau- bzw. wasserrechtlichen Genehmigungen erfahren hatte, holte der Beklagte namens des Klägers die erforderlichen Anträge nach. Das Genehmigungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Mit seiner am 19. Juni 1973 erhobenen Klage hat der Kläger Feststellung begehrt, daß der Beklagte ihm als früherer persönlich haftender Gesellschafter der Verkäuferin zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet sei, der ihm durch die fehlende Genehmigung der 6 zuletzt errichteten Tankbehälter entstanden sei und angesichts der kostspieligen behördlichen Auflagen noch entstehen werde; die Verkäuferin habe - so meint der Kläger - nicht nur das Vorliegen aller erforderlichen Genehmigungen stillschweigend zugesichert, sondern deren Fehlen auch arglistig verschwiegen. Der Beklagte seinerseits meint, er habe davon ausgehen können, daß die im Jahre 1960 erteilte Genehmigung für das Tanklager in seinem damaligen Bestand auch die später neu erstellten Behälter umfaßt habe; in dieser Annahme sei er dadurch bestärkt worden, daß die zuständigen Behörden, obwohl sie 1967 von dem Fehlen der Genehmigungen Kenntnis erhalten hätten, in der Folgezeit nie an ihn herangetreten seien; etwaige Gewährleistungsansprüche des Klägers seien überdies verjährt, - ganz abgesehen davon, daß er bei Übernahme des Tanklagers die angeblichen Mängel nicht rechtzeitig gerügt habe.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht festgestellt, daß der Beklagte unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Klägers nur zum Ersatz von 3/4 des diesem entstandenen und noch entstehenden Schadens verpflichtet sei. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während der Beklagte mit seiner Anschlußrevision weiterhin die Abweisung der Klage in vollem Umfang begehrt.
Beide Parteien beantragen,
das Rechtsmittel des Gegners zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Von den wechselseitig eingelegten Rechtsmitteln hat nur die Revision des Klägers Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
I.
Revision des Beklagten:
Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagte hafte als früherer persönlich haftender Gesellschafter der inzwischen aufgelösten KG gemäß § 463 BGB i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 128 HGB dem Kläger auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.
1.
Rechtsfehlerfrei stellt das Berufungsgericht im Wege der Auslegung fest, daß der Beklagte dem Kläger im Kaufvertrag vom 2. April 1971 die uneingeschränkte Betriebsfähigkeit des Tanklagers und damit auch das Vorliegen der einen ungestörten Betrieb ermöglichenden bau- und wasserrechtlichen behördlichen Genehmigungen zugesichert hat (§ 459 Abs. 2 BGB). Zwar fehlt es in dem Vertragstext an einer ausdrücklichen derartigen Zusicherung. In Rechtsprechung und Schrifttum ist jedoch von jeher anerkannt, daß eine solche Zusicherung auch stillschweigend erfolgen kann (RGZ 114, 239, 241; 161, 330, 336; BGHZ 59, 158, 160 und 303, 306; Senatsurteile vom 20. Dezember 1965 - VIII ZR 220/63 = VersR 1966, 241, vom 16. Juni 1971 - VIII ZR 69/70 = WM 1971, 1121, 1123 und vom 25. Juni 1975 - VIII ZR 244/73 = WM 1975, 895 = NJW 1975, 1693; BGH, Urteil vom 12. März 1971 - V ZR 119/68 = WM 1971, 797; Mezger in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 459 Rdn. 22; Ballerstedt bei Soergel/Siebert, BGB, 10. Aufl., § 459 Rdn. 28). Allerdings hat - wie schon das Reichsgericht (a.a.O.) - auch der erkennende Senat in seinen vorstehend genannten Entscheidungen wiederholt darauf hingewiesen, daß angesichts der mit einer Zusicherung verbundenen weitgehenden Haftung des Verkäufers - er hat für die Folgen, die aus einem Fehlen der zugesicherten Eigenschaft erwachsen, ohne Verschulden und Voraussehbarkeit des eingetretenen Schadens einzustehen (BGHZ 59, 158, 160 ff) - bei der Annahme einer stillschweigenden Zusicherung Zurückhaltung geboten ist; das gilt insbesondere dann, wenn die Erklärung des Verkäufers, aus der eine Zusicherung hergeleitet werden könnte, zugleich der Bezeichnung des Kaufgegenstandes und des vertragsmäßig vorausgesetzten Gebrauchs dient (Senatsurteil vom 25. Juni 1975 - VIII ZR 244/73 a.a.O.). Daran ist festzuhalten. Zwar kann unter Umständen bereits in dem beiderseits bekannten Verwendungszweck der Kaufsache, sofern er nur in den Vertragsinhalt aufgenommen ist, eine stillschweigende Zusicherung gesehen werden (BGH, Urteil vom 12. März 1971 - V ZR 119/68 a.a.O. m.w.N.). Immer muß jedoch die Erklärung des Verkäufers die Bereitschaft zu erkennen geben, für alle Folgen einzustehen, wenn die genannte Eigenschaft fehlt (BGHZ 59, 158, 160 ff m.w.N.).
Das alles hat das Berufungsgericht, dem die tatrichterliche Würdigung der Vertragserklärungen der Parteien obliegt, nicht verkannt. Es mag dahinstehen, ob der bloße Umstand, daß der Kläger sich zur Weiterführung des Tanklagers wie bisher als neutrales Lager für feuergefährdende Stoffe verpflichten mußte, bereits zugleich die Zusicherung der uneingeschränkten Betriebsfähigkeit des Lagers und damit der bau- bzw. wasserrechtlichen Genehmigung aller zum Firmenvermögen gehörenden Tankbehälter durch die Verkäuferin zum Inhalt hatte. Jedenfalls konnte das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei aus der ausdrücklich zum Vertragsinhalt erhobenen Zusatzerklärung der Verkäuferin, "Beanstandungen von Seiten des TÜV" beständen nicht, die stillschweigende Zusicherung der Verkäuferin entnehmen, daß von behördlicher Seite bei Vertragsabschluß und Gefahrübergang keine Beanstandungen vorlagen, und damit zugleich von der Übernahme einer Verpflichtung durch die Verkäuferin ausgehen, für die Folgen eines Nichtvorhandenseins dieser Genehmigungen voll einstehen zu wollen. Ob der Beklagte als rechtsgeschäftlicher Vertreter der Verkäuferin eine so weitgehende Erklärung abgeben wollte, ist unerheblich; maßgebend ist allein, wie der Kläger als Käufer nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte diese Erklärung verstehen durfte (Senatsurteile vom 12. Mai 1959 - VIII ZR 92/58 = LM BGB § 459 Abs. 2 Nr. 2 = NJW 1959, 1489, vom 20. Dezember 1965 - VIII ZR 220/63 = VersR 1966, 241 und vom 5. Juli 1972 = BGHZ 59, 158, 160).
2.
Unabhängig davon läßt aber auch die weitere, für die Frage der Verjährung (§ 477 Abs. 1 BGB) und der Genehmigung durch rügelose Entgegennahme (§ 377 Abs. 5 HGB) maßgebliche Feststellung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe bei der Zusicherung des Vorhandenseins der erforderlichen behördlichen Genehmigung arglistig gehandelt, einen Rechtsfehler nicht erkennen (§ 463 Satz 2 BGB). Arglistiges Verschweigen eines Mangels i.S. des § 459 Abs. 1 BGB und - was dem rechtlich gleichzuordnen ist (Mezger a.a.O. § 463 Anm. 3 m.w.N.) - das arglistige Vorspiegeln einer Eigenschaft im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB setzen keine Täuschungs- oder gar Betrugsabsicht voraus. Es genügt vielmehr die Kenntnis des Verkäufers von dem Fehlen der behaupteten Eigenschaft und das Bewußtsein, daß der Käufer bei Kenntnis des wahren Sachverhalts den Vertrag nicht oder doch jedenfalls nicht zu diesen Bedingungen abschließen würde, wobei insgesamt bedingter Vorsatz ausreicht (Mezger a.a.O. § 463 Rdn. 5 und 6 m.w.N.). Diesen Grundsatz hat das Berufungsgericht seiner Würdigung des Verhaltens des Beklagten rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt. Es ist schon kaum denkbar, daß ein erfahrener Bauunternehmer wie der Beklagte, der zudem noch mehr als 10 Jahre als Geschäftsführer das Tanklagerunternehmen geführt hatte, von der Annahme ausgegangen sein sollte, die Errichtung von Tankbehältern mit einem Durchmesser bis zu 20 Metern - einer davon mit einem Fassungsvermögen von 5.000 cbm - bedürften weder bau- noch wasserrechtlich einer besonderen Genehmigung; dies umso weniger, als die 1960 für die damals bestehenden Behälter erteilte Sammelgenehmigung ausdrücklich auf die für diese Kessel eingereichten Pläne und Beschreibungen Bezug nahm und der Beklagte sich schon aus diesem Grunde nicht ernsthaft darauf berufen kann, er sei der Ansicht gewesen, die früher erteilten Genehmigungen hätten die Neubauten automatisch mit umfaßt. Jedenfalls wußte er seit der Besichtigung vom 2. August 1967, daß diese Annahme, wenn er sie jemals behabt haben sollte, falsch war. Der bloße Umstand, daß das Wasser- und Schiffahrtsamt F. in der Folgezeit nicht gegen ihn vorging, konnte ihm ebenfalls nicht die Gewißheit geben, daß nunmehr alles in Ordnung sei, zumal er es unstreitig unterlassen hat, sich nach dem 2. August 1967 von der bau- und wasserrechtlichen Unbedenklichkeit der Weiterführung des Tanklagers zu vergewissern. Wenn bei dieser Sachlage das Berufungsgericht feststellt, der Beklagte habe zumindest mit der Möglichkeit einer noch erforderlichen derartigen Genehmigung gerechnet, diesen Umstand aber arglistig dem Kläger verschwiegen, so hält sich diese Feststellung nicht nur im Rahmen einer rechtsfehlerfreien tatrichterlichen Würdigung, sondern drängt sich angesichts der naheliegenden Befürchtung des Beklagten, die nachträgliche Genehmigung würde von der Erfüllung kostspieliger Auflagen abhängig gemacht werden, geradezu auf.
3.
Damit kommt es auf die in den Vorinstanzen eingehend erörterte und umstrittene Frage, ob das Fehlen einer bau- und wasserrechtlichen Genehmigung, auf deren Erteilung bei Erfüllung der gesetzten Auflagen ein Rechtsanspruch besteht, einen Mangel im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB darstellt (vgl. dazu Staudinger/Ostler, BGB, 11. Aufl., § 459 Rdn. 44 m.w.N.), nicht an. Auch die Einrede, ein etwaiger Gewährleistungsanspruch sei gemäß § 477 Abs. 1 BGB verjährt, geht ins Leere, weil der Beklagte arglistig gehandelt hat und damit die 30-jährige Verjährungsfrist maßgebend ist. Schließlich kann der Beklagte sich aus denselben Gründen auch nicht darauf berufen, der Kläger habe das Tanklager rügelos übernommen und damit etwaige Gewährleistungsansprüche verloren (vgl. § 377 Abs. 5 HGB). Die Haftung des Beklagten persönlich für die Verbindlichkeiten der inzwischen aufgelösten KG ergibt sich dabei aus § 161 Abs. 2 i.V.m. § 128 HGB.
II.
Revision des Klägers:
Dagegen beanstandet der Kläger mit seiner Revision zu Recht, daß das Berufungsgericht ihm ein Mitverschulden in Höhe von 1/4 angelastet hat.
1.
Nach § 460 BGB hat der Verkäufer einen Sachmangel nicht zu vertreten, wenn der Käufer den Mangel beim Abschluß des Kaufes kennt; ist er ihm infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, so haftet der Verkäufer, sofern er nicht die Abwesenheit des Fehlers zugesichert hat, nur, wenn er diesen Fehler arglistig verschwiegen hat. Das Schrifttum entnimmt dieser Regelung nahezu einhellig, daß in ihr die Rechtsfolgen aus einer Kenntnis und schuldhaften Unkenntnis des Käufers vom Bestehen eines Sachmangels abschließend geregelt sind und insoweit bei der Geltendmachung von gewährleistungsrechtlichen Schadensersatzansprüchen (§§ 463, 480 BGB) für eine Schadensverteilung unter dem Gesichtspunkt des mitwirkenden Verschuldens (§ 254 Abs. 1 BGB) zu Lasten des Käufers kein Raum ist (Staudinger/Ostler a.a.O., § 460 Anm. 21 a; Ballerstedt bei Soergel/Siebert a.a.O., § 460 Rdn. 3; Erman/Weitnauer, BGB, 6. Aufl., § 460 Anm. 8; Mezger, a.a.O. § 460 Rdn. 2 a.E.; Palandt/Heinrichs, BGB, 37. Aufl., § 463 Anm. 4 b ee; Enneccerus/Lehmann, Lehrbuch des Schuldrechts, 15. Aufl. § 109 S. 141). Diese im Schrifttum vertretene Ansicht entspricht offensichtlich auch der Absicht des Gesetzgebers bei Schaffung des § 460 BGB. Wenn es in den Motiven (II, 226) zu § 382 des Entwurfs (jetzt § 460) heißt, die Pflicht des Erwerbers, auch seinerseits "die Augen offen zu halten", trete "gegenüber besonderen Zusicherungen des Veräußerers sowie im Falle des dolus desselben zurück", so war damit ersichtlich gemeint, daß die Pflicht zur Aufmerksamkeit auch nicht in anderem rechtlichen Gewand - etwa über § 254 Abs. 1 BGB - Einfluß auf den Umfang der Haftung des Verkäufers haben solle. So haben auch das Reichsgericht (RG JW 1930, 3472, 3473 a.E., dort für den Fall der grob fahrlässigen Unkenntnis des Käufers bei Eigenschaftszusicherung durch den Verkäufer) und das OLG Düsseldorf (NJW 1952, 1177 = JR 1953, 183) die Regelung in § 460 BGB verstanden. Soweit Mezger an der vom Berufungsgericht für dessen gegenteilige Ansicht zitierten Stelle (a.a.O. § 463 Rdn. 15 a.E.) unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 16. Februar 1966 (VIII ZR 104/64 = Betrieb 1966, 415) ausführt, der Käufer habe nach § 254 BGB nicht Anspruch auf Ersatz des vollen Schadens, wenn ihn ein mitwirkendes Verschulden an der Entstehung des Schadens treffe, so bezieht sich dies - das zeigt das angeführte Senatsurteil (a.E.) - auf die in § 254 Abs. 2 BGB geregelten und anders gelagerten Fälle, in denen der Geschädigte im Rahmen einer an sich bestehenden uneingeschränkten Haftung durch unterbliebenen Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens für dessen Entstehen mitverantwortlich ist.
2.
Der Senat sieht keinen Anlaß, von der in Rechtsprechung und Schrifttum nahezu einhellig vertretenen Ansicht abzuweichen. Zwar folgt nicht schon zwingend aus der Fassung des § 460 BGB, daß diese Bestimmung die Berücksichtigung der Kenntnis bzw. schuldhaften Unkenntnis des Käufers von dem Vorliegen eines Sachmangels abschließend regelt; denn § 460 BGB bestimmt nach seinem Wortlaut nur die Voraussetzungen, unter denen der Verkäufer überhaupt haftet, nicht dagegen das Ausmaß dieser Haftung und damit die Rechtsfolgen einer etwaigen Mitverursachung des Schadens durch den Käufer. Die Unanwendbarkeit des § 254 Abs. 1 BGB ergibt sich jedoch aus der Systematik des Gewährleistungsrechts. Dem Käufer stehen als Gewährleistungsansprüche wahlweise das Recht auf Wandlung (§§ 462, 465 ff BGB), Minderung (§§ 462, 472 BGB) und - unter den besonderen Voraussetzungen der §§ 463, 480 Abs. 2 BGB (Zusicherung bzw. Arglist) - ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung zu. Bei dem seinem Wesen nach unteilbaren Wandlungsanspruch scheidet die Anrechnung des Mitverschuldens des Käufers wegen schuldhafter Unkenntnis von dem Bestehen des Mangels bereits begrifflich aus. Auch bei der Minderung, deren Höhe sich nach der Wertrelation zwischen geschuldeter mangelfreier und gelieferter mangelhafter Sache bemißt (§ 472 BGB), ist für eine Heranziehung der auf das Schadensersatzrecht zugeschnittenen Vorschrift des § 254 Abs. 1 BGB, die den Umfang des erstattungsfähigen Schadens von dem jeweiligen Anteil an der Verursachung und damit von ganz anderen Gesichtspunkten, als sie der Regelung in § 472 BGB zugrundeliegen, abhängig macht, kein Raum. Bei dieser Sach- und Rechtslage ist es aber nicht einleuchtend, aus welchem Grunde der Käufer sich gerade beim Schadensersatzanspruch - und nur bei ihm - ein diesen Anspruch verkürzendes Mitverschulden zurechnen lassen müßte, wenn er aus leichter Fahrlässigkeit oder - bei Zusicherung bzw. Arglist seitens des Verkäufers - aus grober Fahrlässigkeit von dem Mangel keine Kenntnis gehabt hat.
Unabhängig von diesen Erwägungen fügt sich aber auch die in § 254 Abs. 1 BGB getroffene Regelung, die auf eine Abwägung der beiderseitigen Mitverursachung an dem eingetretenen Schaden und damit auf eine Entscheidung nach den Besonderheiten des Einzelfalls abstellt, nicht in die in § 460 BGB getroffene Regelung ein. Als Sondervorschrift des Gewährleistungsrechts löst § 460 BGB den Konflikt zwischen der Haftung des Verkäufers einerseits und der Frage, inwieweit sich der Käufer seine Kenntnis bzw. schuldhafte Unkenntnis von dem Haftungsgrund zurechnen lassen muß, im Interesse der Rechtssicherheit und einer möglichst raschen und klaren Abwicklung von Leistungsstörungen im Bereich der Gewährleistung nach weitgehend typisierten und von der besonderen Lage des Einzelfalls losgelösten Maßstäben. Ebenso wie es dem Käufer, der den Mangel bei Vertragsabschluß kennt, grundsätzlich nichts nützt, wenn ihm der Verkäufer diesen Mangel seinerseits arglistig verschwiegen oder ihm eine Eigenschaft zugesichert hat (vgl. RGZ 55, 210, 214), und wie ihm ferner bei eigener grober Fahrlässigkeit Gewährleistungsansprüche selbst dann nicht zustehen, wenn der Verkäufer auch seinerseits grob fahrlässig gehandelt hat, so soll umgekehrt dem Käufer ganz allgemein und ohne Prüfung seiner Schutzwürdigkeit im Einzelfall ein uneingeschränkter Schadensersatzanspruch auch dann zustehen, wenn er aus leichter Fahrlässigkeit den Mangel nicht erkannt hat oder ihm - bei Zusicherung bzw. Arglist seitens des Verkäufers - sogar grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt (§ 460 Satz 2 BGB). Im Rahmen einer derart typisierten Interessenabwägung ist aber für die Heranziehung des § 254 Abs. 1 BGB, der gerade umgekehrt auf einer Interessenabwägung nach den Besonderheiten des Einzelfalls aufbaut, kein Raum. Soweit der Senat in seinem Urteil vom 5. Januar 1960 (VIII ZR 1/59 = WM 1960, 582 = NJW 1960, 720 ) - wenn auch nur beiläufig - die Möglichkeit angedeutet hat, der Verkäufer könne gegenüber einem auf § 463 BGB gestützten Schadensersatzanspruch des Käufers, sofern dieser den Fehler trotz der Zusicherung fahrlässig nicht gekannt habe, eine Schadensverteilung nach § 254 BGB verlangen, wird an dieser Ansicht nicht mehr festgehalten. Auf die allgemeine Frage, ob im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB bei Arglist der einen Partei überhaupt für eine Berücksichtigung eines nur leicht fahrlässigen Verhaltens der anderen Partei Raum ist, kommt es daher nicht an (vgl. RGZ 69, 277; 76, 313, 323).
III.
Da mithin der Beklagte gemäß § 463 BGB zur Schadensersatzleistung verpflichtet ist und der Kläger sich ein eigenes Mitverschulden nicht zurechnen lassen muß, der Rechtsstreit also keiner weiteren Sachaufklärung bedarf, war unter Abänderung des Berufungsurteils auf die Revision des Klägers das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 3018738 |
NJW 1978, 2240 |