Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, wann ein verwendetes Kennzeichen einem Originalkennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation nach Änderungen und/oder Zusätzen zum Verwechseln ähnlich ist.
2. Die Verwendung eines Fantasiekennzeichens oder eines erheblich abgewandelten Kennzeichens, das dem Originalkennzeichen nicht zum Verwechseln ähnlich ist, wird auch dann nicht von § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB erfasst, wenn es den Anschein erweckt, es handele sich um ein Kennzeichen dieser Organisation.
3. Die Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS” ist weder der Originalparole der Hitlerjugend noch derjenigen der Waffen-SS zum Verwechseln ähnlich.
Normenkette
StGB § 86a Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 22.10.2004) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 22. Oktober 2004 aufgehoben.
Die Angeklagten werden freigesprochen.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Das Landgericht hat, nachdem das Oberlandesgericht das Hauptverfahren vor ihm eröffnet hatte (NJW 2003, 1200), die Angeklagten wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt. Die Angeklagten haben gegen ihre Verurteilung Revision eingelegt. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Die Angeklagten sind als Angehörige der „K. Kameradschaft” in der rechtsradikalen Szene aktiv. Die Angeklagten M. und E. betreiben hierzu das „Nationale Infotelefon K.”, bei dem sie Informationen auf einen Anrufbeantworter sprechen, die von Interessenten abgerufen werden können. Nachdem bei einer Kundgebung von Rechtsextremen in L. die Polizei gegen das Skandieren der Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS” eingeschritten war, plante die rechtsextreme Szene eine Protestdemonstration. Die Angeklagten M. und E. riefen durch einen Text auf einem Anrufbeantworter zur Teilnahme an der Demonstration auf. Der Text endete mit dem Satz: „Also ‚Ruhm und Ehre der Waffen-SS’ und sichert Euch einen Platz im K. Bus.” Weiterhin überließ der Angeklagte M. diesen Text, einschließlich der genannten Parole, dem Angeklagten S., der ihn in eine allgemein zugängliche Internetseite einstellte.
Das Landgericht hat die Ansicht vertreten, die Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS” sei sowohl der Parole der Waffen-SS („Meine/unsere Ehre heißt Treue”) als auch derjenigen der Hitlerjugend („Blut und Ehre”) zum Verwechseln ähnlich im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB: Sie erwecke bei einem unbefangenen, nur flüchtig prüfenden Hörer den Eindruck, es handele sich um eine Parole der Waffen-SS, so dass sich dem Hörer inhaltlich der Sinngehalt eines Symbols dieser verbotenen nationalsozialistischen Organisation vermittle.
I. Die Verurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Bei der verwendeten Parole handelt es sich nicht um eine Parole einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation. Dies hat zur Folge, dass ein tatbestandsmäßiges Handeln nach § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB ausscheidet. Sie ist auch nicht der Parole einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation zum Verwechseln ähnlich. Dementsprechend greift auch § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB nicht ein.
1. „Zum Verwechseln ähnlich” im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB ist eine Parole – wie auch ein sonstiges Kennzeichen – dann, wenn ein gesteigerter Grad sinnlich wahrnehmbarer Ähnlichkeit gegeben ist. Erforderlich ist eine objektiv vorhandene Übereinstimmung in wesentlichen Vergleichspunkten. Es muss nach dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht genau prüfenden Betrachters eine Verwechslung mit dem Original möglich sein. Dafür genügt nicht, dass sich lediglich einzelne Merkmale des Vorbilds in der Abwandlung wieder finden, ohne dass dadurch einem unbefangenen Betrachter, der das Original kennt, der Eindruck des Originalkennzeichens vermittelt wird (BGH NStZ 2003, 31, 32).
2. Nach diesen Maßstäben ist bei der Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS” ein ausreichendes Maß an Ähnlichkeit mit den Parolen weder der Waffen-SS noch der Hitlerjugend gegeben (ebenso die h. M., Steinmetz NStZ 2002, 118; ders. in MünchKomm § 86 a Rdn. 14; Fischer in Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 86 a Rdn. 12; Paeffgen in NK-StGB § 86 a Rdn. 9; Ettemeyer/Büttner, Die Polizei 2000, 164, 165; aA lediglich OLG Karlsruhe NJW 2003, 1200).
a) Das ist offensichtlich, soweit die von den Angeklagten verwendete Parole („Ruhm und Ehre der Waffen-SS”) mit derjenigen der Waffen-SS („Meine/unsere Ehre heißt Treue”) verglichen wird. Beide Losungen unterscheiden sich nach Form und Inhalt so deutlich, dass es an jeder Ähnlichkeit, die eine Verwechselungsgefahr begründen könnte, fehlt. Obgleich es daher auf die Einordnung der Waffen-SS als verfassungswidrige Organisation nicht ankommt, gibt die Revisionsbegründung dem Senat Anlass zu dem Hinweis, dass es sich bei ihr um eine Untergliederung der SS und damit um eine ehemalige nationalsozialistische Organisation im Sinne von § 86 a Abs. 1 Nr. 1, § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB handelt, so dass sowohl die Verbreitung von Propagandamitteln, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, ihre Bestrebungen fortzusetzen, als auch die Verwendung ihrer Kennzeichen strafbar ist.
b) Die verwendete Losung ist aber auch nicht der Parole der Hitlerjugend („Blut und Ehre”) zum Verwechseln ähnlich.
Mit ihr weist sie allerdings, entsprechend der Auffassung des Landgerichts, bei isolierter Betrachtung der ersten drei Worte dieser Losung („Ruhm und Ehre”) – wegen des Wortklangs und der teilweisen Wortübereinstimmung – eine gewisse Ähnlichkeit auf. Ob diese den Grad erreicht, dass eine Parole „Ruhm und Ehre” der Parole der Hitlerjugend „Blut und Ehre” zum Verwechseln ähnlich und ihre Verwendung damit tatbestandsmäßig wäre, kann indes auf sich beruhen. Denn die Angeklagten haben diese Parole nicht verwandt. Bei der Prüfung, ob die von ihnen benutzte Parole derjenigen der Hitlerjugend in der von § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB geforderten Weise zum Verwechseln ähnlich ist, muss jene unverändert und in ihrer Gesamtheit in den Blick genommen werden. Ein auf einzelne Teile der Parole beschränkter Vergleich, der andere Teile aus der Betrachtung ausklammert, ist nicht zulässig.
Wird die Parole einer nationalsozialistischen Organisation – unverändert oder nur geringfügig verändert – um einen Zusatz (hier „der Waffen-SS”) erweitert, hängt die Frage, ob die neue Parole der ursprünglichen zum Verwechseln ähnlich ist, von einem Gesamtvergleich ab. Dabei ist nach Form und Inhalt zu beurteilen, ob in der neu entstandenen Parole ungeachtet der vorgenommenen Ergänzungen und – gegebenenfalls – Änderungen letztlich die Originalparole hervorsticht und Aussage sowie Erscheinungsbild prägt. Ob dies der Fall ist oder ob umgekehrt die Originalparole als Folge der Änderungen und Ergänzungen in der neuen Parole ihre Bedeutung als eigenständige Aussage verliert und in den Hintergrund tritt, lässt sich nur für den Einzelfall entscheiden. Kriterium kann etwa sein, wie markant das Originalkennzeichen einerseits und der Zusatz andererseits sind, wie sehr das Originalkennzeichen durch den Zusatz in seinem äußeren Erscheinungsbild (bei Parolen auch im Rhythmus und Klang) und in seiner inhaltlichen Aussage verändert wird. Wesentlich für die Beurteilung von Ähnlichkeit und Verwechselungsgefahr kann auch sein, ob die Parole spezifisch nationalsozialistisch war, ausschließlich von einer nationalsozialistischen Organisation verwandt wurde oder auch sonst verbreitet war oder ist.
Bei der gebotenen Betrachtung der von den Angeklagten verwendeten Parole in ihrer Gesamtheit führt ein Vergleich mit der Parole der Hitlerjugend – ungeachtet der Ähnlichkeit in den ersten drei Worten – nicht dazu, dass beide Losungen zum Verwechseln ähnlich sind. Durch die Veränderung des ersten Begriffs von „Blut” in „Ruhm” entsteht im ersten Teil der verwendeten Losung mit der Formel „Ruhm und Ehre” eine Aussage, die keine spezifische nationalsozialistische Färbung aufweist und bereits vor dem Dritten Reich vielfach allgemein zur Ehrung insbesondere von Soldaten verwendet worden ist (etwa Ehre den Gefallenen, Ruhm den Helden u. ä.).
Zwar wird durch den Zusatz „der Waffen-SS” ein Bezug zu einer nationalsozialistischen Organisation, nämlich der Waffen-SS hergestellt. Dieser Bezug verweist aber nicht auf die Hitlerjugend und vermag daher die Ähnlichkeit zu deren Parole nicht zu begründen. Im Gegenteil: Hier wird durch den Zusatz die Originalparole nach Form und Inhalt so stark verändert, dass derjenige, der die Parole der Hitlerjugend kennt und die von den Angeklagten verwendete Parole optisch oder akustisch wahrnimmt, nicht den Eindruck gewinnen kann, es handele sich, wenn auch leicht abgewandelt, um die der Hitlerjugend. Schon in formeller Hinsicht sind die Unterschiede zu groß. Wesentlich kommt hinzu, dass der inhaltliche Aussagegehalt beider zu vergleichender Parolen deutliche Unterschiede aufweist. Die Losung der Hitlerjugend vermittelt das Treuebekenntnis eines Angehörigen dieser Organisation, in dem er sich mit seiner gesamten Person, mit seinem Blut und mit seiner Ehre, zu dieser Gruppierung bekennt und seine Zugehörigkeit zu ihr zum Ausdruck bringt. Demgegenüber ist die verwendete Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS” als Aussage eines Dritten zu verstehen, der dieser Organisation Ruhm und Ehre zuerkennen will.
3. Das Landgericht hat zwar – insoweit letztlich übereinstimmend mit den Darlegungen unter 2. a) – nach dem äußeren Erscheinungsbild nur eine bedingte und damit nicht ausreichende Ähnlichkeit der verwendeten Parole mit derjenigen der Waffen-SS festgestellt. Wenn es gleichwohl zum Ergebnis gelangt ist, sie sei ihr zum Verwechseln ähnlich, hat es ersichtlich einen anderen, rechtlich unzutreffenden Maßstab bei der Auslegung des Begriffs „zum Verwechseln ähnlich” in § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB angelegt. Denn zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem flüchtig prüfenden Hörer oder Leser sich bei der Losung „Ruhm und Ehre der Waffen-SS” der Eindruck aufdränge, es handele sich um eine Parole der Waffen-SS, wobei „sich ihm inhaltlich der Sinngehalt eines Symbols dieser … nationalsozialistischen Organisation vermittelt”. Diese Formulierung entspricht einer in Teilen der Literatur vertretenen Auslegung dieser Vorschrift, wonach es nicht so sehr auf die – je nach der Art der Wahrnehmung – optische oder akustische Ähnlichkeit ankomme als vielmehr darauf, ob der Anschein eines Kennzeichens der jeweiligen Organisation erweckt und dessen Symbolgehalt vermittelt werde (so Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 86 a Rdn. 2 a; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 86 a Rdn. 4).
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Sie führt dazu, dass es der Existenz eines Originalkennzeichens nicht bedürfte, mit dem das verwendete ähnlich ist, und dass die Verwendung von Fantasiekennzeichen tatbestandsmäßig wäre, wenn diese den Anschein erwecken, als seien sie ein – tatsächlich nie gebrauchtes – Kennzeichen der betreffenden Organisation (so in der Tat KG NStZ 2002, 148, 149). Diese Auslegung ist mit dem eindeutigen Wortlaut des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB nicht vereinbar. Nach § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB i. V. mit § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist es verboten, Kennzeichen einer ehemaligen Organisation zu verwenden. Damit sind nur Kennzeichen erfasst, die diese Organisation selbst verwendet hat. Nach § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB stehen diesen Kennzeichen auch solche gleich, die „ihnen” zum Verwechseln ähnlich sind. Damit ist klargestellt, dass eine Ähnlichkeit mit den von der Organisation verwendeten Kennzeichen bestehen muss (so auch Steinmetz NStZ 2002, 118 f.; ders. in MünchKomm § 86 a Rdn. 13). Die gegenteilige Auffassung wäre auch mit dem Charakter der Vorschrift als Organisationsdelikt nicht in Einklang zu bringen (Stegbauer JZ 2002, 1180). Denn die Vorschrift des § 86 a StGB bezweckt den Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Abwehr einer Wiederbelebung verfassungswidriger Organisationen (Laufhütte in LK, 11. Aufl. § 86 a Rdn. 1).
Diese nach Wortlaut und Systematik zwingende Auslegung des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB hat, wie nicht zu verkennen ist, allerdings zur Konsequenz, dass die Verwendung von nationalsozialistisch klingenden Parolen, die den Anschein der Zuordnung zu bestimmten NS-Organisationen vermitteln (und vermitteln sollen), die aber etwa als Fantasiekennzeichen frei erfunden oder von einem Originalkennzeichen so stark abweichend sind, dass eine Verwechselungsgefahr ausgeschlossen ist, unter diesem rechtlichen Aspekt straffrei bleibt. Eine Parole, die einer nationalsozialistischen Organisation ungeachtet der von ihr begangenen Gräueltaten „Ruhm und Ehre” zuspricht, wird zu Recht auf allgemeine Empörung stoßen und insbesondere die Angehörigen von Opfern in ihren Gefühlen verletzen. Dies und das Empfinden von Strafbedürftigkeit können es aber nicht rechtfertigen, bei der Auslegung des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB die durch den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift gesetzten Grenzen zu überschreiten. Das für Strafgesetze verfassungsrechtlich garantierte Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG verbietet einem Richter, eine Strafvorschrift über ihren eindeutigen, einer Auslegung nicht zugänglichen Wortlaut hinaus ausdehnend anzuwenden (BVerfGE 64, 389, 393). Damit sind die Strafgerichte gehalten, den Gesetzgeber beim Wort zu nehmen; ihn zu korrigieren, ist ihnen verwehrt. Sie müssen in Fällen, die vom Wortlaut einer Strafnorm nicht mehr erfasst sind, zum Freispruch gelangen (BVerfGE 47, 109, 124). Es ist Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob solche NS-Propaganda, soweit dies mit Blick auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit möglich ist, unter Strafandrohung verboten werden soll oder ob die Auseinandersetzung mit dieser Ideologie nicht besser mit politischen Mitteln zu führen ist.
4. Im übrigen ist die Verwendung von Kennzeichen der hier in Rede stehenden Art, auch wenn sie nicht vom Tatbestand des § 86 a StGB erfasst wird, nicht notwendigerweise straflos. Sie kann im Einzelfall – unter Berücksichtigung der ihn prägenden Umstände – nach anderen Vorschriften strafbar sein.
a) Das gilt etwa für die Verwendung von Kennzeichen unter solchen Umständen, dass es sich nach der Gesamtaussage um Propagandamittel im Sinne des § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB handelt, die nach ihrem Inhalt gegen die freiheitliche Grundordnung gerichtet und dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen (vgl. BGHR StGB § 86 Abs. 1 Nr. 4 NS-Parole 1 zu „Rot-Front-Verrecke”). Eine solche Fallgestaltung war bei der Verwendung der Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS” im Zusammenhang mit einer Kundgebung auf der Wewelsburg, einer Kultstätte der SS und Waffen-SS, die auch als Konzentrationslager diente, gegeben. In diesem Fall war das Landgericht Dortmund zum Ergebnis gelangt, dass die Verwendung dieser Parole als solche allein noch nicht eine Strafbarkeit nach § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB zu begründen vermag, dass aber unter den konkreten Umständen, nämlich dem bewussten Bezug zur Wewelsburg und der Einstellung in eine Internetseite der „Initiative der weißen Art” ein unübersehbarer Zusammenhang mit den rassistischen Zielen der SS und auch der Waffen-SS hergestellt und deren Bestrebungen zur Erhaltung der „arischen” Rasse und Eliminierung anderer Bevölkerungsgruppen gefördert werden sollte (LG Dortmund, Urt. vom 7. Januar 2003 – KLs 157 Js 348/02). Diese Auffassung hat der Senat durch Verwerfung der Angeklagtenrevision bestätigt (Beschl. vom 15. Mai 2003 – 3 StR 154/03 [ohne Gründe gemäß § 349 Abs. 2 StGB]).
b) Auch eine Strafbarkeit nach der durch Gesetz vom 24. März 2005 neu geschaffenen Vorschrift der Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft (§ 130 Abs. 4 StGB nF [BGBl I 969 f.]) kann für künftige Fälle in Betracht kommen, wenn im Einzelfall nach den Umständen die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen festgestellt werden können, wonach durch die Verwendung der Parole die NS-Gewalt- und Willkürherrschaft verherrlicht und dadurch der öffentliche Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise gestört wurde. Damit erfasst dieser Straftatbestand nicht jede Verherrlichung nationalsozialistischer Anschauungen, sondern nur solche Handlungen als tatbestandsmäßig, welche die NS-Gewalt- und Willkürherrschaft kennzeichnenden Menschenrechtsverletzungen billigen, rechtfertigen oder verherrlichen und damit den Achtungsanspruch der Opfer angreifen (vgl. Begr. des Gesetzentwurfs BTDrucks. 15/5051 S. 5).
II. Der dargestellte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils. Der Senat hat nach § 354 Abs. 1 StPO in der Sache abschließend entschieden und die Angeklagten freigesprochen, da der festgestellte Sachverhalt andere Straftatbestände nicht erfüllt und weitergehende Feststellungen nicht zu erwarten sind.
Die neue Vorschrift des § 130 Abs. 4 StGB nF hat zur Tatzeit noch nicht gegolten (§ 1 StGB), so dass offen bleiben kann, ob ihre Voraussetzungen erfüllt gewesen wären. Für eine Verurteilung nach § 86 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 StGB fehlt es an solchen besonderen Umständen, wie sie der o. g. Entscheidung des Landgerichts Dortmund vom 7. Januar 2003 zugrunde lagen. Für die Anwendung dieser Vorschrift reicht es nicht aus, dass ein Propagandamittel nach seinem Inhalt geeignet ist, allgemein für das nationalsozialistische Regime zu werben und seine Ideologie zu verherrlichen. Wie der Senat in BGHSt 23, 64, 67 f. im Einzelnen dargelegt hat, wurde im Gesetzgebungsverfahren ein Alternativvorschlag, der auch solche lediglich verherrlichenden Propagandamittel in § 86 StGB erfassen wollte, verworfen. Nach der schließlich Gesetz gewordenen Fassung ist in § 86 Abs. 2 StGB ausdrücklich bestimmt, dass nur solche Propagandamittel den Tatbestand erfüllen, deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind. Damit muss das Propagandamittel eine „aktiv kämpferische, aggressive Tendenz” gegen die freiheitliche Grundordnung aufweisen und auf die Fortsetzung der Bestrebungen der ehemaligen nationalsozialistischen Organisation gerichtet sein (BGHSt 23, 64, 72, 76; 29, 73, 78). Diese Voraussetzungen können hier der Verwendung der Parole durch die Angeklagten nach den festgestellten Umständen nicht entnommen werden.
Unterschriften
Tolksdorf, Winkler, Pfister, von Lienen, Hubert
Fundstellen
Haufe-Index 2556874 |
NJW 2005, 3223 |
NStZ 2006, 335 |
Nachschlagewerk BGH |
NJW-Spezial 2005, 523 |