Leitsatz (amtlich)
›1. Zur Gegenwärtigkeit der angedrohten Gefahr beim Tatbestand der räuberischen Erpressung, wenn die Verwirklichung der Drohung nicht sicher unmittelbar bevorsteht.
2. Zur Vollendung der räuberischen Erpressung, wenn das Opfer auf den Rat der Polizei hin zahlt.‹
Verfahrensgang
Gründe
I. 1. Das Landgericht hat den Angeklagten I. wegen versuchter Erpressung in vier Fällen, den Angeklagten C. wegen versuchter Erpressung in drei Fällen verurteilt und auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten gegen den Angeklagten I. sowie - unter Strafaussetzung zur Bewährung - auf eine solche von 8 Monaten gegen den Angeklagten C. erkannt. Im übrigen hat es den Angeklagten C. freigesprochen.
Der Verurteilung zugrunde liegen zwei Fälle der Einforderung von "Spenden" bei kurdischen Asylbewerbern für die mit einem (im Tatzeitraum vollziehbaren) vereinsrechtlichen Verbot belegte "Arbeiterpartei Kurdistan" (PKK) und ihre Teilorganisation der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" (ERNK). Im ersten Fall bedrohten die beiden Angeklagten - zwei seit längerem in Deutschland lebende türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit - die Brüder Adnan, Mehmet und Abidin B. und verlangten die Zahlung von mehreren Hundert DM. Als die Zahlung ausblieb, wurde Adnan B. von einer "Schlägertruppe" aus zehn bis zwölf unbekannt gebliebenen Personen überfallen und schwer mißhandelt. Im zweiten Fall, in dem der Angeklagte C. vom Vorwurf der Tatbeteiligung freigesprochen worden ist, verlangte der Angeklagte I. von dem Zeugen Ö. unter Bedrohungen ebenfalls eine "Spende". Auf Anraten der von ihm informierten Polizei zahlte der Zeuge Ö. schließlich gegen Quittung einen Teilbetrag.
Das Landgericht hat die Bedrohung der Brüder B. als versuchte Erpressung in drei tatmehrheitlich begangenen Fällen beurteilt. Auch die Tat zum Nachteil des Zeugen Ö. hat es lediglich als versuchte Erpressung gewertet und Tatvollendung mit der Begründung verneint, daß Ö. das Geld "nicht aufgrund der Drohung, sondern im Zusammenwirken mit den Ermittlungsbehörden" gezahlt habe. Die erschwerenden Voraussetzungen räuberischer Erpressung hat die Strafkammer in beiden Fällen nicht angenommen, weil die angedrohten Gefahren für Leib oder Leben der Bedrohten nicht "gegenwärtig" im Sinne des § 255 StGB gewesen seien. Ein Vergehen nach § 20 Abs. 1 Vereinsgesetz (Zuwiderhandlung gegen das Verbot der PKK und der ERNK) hat das Landgericht in dem Verhalten der Angeklagten deshalb nicht gesehen, weil es nicht feststellen konnte, für welchen Zweck die durch Spendenaktionen eingesammelten Gelder bestimmt waren, ob sie zur Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts der "verbotenen Partei" dienen oder in die Türkei "transferiert" werden sollten.
2. Mit der auf die Sachrüge gestützten Revision greift die Staatsanwaltschaft das Urteil insoweit nicht an, als der Angeklagte C. aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf der Beteiligung an der Tat zum Nachteil des Zeugen Ö. freigesprochen worden ist. Die Beschwerdeführerin hält den Schuldspruch wegen (versuchter) einfacher Erpressung anstatt räuberischer Erpressung für rechtlich fehlerhaft und erstrebt außerdem die Verurteilung der Angeklagten wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung im Fall der Brüder B.. Außerdem beanstandet die Staatsanwaltschaft die ohne Begründung erfolgte Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung im Falle des Angeklagten C..
Die Angeklagten rügen mit ihren Revisionen die Verletzungen formellen und sachlichen Rechts.
Das - vom Generalbundesanwalt weitgehend vertretene - Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist in vollem Umfang, die Revisionen der Angeklagten sind zum Teil begründet. Wegen der deswegen gebotenen Aufhebung des angefochtenen Urteils ist die vom Angeklagten I. außerdem erhobene Kostenbeschwerde gegenstandslos.
II. Die Revisionen der Angeklagten.
1. Die Verfahrensbeschwerden dringen nicht durch.
a) Die Rüge des Angeklagten I., der Inhalt der polizeilichen und der richterlichen Vernehmung des Zeugen Adnan B. im Vorverfahren sei nicht in die Hauptverhandlung eingeführt, gleichwohl aber unter Verstoß gegen § 261 StPO im Rahmen der Beweiswürdigung zu seinem Nachteil verwertet worden, bleibt ohne Erfolg, weil der behauptete Verfahrensfehler nicht bewiesen ist. Was der Zeuge B. im Ermittlungsverfahren bekundet hat, kann durch Bestätigung des Zeugen aufgrund eines nicht protokollierungsbedürftigen Vorhalts im Rahmen seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung prozeßordnungsgemäß eingeführt worden sein, auch wenn dies im Urteil nicht deutlich gemacht worden ist. Insoweit ist für eine inhaltliche Rekonstruktion der tatrichterlichen Beweisaufnahme im Revisionsverfahren zur weiteren Klärung kein Raum.
b) Die vom Angeklagten C. beanstandete Ablehnung seines Hilfsbeweisantrags auf Vernehmung eines Rechtsanwalts als Zeugen über die in der Hauptverhandlung bekundeten Aussagen eines anderen Zeugen hält rechtlicher Prüfung stand. Die in der Hauptverhandlung vorausgegangene Beweiserhebung kann nicht selbst wieder Gegenstand des tatrichterlichen Strengbeweises sein (vgl. BGHSt 38, 239, 241; BGHR StPO § 244 III 1 Unzulässigkeit 7). Der Ort, den entscheidungserheblichen Inhalt der Beweisaufnahme festzustellen, ist das Urteil. Auch insoweit gilt, daß eine inhaltliche Rekonstruktion der in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht möglich ist. Die Rüge, über zwei weitere Hilfsbeweisanträge habe das Landgericht nicht entschieden, ist ebenfalls erfolglos. Der Senat kann ausschließen, daß das Urteil auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler beruht. Wird ein im Urteil zu bescheidender Hilfsbeweisantrag übergangen, ist dies unschädlich, wenn er mit rechtsfehlerfreier Begründung abgelehnt werden konnte (vgl. BGH NJW 1988, 501, 502; Herdegen in KK-StPO 3. Aufl. § 244 Rn. 61). So liegt es hier. Den Beweiserwägungen im Urteil läßt sich mit ausreichender Sicherheit entnehmen, daß die behaupteten Beweistatsachen zum Teil schon erwiesen und im übrigen für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung waren, die Hilfsbeweisanträge demnach mit dieser Begründung zurückzuweisen waren.
2. Soweit es die Annahme der versuchten Erpressung angeht, weist das Urteil in sachlich rechtlicher Hinsicht keinen Rechtsfehler auf, durch den die Angeklagten benachteiligt wären. Insbesondere scheidet strafbefreiender Rücktritt vom Versuch im Fall der Brüder B. aus. Nach den getroffenen Feststellungen ist von mittäterschaftlicher Begehung unter Beteilung unbekannter Hintermänner auszugehen. Rücktritt vom Versuch wäre daher für die Angeklagten nur nach § 24 Abs. 2 StGB möglich gewesen. Anhaltspunkte dafür, daß die besonderen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind, liegen indes nicht vor.
Jedoch hat das Landgericht im Fall der Brüder B. das Konkurrenzverhältnis der Tatbestandsverwirklichungen unrichtig beurteilt. Die versuchten Erpressungen der drei Brüder sind durch ein und dieselbe Handlung in sogenannter gleichartiger Idealkonkurrenz und nicht in Tatmehrheit begangen. Für die Feststellung, ob eine oder mehrere natürliche Handlungen vorliegen, ist - zumal nach Aufgabe der hier ohnehin nicht einschlägigen Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung - ohne ausschlaggebende Bedeutung, daß höchstpersönliche Rechtsgüter mehrerer Personen betroffen sind.
Die dem Anklagevorwurf entsprechende und daher ohne Verstoß gegen § 265 Abs. 1 StPO mögliche Richtigstellung des Konkurrenzverhältnisses im Schuldspruch führt im Falle des Angeklagten I. dazu, daß der gesamte Strafausspruch aufgehoben und die Sache auf die Revision dieses Angeklagten insoweit zurückverwiesen werden muß. Soweit es die Einzelstrafe wegen der Tat zum Nachteil des Zeugen Ö. anbelangt, kann der Senat eine dem Angeklagten I. nachteilige Beeinflussung ihrer Bemessung durch die aufzuhebenden drei Einzelstrafen im Fall der Brüder B. nicht ausschließen; sie kann daher ebenfalls nicht bestehen bleiben.
Beim nur im Falle der Brüder B. verurteilten Angeklagten C. kann hingegen die auf einer an sich rechtsfehlerfreien Strafzumessung beruhende Gesamtfreiheitsstrafe als Einzelstrafe aufrechterhalten werden. Sie entspricht dem Unwert des Gesamtverhaltens, der von der abgeänderten Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses in seinem für die Strafzumessung wesentlichen materiellen Gewicht unberührt bleibt. Angesichts des in der Sache geringen Erfolgs des Rechtsmittels des Angeklagten C. erscheint es nicht unbillig, ihn mit den gesamten Rechtsmittelkosten und notwendigen Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
III. Revision der Staatsanwaltschaft.
Das Urteil leidet in mehrfacher Hinsicht an sachlich rechtlichen Mängeln, durch die die Angeklagten begünstigt sind.
1. Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin als rechtsfehlerhaft, daß die Strafkammer das Ergebnis der Beweisaufnahme zum Fall der Brüder B. nicht als ausreichend für den Nachweis einer Beteiligung der Angeklagten an der von zehn bis zwölf unbekannten Personen begangenen Mißhandlungen des Zeugen Adnan B. angesehen hat. Die Beweiserwägungen des Landgerichts sind insoweit lückenhaft, weil es wesentliche, sich nach dem festgestellten Sachverhalt aufdrängende tatsächliche Umstände und rechtliche Gesichtspunkte nicht umfassend genug berücksichtigt hat. Nach der Sachverhaltsschilderung im Urteil waren die Angeklagten für die PKK/ERNK und nicht bloß allgemein für die Sache des kurdischen Freiheitskampfs tätig. Der Angeklagte I. hatte sogar nicht näher umschriebene Funktionen als "Gebietsvertreter" der PKK für den Bereich von H.; beide Angeklagten waren - ersichtlich im Auftrag der PKK/ERNK - mit der Einforderung von "Spenden" befaßt, äußerten Drohungen zur Durchsetzung ihres Verlangens, setzten Zahlungsfristen (I.) und waren für die Entgegennahme des Geldes (I. und C.) sowie zur Erteilung von Quittungen (I.) zuständig. Das Landgericht hat auch die Überzeugung gewonnen, daß durch die Mißhandlung des Zeugen Adnan B. die zuvor geäußerten Drohungen in die Tat umgesetzt wurden. Es hat außerdem festgestellt, daß beide Angeklagte das gewaltsame Vorgehen des "Schlägertrupps" nachträglich billigten, der Angeklagte I. sich zudem lobend über die Tat der "Freunde" äußerte. Vor diesem Hintergrund liegt es angesichts der festgestellten engen Einbindung der Angeklagten in die Praxis der "Spenden"-Eintreibung durch die PKK/ERNK nicht nur nahe, daß sie, wie offenbar auch das Landgericht angenommen hat, die Zahlungsverweigerung oder die Nichtzahlung der unter Drohungen eingeforderten Gelder innerhalb der Organisation der PKK/ERNK weitermeldeten. Vielmehr drängt es sich unter den gegebenen Umständen auch auf, daß die Angeklagten spätestens, als sie die Meldung weitergaben, mit der Möglichkeit rechneten, die "Spendenforderung" werde alsbald gewaltsam, möglicherweise auch unter körperlichen Mißhandlungen eingetrieben werden. Denn war in "Kurdenkreisen" schon allgemein bekannt, "daß die PKK ihre Forderung auch gewaltsam durchsetzt" (UA S. 5), lag diese Erwartung für die Angeklagten, die mit den Praktiken der PKK/ERNK aufgrund ihrer Mitarbeit doch besser als andere Kurden vertraut gewesen sein müssen, noch näher. Bereits für eine solche begrenzte, die Mißhandlungen lediglich auslösende Mitwirkung kommt eine rechtliche Würdigung (mindestens) als Beihilfe in Betracht. Diesem rechtlichen Gesichtspunkt hat das Landgericht bei der Abwägung der Beweise nicht genügend Beachtung geschenkt. Für eine solche Würdigung bedurfte es nicht des Nachweises, daß die Angeklagten die konkreten Umstände der körperlichen Mißhandlung im voraus kannten. Für die Annahme des für Beihilfe ausreichenden bedingten Gehilfenvorsatzes genügt es, wenn die Haupttat in der Vorstellung des Teilnehmers durch die ungefähre Art der Tatbegehung so konkretisiert ist, daß der wesentliche Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung erfaßt sind (vgl. BGHR StGB § 27 I Vorsatz 6, 7 und 9; BGH, Urteil vom 18. April 1996 - 1 StR 14/96, = wistra 1996, 23 - zum Abdruck in BGHSt bestimmt).
Bereits wegen dieses Rechtsmangels muß das Urteil im Falle der Brüder B. auf die Revision der Staatsanwaltschaft aufgehoben werden. Denn der Senat kann nicht ausschließen, daß das Landgericht die Angeklagten, wäre der rechtliche Gesichtspunkt der Beihilfe bei der Beweiswürdigung genügend beachtet worden, auch wegen tateinheitlich zur versuchten (räuberischen) Erpressung begangener Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung verurteilt hätte.
2. Darüber hinaus begegnet das Urteil insoweit durchgreifenden rechtlichen Bedenken, als das Landgericht sowohl im Falle der Brüder B. als auch bei der Tat zum Nachteil des Zeugen Ö. die erschwerenden Voraussetzungen der räuberischen Erpressung nicht als erfüllt angesehen hat. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht in beiden Fällen verneint hat, daß die geäußerten Drohungen eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben zum Inhalt hatten, halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
Eine zur Drohung benutzte Gefahr für Leib oder Leben ist im Sinne des § 255 StGB dann als "gegenwärtig" zu beurteilen, wenn die in Aussicht gestellte Schädigung an Leib oder Leben bei ungestörter (natürlicher) Weiterentwicklung der Dinge nach menschlicher Erfahrung als sicher oder höchst wahrscheinlich zu erwarten ist, falls nicht alsbald eine Abwehrmaßnahme ergriffen wird (vgl. BGHR StGB § 255 Drohung 4; BGH NJW 1989, 176 und 1289; BGH bei Holtz MDR 1982, 447, 448; BGH MDR 1957, 691; BGH, Urteil vom 25. Oktober 1979 - 4 StR 505/79; vgl. auch Herdegen in LK StGB 11. Aufl. § 249 Rn. 11). Erforderlich ist dabei nicht, daß das schädigende Ereignis mit Sicherheit unmittelbar bevorsteht. Es genügt eine Gefahr, die als "Dauergefahr" über einen längeren Zeitraum in dem Sinne gegenwärtig ist, daß sie jederzeit - zu einem ungewissen Zeitpunkt, alsbald oder auch später - in einen Schaden umschlagen kann (BGH bei Holtz MDR 1982, 447, 448; vgl. auch BGH, Urteil vom 25. Oktober 1979 - 4 StR 505/79 -). Zum wirksamen Schutz von Erpressungsopfern darf der Begriff der Gegenwärtigkeit angedrohter Gefahren anders als bei der anderen Zwecken dienenden Regelung des rechtfertigenden Notstands in § 34 StGB, von der die in der Rechtsprechung benutzten Begriffsumschreibungen hergeleitet sind (vgl. BGH MDR 1957, 691), nicht zu eng verstanden werden (vgl. Geilen Jura 1979, 110). Es bedarf der begrifflichen Anpassung an den Sinn des § 255 StGB, bestimmte Fälle der Erpressung wegen der vom Täter gezielt eingesetzten wirklichen oder vermeintlichen Gefährlichkeit der Drohung unter erhöhte Strafe zu stellen (vgl. BGH MDR 1957, 691). Zwar wird bei einer Drohung mit Tötung oder körperlicher Mißhandlung, falls das Opfer nicht binnen Monats- oder Jahresfrist zahlt, in aller Regel die Gefahr nicht als gegenwärtig angesehen werden können (vgl. BGH MDR 1957, 691; BGH bei Holtz MDR 1982, 447, 448). Genauere zeitliche Grenzen dafür, wann eine für die Zukunft angedrohte Gefahr noch gegenwärtig ist und wann nicht mehr, lassen sich jedoch nicht allgemein festlegen. Es geht um die Feststellung des Inhalts von Drohungsäußerungen des Täters im Wege der Auslegung. Maßgebend sind die dafür aussagekräftigen Umstände des Einzelfalls.
Diese Tatfragen zu entscheiden, ist in erster Linie Aufgabe des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat aber zu prüfen, ob er ein zutreffendes Verständnis des gesetzlichen Begriffs zugrundegelegt, alle wesentlichen Umstände bedacht und die Auslegungsregeln eingehalten hat (vgl. BGH NJW 1989, 1289).
Aus den Ausführungen des Landgerichts geht hervor, daß es den Begriff der Gegenwärtigkeit der Gefahr in § 255 StGB verkannt hat. So hat es im Fall des Zeugen Ö. als entscheidend angesehen, daß die Verwirklichung der Drohung "Wenn Du nicht zahlst, knallen wir Dich ab!" und "Das, was dann passiert, mußt Du Dir selbst überlegen!" nicht unmittelbar bevorstand (UA S. 16). Die Strafkammer läßt dabei außer acht, daß - wie dargelegt - eine für den Fall der Zahlungsverweigerung angedrohte Gefahr auch dann gegenwärtig und in ihrer Auswirkung auf das Opfer besonders gefährlich sein kann, wenn die Verwirklichung der Drohung nicht sicher unmittelbar bevorsteht, sondern in dem Sinne ungewiß ist, daß die Gefahr jederzeit - alsbald, aber auch später - in einen Schaden umschlagen kann. Dies gilt vor allem in den Fällen, in denen hinter dem Täter eine Gruppe von Hintermännern oder wie hier eine als gefährlich einzuschätzende Organisation steht, die in ihren Reaktionen aus der Sicht des Opfers als unberechenbar erscheinen. Diesen für die Beurteilung wesentlichen Gesichtspunkt hat die Strafkammer nicht erkennbar berücksichtigt. Auf das gleiche begriffliche Mißverständnis zurückzuführen und zugleich in sich widersprüchlich ist es, daß das Landgericht die Äußerung des Angeklagten C. "Ihr seid verbrannt!" im Fall der Brüder B. deshalb nicht als Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr (für Leib oder Leben) aufgefaßt hat, weil sie "mit keiner weiteren Bedingung - wie Fristsetzung - verbunden war" (UA S. 16), ihre Verwirklichung vielmehr in "ungewisser Zukunft" lag. Nach dem, was in diesem Fall vorausgegangen war, drängte sich auf, daß die drohende Äußerung zielgerichtet eingesetzt wurde, um die bisher ausgebliebene Zahlung doch noch zu erreichen. Da eine dem Zeitpunkt ihrer Verwirklichung nach ungewisse Gefahr ausreichen kann, stellt das Fehlen einer Fristsetzung gerade keinen Grund dar, die Gegenwärtigkeit der angedrohten Lebens- oder Leibesgefahr zu verneinen. Soweit im Zusammenhang mit anderen Drohungen Zahlungsfristen nach den Feststellungen des Landgerichts gesetzt wurden, waren diese zeitlich nicht so bemessen, daß sie die Annahme, die angedrohten Gefahren seien gegenwärtig im Sinne von § 255 StGB von vornherein und unabhängig von den tatrichterlich zu würdigenden Umständen des Einzelfalls ausschlössen.
Der Mangel in der Beurteilung der Gegenwärtigkeit der vom Angeklagten C. angedrohten Gefahren wirkt sich im Falle der Brüder B. insofern auch zum Vorteil des Angeklagten I. aus, als sich das Landgericht offenbar deshalb, weil es den Tatbestand des § 255 StGB nicht für verwirklicht hielt, nicht veranlaßt sah, zu prüfen, ob diese drohende Äußerung des Angeklagten C. dem Angeklagten I. zuzurechnen war. Das Landgericht hätte ferner darauf eingehen müssen, ob die Drohung "Wir kommen wieder!", die der unbekannte Begleiter der Angeklagten, ersichtlich mit ihrem Einverständnis, bei der ersten Spendenforderung gegenüber den Brüdern B. äußerte, bereits die Voraussetzungen einer versuchten räuberischen Erpressung erfüllte. Angesichts der Furcht verbreitenden, die Zeugen erkennbar in ihrem Aussageverhalten beeinflussenden Gefährlichkeit der PKK/ERNK war als naheliegende Möglichkeit zu erwägen, ob diese drohende Äußerung nach den Gesamtumständen dahin auszulegen ist, daß sie die Ankündigung körperlicher Mißhandlungen konkludent einschloß (vgl. BGHR StGB § 255 Drohung 7).
Die Frage der Gegenwärtigkeit angedrohter Lebens- oder Leibesgefahr bedarf in beiden Fällen neuer tatrichterlicher Prüfung. Das Urteil kann daher auch in dem allein den Angeklagten I. betreffenden Fall des Zeugen Ö. nicht bestehen bleiben.
3. Rechtlich bedenklich in diesem (zweiten) Fall ist ferner, daß das Landgericht Tatvollendung verneint hat, obwohl der bedrohte Zeuge Ö., wenn auch auf Rat der von ihm informierten Polizei, einen Teil des geforderten Geldes gezahlt hat.
Allerdings setzt die als Teilelement in der räuberischen Erpressung enthaltene Nötigung zu ihrer vollständigen Verwirklichung voraus, daß das Opfer durch die Zwangswirkung des Nötigungsmittels zu der vom Täter erstrebten Handlung bewegt und in diesem Sinne der Wille des Opfers gebeugt wird. An einem für die Tatvollendung vorausgesetzten Handeln unter dem "Druck der Drohung" fehlt es, wenn das Opfer sich dem Druck des Täters gerade nicht beugen will und nicht (auch) aus Furcht vor der Verwirklichung der Drohung, sondern nur deshalb zahlt, weil die Polizei oder ein Dritter ihm dies, etwa aus ermittlungstaktischen Gründen zur Überführung der Täter, rät (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1953, 722; BGH, Beschluß vom 11. Oktober 1976 - 3 StR 387/76 - und Urteil vom 4. April 1984 - 2 StR 3/84; ferner Eser in Schönke/Schröder StGB 24. Aufl. § 240 Rn. 14; Maurach/Schroeder/Maiwald Strafrecht Besonderer Teil Teilband I 8. Aufl. § 42 Rn. 49). Jedoch ist lediglich Erpressungsversuch nicht notwendig stets schon dann anzunehmen, wenn das Opfer auf den Rat der Polizei hin zahlt; auch in einem solchen Fall kann die Furcht vor der Verwirklichung der Drohung für die Zahlung durchaus mitbestimmend sein (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95 - zum Abdruck in BGHSt 41, 368 bestimmt). Dies reicht aber für die Tatvollendung aus. Sie setzt nicht voraus, daß das Opfer die vom Täter erstrebte Handlung ausschließlich wegen des ausgeübten Drucks vornimmt. Daß in einem derartigen Fall der Druck der Drohung nicht allein ausschlaggebend, sondern nur mitbestimmend und lediglich neben einem Rat der kontaktierten Polizei wirksam wird, stellt entgegen der Meinung des Landgerichts auch die subjektive Zurechnung des Taterfolgs beim Täter nicht in Frage (so jedoch auch Horn in SK-StGB § 240 Rn. 6 und 7 a). Die Einschaltung der Polizei wird von Erpressungstätern regelmäßig als möglich erwogen, auch wenn sie diese Kontaktaufnahme unter allen Umständen zu vermeiden suchen; sie stellt keine Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf dar, die wesentlich wäre (vgl. für den Fall des Handelns unter dem Einfluß einer bankinternen Weisung: BGH NJW 1989, 176). Unter diesen Umständen hätte das Landgericht im einzelnen prüfen und im Urteil näher darlegen müssen, ob trotz der vorherigen Kontaktaufnahme mit der Polizei und trotz Beratung durch sie nicht doch auch noch die Furcht vor der Verwirklichung der Drohung für die Zahlung durch den Zeugen Ö. mitbestimmend war. Daß der Zeuge lediglich einen Teil des erstrebten Geldes zahlte, stünde der Annahme vollendeter Tatbegehung hier nicht entgegen (BGHR StGB § 253 Vollendung 1). Auch liegt kein Fall vor, in dem die Zahlung derart von der Polizei überwacht wurde, daß kein Schaden eintrat, und deswegen Tatvollendung ausscheidet (vgl. BGH StV 1989, 149; BGHR StGB § 255 Versuch 1; BGH, Urteil vom 4. April 1984 - 2 StR 3/84; Eser in Schönke/Schröder StGB 24. Aufl. § 253 Rn. 23 - 27).
4. Zu Unrecht begünstigt sind die Angeklagten schließlich noch dadurch, daß das Landgericht in beiden Fällen nicht auch wegen tateinheitlich zu den anderen Gesetzesverletzungen begangenen Vergehens nach § 20 Abs. 1 Vereinsgesetz verurteilt hat. Die Strafkammer hat insoweit lediglich eine Strafbarkeit nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 3 Vereinsgesetz und somit nach Straftatbeständen erwogen, die zu ihrer Verwirklichung voraussetzen, daß gegen die betroffene Vereinigung ein sogenanntes Organisationsverbot erlassen worden ist (vgl. BGH NJW 1996, 1906, 1907, zum Abdruck in BGHSt bestimmt). Gegen die PKK und ihre Teilorganisation ERNK ist jedoch kein Organisationsverbot nach § 3 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Vereinsgesetz, sondern ein im Tatzeitraum vollziehbares, später bestandskräftiges Betätigungsverbot nach § 18 Satz 2 Vereinsgesetz ergangen. Zuwiderhandlungen gegen ein solches Betätigungsverbot sind durch § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz unter Strafe gestellt. Nach dem bisher festgestellten Sachverhalt sind die Voraussetzungen dieser Strafnorm (vgl. dazu im einzelnen BGH NJW 1996, 1906 ff.) in beiden Fällen jedenfalls der äußeren Tatseite nach erfüllt. Zu den vom Betätigungsverbot erfaßten Tätigkeiten gehört auch die zwangsweise Eintreibung von "Spenden" durch die PKK/ERNK und ihre Beauftragten in Deutschland. Der Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz steht auch nicht entgegen, daß die eingeforderten Gelder möglicherweise ins Ausland transferiert werden sollten und nicht zur Stärkung und Stabilisierung der Organisation der PKK/ERNK in Deutschland bestimmt waren (vgl. BGH aaO. S. 1907).
Über den Schuldspruch abschließend zu entscheiden, ist dem Senat schon deshalb verwehrt, weil die Feststellung ideell konkurrierender Gesetzesverletzungen (§ 255, § 223 a StGB) neuer tatrichterlicher Prüfung bedarf.
IV. Im weiteren Verfahren wird im Falle der Verhängung von Freiheitsstrafen, für die eine Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung nach § 56 Abs. 1 und 2 StGB möglich ist, die Entscheidung darüber näher zu begründen und dabei auch auf mögliche Ausschlußgründe nach § 56 Abs. 3 StGB einzugehen sein.
Fundstellen
Haufe-Index 2993431 |
NJW 1997, 265 |
JR 1999, 117 |
JuS 1997, 471 |
MDR 1996, 1168 |
VRS 1997, 204 |
StV 1998, 78 |