Leitsatz (amtlich)

Die Körperschaft, die für die fahrlässige Amtspflichtverletzung eines Beamten einzustehen hat, kann - unbeschadet des § 255 BGB - die Schadensersatzleistung nicht davon abhängig machen, daß der Geschädigte ihr seine Schadensersatzansprüche abtritt, die er auch gegen einen zahlungsunfähigen Dritten hat.

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Entscheidung vom 10.04.1958)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Köln vom 10. April 1958 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsrechtszuges werden der Beklagten auferlegt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Am 21. Juli 1955 wurde die damals sechsjährige Klägerin in K. von dem 3 t - Lastkraftwagen Daimler-Benz - amtliches Kennzeichen ... R 81 ... 4 -, dessen Fahrer und Halter der damalige Lastfuhrunternehmer Peter M. war, angefahren und schwer am Schädel verletzt. M. hatte für den Lastkraftwagen am 13. Juni 1954 einen Haftpflichtversicherungsvertrag Nr. ...1-6 ...9 ... bei dem G.-Konzern abgeschlossen. Der G.-Konzern lehnte jedoch eine Übernahme des Schadensfalles ab, weil - mangels Zahlung der Prämien - am Unfalltage ein Versicherungsschutz nicht bestanden habe. M. wurde wegen fahrlässiger Körperverletzung und wegen Vergehens gegen die § § 1 und 5 des Pflichtversicherungsgesetzes zu Geldstrafen verurteilt (BA 90 Ds 418/55 und 90 Cs 579/55 des Amtsgerichts in Köln). Die Klägerin erstritt gegen ihn das rechtskräftige Urteil des Landgerichts in Köln vom 1. März 1956 - 8.O. 229/55 -, durch das festgestellt wurde, daß M. ihr allen künftigen Schaden aus dem Unfall zu ersetzen verpflichtet sei, soweit die Ansprüche nicht auf öffentliche Versicherungsträger übergegangen sind oder noch übergehen werden, und M. weiter verurteilt wurde, der Klägerin 178,75 DM (ungedeckte Behandlungskosten) nebst Zinsen sowie ein Schmerzensgeld von 5.000 DM zu zahlen.

Die Klägerin hat von M., der inzwischen sein Fuhrunternehmen aufgegeben hat, keine Zahlung erhalten. Sie nimmt nunmehr die beklagte Stadt aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung auf Ersatz des Schadens in Anspruch.

Hierzu ist unstreitig und durch die vorliegenden Unterlagen des Straßenverkehrsamtes der beklagten Stadt belegt: Am 29. April 1955 teilte der G.-Konzern dem Straßenverkehrsamt in K. schriftlich gemäß § 29 c StVZO mit, daß die Versicherungsbestätigung für den Lastkraftwagen ... R 81 ... 4 ihre Geltung verloren und das Versicherungsverhältnis gemäß § 39 VVG beendet sei. Daraufhin forderte das Straßenverkehrsamt unter dem 4. Mai 1955 M. schriftlich auf, spätestens bis zum 9. Mai 1955 den Kraftfahrzeugschein bei dem Straßenverkehrsamt abzugeben und die Kennzeichenschilder zur Entstempelung vorzulegen, weil das Fahrzeug keinen Versicherungsschutz mehr habe; falls die Frist nicht eingehalten werde, müßten Zwangsmaßnahmen und die Kostenpflichtige Einziehung erfolgen. M. kam der Aufforderung nicht nach. Am 12. Mai 1955 ersuchte das Straßenverkehrsamt den Ordnungsdienstbezirk 22 um Zwangsstillegung des Lastkraftwagens. Der bei dem Ordnungsdienst zuständige Stadtsekretär N. suchte in den folgenden Tagen wiederholt die Wohnung von M. auf, traf jedoch weder diesen noch den Lastkraftwagen an, sondern erhielt von Frau M. den Bescheid, daß M. regelmäßig schon kurz nach sechs Uhr mit dem Fahrzeug fortfahre und erst spät abends zurückkehre. Der Ordnungsdienst gab daraufhin am 23. Mai 1955 den Vorgang unerledigt an das Straßenverkehrsamt zurück. Mit Verfügung vom 27. Mai 1955 zog das Straßenverkehrsamt die Zulassung für den Lastkraftwagen ... R 81 ...4 zurück und forderte M. nochmals auf, den Kraftfahrzeugschein und die Kennzeichenschilder unverzüglich vorzulegen. Unter dem 31. Mai 1955 erstattete das Straßenverkehrsamt Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft in Köln, die zu dem Verfahren 90 Cs 579/55 führte.

Die Klägerin ist der Meinung, die Beamten der beklagten Stadt hätten ihr gegenüber obliegende Amtspflichten verletzt, indem sie von möglichen Zwangsmaßnahmen gegen M. abgesehen und geduldet hätten, daß dieser den nicht versicherten Lastkraftwagen weiter benutzte. Wäre der Lastkraftwagen, wie es die Pflicht der Beamten gewesen sei, vor dem Unfalltage stillgelegt worden, so wäre ihr der Schaden nicht entstanden. Weiter hat die Klägerin behauptet: Sie könne von anderer Seite nicht Ersatz erlangen. Der G.-Konzern zahle ihr nichts, weil er auf dem Standpunkt stehe, daß am Unfalltage für den Wagen ein Versicherungsschutz nicht bestanden habe. Das Urteil gegen M. sei für sie ohne Wert; denn M. habe sein Fuhrunternehmen aufgegeben und die Wagen verkaufen müssen; er sei vermögenslos und verschuldet, gegenwärtig unselbständiger Kraftfahrer mit einem Wochenverdienst von 80 DM, belastet mit erheblichen Unterhaltsverpflichtungen. Gegen ihn seien Haftbefehle zur Erzwingung des Offenbarungseides ergangen. Deshalb müsse die beklagte Stadt für den Schaden eintreten.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszuge beantragt,

  • 1.

    festzustellen, die Beklagte sei ihr zum Ersatz allen Schadens verpflichtet, der ihr aus dem Unfall vom 21. Juli 1955 in K.-H. an der Kreuzung V.straße/B. Straße noch entstehe, soweit die Ansprüche nicht auf öffentliche Versicherungsträger übergegangen seien,

  • 2.

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nach dem Ermessen des Gerichts, mindestens 5.000 DM zu zahlen,

  • 3.

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 178,75 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat um Abweisung der Klage gebeten. Sie hat eine Amtspflichtverletzung ihrer Bediensteten geleugnet, weil diese mit den schriftlichen Aufforderungen und Hausbesuchen alles getan hätten, was in ihrer Macht gestanden habe. Der Ordnungsdienst sei nicht befugt, mit Gewalt oder zur Nachtzeit einzugreifen. Polizeiliche Hilfskräfte habe sie nicht einsetzen können. Die Einschaltung der Staatsanwaltschaft, einer mit Vollzugsgewalt ausgestatteten Behörde, sei der Sachlage nach das Gegebene gewesen. Weiter hat die Beklagte ausgeführt, die Klägerin könne von anderer Seite Ersatz ihres Schadens erlangen. Selbst wenn M. gegenwärtig vermögenslos sei, könne er als Transportunternehmer wieder zu Geld kommen. An dieses künftige Vermögen könne sich die Klägerin auf Grund ihres Titels halten. Endlich sei es nicht richtig, daß der Lastkraftwagen am Unfalltage ohne Versicherungsschutz gewesen sei. M. habe am 23. Mai 1955 dem G. Konzern durch Scheck 179 DM als Versicherungsprämie für drei Monate gezahlt.

Dies hat die Klägerin bestritten und behauptet, der Scheck über 179 DM sei mangels Deckung nicht eingelöst worden. Eine spätere Zahlung von 176,80 DM am 23. Juni 1955 sei auf den Prämienrückstand für einen 3 1/2 t Hall-Anhänger - amtliches Kennzeichen ... R 84 ...1 -, der unstreitig unter der Versicherungsschein-Nummer ...1-4 ...7 ... ebenfalls bei dem G.-Konzern versichert war, geleistet worden.

Nach Beweisaufnahme hat das Landgericht dem Feststellungsantrage der Klägerin stattgegeben sowie die Ansprüche der Klägerin auf Ersatz der Behandlungskosten und auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung der Beklagten ist vom Oberlandesgericht nach weiterer Beweisaufnahme zurückgewiesen worden mit der Maßgabe, es werde klargestellt, daß die Ansprüche der Klägerin nur soweit begründet seien, als sie sich im Rahmen der Höchstbeträge nach § 158 c Abs. 3 VVG halten.

Hiergegen richtet sich die Revision, mit der die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt und hilfsweise bittet, eine etwaige Ersatzpflicht nur mit der Maßgabe festzustellen, daß die Beklagte lediglich gegen Abtretung aller Ansprüche zu leisten habe, die der Klägerin gegen den Kraftfahrer Peter M. zustehen.

Die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht hat wegen der schweren Schädelverletzung der Klägerin, deren Auswirkungen noch nicht abzusehen sind, ein Interesse an alsbaldiger Feststellung des Rechtsverhältnisses mit Recht bejaht. Insoweit hat die Revision keinen Angriff erhoben.

I.

Zur Sache hat das Berufungsgericht mit Recht eine Amtspflichtverletzung der Bediensteten der beklagten Stadt angenommen.

1.)

Gemäß § 29 d Abs. 2 StVZO hat die Zulassungsstelle, sobald ihr eine Anzeige des Versicherers darüber zugeht, daß die Versicherungsbestätigung ihre Geltung verloren hat (§ 29 c StVZO), unverzüglich den Erlaubnisschein einzuziehen und die amtlichen Kennzeichen zu entstempeln. Diese Bestimmung begründet eine Amtspflicht der Zulassungsstelle gegenüber allen, denen aus dem Nichtbestehen oder Erlöschen der Versicherung Nachteile erwachsen können (BGH VersR 1953, 284), also auch gegenüber der Klägerin; denn die genannten Vorschriften sollen dem mit der Einführung der Kraftfahrzeug-Pflichtversicherung verfolgten Zweck dienen, gerade die durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs gefährdeten Verkehrsteilnehmer dadurch zu schützen, daß grundsätzlich kein im Verkehr befindliches Fahrzeug ohne Haftpflichtversicherung sein darf (BGHZ 20, 53, 55). Die Pflicht zum Einschreiten entstand mit dem Eingang der Anzeige des G.-Konzerns vom 29. April 1955 bei dem Straßenverkehrsamt, ohne daß es in diesem Zusammenhang darauf ankäme, ob die Mitteilung von der Beendigung des Versicherungsverhältnisses inhaltlich richtig war oder - wie die Beklagte meint - ein Versicherungsverhältnis doch noch bestand. Denn es liegt außerhalb der Möglichkeiten der Zulassungsstelle, die versicherungsrechtliche Lage zu prüfen, gleichwohl aber gibt ihr das Gesetz auf, unverzüglich auf die Anzeige hin tätig zu werden, und diese gesetzliche Anweisung findet eine hinreichende Erklärung darin, daß schon unklare Versicherungsverhältnisse, die der Versicherer, wenn auch im Endergebnis möglicherweise zu Unrecht, für beendet hält, eine Gefahr für die Allgemeinheit und jeden einzelnen Verkehrsteilnehmer bedeuten. Dieser Aufgabe sind die Bediensteten der Beklagten nicht gerecht geworden, so daß der Lastkraftwagen von M. noch bis zum Unfalltage - wenn auch seit dem 27. Mai 1955 ohne Zulassung - tatsächlich im Verkehr benutzt werden konnte.

2.)

Die im unstreitigen Tatbestand festgehaltenen Bemühungen der Bediensteten des Straßenverkehrsamtes und des Ordnungsdienstes seien - so hat das Berufungsgericht ausgeführt - ungeeignet und unzulässig gewesen. Es sei schon fehlerhaft gewesen, daß das Straßenverkehrsamt am 4. Mai 1955 überhaupt M. schriftlich aufgefordert habe, den Kraftfahrzeugschein und die Kennzeichenschilder vorzulegen; denn eine solche Aufforderung, durch die der Kraftfahrzeughalter gewarnt und in die Lage versetzt worden sei, sein Fahrzeug einer zwangsweisen Stillegung zu entziehen, sei nach dem Erlaß des Ministers für Wirtschaft und Verkehr vom 26. März 1954 für den Fall der § § 29 b, 29 c StVZO ausdrücklich untersagt, sie sei nur für den hier nicht vorliegenden Fall einer Mitteilung des Finanzamtes nach § 18 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vorgesehen.

Der wesentliche Fehler der Bediensteten der beklagten Stadt aber liege darin, daß sie nichts unternommen hätten, um den Lastkraftwagen zwangsweise stillzulegen. Stadtsekretär N. habe seine Obliegenheiten verkannt, deshalb seien seine Versuche unzulänglich geblieben. Die Beklagte dürfe sich nicht darauf berufen, daß sie keine geeigneten Vollzugsbeamten gehabt habe, da es ihre Pflicht gewesen wäre, dafür zu sorgen, daß für derartige Aufgaben geeignete Beamte zur Verfügung standen. Nachdem sich herausgestellt hatte, daß M. nach wie vor mit dem Lastkraftwagen fuhr, sei das Straßenverkehrsamt gehalten gewesen, die Polizeibehörde einzuschalten. Hierauf seien die Straßenverkehrsämter durch die Erlasse des Ministers für Wirtschaft und Verkehr vom 12. März 1952 und 26. März 1954 hingewiesen worden, und durch den Erlaß des Innenministers vom 4. Februar 1952 seien auch die Polizeibehörden angewiesen worden, solchen Ersuchen der Straßenverkehrsämter nachzukommen. Mit Rücksicht auf die besondere, der Allgemeinheit dadurch drohende Gefahr, daß der Wagen - wie amtsbekannt - noch im Verkehr fuhr, hätten die städtischen Bediensteten erforderlichenfalls unter polizeilicher Hilfe die Wohnung von M. bewachen lassen müssen, um vor seiner morgendlichen Abfahrt oder nach seiner abendlichen Rückkehr gegen ihn einschreiten zu können. Durch die Strafanzeige habe das Straßenverkehrsamt nicht seine Obliegenheit auf die Staatsanwaltschaft abwälzen können, denn die Beseitigung eines polizeiwidrigen Zustandes sei nicht deren Aufgabe, sie sei auch zur Beschlagnahme des Wagens nicht befugt gewesen. Wenn die Zwangsstillegung binnen eines Monats nach Eingang der Anzeige (§ 158 c Abs. 2 VVG) nicht habe durchgeführt werden können, habe das Straßenverkehr samt nach einen Erlaß des Ministers für Wirtschaft und Verkehr - mitgeteilt mit Verfügung des Regierungspräsidenten in Köln vom 20. August 1954 - die Sache als zunächst abgeschlossen nur ansehen dürfen, wenn eine entsprechende Veröffentlichung im Polizeifahndungsblatt beantragt war. Ein solches Ersuchen habe das Straßenverkehrsamt jedoch nicht gestellt, obwohl unter Ziff. 7 des Bearbeitungsblattes ein "Fahndungsersuchen an Kripo" ausdrücklich aufgeführt sei.

3.)

Die Revision stellt diese Auffassung zur Nachprüfung. Sie meint, die übergroße Zahl gleichartiger Fälle habe eine Behandlung in der vom Berufungsgericht erörterten Weise ausgeschlossen. Das Berufungsgericht habe die Behauptung der Beklagten, das Straßenverkehrsamt habe in der fraglichen Zeit jährlich rund 25.000 Anzeigen dieser Art - in den fraglichen Monaten sogar 2.200 bis 2.500 Anzeigen - erhalten, übersehen. Das Berufungsgericht habe in diesem Zusammenhang seine Pflicht aus § 139 ZPO versäumt. Die Beklagte hätte dann vortragen und unter Beweis stellen können, daß die Praxis des Straßenverkehrsamtes in 96 bis 97 % aller Fälle zu einer reibungslosen Abwicklung ohne Zwangsmaßnahmen geführt habe und daß lediglich der Rest von 60 bis 70 Fällen monatlich ähnliche Schwierigkeiten wie der vorliegende Fall bereitet habe. Diese restlichen Fälle in der vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltenen Weise zu behandeln, wäre wenigstens eine Verzehnfachung des Beamtenapparates geboten gewesen, die nicht zu verantworten gewesen sei, weil der alsbaldige Zugriff der Staatsanwaltschaft sich als das geeignete Mittel erwiesen habe, in diesen schwersten Fällen die Kraftfahrzeuge aus dem Verkehr zu bringen. Schließlich habe das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, daß die Polizei in Nordrhein-Westfalen nach dem Erlaß des Polizeiorganisations- und Zuständigkeitsgesetzes vom 11. August 1953 (GVOBl 330) mit Nachdruck die Auffassung vertreten habe, daß sie in erster Linie ihre eigenen. Exekutivaufgaben erfüllen müsse und nicht mehr im bisherigen Ausmaß zur Amtshilfe herangezogen werden dürfe. Mit der Amtshilfe der Polizei habe seitdem nicht oder nur noch in seltenen Ausnahmefällen gerechnet werden können. Erst der Erlaß des Ministers für Wirtschaft und Verkehr vom 11. Juni 1957 habe eine gewisse Klärung der bis dahin bestehenden Zweifel gebracht.

4.)

Mit diesem Vortrag kann die Revision keinen Erfolg haben. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 6. Mai 1957 - III ZR 35/56 - (VersR 1957, 367), das einen gleichliegenden Fall aus Nordrhein-Westfalen behandelt, entschieden hat, muß die Zulassungsstelle bei der erheblichen Gefährdung der Öffentlichkeit mit aller Sorgfalt jede Möglichkeit, erwägen, um ihre Anordnung durchzusetzen. Wenn Nachfragen in der Wohnung, wiederholte Nachforschungen, schriftliche Aufforderungen ergebnislos bleiben, aus dem Verhalten des Kraftfahrzeughalters aber zu erkennen ist, daß er das Fahrzeug weiter benutzen will, muß die Zulassungsstelle die "äußersten Machtmittel" einsetzen. Dabei muß jedem Verwaltungsbeamten bekannt sein, daß Anordnungen der Verwaltungsbehörden in der Regel mit hoheitlichem Zwang durchsetzbar sind. Zweifel darüber, welche Stelle diesen Zwang anzuwenden hat, muß die Behörde alsbald klären, insbesondere wenn, wie hier, die öffentliche Sicherheit gefährdet wird. Die Zulassungsstelle muß selbst die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Wegnahme der Papiere veranlassen, dazu den Wagen mit allen Mitteln suchen und dabei entweder selbst vorgehen oder Vorsorge treffen, daß der Ordnungsdienst oder die Polizei ein entsprechendes Ersuchen sofort und sachgemäß ausführt. Für derartige Fälle müssen geeignete Ausführungsbeamte zur Verfügung stehen. Bei der Bedeutung der Angelegenheit und der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit würde eine zeitweilige fortlaufende Beobachtung, die das Berufungsgericht für erforderlich gehalten hat, keine Überspannung der an die Beamten zu stellenden Anforderungen bedeuten.

Diese Grundsätze treffen auch auf den vorliegenden Fall zu. Der Hinweis der Beklagten auf damalige Meinungsverschiedenheiten mit der Polizei über den Umfang der Amtshilfepflicht geht hier schon deshalb fehl, weil im vorliegenden Fall - nach dem Versagen des Ordnungsdienstes - ein Amtshilfeersuchen an die Polizei überhaupt nicht gerichtet worden ist, nach der Sachlage aber nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Polizeibehörde auch unter ihrer damaligen Anschauung einen "Ausnahmefall" hätte annehmen können und müssen, in dem - wie die Beklagte selbst vorträgt - polizeiliche Amtshilfe geleistet wurde. Daß die Zulassungsstelle sich nicht durch Anzeige an die Staatsanwaltschaft von ihrer Verpflichtung zum eigenen Handeln befreien konnte, hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen.

II.

Das Berufungsurteil verneint, daß die Klägerin auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermöge (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB), und führt hierzu aus: Der Titel der Klägerin gegen M. sei praktisch wertlos. M. habe sein Fuhr unternehmen aufgegeben, die Lastwagen und Anhänger verkauft und mit dem Erlös einen Teil seiner Schulden bezahlt. Irgendwelche Vermögenswerte besitze er nicht mehr. Er beziehe als Kraftfahrer einen Wochenlohn von 85 DM, sei aber so verschuldet, daß er häufig nicht in der Lage sei, den Unterhalt von 70 DM monatlich für das Kind aus seiner inzwischen geschiedenen Ehe aufzubringen. Der pfändbare Teil seines Einkommens sei von seinen Gläubigern in Anspruch genommen.

Gegen diese tatsächlichen Feststellungen hat die Revision keine beachtlichen Angriffe erhoben. Sie rechtfertigen die Folgerung des Berufungsgerichts, daß M. selbst außerstande ist, der Klägerin Ersatz zu leisten. Die Klägerin braucht - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht abzuwarten, ob M. später vielleicht einmal wieder zu Geld kommen wird; denn eine anderweite Ersatzmöglichkeit im Sinne der Vorschrift ist nur eine solche, die begründete Aussicht auf alsbaldige Verwirklichung hat (BGHZ 2, 209, 218).

Da die Klägerin den G.-Konzern, der nach ihrer Auffassung für den Schaden eintreten müßte, nicht unmittelbar in Anspruch nehmen kann (§ 158 c Abs. 5 VVG), hängt die Entscheidung hinsichtlich der anderweiten Ersatzmöglichkeit davon ab, ob M. noch am Unfalltage durch seine Haftpflichtversicherung Nr. ...1-6 ...9 ... gedeckt war oder ob wenigstens in Ansehung der Klägerin der Versicherungsschutz als fortbestehend unterstellt wird (§ 158 c Abs. 1 und 2 VVG).

1.)

Das Berufungsgericht hat eine Deckung am Unfalltage (21. Juli 1955) verneint und hierzu tatsächlich festgestellt: M. habe im Frühjahr 1955 zwei Versicherungen bei dem G.-Konzern laufen gehabt:

  • a)

    Versicherungsschein Nr. ...1-6 ...9 ... für den Unfallwagen ... R 81 ...4,

  • b)

    Versicherungsschein Nr. ...1-4 ...7 ... für einen 3 1/2 t Hall-Anhänger ... R 84 ...1.

Auf die Versicherung für den Unfallwagen habe M. keine Prämien gezahlt, er sei sogar die Erstprämie schuldig geblieben. Am 29. April 1955 habe der G. Konzern deshalb die Anzeige an das Straßenverkehrsamt gerichtet. Am 23. Mai 1955 habe M. dem G.-Konzern einen Scheck über 179 DM eingereicht, der ihm am 31. Mai 1955 gutgeschrieben worden sei; dieser Betrag sei ihm jedoch - zuzüglich 3,26 DM Rückscheckkosten - am 23. Juni 1955 wieder zur Last geschrieben worden, weil der Scheck keine Deckung gehabt habe. Am 20 Juni 1955 habe der G.-Konzern M. darauf hingewiesen daß der Scheck vom 23. Mai 1955 nicht eingelöst worden sei, und ihn ersucht, bis zum 1. Juli 1955 den Betrag von 179 DM zuzüglich Rückscheckkosten zu zahlen. Am 22. Juni 1955 sei Frau M. bei dem Sachbearbeiter des G.-Konzerns, dem Zeugen S., erschienen und habe einen Scheck über 176,80 DM übergeben; diesen Betrag habe M. auf den Versicherungsschein Nr. ...1-4 ...7 ... für den Hall-Anhänger geschuldet, er sei auf diese Versicherung verbucht worden. Nach den Aussagen der. Zeugen Ni. und S. sowie durch Unterlagen des G.-Konzerns sei erwiesen, daß Frau M. erklärt habe, sie wolle mit dem Scheck die Prämie für den Hall-Anhänger bezahlen. Bis zum Unfalltage sei also für die Versicherung des Lastkraftwagens keine Prämie gezahlt worden. Die Überweisung von 179 DM am 2. August 1955 sei erst nach dem Unfall, also zu spät erfolgt.

2.)

Zu Unrecht rügt die Revision, daß diese Feststellungen unter Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften getroffen worden seien.

a)

Ihre Auffassung, nachdem die Beweisaufnahme vom Morgen bis zum Nachmittag gedauert und eine Reihe neuer Tatsachen ergeben habe, habe die Beklagte einen Anspruch auf Vertagung gehabt, die Ablehnung ihres Vertagungsantrages durch das Gericht komme einer Versagung des rechtlichen Gehörs gleich, ist unzutreffend.

Gemäß § 227 ZPO kann das Gericht einen Termin aus erheblichen Gründen aufheben oder vertagen; die Entscheidung hierüber steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Allerdings hat das Reichsgericht (JW 36, 653) ausgesprochen, daß den Parteien nach der Beweisaufnahme über einen ungewöhnlich umfangreichen, in tatsächlicher Hinsicht nicht leicht zu beurteilenden Prozeßstoff angemessene Zeit gelassen werden müsse, das Beweisergebnis in Ruhe durchzuarbeiten. Es ist aber nicht so, daß einer Partei das rechtliche Gehör versagt wird, wenn ihr Vertagungsantrag nach länger dauernder Beweisaufnahme abgelehnt wird; vielmehr hat die Partei ein Recht auf Vertagung nur, wenn sonst ihr rechtliches Gehör verkümmert werden würde. Das aber traf hier jedenfalls nicht zu. Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hat in seinem Schlußvortrag, den er mit seinem Schriftsatz vom 17. März 1958 (Bl. 200) aktenkundig gemacht hat, ausdrücklich die Punkte behandelt, die sich in der Beweisaufnahme neu ergeben hatten; ihm wurde überdies gestattet, einen Schriftsatz binnen zehn Tagen nachzureichen, was auch geschehen und - wie die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils ergeben - berücksichtigt worden ist. Darüber hinaus ging es um die Erörterung einer durchaus begrenzten Beweisfrage. Hierzu war der Zeuge Ni. schon am 28. November 1957 vernommen worden und hatte sich ergänzend am 13. Januar 1958 schriftlich geäußert. Selbst wenn die Beweisaufnahme am 17. März 1958 einige bis dahin nicht erörterte Punkte ergab, läßt sich nicht sagen, daß die Beklagte überraschend vor eine neue Sachlage gestellt worden wäre, die ein Recht auf Vertagung hätte begründen können, oder daß es ihr nicht zuzumuten gewesen wäre, zum Schluß zu verhandeln.

b)

Zu Unrecht rügt die Revision weiter, daß der Beklagten nicht die vollständigen Unterlagen des G.-Konzerns, die der Zeuge Ni. zum Termin mitgebracht hatte, zugänglich gemacht worden seien, sondern lediglich einzelne Urkunden, die der Vorsitzende nach Durchsicht als möglicherweise bedeutsam bezeichnet hatte und den Parteien in Fotokopie übergeben ließ. Die Revision verkennt insoweit, daß nicht der Inhalt der Akten des G.-Konzerns Gegenstand der Beweisaufnahme war, und daß vorliegend Beweis durch Zeugenvernehmung erhoben wurde. Ein Recht auf Durchsicht der gesamten Unterlagen des G.-Konzerns stand der Beklagten nicht zu. Die Beklagte hätte sich zum Beweise bestimmter Tatsachen auf einzelne, von ihr zu bezeichnende Urkunden beziehen können (§ § 428, 424 ZPO); das ist nicht geschehen. Das vom Gericht geübte Verfahren, als Ergänzung der Aussagen der Zeugen Ni. und S. einzelne ausgewählte Urkunden - und zwar diejenigen, die nach pflichtgemäßer Prüfung im Zusammenhang mit den Aussagen und der Beweisfrage standen - in die Erörterung einzubeziehen, ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden.

c)

Ebenfalls zu Unrecht sieht die Revision eine Verletzung des § 139 ZPO - richtiger wohl der § § 396, 398, 523 ZPO - sowie des Grundsatzes der Erschöpfung der Beweismittel darin, daß das Gericht, nachdem es in den Unterlagen des G.-Konzerns dessen Schreiben an M. vom 20. Juni 1955 gefunden hatte, die Zeugin Frau M. nicht nochmals unter Vorhalt dieses Schreibens vernommen und den dahingehenden Beweisantrag der Beklagten nicht berücksichtigt habe.

Das Berufungsgericht hatte am 17. März 1956 beschlossen, Frau M. darüber zu vernehmen, welche Prämien mit dem Betrage von 176,80 DM mit Scheck vom 22. Februar 1955 (richtig 22. Juni 1955) beglichen werden sollten. Dieser Beweisbeschluß wurde am 17. März 1958 ausgeführt. Die Zeugin M. wurde zu Beginn des Termins vernommen, sie wurde während der Vernehmung ihres Ehemannes nochmals vorgerufen und gehört und schließlich, nachdem der Zeuge Ni. die Unterlagen des G.-Konzerns vorgelegt hatte, wiederum vorgerufen und unter Vorhalt der Aktennotiz des Zeugen S. vom 22. Juni 1955 vernommen. Wenn die Beklagte mit Schriftsatz vom 26. März 1958 (Bl. 201) bat, Frau M. unter Vorhalt des Schreibens des G.-Konzerns vom 20. Juni 1955 zu vernehmen, sie würde dann bestätigen, daß sie am 22. Juni 1955 beim G.-Konzern ausdrücklich erklärt habe, die Prämie für den Lastkraftwagen zahlen zu wollen, so handelte es sich nicht um einen neuen Beweisantritt für eine neue tatsächliche Behauptung; denn die Beweisfrage des Beweisbeschlusses, welche Prämie beglichen werden sollte, schloß die von der Beklagten gestellte Frage, ob die Zahlung ausdrücklich für den Lastkraftwagen bestimmt worden sei, ein. Vielmehr handelte es sich um eine Anregung der Beklagten, die Zeugin, die ihre Aussage bereits gemacht hatte, zum gleichen Beweisthema nochmals zu vernehmen. Die Anordnung der nochmaligen Vernehmung eines Zeugen steht - abgesehen von dem hier nicht zutreffenden Fall, daß die erste Vernehmung nicht ordnungsgemäß war - gemäß § 398 ZPO im Ermessen des Gerichts; die Parteien haben keinen Anspruch darauf (BGH Urt. v. 20. Dezember 1954 - IV ZR 198/54). Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob die Grenzen des Ermessens gewahrt sind (OGHZ 1, 226; Stein-Jonas-Schönke ZPO zu § 398 Anm. 1; Wieczorek ZPO zu § 398 Anm. A). Insoweit ergeben sich keine Bedenken. Das Beweisprotokoll belegt eindrucksvoll, welche Mühe das Berufungsgericht gerade auf die Aufklärung dieses Punktes verwandt hat. Das Berufungsgericht hat eingehend und in einer Weise, die der Verfahrenslage gerecht wird, begründet, weshalb es die Zeugin nicht nochmals vorgerufen und vernommen hat.

d)

Zu Unrecht schließlich rügt die Revision eine Verletzung des § 286 ZPO deswegen, weil das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung nicht beachtet habe, daß

  • 1.

    der G.-Konzern am 23. Mai 1955 nach Scheckeingang Quittung über die gezahlte Prämie gegeben habe,

  • 2.

    der Hall-Anhänger im Juni 1955 in einer Reparaturwerkstatt stillgelegen habe und später verschrottet worden sei,

  • 3.

    die Zahlung vom 22. Juni 1955 in unmittelbarem Anschluß an den Mahnbrief des G.-Konzerns vom 20. Juni 1955 erfolgt sei und

  • 4.

    die Zahlung vom 22. Juni 1955 auch deshalb für den Lastkraftwagen habe gerechnet werden müssen, weil die Prämienschuld für den Hall-Anhänger geringer gewesen sei.

Alle diese Umstände sind in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils erwähnt und in einer Weise behandelt worden, die einen Verstoß gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze nicht erkennen läßt. Wenn das Berufungsgericht gleichwohl zu den angegriffenen tatsächlichen Feststellungen gelangt ist, so ist dies das Ergebnis einer ersichtlich gründlichen und sorgfältigen tatrichterlichen Würdigung des gesamten Prozeßstoffs, die der Nachprüfung des Revisionsgerichts entzogen ist.

3.)

Aus den hiernach einwandfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat das Berufungsgericht mit Recht den Schluß gezogen, daß am Unfalltage eine Verpflichtung des G.-Konzerns gegenüber dem Versicherungsnehmer M. nicht bestand; denn der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles die Erstprämie noch nicht gezahlt ist (§ 38 Abs. 2 VVG).

Weiter hat das Berufungsgericht angenommen, daß einen Monat nach der Anzeige des G.-Konzerns bei dem Straßenverkehrsamt, also am 29. Mai 1955, auch die zugunsten des "Dritten" (hier der Klägerin) unterstellte Weitergeltung des Versicherungsschutzes geendet habe. Die Revision wendet sich gegen diese Auffassung, die vom Berufungsgericht nicht näher begründet worden ist, indem sie ausführt: Wenn M. die Erstprämie nicht gezahlt habe, komme nicht § 39 VVG, an den ersichtlich das Berufungsgericht allein gedacht habe, sondern § 38 VVG zum Zuge. Der G.-Konzern sei an den Versicherungsvertrag gebunden, solange er von seinem Rücktrittsrecht (§ 38 Abs. 1 VVG) keinen Gebrauch gemacht habe. Ein Rücktritt vom Versicherungsvertrage sei nicht festgestellt; das Gegenteil ergebe sich vielmehr daraus, daß der G.-Konzern den Prämienanspruch gegen M. gerichtlich geltend gemacht und einen Titel erwirkt habe, aus dem er noch am 20. Juni 1955 die Zwangsvollstreckung angedroht habe. Eine Kündigung des Vertrages sei von der Klägerin nicht behauptet worden, sie ergebe sich auch nicht aus den Auskünften des G.-Konzerns oder den Aussagen von Ni. und S. Deshalb komme § 158 c Abs. 2 VVG nicht zum Zuge, vielmehr stehe der Klägerin die Möglichkeit des § 158 c Abs. 1 VVG weiterhin offen.

Dieser Angriff der Revision hat keinen Erfolg. Allerdings kann der Versicherer, der von seiner Verpflichtung zur Leistung dem Versicherungsnehmer gegenüber frei ist, im Falle des § 158 c Abs. 1 VVG die Weitergeltung der Versicherung in Ansehung des Dritten nicht durch eine Anzeige nach § § 29 c StVZO zeitlich begrenzen (Prölss VVG 11. Aufl. zu § 158 c Anm. 1; Johannsen, VersWissA 1956; 279, 290); er hat diese Möglichkeit nur, wenn ein Fall des § 158 c Abs. 2 VVG gegeben ist, also ein Umstand vorliegt, der das Nichtbestehen der die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zur Folge hat.

Der Revision ist zuzugeben, daß über einen Rücktritt des G.-Konzerns vom Vertrage (§ 38 VVG) nichts festgestellt worden ist. Die Parteien haben hierüber nichts vorgetragen; das Berufungsgericht hat ausdrücklich dahinstehen lassen, ob der G.-Konzern gegen M. Klage wegen der Prämien erhoben hatte, worauf manches hindeutet. Die Frage eines etwaigen Rücktritts bedarf hier jedoch keiner Vertiefung, weil ein Rücktritt des G.-Konzerns nie in Rede gestanden hat. Vielmehr kommt tatsächlich nur eine Beendigung des Versicherungsverhältnisses durch Kündigung (§ 39 VVG) in Betracht. Das Berufungsurteil enthält zwar nicht die ausdrückliche Feststellung einer Kündigung; es bedurfte dieser Feststellung aber nicht, weil die Kündigung des Versicherungsvertrages durch den G.-Konzern nach den vom Berufungsurteil in Bezug genommenen Schriftsätzen des zweiten Rechtszuges unstreitig war. Der G.-Konzern hatte in seiner Anzeige an das Straßenverkehrsamt vom 29. April 1955 vermerkt, daß das Versicherungsverhältnis gemäß "§ 39 VVG beendet" (nicht "gekündigt", wie die Revisionsbeantwortung meint) sei. Diese Vorschrift gibt dem Versicherer das Recht der Kündigung, wenn der Versicherungsnehmer, dem eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Wochen gesetzt worden ist, mit der Zahlung in Verzug ist. Wenn die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 20. Mai 1957 (Bl. 129) ausführte, der G.-Konzern habe unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß für den Lastkraftwagen der Versicherungsschutz gemäß § 39 VVG beendet war, so schloß dies die Behauptung ein, daß das Versicherungsverhältnis durch Kündigung beendet worden sei. Diese Kündigung war im zweiten Rechtszug unstreitig; denn auch die Beklagte berief sich in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 26. März 1958 (Bl. 202) darauf, daß der G.-Konzern unter Verwendung des gleichen Formblattes - wie in Hülle Bl. 196 - gekündigt habe. Die Beklagte darf daher die Tatsache, daß eine Kündigung erfolgt sei, jetzt nicht bestreiten (§ 561 Abs. 1 ZPO). Die Voraussetzungen einer Kündigung lagen unzweifelhaft vor, da M. überhaupt keine Prämien gezahlt hatte.

Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich aus der Kündigung ein Umstand, der den G.-Konzern zu einer Anzeige nach § 29 c StVZO berechtigte und gemäß § 158 c Abs. 2 WO zur Beendigung des Versicherungsschutzes nach Ablauf eines Monats führte.

Das Berufungsgericht hat daher zutreffend die Beklagte für schadensersatzpflichtig gehalten. Die Begrenzung des Umfangs der Haftung auf die amtlich festgesetzten Mindestversicherungssummen (§ 158 c Abs. 3 VVG) ist nicht angefochten worden.

Die Revision erweist sich mithin in dem bisher behandelten Umfang als unbegründet.

III.

Unbegründet ist sie auch hinsichtlich des Hilfsantrages, mit dem die Beklagte ihr Begehren nach Abtretung der Ansprüche der Klägerin gegen M. weiterverfolgt.

Zutreffend allerdings weist die Revision darauf hin, daß M. und die Beklagte nicht Gesamtschuldner der Klägerin sind. Denn, da den Bediensteten der Beklagten nur eine Fahrlässigkeit zur Last gelegt wird, haftet die Beklagte gemäß Art. 34 GG, § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht neben M.; sie kann vielmehr erst herangezogen werden, nachdem festgestellt worden ist, daß die Klägerin von M. (jedenfalls in absehbarer Zeit) Ersatz nicht erlangen kann. Die Klägerin konnte sich nicht nach ihrem Belieben an M. oder an die Beklagte halten.

Die Begriffsbestimmung der Gesamtschuld in § 421 BGB trifft daher nicht zu.

Jedoch sind die Folgerungen, die die Revision hieraus ziehen möchte, nicht zwingend. Es ist schon nicht richtig, wenn die Revisionsbegründung ausführt, der Schaden der Klägerin umfasse nur die Beträge, die sie von M. nicht beitreiben könne. Nachdem festgestellt worden ist, daß die Klägerin von M. keinen Ersatz erlangen kann, hat die Beklagte vielmehr für den vollen Schaden der Klägerin (im Rahmen des § 158 c Abs. 3 VVG) einzustehen, soweit er durch das Verschulden ihrer Bediensteten verursacht worden ist. Der Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung, den der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten in seinem mündlichen Vortrag zur Begründung des vermeintlichen Anspruchs auf Abtretung angeführt hat, versagt hier. Mag auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Umständen, die der Klägerin einerseits Ansprüche gegen M., andererseits Ansprüche gegen die Beklagte geben, zu bejahen sein, so fehlt es doch an einem Vorteil, durch den der Schaden der Klägerin ganz oder teilweise ausgeglichen würde, der überhaupt anrechnungsfähig wäre. Den Erwerb von Ansprüchen braucht sich der Gläubiger als Vorteilsausgleichung, die ja nicht mehr als ein Maßstab der Schadensberechnung ist, grundsätzlich nur anrechnen zu lassen, wenn er für diese Ansprüche Erfüllung erlangt (BGH MDR 55, 279). Für den vorliegenden Rechtsstreit muß ein Vorteil umso mehr verneint werden, als die Unverwertbarkeit der Ansprüche aus dem Titel gegen M. feststeht.

Der Senat stimmt dem Berufungsgericht darin zu, daß eine gesetzliche Bestimmung, nach der die Klägerin verpflichtet wäre, ihre Ansprüche gegen M. jetzt schon - sei es auch Zug um Zug gegen Zahlung - an die Beklagte abzutreten, nicht besteht. Der dem Gedanken der Vorteilsausgleichung nahestehende § 255 BGB trifft nicht zu: weil hier nicht für den Verlust einer Sache oder eines Rechts Schadensersatz zu leisten ist. Das Reichsgericht hat in dieser Bestimmung einen allgemeinen Rechtsgedanken gesehen, der einer ausdehnenden Auslegung fähig sei, und in DR 41, 1959, 1961 ausgeführt, es entspreche "durchaus dem Grundgedanken des § 255 BGB, obwohl hier nur vom Schadensersatz für den Verlust einer Sache oder eines Rechts die Rede ist, daß auch bei einem sonstigen auf unerlaubter Handlung oder Vertragsverletzung oder Nichterfüllung einer Garantie beruhenden Schadensersatzanspruch der Geschädigte nur Verurteilung Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche verlangen kann, durch deren Erfüllung der Schaden unmittelbar verringert werden würde". In dieser Allgemeinheit ist jedoch der Grundsatz vom Bundesgerichtshof nicht übernommen worden. Der II. Zivilsenat hat in BGHZ 6, 55; 62 ausdrücklich offen gelassen, ob der Auffassung des Reichsgerichts in vollem Umfang beizutreten wäre, hat sich ihr jedoch für den Fall angeschlossen, daß Schadensersatz für die unterlassene Einziehung eines Schecks zu leisten ist und die Möglichkeit eines künftig realisierbaren Anspruchs aus dem Scheck oder dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis besteht. Weiter ist § 255 rechtsähnlich auch für den Fall angewendet worden, daß ein körperlich geschädigter und deshalb arbeitsunfähiger Arbeitnehmer Ansprüche auf Fortzahlung der Arbeitsvergütung nach § 616 BGB, § 63 HGB oder § 133 c Abs. 2 GewO gegen seinen Arbeitgeber hat, und dieser für berechtigt gehalten worden, von dem Arbeitnehmer die Abtretung des Schadensersatzanspruchs gegen den Schädiger zu verlangen (BGHZ 7, 30, 49; 13, 360, 369; 21, 112, 119). Der erkennende Senat hält, es jedoch nicht für möglich, diese Rechtsprechung, die auf die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses und die Notwendigkeit, dem zahlenden Arbeitgeber eine Sachberechtigung für einen Ausgleichsanspruch gegen den Schädiger zu verschaffen, abstellt, über den Wortlaut des § 255 BGB hinaus allgemein auf Fälle einer Gesundheitsschädigung zu übertragen. Dies ist, soweit ersichtlich, bisher auch nicht geschehen. Überdies weist der Beschluß des Großen Zivilsenats vom 12. April 1954 (BGHZ 13, 88, 103) auf Besonderheiten hin, die sich im Amtshaftungsprozeß aus § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ergeben können.

Die Ansicht der Revision, wenn die Klägerin ihre Ansprüche gegen M. behalte, leiste die Beklagte durch eine Zahlung mehr, als sie zu leisten verpflichtet sei, und die Klägerin erhalte mehr, als sie zu fordern berechtigt sei, ist unrichtig, namentlich im Hinblick auf die hier tatsächlich gegebene Sachlage. Richtig ist allerdings, daß die Klägerin, obwohl die Beklagte und M. nicht Gesamtschuldner sind, die Leistung nur einmal fordern kann. Leistet die Beklagte, so erlischt hierdurch jeder Anspruch der Klägerin, weil der Zweck des Schuldverhältnisses erreicht ist. (§ 362 BGB). Wenn die Klägerin gleichwohl von M. nochmals Zahlung verlangen wollte, würde sie ihm gegenüber unredlich handeln. Um einer solchen Unredlichkeit vorzubeugen oder ihr zu begegnen, bedarf es der Abtretung nicht. Wenn sie § 255 BGB vorsieht, so dient dies - ebenso wie die Fälle des gesetzlichen Forderungsübergangs - nicht dem Schutz und dem Interesse des Dritten (Schädigers), sondern dem des Leistenden, (hier der Beklagten).

Die Beklagte aber bedarf hier des Schutzes einer Abtretung nicht, um ihre Rechte wahren zu können. Daß die zahlende Körperschaft in einem Falle wie dem vorliegenden nach erfolgter Zahlung von dem Schädiger einen Ausgleich wird fordern dürfen, ist nicht zu bezweifeln. Es liegt nahe, einen solchen Ausgleichsanspruch aus entsprechender Anwendung der § § 840, 859 Abs. 1 Satz 2, 426 BGB zu begründen (vgl. RGZ 80, 252, 254; BGHZ 9, 65, 67; 13, 89, 105); dann aber ist eine Abtretung nicht geboten, weil der Anspruch gegen den Schädiger mit der Zahlung kraft Gesetzes (§ 426 Abs. 2 BGB) auf die Körperschaft übergehen würde. Auch diese Überlegung kennzeichnet das jetzige Begehren der Beklagten nach Abtretung als unbegründet.

IV.

Hiernach muß die Revision als unbegründet zurückgewiesen werden. Gemäß § 97 ZPO hat die Beklagte die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018565

NJW 1960, 240

NJW 1960, 240-241 (Volltext mit amtl. LS)

MDR 1960, 116

MDR 1960, 116-117 (Volltext mit amtl. LS)

VerwRspr 1960, 174

VerwRspr 1960, 692

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