Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff betriebliche Altersversorgung, zur Frage der Angemessenheit einer Versorgungszusage und zur Beurteilung einer Abrede, wonach schon mit Vollendung des 55. Lebensjahres Anspruch auf eine Alterspension besteht.
Normenkette
BetrAVG § 7
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 17.09.1980) |
LG Köln |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 17. September 1980 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 9. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der am 22. Mai 1919 geborene Kläger war vom 1. Februar 1948 bis zum 31. Dezember 1975 bei der W. GmbH in Wiesbaden beschäftigt, seit dem Jahre 1954 als Prokurist des Unternehmens. Er war als Personalleiter tätig. Im Frühjahr 1973 wurde er zum stellvertretenden Geschäftsführer bestellt, nachdem er bereits seit 1968 Generalvollmacht hatte. Am 7. April 1955 erhielt er von der Gesellschaft eine Versorgungszusage, in der ihm für den Fall des Ausscheidens aus dem Unternehmen nach dem vollendeten 65. Lebensjahr eine monatliche Altersrente von 400 DM versprochen wurde. Der Ehefrau des Klägers wurde eine Witwenrente in Höhe von 50 % dieses Betrages ausgesetzt. Am 20. Dezember 1962 wurde die – schon vorher geänderte – Altersrente auf monatlich 1.000 DM und die Witwenrente auf monatlich 700 DM erhöht.
Im Jahre 1968 waren an dem Stammkapital der Gesellschaft von einer Million DM der Schwiegervater des Klägers, Nikolaus Speicher, zu 80 % und der Architekt Dr. H. zu 20 % beteiligt. Beide Gesellschafter waren zum Geschäftsführer bestellt. Als Nikolaus S. 1968 starb, trat der Sohn Wolfgang S. in die Geschäftsführung ein.
Durch notariellen Vertrag vom 4. Februar 1970 übernahmen Wolfgang und Bruno S. sowie ihre Schwester – die Ehefrau des Klägers – die Geschäftsanteile des Dr. H., um die Gesellschaft fortan als reine Familien-GmbH zu führen. In einer Gesellschafterversammlung vom gleichen Tage wurde der Geschäftsführer Wolfgang S. beauftragt, mit sich selbst, mit dem Kläger und mit Bruno S., der ebenso wie der Kläger stellvertretender Geschäftsführer war, „Verträge über Alters-, Invaliden- und Witwenrenten in Höhe von je 60.000 DM p. a. abzuschließen”. Dadurch sollte sichergestellt werden, daß die Betroffenen eine über die gesetzliche Rentenversicherung hinausgehende angemessene Altersversorgung erhielten. In Erledigung dieses Auftrages erhielt der Kläger im Jahre 1972 einen auf den 4. Februar 1970 datieren „Pensionsvertrag” mit folgenden Bestimmungen (soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung):
„Altersversorgung
Herr G. erhält, wenn er nach Vollendung seines 55. Lebensjahres aus dem aktiven Dienst für die W. GmbH ausscheidet und in den Ruhestand tritt, eine Alterspension.
Invaliditätsversorgung
Sollte Herr G. vor Vollendung seines 55. Lebensjahres durch voraussichtlich dauernde Dienstunfähigkeit gezwungen sein, seinen Dienst für die W GmbH zu beenden, dann erhält er eine Invalidenpension.
…
Höhe der Pension, des Witwen- und des Waisengeldes
Die Alters- und Invalidenrente sowie das Witwengeld betragen monatlich DM 5.000.
…
Die Anwartschaften und alle fälligen Renten erhöhen und ermäßigen sich in dem gleichen Verhältnis, in dem sich die aktiven Bezügen bzw. die Versorgung, einschließlich Sonderzuwendung, eines verheirateten Ministerialdirektors im Dienste der BRD nach 1970 verändern. Das gilt auch für das Witwen- und Waisengeld.
…
Unverfallbarkeit der Anwartschaft
Scheidet Herr G. vor Eintritt eines Rentenfalles aus dem aktiven Dienst bei der W. GmbH aus, dann bleibt ein unverfallbarer (reduzierter) Rentenanspruch einschl. Anwartschaft auf Witwenund Waisengeld aufrechterhalten. Der unverfallbare Rentenanspruch errechnet sich aus dem Verhältnis der geleisteten Dienstzeit zur Anwartschaftszeit vom Diensteintritt bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres.
Statt der unverfallbaren Anwartschaft kann Herr G. den sofortigen Rentenbeginn verlangen. In diesem Fall wird das Ruhegehalt nach versicherungsmathematischen Grundsätzen aus dein unverfallbaren Rentenanspruch unter Berücksichtigung des vorzeitigen Rentenbeginns nach den Rechnungsgrundlagen berechnet, die zur Berechnung der Pensionsrückstellungen bei der W. GmbH zuletzt verwandt worden sind.
Rückdeckung
Die Gesellschaft hat das Recht, auf das Leben von Herrn G. Rückdeckungsversicherungen abzuschließen.”
Wolfgang und Bruno S. hatten gleichlautende Pensionszusagen.
Im Zuge der Erbauseinandersetzung wurden die Beteiligungsverhältnisse an der W. GmbH so geregelt, daß jedes der fünf Kinder von Nikolaus S. Geschäftsanteile von 20 % erhielt.
Am 21. März 1975 wurde über das Vermögen der W. GmbH das Anschlußkonkursverfahren eröffnet. Der Kläger ließ sich von der GmbH abgeschlossene und an ihn abgetretene Rückdeckungsversicherungen im Gesamtbetrag von 131.397,90 DM auszahlen. Weitere Versorgungsansprüche des Klägers sind wegen des Konkurses nicht durchsetzbar. Er nimmt daher den Beklagten als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung auf Deckung seines Ausfalls in Anspruch, wobei er sich ausdrücklich nur auf den Pensionsvertrag vom 4. Februar 1970 stützt. Im ersten Rechtszug hat er für das Jahr 1976 einen Betrag von 80.000 DM (monatlich 6.663,20 DM = 79.958,40 DM) geltend gemacht. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 79.958,40 DM stattgegeben.
In der Berufungsinstanz hat der Kläger seine Ansprüche auf monatlich 7.331,65 DM (Grundlage 1975) beziffert und im Wege der Anschlußberufung seine Klage erweitert. Er verlangt nunmehr in erster Linie Versorgung für die Zeit von Januar 1976 bis Juli 1978 (= 227.281,15 DM), worauf er sich die Versicherungsleistungen von 131.397,90 DM anrechnen läßt, so daß die Klagesumme 95.883,25 DM beträgt. Hilfsweise stützt er die Klage auf die Folgemonate bis zum Tag der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht.
Das Oberlandesgericht hat die Klage auf die Berufung des Beklagten abgewiesen und die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen.
Mit der Revision, die der Beklagte zurückzuweisen beantragt, verfolgt der Kläger seinen zuletzt gestellten Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
I. 1. Der Kläger gehört aufgrund seines Dienstverhältnisses mit der W. GmbH zu dem in § 17 Abs. 1 BetrAVG beschriebenen Personenkreis, auf den das Betriebsrentengesetz anzuwenden ist. Er war zunächst als kaufmännischer Angestellter, später als Prokurist Arbeitnehmer im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG. Es mag dahingestellt bleiben, ob er dies bis zu seinem Ausscheiden (zum 31. Dezember 1975) geblieben ist, denn jedenfalls findet das Gesetz, auch nachdem er zum stellvertretenden Geschäftsführer bestellt worden war, gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG auf ihn entsprechende Anwendung. Darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.
Da der Kläger während der gesamten Dauer seiner Beschäftigung niemals selbst an der W. GmbH beteiligt war, ist er auch nicht als Unternehmer vom persönlichen Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen. Die Geschäftsanteile seiner – ohnehin nur minderheitsbeteiligten – Ehefrau an der Gesellschaft sind ihm nicht zuzurechnen (vgl. BGHZ 77, 94, 101 ff, 105 f).
2. Das Berufungsgericht versagt dem Kläger den Insolvenzschütz für die Verbesserungen seiner Versorgungszusage gemäß Pensionsvertrag vom 4. Februar 1970 jedoch deswegen, weil es sich dabei sachlich nicht mehr um eine „betriebliche Altersversorgung” handele. Nur betriebliche Versorgungsleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG unterfielen den Schutzvorschriften des Gesetzes. Das Gesetz sei dagegen nicht anwendbar, soweit eine Rentenzusage eindeutig den Rahmen dessen übersteige, was in dem betroffenen Unternehmen unter den Gesichtspunkten der Fürsorge oder des Entgelts für Betriebstreue und Leistung als Versorgung üblich oder angemessen sei. Im Sinne dieser Auslegung könnten die dem Kläger im Pensionsvertrag von 1970 eingeräumten Mehrleistungen nicht als betrieblich veranlaßt anerkannt werden; sie seien nur aus außerbetrieblichen Gesichtspunkten zu erklären, nämlich aus der Zugehörigkeit des Klägers zur Familie der Gesellschafter.
II. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.
1. Im Betriebsrentengesetz wird der Gegenstand seiner Schutzbestimmungen mit „Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung” umschrieben, die einem Arbeitnehmer „aus Anlaß seines Arbeitsverhältnisses” zugesagt worden sind (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG). Damit wurde der bereits zuvor in Rechtsprechung und Schrifttum entwickelte Begriffsinhalt ohne sachliche Änderung vom Gesetzgeber übernommen (vgl. Bundestags-Drucksache 7/1281, S. 19, 22). Herkömmlicherweise wird mit „betrieblicher Altersversorgung” unabhängig von der Rechtsgrundlage die Gesamtheit der Maßnahmen bezeichnet, die ein Unternehmen trifft, um den Lebensabend seiner langjährigen Arbeiter und Angestellten, die infolge Alter oder Invalidität aus dem Betrieb ausscheiden, und die Versorgung der Hinterbliebenen dieser Mitarbeiter in ausreichender Weise sicherzustellen (Höfer, BetrAVG, ArbGr Rdn. 17; Weiss in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Bd. I 4. Aufl., S. 3). Dieser umfassende Begriff wird im Anwendungsbereich des § 7 BetrAVG noch dadurch erweitert, daß Personen einbezogen werden, die nicht Arbeitnehmer sind, nämlich der in § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG bezeichnete Personenkreis, bei dem eine „Tätigkeit für ein Unternehmen” als Anlaß für eine betriebliche Altersversorgung ausreicht.
2. Ob eine Leistung zur betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes zu zählen ist, richtet sich somit einmal nach der Zwecksetzung des Versprechens (vgl. BAG, Urt. v. 30. 10. 80 – 3 AZR 805/79, ZIP 1981, 304). Sie muß zur Alterssicherung bestimmt sein. Daß diese Voraussetzung im vorliegenden Falle gegeben ist, kann nicht zweifelhaft sein. Nach dem Inhalt des Pensionsvertrages von 1970 soll dem Kläger nur im Falle des Eintritts in den Ruhestand oder bei Invalidität Alters- oder Invalidenrente gewährt werden. Eine vorzeitige Verfügung des Klägers darüber ist ausgeschlossen (Nr. 7). Hinweise für eine andere Zweckrichtung als die der Altersvorsorge finden sich nicht.
3. Darüber hinaus muß allerdings – insoweit ist dem Berufungsgericht im Grundsatz zu folgen – auch eine betriebliche Veranlassung für die Versorgungszusage gegeben sein. Das folgt schon daraus, daß betriebliche Ruhegelder nicht nur Versorgungs-, sondern auch Entgeltcharakter haben (Urt. d. Sen. v. 23. 10. 75 – II ZR 90/73, WM 1975, 1237, 1239 m.w.N.). Der Leistung des Versorgungsschuldners steht als Gegenleistung die vom anderen Teil erbrachte und weiterhin erwartete Betriebstreue gegenüber. Entscheidend ist daher allein, daß der Kläger für seine durch langjährige Tätigkeit bei der W. GmbH erwiesene Betriebstreue im Alter eine Versorgung erhalten sollte. Auf etwaige weitere Motive für die Versorgungszusage kommt es nicht an. Wenn auch die Zugehörigkeit des Klägers zur Familie der Gesellschafter bei der Ausgestaltung des Vertrages eine Rolle gespielt haben kann, so beseitigt dies noch nicht die wesentliche Verbindung mit seiner langjährigen Tätigkeit. Das Berufungsgericht durfte daher den Pensionsvertrag von 1970 schon aus diesem Grunde nicht außer Betracht lassen. Es kommt hinzu, daß der Gesetzgeber von dem Prinzip der Einheit der Versorgungszusage ausgeht. Deswegen setzt eine Änderung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG auch keine neue Unverfallbarkeitsfrist in Lauf. Um eine Änderung in diesem Sinne – und nicht etwa um eine neue Versorgungszusage – handelt es sich jedenfalls dann, wenn die Leistungsbeträge der ursprünglichen Zusage im Laufe des Dienstverhältnisses erhöht werden (BAG, Urt. v. 12. 2. 81 – 3 AZR 163/80, ZIP 1981, 1063, 1065; vgl. auch Urt. d. Sen. v. 4. 5. 81 – II ZR 100/80, WM 1981, 786 = ZIP 1981, 894). Auch dies gebietet es, im Falle des Klägers grundsätzlich von dem zuletzt abgeschlossenen Pensionsvertrag von 1970 auszugehen.
III. Allerdings wird eine Versorgungszusage insoweit nicht vom Schutzzweck des § 7 BetrAVG umfaßt, als dem Berechtigten aus Gründen, die außerhalb seines Dienstverhältnisses liegen, Vergünstigungen zugebilligt worden sind, die deutlich über das Maß dessen hinausgehen, was unter vergleichbaren Verhältnissen einem Fremdbewerber im Rahmen des Üblichen zugebilligt worden wäre. Ist dies der Fall – was hier der Beklagte beweisen müßte –, so bleibt die Zusage zwar nicht ungesichert, der Insolvenzschutz kann aber auf einen angemessenen Teil der versprochenen Leistungen zu beschränken sein (BGHZ 77, 94, 99 f, 106 und 233, 244 f; Urteile d. Sen. v. 16. 3. 81 – II ZR 222/79, WM 1981, 762, 764 1. Sp. u. v. 4. 5. 81 aaO). Der gegenteiligen Auffassung der Revision vermag der Senat aus den Gründen der vorgenannten Entscheidungen nicht zu folgen.
Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ermöglichen kein abschließendes Urteil darüber, ob die Gesellschafter der W. GmbH dem Kläger wegen seiner Zugehörigkeit zu ihrer Familie eine überhöhte Altersversorgung zugestanden haben. Denn sie sind schon im Ausgangspunkt von rechtlich fehlerhaften Erwägungen beeinflußt und tragen wesentlichen Umständen nicht genügend Rechnung.
1. Um feststellen zu können, ob die Pensionszusage des Klägers von 1970 das übliche und wirtschaftlich vernünftige Maß übersteigt, hätte das Berufungsgericht zunächst die gesamten Dienste des Klägers für die W. GmbH nach Dauer, Art. Qualifikation, Verantwortlichkeit und Bedeutung würdigen und dabei in Betracht ziehen müssen, was der Kläger über seine Arbeit und seinen Einsatz für das Unternehmen unter Beweis gestellt hat. Anhand des so gewonnenen Tätigkeitsbildes wäre dann zu prüfen gewesen, ob die Pensionszusage einer vernünftigen, von sachfremden Gesichtspunkten freien Bewertung der Leistungen des Klägers entspricht. Soweit sich hierbei die objektive Angemessenheit der Zusage ergeben hätte, wäre es nicht mehr entscheidend auf die vom Berufungsgericht in den Vordergrund gestellte Frage angekommen, ob sich die Gesellschafter bei ihr tatsächlich auch von familiären Erwägungen haben leiten lassen; namentlich spielt der Gedanke einer Vertragsparität für die Beurteilung der Zusage nach dem Betriebsrentengesetz keine Rolle (BGHZ 77, 94, 99 f).
Die hiernach notwendige umfassende objektive Würdigung läßt das Berufungsurteil vermissen. So erscheint vor allem die Tatsache, daß der Kläger bei der schriftlichen Abfassung des Pensionsvertrags im Jahre 1972 bereits über 24 Jahre in den Diensten der Gesellschaft gestanden hatte, kaum hinreichend gewertet. Die Betriebstreue verkörpert für beide Seiten einen wirtschaftlichen Wert, der nicht beliebig verfügbar und wiederholbar ist und den der Beschäftigte als Vorleistung erbringt. Deshalb hat die Dauer der Betriebszugehörigkeit entscheidende Bedeutung nicht nur für die Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaft, sondern auch für die Höhe des Ruhegeldes.
2. Zu den Ausführungen des Berufungsgerichts darüber, daß die Versorgungszusagen der früheren Geschäftsführer und aller anderen Bediensteten – mit Ausnahme der zur Familie gehörigen Gesellschafter-Geschäftsführer Wolfgang und Bruno S. – weit unter der dem Kläger versprochenen Rente lägen, fehlen nähere Feststellungen über Art und Dauer der betrieblichen Leistungen, die einen Vergleich mit dem Kläger überhaupt erst erlauben könnten. Der besonders genannte, 1973 bei der GmbH eingetretene leitende Angestellte W. hatte bei Erhalt seiner Pensionszusage bei weitem noch nicht die Beschäftigungszeit des Klägers aufzuweisen; über seine sonstigen dienstlichen Verhältnisse ist ebenfalls nichts festgestellt. Was die Geschäftsführer Wolfgang und Bruno S. angeht, läßt der vom Berufungsgericht angenommene Einfluß ihrer Familienzugehörigkeit auf ihre Pensionsverträge noch nicht unbedingt auf die objektive Unangemessenheit der ihnen versprochenen Bezüge schließen, wenn man von dem noch zu erörternden ungewöhnlich frühen Pensionsalter einmal absieht. Zudem hat das Berufungsgericht auch hier den beruflichen Werdegang und die Dauer der Betriebszugehörigkeit nicht in seinen Vergleich einbezogen. Soweit es schließlich auf die Versorgung früherer Geschäftsführer abgestellt hat, weist die Revision zutreffend darauf hin, daß es erfahrungsgemäß einen Unterschied macht, ob die Bezüge bereits ausgeschiedener Versorgungsberechtigter aufgebessert oder Pensionszusagen für noch aktiv Beschäftigte erhöht werden.
3. Darüber hinaus bestehen Bedenken dagegen, unter Verhältnissen, wie sie hier gegeben waren, die Angemessenheit der Versorgungszusage eines leitenden Angestellten wie des Klägers ausschließlich daran zu messen, welche Versorgungsvereinbarungen in demselben Betrieb sonst noch bestehen.
Wie der Senat in seinem Urteil vom 28. April 1980 (BGHZ 77, 94, 96) ausgeführt hat, können nach § 7 BetrAVG gesicherte Versorgungsansprüche nicht nur aus einem kollektiven Versorgungssystem, sondern auch aus individuellen Versorgungsabreden mit einzelnen Betriebsangehörigen erwachsen. Bei solchen Abreden kann der Zuschnitt der Leistungen je nach dem Versorgungsbedarf, aber auch nach dem Unternehmensinteresse durchaus verschieden sein, so daß Vergleiche mit den Versorgungsbezügen anderer Beschäftigter oder gar mit einer generellen innerbetrieblichen Versorgungsregelung für Arbeiter und Angestellte im allgemeinen wenig hergeben (vgl. Urt. d. Sen. v. 5. 10. 78 – II ZR 53/77, WM 1978, 1402 zu 2 m.w.N.). Hat etwa ein leitender Angestellter aufgrund seiner Persönlichkeit und einer langjährigen Bewährung im Unternehmen eine besondere Vertrauensstellung inne, wie es beim Kläger der Fall gewesen sein soll, so schlägt sich dies oft auch gerechterweise in seinen Versorgungsbedingungen nieder.
4. Hinzu kommt, daß sich die Versorgung von Gesellschaftsorganen und anderen leitenden Angestellten ganz allgemein jedenfalls mit den Betriebsrenten anderer Beschäftigter nicht ohne weiteres vergleichen läßt. Nach der Erfahrung des Senats und nach Veröffentlichungen in der einschlägigen Literatur (vgl. z.B. Tänzer, Die betriebliche Altersversorgung 1981, S. 45 ff und GmbHRdsch 1981, 155, 156) sowie in der Wirtschaftspresse gehört seit längerem die betriebliche Versorgungszusage „für leitende Mitarbeiter zur Normalausstattung”. Nach Tänzer kommen zur Zeit 89 % der Führungskräfte in den Genuß dieser Zusatzleistung. Dies hat seinen besonderen Grund in der unzureichenden Absicherung dieses Personenkreises durch die Sozialversicherung, die infolge der Beitragsbemessungsgrenze nur etwa 20 – 25 % der letzten Bruttobezüge bei den „Leitenden” abdeckt (Tänzer aaO). Es liegt demnach auf der Hand, daß die Höherverdienenden mit den Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung alleine den erreichten Lebensstandard nach der Pensionierung nicht aufrechterhalten können. Wegen der großen Versorgungslücke spielt die betriebliche Altersversorgung bei diesem Personenkreis deshalb eine außerordentlich wichtige Rolle. Das übersieht das Berufungsgericht mit seinem Hinweis auf die im allgemeinen erheblich niedrigeren Betriebsrenten der früheren Arbeitnehmer der W. GmbH. Als Vergleichsmaßstab für die Versorgung des Klägers sind diese Renten nicht oder nur sehr beschränkt geeignet.
5. Infolgedessen läßt sich ein zuverlässiges Gesamtbild über die objektive Angemessenheit und Üblichkeit der dem Kläger zugesagten Versorgung kaum anders als dadurch gewinnen, daß nicht nur die mehr oder weniger auch von Zufälligkeiten abhängige innerbetriebliche Handhabung bei der W. GmbH in Betracht gezogen, sondern darüber hinaus geprüft wird, welche Versorgungsleistungen andere Unternehmen mit ähnlichem wirtschaftlichen Zuschnitt in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt Betriebsangehörigen in einer nach Art. Verantwortung und Dauer mit der des Klägers vergleichbaren Stellung zu versprechen pflegten. Dabei wird aus wirklichkeitsnaher Sicht ein gewisser Spielraum anzuerkennen sein.
6. Zu der Überlegung des Berufungsgerichts, die plötzliche Anhebung der 1962 versprochenen Rente von monatlich 1.000 DM auf das Fünffache, zudem verbunden mit einer Wertsicherungsklausel, durch den Pensionsvertrag von 1970 sei auffällig und sprenge völlig den bei der W. GmbH üblichen Rahmen, weist die Revision zutreffend darauf hin, daß nach dem Vortrag des Klägers in demselben Zeitraum auch seine Gehaltsbezüge ganz erheblich angestiegen sind. Infolgedessen war wegen der Beitragsbemessungsgrenze in der Soziaversicherung ein großer Teil seines Einkommens nicht mehr versicherungspflichtig, so daß zur Aufrechterhaltung des Lebensstandards auch im Alter eine entsprechende Erhöhung seiner Betriebsrente sachlich gerechtfertigt erscheinen konnte. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Versorgungszusagen an Geschäftsführer und Beschäftigte in vergleichbarer Stellung meist an das zuletzt bezogene Gehalt anknüpfen. Es ist auch keineswegs ungewöhnlich, eine solche Zusage, wie es hier geschehen ist, durch Koppelung mit den Gehalts- und Pensionsbezügen einer bestimmten Beamtengruppe wertzusichern (vgl. Tänzer, GmbHRdsch 1981, 155, 156).
7. Außergewöhnlich hoch erscheint allerdings der Prozentsatz der Witwenrente (100 %), für den möglicherweise die Gesellschaftereigenschaft der Ehefrau des Klägers bestimmend war. Das läßt aber noch nicht darauf schließen, daß auch die für den Kläger selbst vereinbarte Rente, auf die sich die Klage allein bezieht, aus sachfremden Gründen überhöht angesetzt ist.
8. Es bedarf hiernach zur Entscheidung darüber, ob die Pension des Klägers in vollem Umfang oder nur zum Teil insolvenzgesichert ist, weiterer Klärung, insbesondere zur Frage ihrer Angemessenheit im Vergleich zu anderswo unter entsprechenden Verhältnissen vereinbarten Pensionen. Gegebenenfalls wird eine den Umständen nach angemessene Rente zu schätzen sein, was entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht an fehlenden Anhaltspunkten hierfür scheitern kann.
IV. Das Urteil des Berufungsgerichts hat auch mit anderer Begründung keinen Bestand (§ 563 ZPO). Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Kläger als „Versorgungsberechtigter” im Sinne des § 7 Abs. 1 BetrAVG anzusehen. Der Senat hat wiederholt entschieden (vgl. BGHZ 77, 233, 245; 78, 73, 74; Urt. v. 16. 6. 80 – II ZR 195/79, WM 1980, 1116), daß für die Verpflichtung des Beklagten, die infolge Insolvenz des Versorgungsschuldners ausfallenden Leistungen zu erbringen, die Versorgungsberechtigung und nicht der tatsächliche Zahlungsbeginn maßgeblich ist. Deshalb kommt es auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob dem Kläger bereits vor dem Sicherungsfall vertraglich Altersruhegeld gezahlt worden ist, nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob die vertraglichen oder gesetzlichen Voraussetzungen für ein Ruhegeld bei Eintritt des Sicherungsfalles bereits vorgelegen haben. Das war hier der Fall, denn der Kläger hat am 21. Mai 1974 – also vor der am 21. März 1975 erfolgten Konkurseröffnung – das 55. Lebensjahr vollendet und damit die vertraglich vorgesehene Altersgrenze überschritten. Dabei spielt es entgegen der Auffassung des Beklagten keine Rolle, daß der Kläger die nach seinem Pensionsvertrag von 1970 erforderliche weitere Voraussetzung des tatsächlichen Ausscheidens aus dem aktiven Dienst nicht erfüllt hatte. Wie der Senat insbesondere im Urteil vom 16. Juni 1980 (aaO) eingehend dargelegt hat, ist es weder sachgerecht noch vom Ergebnis her vertretbar, solche Personen, die über die vertragliche Altersgrenze hinaus in demselben Betrieb bis zum Eintritt des Sicherungsfalles weitergearbeitet und damit ein besonderes Maß an Betriebstreue gezeigt haben, als Inhaber einer bloßen Versorgungsanwartschaft zu behandeln, nur weil sie von ihrer bereits zum Vollrecht erstarkten Versorgungsberechtigung bis zum Sicherungsfall noch keinen Gebrauch gemacht hatten. Ebensowenig kann es darauf ankommen, ob der Versorgungsberechtigte wenigstens alsbald nach dem Sicherungsfall seine Tätigkeit eingestellt hat; denn wie der vorliegende Fall zeigt, kann die Auseinandersetzung über die Berechtigung des Rentenanspruchs sich über Jahre hinweg erstrekken und so schon aus finanziellen Gründen und wegen des Ungewissen Ausgangs dieses Rechtsstreits zunächst zur Fortsetzung der Tätigkeit zwingen.
V. Der Anspruch des Klägers läßt sich nach dem gegenwärtigen Stand der Sache auch nicht deswegen ausschließen, weil er das 63. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Zwar kommt ein insolvenzgesicherter Anspruch auf Altersruhegeld in der Regel erst von dieser Altersgrenze an in Betracht. Dies beruht darauf, daß das Betriebsrentengesetz nur typische Leistungen der Altersversorgung schützen will (Urt. d. Sen. v. 16. 3. 81 aaO). Gleichwohl könnte die Klage auch in zeitlicher Hinsicht nach dem Hauptantrag oder mindestens nach dem Hilfsantrag begründet sein.
1. Schon in seinem vorgenannten Urteil hat der Senat die Möglichkeit offengelassen, daß vertragliche Regelungen, die bereits einen Zeitpunkt zwischen der Vollendung des 60. und des 63. Lebensjahres allgemein – und nicht etwa nur für den Fall unverschuldeter Entlassung – als Altersgrenze festlegen, im Rahmen des § 7 BetrAVG als verbindlich anzuerkennen sein könnten, wofür sich in § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BetrAVG ein Anhalt finden ließe. In der Tat ist vom Wortlaut, der Systematik und dem Zweck des Gesetzes her nicht auszuschließen, daß auch die aufgrund einer solchen Regelung vor der Vollendung des 63. Lebensjahres zu gewährenden Leistungen noch als Altersversorgung im Sinne des Gesetzes anzusprechen sein können, sofern die Wahl eines so frühen Ruhestandsalters auf sachlichen, nicht außerhalb des Dienstverhältnisses liegenden Gründen beruht (vgl. BGHZ 77, 233, 246). Das erscheint deshalb vertretbar, weil auch das Sozialversicherungsrecht unter bestimmten Voraussetzungen, z.B. für schwerbehinderte, berufs- oder erwerbsunfähige Arbeitnehmer, die Zahlung einer Altersrente schon mit der Vollendung des 60. Lebensjahres vorsieht (vgl. § 25 AVG, § 1248 RVO, § 48 RKG). Nach dem Vortrag des Klägers könnten auch bei ihm sachgerechte soziale Gründe für eine entsprechende Abrede vorgelegen haben. So hat er geltend gemacht, ihm sei die frühzeitige Altersgrenze mit Rücksicht auf seinen schlechten Gesundheitszustand bewilligt worden; infolge seiner Kriegsverletzungen sei er schon damals zu 80 % in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert gewesen.
Ob unter ganz besonderen Voraussetzungen auch einmal eine noch vor Vollendung des 60. Lebensjahres einsetzende Altersrente (z.B. aufgrund außergewöhnlicher beruflicher Beanspruchung) infrage kommen kann, bedarf hier keiner Erörterung, da solche Umstände nicht vorgetragen sind.
2. Nach dem Vortrag des Klägers besteht aber die Möglichkeit, daß er im Zeitpunkt des Sicherungsfalles jedenfalls berechtigt gewesen ist, ein Ruhegeld aus Gründen der Invalidität in Anspruch zu nehmen. In dem von ihm vorgelegten Schreiben vom 20. Juni 1974 (Anl. 8 zur Berufungserwiderung v. 12. 1. 1980) heißt es:
„… unter Berufung auf meinen Pensionsvertrag erhalte ich die zugesagte Pension, wenn ich nach Vollendung des 55. Lebensjahres aus dem aktiven Dienst der W. GMBH ausscheide. Ich bitte daher zur Kenntnis nehmen zu wollen, daß ich vor allem wegen meines bekannt schlechten Gesundheitszustandes zum 30. Juni 1974 aus ihrem aktiven Dienst ausscheiden möchte. Nachdem ich seit Monaten die übliche Arbeitszeit wegen der Folgen meiner Kriegsverletzungen nur teilweise und dann noch mühsam einhalten konnte, will ich meine Stelle für eine voll einsatzfähige Kraft frei machen …”
Dies legt es nahe zu prüfen, ob dem Kläger nicht Insolvenzschutz für eine Invalidenversorgung zu gewähren ist. Daß er eine solche nicht ausdrücklich von der W. GmbH oder dem Beklagten verlangt hat, kann ihm nicht zum Nachteil gereichen, weil er zunächst davon ausgehen konnte, daß seine Altersrente gezahlt werde. Dies gilt im vorliegenden Fall um so mehr, als die vertraglichen Leistungen im Falle der Invalidität denen des Altersruhegeldes in vollem Umfang entsprechen.
VI. Die von dem Beklagten aufgeworfene Frage, wie die dem Kläger zugeflossenen Beträge aus den Rückdeckungsversicherungen zu verrechnen seien, stellt sich nur, soweit Leistungen des früheren Arbeitgebers und des Beklagten für den gleichen Zeitraum in Betracht kommen. Ob dies der Fall sein wird, läßt sich im gegenwärtigen Stand des Verfahrens noch nicht übersehen. § 7 Abs. 4 BetrAVG legt nur fest, daß sich der Anspruch des Versorgungsempfängers gegen den Beklagten in dem Umfang vermindert, in dem der Arbeitgeber Leistungen erbringt. Wie diese Verrechnung bei einmaliger Kapitalzahlung erfolgen soll, ist dagegen nicht geregelt. Daher kann insoweit nur auf die allgemeinen Vorschriften zurückgegriffen werden. Maßgeblich ist daher vorrangig das, was die Vertragsparteien der Versorgungszusage bei der Auszahlung vereinbaren. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung und läßt sie sich auch nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung ermitteln, so richtet sich die Erfüllung in entsprechender Anwendung nach der Vorschrift des § 366 BGB. Da der Beklagte im Grundsatz seine Leistungen so zu erbringen hat, wie sie zwischen den Beteiligten am Versorgungsvertrag vereinbart wurden, muß er deren im Rahmen des Vertrages getroffenen Dispositionen hinnehmen.
VII. Nach alledem muß das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden. Dabei macht der Senat von seiner Befugnis nach § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
Unterschriften
Stimpel, Dr. Schulze, Fleck, Dr. Bauer, Brandes
Fundstellen
Haufe-Index 1237612 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1982, 95 |