Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 13. Juli 1993 wird mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte den ungekürzten Betrag so lange zu zahlen hat, wie die geschiedene Ehefrau des Klägers aus ihrer Versicherung keine Rente bezieht.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Zusatzrente, die die Beklagte dem Kläger zu gewähren hat.
Der Kläger war, bevor er 1986 erwerbsunfähig wurde, bei der Beklagten beschäftigt und zusatzversichert. Durch Urteil vom 7. Februar 1985 wurde die Ehe des Klägers geschieden und ein Versorgungsausgleich zugunsten der geschiedenen Ehefrau durchgeführt. Der Ausgleich der Anrechte des Klägers gegen die Zusatzversorgungskasse wurde auf die unverfallbaren beschränkt (Versicherungsrente). Der Ausgleich der verfallbaren Anrechte (Versorgungsrente abzüglich Versicherungsrente) wurde dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten. Seit dem 1. November 1986 bezieht der Kläger Erwerbsunfähigkeitsrente von der gesetzlichen Rentenversicherung und Versorgungsrente von der Beklagten.
Am 29. Juli 1987 beantragte die Beklagte im Hinblick darauf, daß die Anrechte des Klägers gegen die Zusatzversorgungskasse mit Eintritt seiner Erwerbsunfähigkeit unverfallbar geworden waren, eine Abänderung der Versorgungsausgleichsentscheidung. Durch Beschluß des Amtsgerichts vom 14. Dezember 1989 wurden daraufhin zu Lasten der Zusatzversorgung des Klägers weitere Versorgungsanwartschaften für die geschiedene Ehefrau bei der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Deshalb kürzte die Beklagte mit Bescheid vom 23. April 1990 die Versorgungsrente des Klägers um monatlich 243,65 DM ab 1. April 1990. Der geschiedenen Ehefrau ist bislang aus ihrer Versicherung keine Rente zu gewähren.
Der Kläger ist der Auffassung, daß seine Versorgungsrente gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG so lange nicht gekürzt werden dürfe, wie seine geschiedene Ehefrau noch keine Rente beziehe. Das sogenannte Rentnerprivileg greife auch bei einer Abänderungsentscheidung des Familiengerichts ein. Er verlangt von der Beklagten Zahlung von monatlich 243,65 DM ab 1. April 1990. Das Landgericht hat seine Klage abgewiesen; das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben (OLG-Report Köln 1993, 313). Die Beklagte erstrebt mit ihrer zugelassenen Revision, daß das Urteil des Landgerichts wiederhergestellt wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG sei zugunsten des Klägers entsprechend anzuwenden. Der Zeitpunkt, zu dem eine Abänderungsentscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich wirksam werde, sei in § 10a Abs. 7 Satz 1 VAHRG geregelt, und zwar wirke die Abänderung auf den Zeitpunkt des der Antragstellung folgenden Monatsersten zurück. Der aus § 10a Abs. 7 Satz 1 VAHRG zu entnehmende Zeitpunkt sei mangels einer anderslautenden gesetzlichen Regelung auch dafür maßgebend, ob das sogenannte Pensionärs- oder Rentnerprivileg gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG einsetze.
Das eigene Antragsrecht, das § 10a Abs. 4 VAHRG den Versorgungsträgern gewähre, sei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bedeutungslos, wenn man für die Gewährung des sogenannten Rentnerprivilegs auf den in § 10a Abs. 7 Satz 1 VAHRG genannten Zeitpunkt abstelle. Denn wenn der Ausgleichsberechtigte Rente beziehe, könne sofort gekürzt werden.
Die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes würden durch eine Kürzung der Rente erst ab Rentenbezug des Ausgleichsberechtigten auch nicht bessergestellt als Beamte. Denn Beamte behielten gemäß § 57 BeamtVG ihre Bezüge wie die Zusatzversorgungsempfänger, bis der Berechtigte eine Versorgung erhalte.
2. Dagegen wendet sich die Revision. Sie vertritt die Auffassung, das Rentnerprivileg sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Dieser zeichne sich durch die Besonderheit aus, daß die den Versorgungsausgleich ändernde Entscheidung des Amtsgerichts deshalb ergangen sei, weil die mangels Unverfallbarkeit bei der ersten Entscheidung noch nicht in den Versorgungsausgleich einzubeziehende Versorgungsrente nachträglich unverfallbar geworden sei. Der nachträgliche öffentlich-rechtliche Ausgleich des unverfallbar gewordenen Anrechts auf Versorgungsrente stelle sich sachlich als zeitliche Verschiebung des im übrigen grundsätzlich gewollten öffentlich-rechtlichen Ausgleichs dar. Bei der Änderungsentscheidung handele es sich um eine nur im Zusammenhang mit der Erstentscheidung mögliche, diese modifizierende und damit ihr zugeordnete, sekundäre Entscheidung.
3. Diese Angriffe bleiben erfolglos.
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG bei auszugleichenden Anrechten gegen die Zusatzversorgungskasse der Beklagten über § 1 Abs. 3 VAHRG entsprechend anzuwenden ist. Der Zeitpunkt, auf den § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG für eine Suspendierung der Kürzung des Ruhegehaltes – übertragen auf den vorliegenden Fall: Kürzung der Zusatzrente – abstellt, ist die Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich. § 10a VAHRG sieht die Möglichkeit vor, rechtskräftige Entscheidungen über den Versorgungsausgleich nachträglich zu ändern. Die Abänderungsentscheidung des Familiengerichts wirkt gemäß § 10a Abs. 7 Satz 1 VAHRG auf den Monatsersten nach Stellung des Abänderungsantrages zurück. Die Frage, auf welchen Zeitpunkt es im Rahmen des § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG ankommt – Zeitpunkt der Wirksamkeit der ersten Entscheidung des Familiengerichts oder Zeitpunkt, von dem an die Abänderungsentscheidung Wirkung entfaltet –, hat der Gesetzgeber bei Einführung des § 10 a VAHRG durch das Gesetz über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Versorgungsausgleichs (VAWMG) vom 8. Dezember 1986 indessen nicht geregelt.
b) Eine § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG entsprechende Bestimmung für die gesetzliche Rente enthält § 101 Abs. 3 SGB VI, der an die Stelle von § 1304a Abs. 4 Satz 2 RVO sowie § 83 Abs. 4 Satz 2 AVG getreten ist. In der Literatur zu § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG sowie zu den genannten entsprechenden Bestimmungen wird überwiegend die Auffassung vertreten, bei der Abänderung des Versorgungsausgleichs nach § 10a VAHRG die bereits bezogene Versorgung so lange ungekürzt zu belassen, bis der Ausgleichsberechtigte Rente erhält (vgl. Maier/Michaelis. Versorgungsausgleich in der Rentenversicherung 3. Aufl. § 10a VAHRG Anm. 9; Michaelis/Sander, DAngVers 87, 86, 95 und 285, 307 f.; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsgesetz Loseblattsammlung 22, Erg.–Lief. Erl. 18 zu § 10a VAHRG Beispiel 2; Soergel/Minz, BGB 12. Aufl. § 10a VAHRG Rdn. 19; Saar. Versorgungsausgleich und Beamtenversorgung 1989 S. 447 f.; Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht 2. Aufl. § 10a VAHRG Rdn. 50; Klattenhof DAngVers 92, 85, 89; MünchKomm/Dörr, BGB 3. Aufl. § 10a VAHRG Rdn. 93 f.).
c) Die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bezweckt eine Gleichstellung mit der Versorgung der Beamten (BGHZ 93, 17, 22). Vor diesem Hintergrund ist kein hinreichender Grund gegeben. § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG in Fällen der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst anders als bei Beamten anzuwenden. Diese Auffassung wird auch in einem Rundschreiben des Bundesministers des Inneren vom 19. Januar 1989 vertreten (abgedruckt bei Plog/Wiedow/Beck, Bundesbeamtengesetz Anh. V 8 a Ziff. 3.1 b). Das Rentnerprivileg berücksichtigt, daß dem Rentner geringere finanzielle Mittel zur Verfügung stehen als in der Zeit seines aktiven Dienstes und daß er infolgedessen weniger in der Lage ist, die versorgungsausgleichsbedingte Kürzung seiner Bezüge durch Zahlung eines Kapitalbetrages ganz oder teilweise abzuwenden oder durch den Abschluß einer anderweitigen Versicherung auszugleichen. Maßgebendes Kriterium für die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition ist eine Besitzschutzregelung zugunsten des Ausgleichsverpflichteten für den Fall, daß nach rechtskräftiger Übertragung der Rentenanwartschaften durch das Familiengericht Beiträge zum Ausgleich des Verlusts nicht mehr entrichtet werden können (vgl. BSG NJW-RR 1994, 668). Dieser Sinn des Rentnerprivilegs trifft auch dann zu, wenn durch eine Abänderungsentscheidung gemäß § 10a VAHRG der versorgungsausgleichsbedingte Kürzungsbetrag zu einem Zeitpunkt erhöht wird, in dem der Betroffene bereits Rente bezieht (ebenso Oberschiedsgericht der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder vom 17. Dezember 1993 – OS 69/92). Die Abänderungsentscheidung stellt eine selbständige Entscheidung über den Versorgungsausgleich dar, die diesen aufgrund einer „Totalrevision” seiner Grundlagen neu feststellt (a.A. Strebel, BetrAV 1988, 121, 125). Deshalb ist § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene im Zeitpunkt der Abänderungsentscheidung bereits Rente bezieht.
d) Die Regelung des § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG begrenzt die ungekürzte Zahlung des Ruhegehalts auf den Zeitpunkt, zu dem der berechtigte Ehegatte selbst eine Rente bezieht. Das hat das Berufungsgericht nicht übersehen (vgl. S. 8 des Urteilsabdrucks). Diese zeitliche Grenze der Pflicht zur ungekürzten Zahlung ist klarstellend in den Urteilsausspruch mit aufzunehmen.
Unterschriften
Dr. Schmidt-Kessel, Dr. Ritter, Römer, Dr. Schlichting, Terno
Fundstellen
Haufe-Index 1372858 |
NJW 1995, 657 |