Entscheidungsstichwort (Thema)
GmbH: Umgehung des Stimmverbots durch Abtretung eines Geschäftsanteils
Leitsatz (redaktionell)
Hat die Abtretung eines Geschäftsanteils den Zweck, das Abstimmungsverbot des GmbHG § 47 Abs. 4 S. 2 zu umgehen, so ist der Erwerber in gleicher Weise wie der Veräußerer vom Stimmrecht ausgeschlossen.
Tatbestand
Der Kläger ist Gesellschafter der beklagten GmbH. Von 1955 bis 1970 war er zusammen mit dem Gesellschafter F. Geschäftsführer der Beklagten. Beide machen sich gegenseitig für erhebliche Verluste der Gesellschaft verantwortlich. Am 16. August 1971 beschlossen die Gesellschafter, den Kläger wegen dieser Verluste gerichtlich in Anspruch zu nehmen. In der Gesellschafterversammlung vom 15. September 1971 wurde auf Antrag des Klägers ohne Mitwirkung des Gesellschafters F. mit 700 gegen 500 Stimmen bei 100 Enthaltungen beschlossen, auch F. für den Schaden der Gesellschaft seit 1966 gerichtlich haftbar zu machen, mit der Feststellung dieses Schadens und seiner Ursachen einen Sachverständigen zu beauftragen und für die Durchführung dieser Beschlüsse einen besonderen Geschäftsführer zu bestellen. Zu dieser Zeit waren am Stammkapital der Beklagten in Höhe von 400.000 DM F. mit 160.000 DM, der Kläger mit 40.000 DM, die Kommanditgesellschaft C.-Comp mit 10.000 DM und weitere Gesellschafter mit insgesamt 80.000 DM beteiligt; 110.000 DM hielt die Gesellschaft selbst.
Am 1. Oktober 1971 trat der Gesellschafter F. an die C.-Comp Geschäftsanteile in Höhe von 60.000 DM zum Preise von 30.000 DM ab. In einer sodann auf den 4. November 1971 einberufenen Gesellschafterversammlung stellte ein Gesellschafter den Antrag, die vorerwähnten Beschlüsse vom 15. September 1971 aufzuheben und die Anträge des Klägers abzulehnen. Für diesen Antrag stimmten der Antragsteller mit 200 sowie die C.-Comp mit nunmehr 700 Stimmen, dagegen der Kläger und zwei andere Gesellschafter mit insgesamt 700 Stimmen.
Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß der Gesellschafterbeschluß vom 2. November 1971, durch den die auf seine Anträge ergangenen Beschlüsse vom 15. September 1971 aufgehoben worden seien, nichtig sei, hilfsweise, den Beschluß für unwirksam zu erklären. Er hat geltend gemacht, die Anteilsübertragung an die C.-Comp habe nur dazu gedient, das Abstimmungsverbot des § 47 Abs 4 Satz 2 GmbHG zu umgehen.
Deshalb habe die Erwerberin mit den übernommenen Anteilen nicht mitstimmen dürfen.
Beide Vorinstanzen haben dem Hauptantrag des Klägers stattgegeben. Mit der Revision, die der Kläger zurückzuweisen beantragt, möchte die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe
1. Das Berufungsgericht meint, der mit der Klage beanstandete Gesellschafterbeschluß sei nicht mit der nach § 47 GmbHG erforderlichen Mehrheit zustande gekommen, weil die C.-Comp mit den 600 Stimmen, die auf die von F. erworbenen Geschäftsanteile entfielen, nach § 47 Abs 4 Satz 2 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen gewesen sei. Hierzu stellt es fest:
Der Gesellschafter F. habe diese Anteile nicht voll, sondern allenfalls treuhänderisch auf die C.-Comp übertragen, um die damit verbundenen Stimmen in seinem Interesse nutzen und so die Beschlüsse vom 15. September 1971 zu Fall bringen zu können. Die Erwerberin habe die von F. vorgeschlagene Anteilsübertragung weder erwartet noch gewünscht, den auf unbestimmte Zeit gestundeten Kaufpreis von 30.000 DM gar nicht aufbringen können und die Anteile auch nicht behalten wollen. Mindestens so lange, wie die Bezahlung offengeblieben sei, habe sie nach ausdrücklicher oder stillschweigender Abrede die Anteile nur verwalten, der Wille des Veräußerers aber weiterhin bestimmend sein sollen.
2. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe den Antrag der Beklagten in der Berufungsbegründungsschrift übergangen, den Gesellschafter F. darüber zu vernehmen, daß er mit der Abtretung nicht die Absicht verfolgt habe, das gesetzliche Stimmverbot zu umgehen. Wie sich aus dem Prozeßverlauf ergibt, hat die Beklagte auf die Vernehmung dieses Zeugen stillschweigend verzichtet (vgl BGH, Urt v 9.1.1969 – II ZR 174/66, LM ZPO § 286 (E) Nr 12). Gegen den Beweisbeschluß vom 25. Juni 1973, wonach über die Abtretungsvereinbarungen lediglich der vom Kläger benannte Zeuge C. Sch. vernommen werden sollte, hat sie keine Einwendungen erhoben. Sie hat auch nicht die Ergänzung des Beweisbeschlusses beantragt, als das Berufungsgericht am 3. Dezember 1973 die Vernehmung zweier weiterer, ebenfalls vom Kläger benannter Zeugen anordnete. Im Termin vom 25. Februar 1974 wurde alsdann C. Sch. in Gegenwart des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vernommen. Dieser gab wiederum keine Erklärung ab, den Beweisantrag aus der Berufungsbegründung aufrechterhalten zu wollen, so daß der Kläger besonderen Anlaß gehabt hätte, seinerseits auf der Vernehmung der von ihm benannten und zum Termin erschienenen weiteren Zeugen zu bestehen. Demgemäß hat der Kläger auch auf die Vernehmung dieser Zeugen ohne Widerspruch der Beklagten verzichtet. In der Folgezeit bis zur letzten mündlichen Verhandlung ist die Beklagte auf ihren Beweisantrag ebenfalls nicht mehr zurückgekommen. Im Unterschied zum Kläger hat sie sich vielmehr nicht einmal zum Beweisergebnis schriftsätzlich geäußert. Aus diesem Verhalten war zu schließen, daß die Beklagte angesichts der vorliegenden Zeugenaussagen auf die Vernehmung des Zeugen F. keinen Wert mehr legte.
3. Die hiernach bindende Feststellung des Berufungsgerichts, die Übertragung der Geschäftsanteile sei erfolgt, um die Gesellschafterbeschlüsse vom 15. September 1971 zu Fall zu bringen, trägt allein schon die angefochtene Entscheidung.
Nach § 47 Abs 4 Satz 2 GmbHG durfte der Gesellschafter F. über die Anfechtung der ihn betreffenden Beschlüsse vom 15. September 1971 nicht mitstimmen, weil diese Beschlüsse eine gegen ihn gerichtete Rechtsverfolgung betrafen. Dieses Stimmverbot konnte er nicht dadurch wirksam umgehen, daß er zu dem Zweck, ein für ihn günstiges Abstimmungsergebnis zu erreichen, Geschäftsanteile an einen anderen Gesellschafter abtrat. In § 47 Abs 4 Satz 2 GmbHG kommt der allgemeine Grundsatz zum Ausdruck, daß ein Gesellschafter regelmäßig von der Abstimmung über Maßnahmen ausgeschlossen ist, die gegen ihn ergriffen werden sollen; kein Gesellschafter darf „Richter in eigener Sache” sein (BGHZ 9, 157, 178; Urt d Sen v 21.4.69 – II ZR 200/67, LM GmbHG § 38 Nr 5). Dieser Rechtsgedanke trifft auch dann zu, wenn ein Gesellschafter nur der Form nach seinen Geschäftsanteil mit dem Ziel auf einen Mitgesellschafter überträgt, bei der Entscheidung, ob die Gesellschaft rechtlich gegen ihn vorgehen soll, seine sonst nicht zugelassene Stimme doch noch zur Geltung zu bringen. Denn die Abtretung ist dann nichts weiter als ein Mittel, die dem Gesellschafter persönlich verbotene Mitwirkung zu erschleichen. In einem solchen Fall ist die Stimmabgabe durch den Abtretungsempfänger einer Stimmabgabe durch den vom Stimmrecht ausgeschlossenen Gesellschafter selbst gleichzusetzen (BGHZ 56, 47, 53; RG JW 1935, 3303; Baumbach/Hueck, GmbHG 13. Aufl § 47 Anm 5 C aE; Scholz, GmbHG 5. Aufl § 47 Anm 18 aE).
Hierbei ist es entgegen der Ansicht der Revision gleichgültig, ob der Erwerber des Geschäftsanteils rechtlich an die Weisungen des Veräußerers gebunden ist oder ob eine solche Bindung etwa wegen Nichtigkeit der Abtretungsvereinbarungen entfällt. Es genügt, daß die Abtretung, wie das Berufungsgericht hier festgestellt hat, in der tatsächlich gesicherten beiderseitigen Erwartung erfolgt ist, der Erwerber werde zugunsten des selbst nicht stimmberechtigten Veräußerers abstimmen, und daß dies der Zweck des Geschäfts gewesen ist.
4. Demnach waren 600 der von der C.-Comp abgegebenen Stimmen nach § 47 Abs 4 Satz 2 GmbHG ungültig. Das bedeutet, daß ein wirksamer Mehrheitsbeschluß, die gegen F. gerichteten Beschlüsse vom 15. September 1971 aufzuheben, wegen Überwiegens der gültigen Gegenstimmen nicht zustande gekommen ist (BGHZ 51, 209). Die Vorinstanzen haben daher mit Recht dem auf die Feststellung dieser Rechtsfolge gerichteten Klageantrag stattgegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 648049 |
NJW 1976, 713 |
DNotZ 1977, 120 |