Leitsatz (amtlich)
Ist dem Notar bekannt, daß Ihm anvertrautes Geld auf einem Anderkonto in der Weise als Festgeld angelegt werden kann, daß es trotzdem jederzeit verfügbar ist, bei vorzeitiger Freigabe für den unvollendeten Zeitraum lediglich die für Girokonten gewährten Zinsen gezahlt werden und darüber hinaus keine Nachteile entstehen, so hat er die Beteiligten, die ihn mit der Durchführung eines beurkundeten Kaufvertrages beauftragen, darauf hinzuweisen, wenn mit einer längeren Hinterlegungszeit als üblich zu rechnen ist.
Normenkette
BNotO § 23; DONot § 11 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 11.05.1995) |
LG Köln |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. Mai 1995 wird auf Kosten des Erstbeklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Vertreter des beklagten Notars beurkundete am 5. Mai 1993 einen Vertrag, in dem der Kläger eine Eigentumswohnung zum Preise von 217.195 DM verkaufte. Der Kaufpreis war auf ein näher bezeichnetes Anderkonto des Beklagten bei der K. Bank zu hinterlegen, ein Teilbetrag von 10 % innerhalb einer Woche, der Rest bis zum 25. Mai 1993. Die Hinterlegungszinsen standen dem Kläger zu.
Das Grundstück lag in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet. Aus diesem Grunde bedurfte der Vertrag nach § 144 BauGB der Genehmigung der Gemeinde. Der Notar durfte über das Geld erst verfügen, wenn – neben der Erfüllung weiterer Voraussetzungen – diese Genehmigung vorlag.
Der Käufer zahlte die erste Rate am 13. Mai, den Restbetrag am 21. Mai 1993. Die Genehmigung nach § 144 BauGB ging beim Beklagten am 9. Juli 1993 ein. Damit waren die Auszahlungsvoraussetzungen erfüllt. Die entsprechende Anweisung führte die Bank am 15. Juli 1993 aus.
Der Kläger verlangt vom Beklagten Schadensersatz, weil dessen Vertreter das Geld auf einem Girokonto hinterlegt hat, dessen Guthaben nur mit 0,5 % jährlich verzinst wurde. Der Kläger meint, der Vertreter hätte den Parteien vorschlagen müssen, die Anlage auf einem Festgeldkonto vorzunehmen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; dagegen hat das Berufungsgericht den Beklagten, unter Klageabweisung im übrigen, zur Zahlung von 1.146,56 DM zuzüglich Zinsen verurteilt. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Vertreter des Beklagten habe seine Amtspflichten nicht schon dadurch verletzt, daß er die Festgeldanlage nicht von sich aus, ohne entsprechende Weisung der Urkundsbeteiligten, getätigt habe. Das ist zutreffend.
Der Notar darf Geld zur Aufbewahrung nur entgegennehmen, wenn der Hinterleger eine entsprechende Anweisung, die auch die zeitlichen und sachlichen Bedingungen der Hinterlegung (z.B. Geldanlage auf Festgeldkonto) umfaßt, erteilt hat (§ 11 Abs. 1 Satz 1 DONot). Aus dieser Regelung folgert die nahezu einhellige Meinung im Schrifttum mit Recht, daß der Notar eine Festgeldanlage nur dann vornehmen darf, wenn die Beteiligten ihm einen entsprechenden Auftrag erteilt haben (Haug, Die Amtshaftung des Notars Rdnr. 693; Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege durch Notare und Gerichte S. 227; Seybold/Schippel, BNotO 6. Aufl. § 11 DONot Rdnr. 4; Weingärtner/Schöttler, Dienstordnung für Notare 7. Aufl. Rdnr. 179; vgl. auch OLG Schleswig DNotZ 1978, 183, 184; LG Koblenz DNotZ 1993, 705; a.A. LG Hamburg JurBüro 1971, 1055). Ohne eine solche Weisung darf er eine Festgeldanlage selbst dann nicht veranlassen, wenn keinerlei sachliche Bedenken dagegen ersichtlich sind; denn die Dienstordnung will den Notar unbedingt dazu anhalten, diese Frage vorab mit den Beteiligten zu klären.
II.
Das Berufungsgericht hält den Beklagten jedoch deshalb gemäß §§ 19 Abs. 2 Satz 4, 46 Satz 1 BNotO für verpflichtet, Schadensersatz zu leisten, weil sein Vertreter es versäumt habe, den Beteiligten eine Festgeldanlage zu empfehlen. Es spreche einiges dafür, daß der Notar seit der Neufassung der Dienstordnung für Notare grundsätzlich auf die Vorteile einer Festgeldanlage hinweisen müsse, wenn eine länger dauernde Hinterlegung in Betracht komme. Jedenfalls bestehe eine derartige Verpflichtung bei einem Sachverhalt, wie er im Berufungsrechtszug unstreitig geworden sei. Wenn die Bank dem Notar Konditionen einräume, die die jederzeitige Verfügbarkeit des hinterlegten Kaufpreises auch bei einer Anlage als Festgeld gewährleiste und der vorzeitige Abruf des Geldes lediglich zur Folge habe, daß sich der Zinssatz für die „angebrochene” Periode auf denjenigen eines Girokontos ermäßige, biete die Festgeldanlage für die Beteiligten ausschließlich Vorteile.
Für den Notar sei aus dem Grundbuch ersichtlich gewesen, daß die Eigentumswohnung in einem Sanierungsgebiet gelegen habe. Danach hätte er wegen des Genehmigungsverfahrens einen Hinterlegungszeitraum von mehr als einem Monat ernsthaft in Betracht ziehen müssen. Es sei davon auszugehen, daß die Beteiligten ihre Einwilligung zur Anlage als Festgeld erteilt hätten, wenn sie in der gebotenen Weise belehrt worden wären.
Gegen diese Auffassung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
1. Die Beteiligten vereinbaren die Verwahrung des Kaufpreises auf einem Notaranderkonto, um eine sichere und zügige Abwicklung des Vertrages zu gewährleisten, Schutz des Geldes vor unbefugtem Zugriff sowie die sofortige Verfügbarkeit des hinterlegten Betrages stehen daher im Vordergrund der dem Notar obliegenden Aufgabe. Diese Gesichtspunkte haben Vorrang vor demjenigen eines möglichst hohen Zinsertrages (Haug, a.a.O. Rdnr. 693; Weingärtner/Schöttler, a.a.O. Rdnr. 179 a.E.; OLG Schleswig DNotZ 1978, 183, 184). Der Notar hat zu prüfen, ob der Inhalt des Treuhandauftrages sowohl den Bedürfnissen einer korrekten Geschäftsabwicklung als auch dem Sicherungsinteresse der Beteiligten genügt (§ 11 Abs. 1 Satz 2 DONot).
Die Aufgabe, auf eine ordnungsgemäße Geschäftsabwicklung hinzuwirken, kann aber im Einzelfall auch die Pflicht umfassen, die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Festgeldanlage hinzuweisen. Nach den von der Rechtsprechung zu § 14 Abs. 1 BNotO entwickelten Grundsätzen entsteht eine besondere Betreuungspflicht des Notars insbesondere dann, wenn den Beteiligten ein erheblicher Schaden droht. Zu Recht verweist das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auch auf die Bestimmung des § 11 Abs. 1 DONot, die die Geldanlage auf dem Festgeldkonto als eine sachliche Bedingung der Hinterlegung ausdrücklich erwähnt. Die Dienstordnung macht damit deutlich, daß gerade in diesem Bereich Regelungsbedarf für den Inhalt der Hinterlegungsanweisung besteht. Der Notar hat daher im Rahmen der ihm obliegenden Prüfung und Einflußnahme bei der Gestaltung der sachlichen Bedingungen der Verwahrung mit den Beteiligten eine Anlage als Festgeld namentlich dann zu erörtern, wenn im, Zeitpunkt des ihm gemäß § 23 BNotO erteilten Auftrags – anders als bei gewöhnlichen Kaufverträgen – mit einer längeren Hinterlegungsdauer zu rechnen ist.
2. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß eine solche Verpflichtung bei den tatsächlichen Gegebenheiten des Streitfalls bestand.
a) Der Kläger hat in der Berufungsinstanz vorgetragen, jedenfalls im Kölner Raum seien die Banken bereit, Anderkonten der Notare statt als Girokonten als Depositenkonten zu führen. Voraussetzung sei lediglich, daß ein Mindestbetrag von 10.000 DM für wenigstens 30 Tage angelegt werde. Wolle ein Notar die Zahlung vor dem Ablauf der Festlegungsperiode vornehmen, könne er das jederzeit tun. Dies habe lediglich zur Folge, daß er für den „angebrochenen” Zeitraum statt des vereinbarten den auf Girokonten gezahlten Zins erhalte. Der Beklagte hat diese Behauptung nicht bestritten. Das Berufungsgericht hat deshalb angenommen, bei einer Anlage als Festgeld hätte der Notar jederzeit über den Betrag verfügen können, ohne daß den Beteiligten daraus ein wirtschaftlicher oder rechtlicher Nachteil entstanden wäre. An diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden; die Verfahrensrüge der Revision greift nicht durch.
aa) Die Revision meint, der Begriff „Depositenkonto” sei nur eine veraltete Bezeichnung für ein Einlagenkonto, welches sowohl als Giro- wie auch als Festgeldkonto geführt werden könne. Dies mag sein, hilft der Revision jedoch nicht weiter. Dem entsprechenden Vorbringen des Klägers liegt ersichtlich die Behauptung zugrunde, der Notar erhalte von den Banken die Möglichkeit, das Anderkonto als Festgeldkonto mit den oben beschriebenen Konditionen zu führen. In diesem Sinne hat das Berufungsgericht die Darlegung des Klägers auch verstanden. Darin lag entgegen der Meinung der Revision kein Verstoß gegen die Denkgesetze, so daß die dementsprechenden tatsächlichen Feststellungen für das Revisionsgericht bindend sind (§ 561 ZPO).
bb) Die Revision rügt weiter, es sei schon aus bankaufsichtsrechtlichen Gründen nicht möglich, Termineinlagen in Sichteinlagen umzuwandeln; denn die Höhe der Mindestreserven, die die Banken bei der Deutschen Bundesbank halten müssen, hänge nach § 16 BBankG in Verbindung mit den Anweisungen der Deutschen Bundesbank von dem Volumen an Sicht-, Termin- und Sparguthaben ab. Soweit die Revision damit geltend machen will, die Festgeldkonditionen seien inhaltlich nicht so gestaltet, wie es der Kläger unbestritten vor dem Tatrichter behauptet hat, begibt sie sich auf das ihr verschlossene Gebiet tatsächlicher Beurteilung. Der Einwand wäre allenfalls dann von Bedeutung, wenn sich aus bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften das Verbot ergäbe, das Festgeldkonto eines Notars in der vom Tatrichter festgestellten Weise zu führen. Das ist indessen nicht der Fall, Die von der Revision angesprochene Mindestreservehaltung muß nicht kalendertäglich, sondern nur im Monatsdurchschnitt erreicht werden (§ 16 Abs. 2 BBankG). Schon deshalb kann allein in der kurzfristigen Umwandlung einer Termin- in eine Sichteinlage kein Verstoß gegen § 16 BBankG liegen. Die für die Beurteilung einer Verletzung dieser Vorschrift notwendigen tatsächlichen Voraussetzungen sind hier im übrigen nicht einmal ansatzweise vorgetragen. Außerdem spricht nichts dafür, daß ein Verstoß gegen diese währungspolitische Steuerungsvorschrift Einfluß auf die Rechtswirksamkeit eines privatrechtlichen Vertrages über die Führung eines Anderkontos haben könnte (zu den Rechtsfolgen von Verstößen gegen vergleichbare Vorschriften des Kreditwesengesetzes vgl. BGH, Urt. v. 5. Oktober 1989 – III ZR 34/88, NJW 1990, 1356, 1357).
b) Da den Beteiligten durch eine Verwaltung des Geldes auf dem Festgeldkonto kein Nachteil entstanden wäre, hätte der Notarvertreter des Beklagten eine entsprechende Anweisung anregen müssen; denn für ihn war erkennbar, daß das hinterlegte Geld möglicherweise länger als 30 Tage auf dem Anderkonto verbleiben würde. Die erforderlichen Hinweise dafür sieht das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei darin, daß im Zeitpunkt der Beurkundung noch nicht absehbar war, wann die nach § 144 BauGB notwendige Genehmigung erteilt wurde.
3. Das Berufungsgericht hat zu Recht ein Verschulden des Notarvertreters bejaht. Auch für diesen gilt insoweit der objektive Maßstab einer gewissenhaften Amtsführung. Die persönlichen. Umstände und Erfahrungen des einzelnen Vertreters sind haftungsrechtlich bedeutungslos. Der Beklagte hat nicht bestritten, die vom Kläger dargestellte Übung der Banken gekannt zu haben. Dann hätte auch sein Vertreter mindestens davon wissen müssen. Ebenso war für ihn ersichtlich, daß es in Anbetracht der Höhe des verwalteten Betrages zur Vermeidung möglicherweise erheblicher Zinsverluste empfehlenswert war, das Geld auf jeweils 30 Tage festzulegen. Das Berufungsgericht ist in rechtlich einwandfreier tatrichterlicher Würdigung zu der Überzeugung gelangt, daß die Beteiligten eine solche Empfehlung befolgt hätten.
4. Zu Unrecht erhebt die Revision den Einwand des Mitverschuldens, weil der Kläger nicht selbst nach einer Festgeldanlage gefragt hat. Eine solche Maßnahme war nur infolge der den Notaren von den Banken gewährten Vorteile naheliegend. Anderenfalls hätte kein Anlaß bestanden, der Frage der Verzinsung wesentliche Bedeutung beizumessen. Der Beklagte hat aber nicht behauptet, der Kläger habe schon damals die Bedingungen gekannt, unter denen Notare auf einem Anderkonto Festgeld anlegen können.
III.
Auch die Schadensberechnung des angefochtenen Urteils ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Das Berufungsgericht hat angenommen, bei einer Anlage als Festgeld wären in den ersten 30 Tagen ab dem 21. Mai 1993 Zinsen in Höhe von 6,75 % jährlich gezahlt worden, während in der nachfolgenden Zeit nur Zinsen in Höhe von 0,5 % jährlich angefallen wären. Hinsichtlich des für eine Festgeldanlage gezahlten Zinssatzes ist das Berufungsgericht von den Angaben der K. Bank in der vom Beklagten vorgelegten Bescheinigung ausgegangen. Die dagegen erhobenen Einwendungen der Revision sind aus den oben II 2 a dargelegten Gründen nicht stichhaltig.
Unterschriften
Kreft, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter
Fundstellen
Haufe-Index 1134343 |
BB 1996, 1244 |
NJW 1996, 1823 |
BGHR |
ZBB 1996, 238 |