Entscheidungsstichwort (Thema)
Werkvertrag
Leitsatz (amtlich)
Es kann zu den Aufgaben eines Architekten gehören, für den Bauherrn öffentliche Fördermittel zu beantragen. Die Nichteinhaltung einer derartigen Zusage kann Schadensersatzansprüche des Bauherrn auslösen.
Normenkette
BGB §§ 276, 631
Tatbestand
Die Klägerin verlangt Schadensersatz mit der Begründung, die Beklagte habe die Verpflichtung nicht eingehalten, für Baumaßnahmen der Klägerin rechtzeitig Fördermittel bei der Stadt H. zu beantragen. Die Beklagte macht durch Widerklage einen Anspruch auf Architektenhonorar geltend. Die Klägerin hat insoweit mit dem von ihr behaupteten Anspruch aufgerechnet.
I.
Im August 1991 schlossen die Parteien einen schriftlichen Architektenvertrag über den anschließend auch durchgeführten Um- und Ausbau eines auf einem Grundstück der Klägerin in H. errichteten Geschäftshauses.
Die Klägerin behauptet, die Parteien hätten bereits am 2. April 1991 über das Bauvorhaben verhandelt. Dabei habe sie gefragt, ob sie selbst sich durch ihren insoweit kompetenten Steuerberater um Fördermittel der Stadt H. bemühen solle. Das habe der Geschäftsführer R. der Beklagten mit der Begründung abgelehnt, diese Aufgabe übernehme besser die Beklagte, da sie mit den technischen Gegebenheiten vertraut sei. Die Klägerin trägt ferner vor, über die Beantragung von Fördermitteln sei zwischen den Parteien weitere Male gesprochen worden, so am 22. Juli und am 20. August 1991. Die Beklagte habe dabei jeweils erklärt, "das mit den Fördermitteln laufe schon". Daher habe sich die Klägerin nicht selbst umgehend mit der Stadt in Verbindung gesetzt. Leistungen der Stadt habe sie nicht erhalten, weil sie - viel zu spät - erst im März 1992 beantragt worden seien.
Die Beklagte bringt vor, sie habe zu keinem Zeitpunkt zugesagt, sich um die Erlangung der Fördermittel zu bemühen, sie habe allenfalls gefälligkeitshalber tätig werden wollen.
II.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Klägerin auf die im zweiten Rechtszug wegen des Architektenhonorars erhobene Widerklage zur Zahlung von 42.232,23 DM und Zinsen verurteilt. Die insoweit angenommene Revision wendet sich gegen diese Verurteilung und die Klageabweisung, indem sie weiterhin, gegen den Widerklageanspruch im Wege der Aufrechnung, Schadensersatz wegen entgangener Förderungsmittel geltend macht.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Annahme zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
1.
Das Berufungsgericht hat zu dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch folgendes ausgeführt.
Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte eine Rechtspflicht zur Beantragung der Fördermittel übernommen habe. Selbst aus dem Vortrag der Klägerin folge allenfalls, daß die Beklagte sich lediglich gefälligkeitshalber um die Antragstellung habe kümmern wollen. Daß die Beklagte sich zur Übernahme "einer für Architekten so untypischen Leistung" habe verpflichten wollen, noch dazu ohne Honorar, sei sehr ungewöhnlich. Ein Schadensersatzanspruch stehe der Klägerin nicht zu.
2.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg:
Ob durch Erklärungen oder ein sonstiges Verhalten eine vertragliche Bindung zustande kommt oder nur ein Gefälligkeitsverhältnis vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und ist daher im wesentlichen eine Sache tatrichterlicher Würdigung. Diese bindet grundsätzlich das Revisionsgericht, es sei denn, daß sie rechtsfehlerhaft vorgenommen worden ist. Eine solche rechtsfehlerhafte Würdigung liegt hier vor.
a)
Nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Klägerin, das diese im Berufungsverfahren wiederholt und vertieft hat, wurde bereits im April 1991 zwischen den Parteien wegen des Abschlusses eines Architektenvertrages verhandelt, dabei soll die Beklagte zugesagt haben, sich für die Klägerin um Fördermittel der Stadt H. zu bemühen. Damit sind die Voraussetzungen einer Nebenpflicht der Beklagten, für die Klägerin entsprechend tätig zu werden, genügend dargelegt:
Nach gefestigter Rechtsprechung wird die Frage, ob im Einzelfall ein Vertrag abgeschlossen oder nur ein Gefälligkeitsverhältnis begründet wurde, danach beantwortet, ob die Leistung mit rechtsgeschäftlichem Bindungswillen zugesagt oder erbracht worden ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 22. Juni 1956 - I ZR 198/54, BGHZ 21, 102, 106 f). Ob ein Rechtsbindungswille vorhanden war, ist nicht nach dem inneren Willen des Leistenden zu beurteilen, sondern danach, ob der Leistungsempfänger aus dem Handeln des Leistenden nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen durfte. Es kommt also darauf an, wie sich dem objektiven Betrachter das Handeln des Leistenden darstellt. Insbesondere die wirtschaftliche Bedeutung einer Angelegenheit, das erkennbare Interesse des Begünstigten und die nicht ihm, wohl aber dem Leistenden erkennbare Gefahr, in die er durch eine fehlerhafte Leistung geraten kann, können auf einen rechtlichen Bindungswillen schließen lassen (BGHZ 21, 102, 107). Nach dem Vortrag der Klägerin waren sämtliche dieser Umstände gegeben. Das Berufungsgericht hat das nicht beachtet.
b)
Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, daß die Parteien eine solche Zusage, von der in der Revisionsinstanz auszugehen ist, nicht als Bestandteil ihres entgeltlichen Architektenvertrages angesehen hatten. Mit diesem bestand ein enger innerer Zusammenhang. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beantragung von Fördermitteln sei eine "atypische Architektentätigkeit", ist unzutreffend (vgl. auch § 15 Abs. 2 Nr. 2 HOAI). Ein Architekt hat bei seinen Leistungen auch wirtschaftlich-finanzielle Gesichtspunkte seines Auftraggebers zu beachten (vgl. Senatsurteile vom 12. Juni 1975 - VII ZR 168/73, NJW 1975, 1657 und vom 7. Juli 1988 - VII ZR 72/87, BauR 1988, 734, 735 = ZfBR 1988, 261, 262). Dabei gibt es zwar keine allgemeine Verpflichtung, in jeder Hinsicht dessen Vermögensinteressen wahrzunehmen und unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten "so kostengünstig wie möglich" zu bauen (Senatsurteil vom 23. November 1972 - VII ZR 197/71, BGHZ 60, 1, 3). Es kann aber Aufgabe des Architekten sein, auf die im öffentlichen Bauwesen bestehenden wirtschaftlichen Vorgaben Rücksicht zu nehmen (so im Falle BGH BauR 1988, 734, 735 - ZfBR 1988, 261, 262). Genauso hält es sich im Rahmen üblicher Architektentätigkeit, wenn ein Architekt es übernimmt - gegen ein besonderes Honorar oder ohne zusätzliche Verfügung -, für den Bauherrn öffentliche Fördermittel zu beantragen.
II.
1.
Das Berufungsgericht ist mit einer Hilfserwägung zu der Ansicht gelangt, das Verschulden der Klägerin an der Entstehung des Schadens überwiege hier jedenfalls so stark, daß das der Beklagten demgegenüber zurücktreten müsse.
2.
Auch diese Erwägung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Sie ist schon in sich widersprüchlich: Wenn angenommen wird, die Beklagte habe die vertragliche Nebenpflicht gehabt, die Klägerin jedenfalls rechtzeitig über ihre Untätigkeit zu unterrichten, dann ist nicht einzusehen, warum die Klägerin auf die Erfüllung dieser Pflicht nicht vertrauen durfte. Feststellungen hat das Berufungsgericht insoweit nicht getroffen.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil im Umfang der Annahme nicht bestehenbleiben. Es ist aufzuheben.
Da weitere Feststellungen erforderlich sind, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das auch über die gesamten Kosten der Revision zu entscheiden haben wird.
Fundstellen
Haufe-Index 1456556 |
BB 1996, 1796 |
NJW 1996, 1889 |