Leitsatz (amtlich)
›a) Vor Ablauf des Handelsvertretervertrages können Vereinbarungen, durch die der Ausgleichsanspruch eingeschränkt oder ausgeschlossen wird, grundsätzlich auch dann nicht wirksam getroffen werden, wenn zugleich der Handelsvertretervertrag für einen späteren Zeitpunkt aufgehoben und der Handelsvertreter mit sofortiger Wirkung freigestellt wird.
b) Zur Frage der Berücksichtigung eines Umsatzrückgangs im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 89b Abs. 1 Nr. 3 HGB.‹
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. |
OLG Karlsruhe |
Tatbestand
Der Kläger war aufgrund Vertrages vom 1. März 1983 als Handelsvertreter für die Beklagte tätig. Der Vertrag sollte jedenfalls bis zum 31. März 1986 dauern; die Beklagte war jedoch zur vorzeitigen Kündigung mit einer Frist von drei Monaten berechtigt, falls der Kläger den Umsatz im Vertragsgebiet nicht jährlich um mindestens 20 % steigerte.
Der Umsatz, der im Jahr 1982 DM 789.654,-- betragen hatte, ging 1983 auf DM 756.817,-- und 1984 auf DM 707.013,-- zurück. Unter Hinweis darauf kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 23. Januar 1985 das Vertragsverhältnis zum 30. April 1985.
Nach Widerspruch des Klägers gegen die Kündigung forderte die Beklagte mit Schreiben vom 5. Februar 1985 den Kläger auf, ihr binnen acht Tagen sämtliche noch ausstehenden Besuchsberichte für den Vertragszeitraum einzureichen, und drohte die fristlose Kündigung des Vertrages für den Fall an, daß der Kläger dieser Aufforderung nicht nachkommen würde.
Am 29. März 1985 kam es zu einem Gespräch zwischen den Parteien, in dem auch die beabsichtigte fristlose Kündigung erörtert wurde. Um Streitigkeiten über diese zu vermeiden, schlossen die Parteien am selben Tag folgende Vereinbarung:
"1. Im gegenseitigen Einvernehmen wird der Handelsvertretervertrag vom 1.3.1983 zum 30. April 1985 aufgelöst.
2. (Der Kläger) wird ab sofort freigestellt und erhält für den Monat April 1985 50 % seiner normalerweise üblichen Handelsvertreterprovision.
3. Damit sind sämtliche Forderungen sowohl von der (Beklagten) als auch von (dem Kläger) abgegolten und es bestehen keinerlei zukünftige Ansprüche beider Parteien."
Nach dem 29. März 1985 war der Kläger nicht mehr für die Beklagte tätig.
Mit der Klage hat der Kläger einen Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB in Höhe von mindestens DM 65.000,-- geltend gemacht. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten: Der Ausgleichsanspruch sei durch die Vereinbarung vom 29. März 1985 wirksam ausgeschlossen worden, zumindest aber nicht in der geltend gemachten Höhe begründet.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Klägers die Beklagte verurteilt, an den Kläger DM 32.700, -- nebst Zinsen zu zahlen. Mit ihrer zugelassenen Revision beantragt die Beklagte, das Berufungsurteil aufzuheben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist, und die Klage auch insoweit abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
I. 1. a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, die Abgeltungsklausel in Nr. 3 der Vereinbarung vom 29. März 1985 erfasse auch den Ausgleichsanspruch aus § 89 b HGB. Der Verzicht auf den Anspruch sei jedoch unwirksam. Nach § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB könne der Anspruch nicht im voraus, d.h. vor Beendigung des Vertragsverhältnisses, ausgeschlossen werden. Zwar seien Vereinbarungen wirksam, durch die gleichzeitig das Handelsvertreterverhältnis beendet und der Ausgleichsanspruch abbedungen werde. Dies gelte jedoch nicht, wenn der Ausschluß des Ausgleichsanspruchs sogleich, die Beendigung des Handelsvertretervertrages aber erst zu einem späteren Zeitpunkt wirksam werden solle. In einem solchen - auch hier gegebenen - Fall stünden sich die Parteien im Zeitpunkt des Anspruchsausschlusses noch als Unternehmer und als Handelsvertreter gegenüber. Es bestehe dann weiterhin die Gefahr, der § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB begegnen wolle, daß der Handelsvertreter durch seine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmer dazu veranlaßt werde, sich auf ihm nachteilige Abreden einzulassen.
b) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Nach § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB kann der Ausgleichsanspruch, der mit der rechtlichen Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses entsteht (BGH, Urt. v. 15.6.1959 II ZR 184/57, VersR 1959, 669, 670), nicht "im voraus" ausgeschlossen werden. Daraus folgt, daß Abreden, durch die der Ausgleichsanspruch eingeschränkt oder ausgeschlossen wird, wirksam sind, wenn sie nach Beendigung des Handelsvertretervertrages oder in einer Aufhebungsvereinbarung, die gleichzeitig den Vertrag beendet, getroffen werden (BGHZ 51, 184, 188 f.; BGH, Urt. v. 14.4.1988 - I ZR 122/86, NJW 1989, 35, 36 = WM 1988, 1207, 1208, st. Rspr.). Unwirksam sind ausgleichsabträgliche Abreden jedoch dann, wenn die gleichzeitig vereinbarte Auflösung des Handelsvertretervertrages erst in einem späteren Zeitpunkt wirksam werden soll (vgl. BGHZ 53, 89, 91). Dies ergibt sich aus dem Schutzzweck des § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB, der den Handelsvertreter vor der Gefahr bewahren will, sich aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von dem Unternehmen auf ihn benachteiligende Abreden einzulassen (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.1966 VII ZR 112/64, NJW 1967, 248, 249; Urt. v. 6.2.1985 I ZR 175/82, NJW 1985, 3076, 3077 = WM 1985, 838, 840). Diese Gefahr besteht im allgemeinen fort, solange das Vertragsverhältnis andauert, auch wenn es sich nach einer Kündigung seinem bereits bestimmten Ende nähert. Dies wird besonders deutlich im Fall einer Änderungskündigung des Unternehmers oder wenn der Handelsvertreter sonst hoffen kann, doch noch eine Fortdauer des Handelsvertreterverhältnisses zu erreichen (vgl. Rietschel, Anm. zu BGH LM HGB § 90 a Nr. 4). Aus Gründen der Rechtssicherheit gilt die zwingende Vorschrift des § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB auch dann, wenn der Handelsvertreter im Einzelfall dieses gesetzlichen Schutzes nicht mehr bedarf (BGH, Urt. v. 6.2.1985 - I ZR 175/82, NJW 1985, 3076, 3077).
Der Bundesgerichtshof hat allerdings in der Entscheidung BGHZ 55, 124, 126 f., auf die sich die Revision beruft, eine Einschränkung des Ausgleichsanspruchs in einer wenige Wochen vor dem Ablauf des Handelsvertretervertrages geschlossenen Abfindungsvereinbarung als wirksam angesehen. Dem hatte zugrunde gelegen, daß der Handelsvertretervertrag bereits über ein Jahr vor Abschluß der Abfindungsvereinbarung gekündigt worden war und der Handelsvertreter seine Tätigkeit für den Unternehmer bereits einige Zeit vor Abschluß der Vereinbarung eingestellt hatte, so daß das Vertragsverhältnis im Zeitpunkt des Abschlusses der Abfindungsvereinbarung tatsächlich schon beendet war. Mit dieser Fallgestaltung ist jedoch die vorliegend zu beurteilende Sachlage nicht vergleichbar.
Die Heranziehung der die vorbezeichnete Entscheidung des Bundesgerichtshofs tragenden Rechtsgrundsätze ist allerdings im Streitfall nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil § 89 b HGB nach Erlaß des Berufungsurteils durch Art. 1 Nr. 6 des am 1. Januar 1990 in Kraft getretenen Gesetzes zur Durchführung der EG-Richtlinie zur Koordinierung des Rechts der Handelsvertreter vom 23. Oktober 1989 (BGBl. I S. 1910) geändert worden ist. Bei dieser Neufassung ist zwar der Wortlaut des § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB unverändert geblieben, Art. 19 der EG-Richtlinie zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter vom 18. Dezember 1986 (ABl. EG Nr. L 382/17), der nunmehr zur Auslegung heranzuziehen ist, bestimmt aber, daß dem Handelsvertreter nachteilige Vereinbarungen über seinen Ausgleichsanspruch nicht "vor Ablauf des Vertrages" getroffen werden können. Auf den vorliegenden Fall ist jedoch § 89 b HGB noch in seiner alten Fassung anzuwenden (vgl. dazu Art. 2 Nr. 2 des angeführten Gesetzes).
Indessen fehlt es vorliegend an Umständen, unter denen nach den in der Entscheidung BGHZ 55, 124 dargelegten Rechtsgrundsätzen eine vertragliche Beschränkung des Ausgleichsanspruchs vor dem Ablauf des Handelsvertretervertrages als wirksam angesehen werden könnte. Anders als in dem damaligen Fall stand in vorliegender Sache das Vertragsende im Zeitpunkt der Abfindungsvereinbarung nicht schon seit langem fest. Der Kläger hatte auch nicht wie der damals klagende Handelsvertreter seine Tätigkeit bereits einige Zeit vor der Abfindungsvereinbarung beendet, sondern wurde erst durch den Vertrag vom 29. März 1985, der zugleich die Vertragsbeendigung und den Ausschluß des Ausgleichsanspruchs regelte, für die restliche Vertragsdauer freigestellt.
Das Berufungsgericht ist danach zu Recht davon ausgegangen, daß der Ausgleichsanspruch durch die Vereinbarung vom 29. März 1985 nicht wirksam ausgeschlossen wurde.
2. a) Zutreffend ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, daß der Ausgleichsanspruch des Klägers nicht nach § 89 b Abs. 3 Satz 2 HGB a.F. ausgeschlossen ist. Nach dieser Vorschrift besteht der Ausgleichsanspruch nicht, wenn der Unternehmer das Vertragsverhältnis gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß diese Voraussetzungen für den Wegfall des Ausgleichsanspruchs hier nicht gegeben seien: Das Ausbleiben von Umsatzsteigerungen sei nach dem Handelsvertretervertrag lediglich ein Grund zur ordentlichen Kündigung gewesen; auch aus der behaupteten Verletzung von Berichtspflichten habe die Beklagte keinen wichtigen Grund zur Kündigung herleiten können. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
b) Die Beurteilung, ob der Unternehmer einen wichtigen Grund für die Kündigung hat, ist im wesentlichen tatrichterlicher Natur. Die Prüfung in der Revisionsinstanz muß sich darauf beschränken, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes verkannt hat, ob ihm von der Revision gerügte Verfahrensverstöße unterlaufen sind, ob es etwa wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt hat oder Erfahrungssätze verletzt hat (BGH, Urt. v. 26.1.1984 - I ZR 188/81, WM 1984, 556, 558; Urt. v. 3.7.1986 - I ZR 171/84, NJW 1987, 57 = WM 1986, 1413, 1414; st. Rspr.). Die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe verkannt, daß die Beklagte deshalb einen wichtigen Grund zur Kündigung gehabt habe, weil der Kläger ihrer schriftlichen Aufforderung vom 5. Februar 1985, noch ausstehende Besuchsberichte für die gesamte bisherige Vertragszeit nachzuliefern, nicht nachgekommen sei. Die Beklagte habe nach ihrem unter Beweis gestellten Vortrag in einer Außendienstbesprechung vom 1./2. Oktober 1984 alle Anwesenden, auch den Kläger, darauf hingewiesen, daß sie auf der vereinbarten Berichtspflicht bestehe.
Mit diesem Vorbringen hat die Revision keinen Erfolg. Dabei kann offenbleiben, ob § 89 b Abs. 3 Satz 2 HGB a.F. auf einen Fall der vorliegenden Art überhaupt anwendbar ist. Da der von der Beklagten in der Revisionsinstanz allein noch als wichtiger Kündigungsgrund geltend gemachte Umstand erst nach ihrer ordentlichen Kündigung eingetreten ist und die Beklagte diesen Umstand nicht zum Anlaß einer außerordentlichen Kündigung genommen hat, käme hier allenfalls eine entsprechende Anwendung des § 89 b HGB in Betracht (vgl. BGHZ 48, 222, 225). Dies kann jedoch dahinstehen, weil das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes verneint hat.
Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, daß die Beklagte vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung am 23. Januar 1985 wußte, daß der Kläger nur sporadisch berichtet hatte. Obwohl der Handelsvertretervertrag eine Berichterstattung über die regelmäßig durchzuführenden Besuche bei Kliniken und Krankenhäusern vorgesehen habe, sei diese Regelung von der Beklagten nicht konsequent gehandhabt worden. Die nach der ordentlichen Kündigung ergangene Aufforderung, die Besuchsberichte nachzureichen, habe nach der eigenen Erklärung der Beklagten nicht mehr dem Zweck dienen sollen, dem Unternehmen eine laufende Kontrolle zu ermöglichen, sondern nur noch als Grundlage für die Prüfung einer weiteren Kündigungsmöglichkeit. Nach diesen Feststellungen, die entgegen der Ansicht der Revision auch nicht in Widerspruch zu dem Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 7. April 1986 stehen, begegnet die Ansicht des Berufungsgerichts keinen rechtlichen Bedenken, der Beklagten sei es nicht unzumutbar gewesen, das Vertragsverhältnis bis zum 30. April 1985, an dem es aufgrund der ordentlichen Kündigung ohnehin auslaufen sollte, fortzusetzen.
3. Die Revision beanstandet weiter ohne Erfolg die im wesentlichen tatrichterliche Bemessung des Ausgleichsanspruchs durch das Berufungsgericht.
a) Die Revision macht geltend, bei der Bemessung der Vorteile der Beklagten aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden (§ 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB) habe das Berufungsgericht das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 9. August 1988 nicht berücksichtigt, wonach der Beklagten aus der vorübergehenden Erweiterung des Geschäfts um einige Neukunden keine erheblichen Vorteile verblieben seien. Dabei übersieht die Revision jedoch, daß die Beklagte dieses Vorbringen in ihrem Schriftsatz vom 21. September 1988 unter Vorlage eines Computerauszugs über Umsätze mit Kunden im früheren Gebiet des Klägers berichtigt hat und daß das Berufungsgericht diese Liste bei seiner Würdigung berücksichtigt hat (BU 15 oben).
b) Nach Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht die Vorteile der Beklagten aus dem vom Kläger geschaffenen Kundenstamm auch deshalb unrichtig bestimmt, weil es übergangen habe, daß der Gesamtumsatz im Gebiet des Klägers während der Vertragszeit um 16 % zurückgegangen sei. Die Revision verkennt dabei jedoch, daß § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB insoweit allein darauf abstellt, welche Vorteile der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit vom Handelsvertreter geworbenen neuen Kunden nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses hat, und daß es dabei nicht auf einen Vergleich zwischen dem Gesamtumsatz des Unternehmers im Vertragsgebiet des ausgeschiedenen Handelsvertreters zu Beginn und am Ende des Vertragsverhältnisses ankommt (BGHZ 42, 244, 247; Begr. zu § 89 b HGB i.d. Fassung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. I/3856 S. 35; vgl. weiter Schröder, Recht der Handelsvertreter, 5. Aufl., § 89 b Rdn. 10; Staub/Brüggemann, Großkomm. z. HGB, 4. Aufl., § 89 b Rdn. 40).
Dies schließt allerdings nicht aus, daß ein derartiger Rückgang des Gesamtumsatzes gegebenenfalls im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB zu berücksichtigen ist. Diese Frage hat das Berufungsgericht geprüft und verneint. Ob seiner Begründung, daß der Kläger den Umsatzrückgang im Vertragsgebiet nicht schuldhaft verursacht habe, gefolgt werden könnte, kann offenbleiben (vgl. dazu OLG Schleswig VersR 1958, 315, 316; Schröder, aaO Rdn. 10 und 18 c; Küstner/v. Manteuffel, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, 5. Aufl., Rdn. 439; Brüggemann, aaO Rdn. 70). Denn im vorliegenden Fall ist der Umsatzrückgang bereits aus anderen Gründen bei der Billigkeitsprüfung nicht zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen. Da das Gesetz in § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB nur auf die Vorteile des Unternehmers aus der Geschäftsverbindung mit Neukunden, die der Handelsvertreter geworben hat, abstellt, kann der Verlust von Altkunden aus bestehenden Geschäftsverbindungen auch im Rahmen des § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB grundsätzlich nicht berücksichtigt werden (Küstner/v. Manteuffel, aaO Rdn. 439; Brüggemann, aaO Rdn. 70). Es müssen deshalb zu dem Umsatzrückgang als solchem jedenfalls besondere Umstände hinzutreten, damit eine Minderung des Ausgleichs aus Billigkeitsgründen vorzunehmen ist. Solche Umstände hat die Beklagte, die dafür darlegungs- und beweispflichtig ist (Schröder, aaO Rdn. 20 b; Küstner/v. Manteuffel, aaO Rdn. 687; Brüggemann, aaO Rdn. 120; Baumgärtel/Reinicke, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. 4, § 89 b HGB Rdn. 2) nicht dargetan. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts ist nicht nur offengeblieben, ob der Kläger den Umsatzrückgang schuldhaft verursacht hat, es ist vielmehr bereits ungeklärt, aus welchen Gründen es zu dem Umsatzrückgang kam. Die Revision rügt insoweit nicht, daß das Berufungsgericht bei seinen Feststellungen tatsächliches Vorbringen der Beklagten übergangen habe.
c) Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Vorteile der Beklagten aus der Geschäftsverbindung mit den neu geworbenen Kunden den von ihm ermittelten Provisionsverlusten des Klägers entsprächen; es hat dabei darauf verwiesen, daß die Beklagte selbst nichts Gegenteiliges vorgetragen habe.
Auch diese Beurteilung des Berufungsgerichts ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Die Bemessung des Ausgleichsanspruchs erfordert eine tatrichterliche Prognose über die künftige Entwicklung der Verhältnisse (BGHZ 56, 242, 246). Dabei ist das Gericht auf eine Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO angewiesen (BGH, Urt. v. 15.11.1984 - I ZR 79/82, NJW 1985, 860, 861). Die ihm dabei gesteckten Grenzen hat das Berufungsgericht nicht überschritten. Die Vorteile des Unternehmers aus dem durch den Handelsvertreter geschaffenen Kundenstamm müssen sich zwar nicht notwendig mit den Provisionsverlusten des Handelsvertreters decken. Zwischen den Vorteilen des Unternehmers und den Provisionsverlusten des Handelsvertreters besteht jedoch ein so enger Zusammenhang (vgl. dazu Brüggemann, aaO Rdn. 46; Stötter, Das Recht der Handelsvertreter, 3. Aufl., S. 295), daß das Berufungsgericht mangels jedweder dagegen sprechender Anhaltspunkte rechtsfehlerfrei schätzen konnte, daß die Unternehmervorteile des Beklagten und die Provisionsverluste des Klägers gleich hoch seien. Einer näheren Begründung für die Annahme dieses Zusammenhangs bedurfte es nicht, da ihn auch die Beklagte in den Vorinstanzen in keiner Weise in Frage gestellt hatte. Soweit die Revision hierzu auf Vorbringen der Beklagten in den Vorinstanzen Bezug nimmt, betrifft dieses nicht die Frage, ob der Unternehmervorteil der Beklagten den Provisionsverlusten des Klägers entspricht.
d) Die Revision kann auch nicht mit ihrer Rüge durchdringen, das Berufungsgericht habe bei der Billigkeitsprüfung nach § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, daß der Kläger die Kündigung durch schuldhaftes Verhalten, nämlich durch die Nichtabgabe der vertraglich vereinbarten Besuchsberichte, veranlaßt habe. Schuldhafte Vertragsverstöße des Handelsvertreters können allerdings, auch wenn sie nicht ausreichen, einen wichtigen Grund zur Kündigung zu geben, im Rahmen der Billigkeitserwägung zu berücksichtigen sein (BGH, Urt. v. 17.10.1984 - I ZR 95/82, WM 1985, 469). Im vorliegenden Fall fehlen dafür jedoch die Voraussetzungen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht ersichtlich, daß der Umsatz der Beklagten im Vertragsgebiet in irgendeiner Weise dadurch beeinträchtigt worden sein könnte, daß der Kläger nicht vereinbarungsgemäß berichtet hatte. Aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten geht vielmehr hervor, daß ihre nach der ordentlichen Kündigung an den Kläger gerichtete Aufforderung, noch ausstehende Besuchsberichte für die gesamte bisherige Vertragszeit nachzuliefern, lediglich dazu dienen sollte, weiteres Material zu sammeln, um das Handelsvertreterverhältnis auch gegen den Willen des Klägers beenden zu können. Wenn sich der Kläger dem verweigerte, kann dies nicht zu einer Minderung seines Ausgleichsanspruchs aus Billigkeitsgründen führen.
II. Die Revision der Beklagten ist danach als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2993662 |
BB 1990, 1366 |
NJW 1990, 2889 |
LM § 89b HGB Nr. 90 |
BGHR HGB § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Umsatzrückgang 1 |
BGHR HGB § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Vertragsverletzung 1 |
BGHR HGB § 89b Abs. 4 Satz 1 Abgeltungsvereinbarung 1 |
NJW-RR 1991, 105 |
WM 1990, 1496 |
ZIP 1990, 1197 |
MDR 1990, 793 |