Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzverwalter. Vergleich. Scheckzahlungsabrede. Erfüllungshalber übersandter Scheck. Velustgefahr des Schecknehmers. Schadensersatz bei Verlust. Rechtsvernichtender Einwand gegenüber Gläubigeransprüchen
Leitsatz (amtlich)
Geht beim Gläubiger eines vertraglichen Zahlungsanspruchs ein vom Schuldner erfüllungshalber übersandter Scheck ein, so ergeben sich für den Gläubiger Obhutspflichten, in Bezug auf die die am Geschäftssitz des Gläubigers mit dem Posteingang befassten Mitarbeiter desselben Erfüllungsgehilfen sein können.
Normenkette
BGB §§ 280, 278
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 20.1.2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Wiesbaden vom 19.7.2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelzüge.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Dieser gegenüber hatte sich der Beklagte in einem schriftlichen Vergleich vom 20.10.1999 verpflichtet, zum Ausgleich einer Forderung auf ein Maklerhonorar einen bestimmten - auch beglichenen - Geldbetrag zu bezahlen und ferner, "die entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beitreibung" i.H.v. 43.082,40 DM zu erstatten. Der Beklagte übersandte der Insolvenzschuldnerin mit der Post einen am 21.10.1999 über diesen Betrag ausgestellten Verrechnungsscheck, in dem in der Rubrik Zahlungsempfänger ("...oder Überbringer") handschriftlich "Anwalt" eingetragen war. Der Scheck gelangte, nachdem er bei der Insolvenzschuldnerin eingegangen war, in die Hände des L., eines Mitarbeiters - nach der Behauptung des Beklagten: des Justitiars - der Muttergesellschaft der Insolvenzschuldnerin (R. AG [im Folgenden: Muttergesellschaft]), die unter der gleichen Geschäftsadresse wie die Insolvenzschuldnerin tätig war. L. reichte den Scheck zur Gutschrift auf seinem Privatkonto ein, die auch erfolgte.
[2] Der Kläger hat geltend gemacht, die (restliche) Forderung gegen den Beklagten aus dem Vergleich vom 20.10.1999 sei nach wie vor offen. Das LG hat die auf Zahlung von 22.027,68 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen, das OLG hat ihr - bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen - stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
[3] Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des (insgesamt) klageabweisenden Urteils der ersten Instanz.
I.
[4] Das Berufungsgericht nimmt an, die damals noch der Insolvenzschuldnerin zustehende Forderung sei weder durch Erfüllung erloschen, noch stehe der Forderung die dauerhafte Einrede der Scheckhingabe entgegen. Die von dem Beklagten erstmals in seiner Berufungserwiderung aufgestellte Behauptung, er und die Insolvenzschuldnerin hätten vereinbart, dass die in Rede stehenden Kosten per Scheck zu Händen des L. gezahlt werden sollten, könne im zweiten Rechtszug keine Berücksichtigung mehr finden. Zwar hätte auch noch bei Hingabe des Schecks ein Scheckbegebungsvertrag zustande kommen können. Da L. aber nach dem erstinstanzlichen Vorbringen des Beklagten nur Verhandlungsvollmacht für die Insolvenzschuldnerin, nicht Abschlussvollmacht, gehabt habe, scheide eine derartige nachträgliche Vereinbarung hier aus.
II.
[5] Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der vom Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch besteht nicht mehr.
[6] 1. Ausgangspunkt ist, dass nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts der (restliche) Zahlungsanspruch der Insolvenzschuldnerin gegen den Beklagten aus dem Vergleich vom 20.10.1999 nicht durch Erfüllung i.S.d. § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist. Eine Forderung, zu deren Bezahlung erfüllungshalber ein Scheck hingegeben wurde, erlischt erst mit dessen Einlösung zugunsten des Scheckberechtigten. Abgesehen von der Frage, ob hier schon eine Begebung des Schecks durch den Beklagten an die Insolvenzschuldnerin erfolgt war (dazu unten 3. b), fehlt es an einer Einlösung des Schecks zugunsten der Insolvenzschuldnerin. Die Einlösung zugunsten des Privatkontos des L. bewirkte, wenn man von der Behauptung des Beklagten, es sei vereinbart gewesen, dass die nach der Vergleichsvereinbarung noch offenen Kosten per Scheck zu Händen des L. gezahlt werden sollten, absieht, die Erfüllung nicht.
[7] 2. a) Nach der Rechtsprechung des BGH, auf die sich das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend bezieht (BGH, Urt. v. 16.4.1996 - XI ZR 222/95, MDR 1996, 808 = NJW 1996, 1961; v. 12.7.2000 - VIII ZR 99/99, MDR 2000, 1364 = NJW 2000, 3344, 3345), gibt eine Scheckzahlungsabrede dem Scheckaussteller das Recht, die Bezahlung der Kausalforderung bis zur Rückgabe des unversehrten, insb. unbezahlten, erfüllungshalber hingegebenen Schecks zu verweigern; hieraus ergibt sich ein ständiges Leistungsverweigerungsrecht des Scheckausstellers für den Fall, dass die Verlustgefahr des Schecks entsprechend der getroffenen Scheckzahlungsabrede auf den Schecknehmer übergegangen ist und dieser den Scheck nicht unbezahlt zurückgeben kann, weil er von der bezogenen Bank inzwischen eingelöst worden ist.
[8] b) Dieser Grundsatz, der für die verschuldensunabhängige Einrede der Scheckhingabe gilt (vgl. Nobbe in Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. Bd. I § 60 Rz. 224 m.w.N.), lässt indessen unberührt, dass dann, wenn der Empfänger des Schecks das Abhandenkommen desselben zu vertreten hat, dem Aussteller desselben auch unabhängig von einer Scheckzahlungsabrede ein Schadensersatzanspruch aus schuldhafter Verletzung einer Sorgfaltspflicht zustehen kann, den er - wie dies hier auch der Beklagte schon in erster Instanz getan hat - der Kausalforderung entgegenhalten kann (vgl. BGH, Urt. v. 16.4.1996a.a.O.; Nobbe a.a.O. Rz. 225; Häuser, in MünchKomm/HGB Bd. 5 ZahlungsV Rz. D 363; Bilda DB 1981, 1383, 1387; vgl. auch - allgemein für Geldschulden - Krüger, in MünchKomm/BGB 4. Aufl., § 270 Rz. 15). Das kann im Ergebnis zu einem rechtsvernichtenden Einwand des Schuldners ggü. dem Zahlungsanspruch des Gläubiger führen, weil Letzterer den Ersteren so zu stellen hat, als sei der zum Schadensersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten (§ 249 BGB).
[9] 3. Es kommt im Streitfall im Ergebnis nicht darauf an, ob zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Beklagten im Zusammenhang mit dem Vergleichsschluss eine Scheckzahlungsabrede getroffen wurde. Demzufolge braucht auf die Verfahrensrüge der Revision, das Berufungsgericht hätte den betreffenden, unter Zeugenbeweis gestellten, Vortrag des Beklagten im Berufungsverfahren (der Sache nach: gem. § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) zulassen müssen, nicht eingegangen zu werden.
[10] Denn unabhängig davon ergibt sich aus der Übersendung des Schecks durch den Beklagten sowie dem Eingang und der weiteren Behandlung desselben bei der Insolvenzschuldnerin, dass der Kläger (die Insolvenzschuldnerin) sich so behandeln lassen muss, als sei die streitige Kostenerstattungsforderung beglichen worden.
[11] a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts dürfte durch diesen Vorgang ein Scheckbegebungsvertrag zwischen der Insolvenzschulderin und dem Beklagten zustande gekommen sein.
[12] aa) In der Übersendung des Schecks kann zwanglos ein schlüssig erklärtes Angebot des Beklagten an die Insolvenzschuldnerin als seine Gläubigerin auf Abschluss eines solchen Vertrages gesehen werden. Dieses Angebot kann die Insolvenzschuldnerin durch widerspruchslose Entgegennahme des Schecks angenommen haben (vgl. Nobbe a.a.O. Rz. 225; OLG München v. 8.4.1992 - 27 U 543/91, NJW-RR 1993, 117; OLG Hamburg v. 29.1.1997 - 8 U 99/96, OLGReport Hamburg 1998, 77 = WM 1997, 2027, 2028), ohne dass die Annahme dem Beklagten gegenüber erklärt zu werden brauchte (vgl. § 151 BGB). Das konnte auch dadurch geschehen sein, dass L., falls es sich bei ihm um einen zur Öffnung und zur weiteren Disposition über die Posteingänge (auch) der Insolvenzschuldnerin ermächtigten - wenn auch möglicherweise nur zu der Muttergesellschaft der Insolvenzschuldnerin mit dem gleichen Geschäftssitz in einem Angestelltenverhältnis stehenden - Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin handelte, in Wahrnehmung seiner Zuständigkeit in der Geschäftsstelle der Insolvenzschuldnerin über den hier in Rede stehenden Posteingang verfügte.
[13] bb) Wie bereits das LG in seinem Urteil festgestellt hat, ohne dass der Kläger dem in seiner Berufungsbegründung entgegengetreten wäre, war L. seitens der Insolvenzschuldnerin die Möglichkeit eingeräumt, die an sie gerichtete Post in Empfang zu nehmen und zu öffnen. Nach der Behauptung des Beklagten war er sogar zur Entgegennahme des Schecks (und darüber hinaus zur Scheckeinlösung) befugt. Im Hinblick darauf, dass der Kläger - dessen Sache es gewesen wäre, nähere Einzelheiten über die Büroorganisation der Insolvenzschuldnerin, einschließlich möglicher Einflussnahmen der an derselben Geschäftsadresse agierenden Muttergesellschaft, und insb. über die Funktionen und Kompetenzen des Zeugen L. vorzutragen (vgl. BGH, Urt. v. 1.12.2005 - IX ZR 95/04, MDR 2006, 835 = BGHReport 2006, 460 = ZIP 2006, 192, 194) - sich auf bloßes Bestreiten mit Nichtwissen beschränkt hat, spricht alles dafür, eine der Insolvenzschuldnerin zuzurechnende "Entgegennahme" des Schecks im Sinne der konkludenten Annahme des Angebots des Beklagten auf Abschluss eines Scheckbegebungsvertrages anzunehmen.
[14] Auch dies bedarf keiner abschließenden Beurteilung.
[15] b) Entscheidend ist, dass die Insolvenzschuldnerin den in Rede stehenden Vorgang, der infolge der Einlösung des Schecks auf dem Privatkonto des L. zu einem Schaden des Beklagten in Höhe der Klageforderung führte, als Pflichtverletzung (positive Vertragsverletzung) aus dem Grundgeschäft des Beklagten mit der Insolvenzschuldnerin zu vertreten hat (§§ 276, 278, 249 BGB). Die Zahlung mit Scheck war so verkehrsüblich, dass der Gläubiger einen erhaltenen Scheck unverzüglich zurückgeben musste, wenn er ihn nicht annehmen wollte (vgl. BGHZ 44, 178, 182; BGH, Urt. v. 27.1.1977 - II ZR 5/75, WM 1977, 1019, 1020; Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl. Rz. 762). Aus der Verkehrsüblichkeit der Scheckzahlung ergab sich für den Empfänger auch die Pflicht, einen auf diese Weise zugegangenen Scheck in Obhut zu nehmen. Hinsichtlich der sich darauf ergebenden Pflichten der Insolvenzschuldnerin ggü. dem Beklagten war - je nach der internen Organisation der Insolvenzschuldnerin - L. ihr Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB). Die Last näheren Vortrags hierzu lag, wie gesagt, beim Kläger, der allein die Vorgänge im Geschäft der Insolvenzschuldnerin in Erfahrung bringen konnte. Gehörte - wie nach allem zugrunde gelegt werden muss - die Behandlung des Posteingangs einschließlich der Disposition über eingegangene Schecks zum allgemeinen Umkreis des Aufgabenbereichs des L., so wäre der Zusammenhang des vorliegenden Geschehens mit der Vertragserfüllung selbst dann nicht unterbrochen, wenn eine vorsätzliche unerlaubte Handlung vorläge (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 66. Aufl., § 278 Rz. 20 m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1728834 |
DB 2007, 1192 |
BGHR 2007, 585 |
EBE/BGH 2007 |
EWiR 2007, 425 |
WM 2007, 1171 |
WuB 2007, 671 |
ZIP 2007, 904 |
MDR 2007, 824 |
ZBB 2007, 206 |