Leitsatz (amtlich)
Für die Anerkennung der internationalen Zuständigkeit US-amerikanischer Bundesgerichte ist allein darauf abzustellen, ob irgendein Gericht innerhalb der gesamten USA zuständig ist.
a) Das verfahrenseinleitende Schriftstück kann auch dann ordnungsgemäß zugestellt sein, wenn es keinen bestimmten Antrag enthält, aber dem Beklagten hinreichend zu erkennen gibt, aus welchem Rechtsgrund von ihm Zahlungen in beträchtlicher Höhe verlangt werden.
b) Eine Zustellung kann rechtzeitig sein, wenn dem Beklagten zwar eine verhältnismäßig kurze Erwiderungsfrist gesetzt wird, diese aber allgemein auf begründeten Antrag ausreichend verlängert wird.
a) Hat sich ein Beklagter trotz ordnungsgemäßer und rechtzeitiger Klagezustellung nicht auf das ausländische Verfahren eingelassen und gilt er deshalb als säumig, wird die deutsche öffentliche Ordnung nicht ohne weiteres dadurch verletzt, daß der Beklagte zu einem anschließenden Verhandlungstermin nicht mehr geladen wird.
b) Hat sich der Beklagte im Ausland nicht eingelassen, kann er im Anerkennungsverfahren rügen, der Gegner habe das Urteil durch vorsätzlich falschen Prozeßvortrag im Erststaat erschlichen; diese Voraussetzung muß der Beklagte beweisen.
Erkennt eine ausländische Rechtsordnung den deutschen Gerichtsstand des Vermögens nicht an, kann die Gegenseitigkeit dennoch verbürgt sein, soweit das ausländische Recht die deutsche internationale Zuständigkeit spiegelbildlich unter einem anderen Gesichtspunkt anerkennt, den das deutsche Recht wiederum nicht kennt.
Die Verbürgung der Gegenseitigkeit muß beweisen, wer die Anerkennung des ausländischen Urteils im Inland erstrebt.
Normenkette
ZPO § 328 Abs. 1 Nrn. 1-2, 4-5, § 23
Verfahrensgang
OLG Hamm (Aktenzeichen 1 U 2/96) |
LG Bielefeld (Aktenzeichen 9 O 110/95) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 4. Juni 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die in W./USA ansässige Klägerin erwarb im Jahre 1986 von der L. Company, Inc. aus I./USA eine Stahldrehmaschine, welche die L. Lü. hergestellt hatte. Der Beklagte zu 1) war alleiniger Anteilsinhaber und Präsident der L. Company, Inc. sowie Betriebsleiter der L. Lü. Inhaberin dieser Firma war seinerzeit die Beklagte zu 2); im Jahre 1990 übernahm die Beklagte zu 3) die Firma.
Nach Darstellung der Klägerin wies die Drehmaschine Mängel auf und konnte nicht ordnungsgemäß in Betrieb genommen werden. Die Klägerin verklagte Anfang 1991 zunächst die L. Company, Inc. vor dem United States District Court, Eastern District of W., auf Schadensersatz. Anschließend erstreckte sie die Klage auch auf die – in Deutschland wohnenden – Beklagten zu 1) bis 3), jeweils mit dem Zusatz „geschäftlich tätig als L. Lü.”. Die Klageschrift nebst Vorladung wurde den Beklagten am 23. März 1991 zugestellt. Zu dieser Zeit gehörte den Beklagten zu 1) und 2) ein Grundstück im Staat I., USA, das sie im Laufe des Jahres 1991 an die Beklagte zu 3) übertrugen. Die Beklagten und die L. Company, Inc., die im Sommer 1991 in den USA Konkurs anmeldete, ließen sich auf das Verfahren nicht ein. Durch Versäumnisurteil vom 16. Januar 1992 (90 - C - 1152) verurteilte das US-amerikanische Distriktgericht die Beklagten, als Gesamtschuldner an die Klägerin $ 2.280.057,30 nebst Kosten und Auslagen zu zahlen; von der Urteilssumme entfielen $ 1 Mio. auf Strafschadensersatz.
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin die Vollstreckbarerklärung des US-amerikanischen Urteils gegen die Beklagten zu 1) bis 3) wegen des auf Ausgleichsschadensersatz entfallenden Teilbetrages von $ 1.280.057,30 nebst Kosten und Auslagen in Höhe von $ 120. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht (sein Urteil ist abgedruckt in RIW 1997, 1039 ff) hat sie abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat die Klage für zulässig gehalten und ausgeführt, insbesondere könnten die Beklagten keine Prozeßkostensicherheit gemäß § 110 Abs. 1 ZPO verlangen. Demgegenüber hat die Revisionserwiderung erstmals nach Antragstellung in der mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht im Wege der Gegenrüge auf den seit August 1998 neu gefaßten Inhalt des § 110 ZPO verwiesen.
§ 113 Satz 2 ZPO ist für die vorliegende Klage bedeutungslos. Der Klägerin ist keine Frist zur Leistung einer Sicherheit für die Prozeßkosten bestimmt worden. Die darauf gerichteten, in den Vorinstanzen gestellten Anträge der Beklagten sind durch Zurückweisung erledigt worden. Sogar wenn man die Gegenrüge der Revision als ein erneutes Verlangen nach Prozeßkostensicherheit im Sinne von § 110 Abs. 1 ZPO auslegen könnte, wäre es als solches verspätet. Der Senat vermag dem Kläger keine Frist im Sinne des § 113 Satz 1 ZPO mehr zu setzen, nachdem in der Hauptsache mündlich verhandelt worden ist (§ 137 Abs. 1 ZPO). Denn jedenfalls von diesem Zeitpunkt an darf die Gegenpartei auf einer Entscheidung gemäß der gegenwärtigen Rechtslage bestehen.
II.
Zur Begründetheit der Klage hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die Klage sei nach § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO unbegründet, weil Gerichte des US-Teilstaates W. nicht zur Entscheidung zuständig gewesen seien. § 23 ZPO stütze die Zuständigkeit nicht, weil die Beklagten nicht dort, sondern im Teilstaat I. Vermögen gehabt hätten. Bei „Mehrrechtsstaaten” sei auf den jeweiligen Einzelstaat mit autonomer Gesetzgebung und Gerichtsorganisation als Urteilsstaat abzustellen. Eine solche Sichtweise entspreche der Eigenständigkeit des Rechts- und Gerichtssystems der jeweiligen US-Bundesstaaten und stehe im Einklang mit der Praxis, die für die Frage, ob die Gegenseitigkeit im Sinne des § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO verbürgt ist, auch auf den jeweiligen US-Bundesstaat abstelle. Wie Art. 4 Abs. 3 EGBGB verdeutliche, sei der Begriff „Staat” nicht notwendigerweise deckungsgleich mit dem Gesamtstaat als Völkerrechtsubjekt. Es könne ebenso eine Untergliederung des Gesamtstaates mit selbständiger Teilrechtsordnung gemeint sein. Schließlich werde die hier vertretene Auffassung auch dem Sinn und Zweck des § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gerecht, der die Durchsetzung der deutschen Vorstellungen über die Gerichtspflichtigkeit bezwecke und damit wesentlich dem Schutz des Beklagten diene.
III.
In dieser Allgemeinheit teilt der erkennende Senat die Auffassung des Berufungsgerichts nicht. Das Urteil, um dessen Vollstreckbarkeit hier gestritten wird, stammt von einem Gericht des Bundesstaates USA, nämlich eines Federal District Court. Jedenfalls für die internationale Zuständigkeit US-amerikanischer Bundesgerichte ist gemäß § 723 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO allein zu prüfen, ob irgendein Gericht innerhalb der gesamten USA zuständig ist.
1. § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO stellt nur darauf ab, ob „die Gerichte” des Erststaates nach den deutschen Gesetzen – international – zuständig sind. Ob gerade das einzelne Gericht, das entschieden hat, auch örtlich zuständig wäre, ist unerheblich (RGZ 51, 135, 136 f; Zöller/Geimer, ZPO 21. Aufl. § 328 Rdnr. 97; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht 2. Aufl. Rdnr. 836; vgl. RGZ 107, 308, 309; BGHZ 34, 134, 138; Stein/Jonas/Roth, ZPO 21. Aufl. § 328 Rdnr. 86).
US-amerikanische Bundesgerichte waren hier, spiegelbildlich an den deutschen Gesetzen gemessen, im Hinblick auf die Grundstücke der Beklagten im Teilstaat I. zuständig. Solange Deutschland die sehr weitreichende Zuständigkeit des § 23 ZPO für sich selbst in Anspruch nimmt, bestimmt diese aus deutscher Sicht auch umgekehrt die internationale Zuständigkeit der anderen Staaten mit (Zöller/Geimer, aaO Rdnr. 96b; MünchKomm-ZPO/Gottwald, § 328 Rdnr. 60; Schack, aaO Rdnr. 837; vgl. RGZ 51, 135, 136 f; 75, 147, 148 f; OLG Frankfurt IPRax 1982, 71, 73; ferner BGH, Beschl. v. 28. Oktober 1996 - X ARZ 1071/96, RIW 1997, 238, 239; zur weiteren Frage der Gegenseitigkeit siehe unten IV. 4). Für den vorliegenden Fall ist nicht etwa dargetan, daß das Grundstück der Beklagten keinen wesentlichen Befriedigungswert gehabt hätte. Ob auch im Rahmen des § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO spiegelbildlich die Einschränkung gilt, daß § 23 ZPO zusätzlich einen hinreichenden Inlandsbezug voraussetzt (vgl. BGHZ 115, 90, 94 ff), kann hier offenbleiben. Denn für die in den USA ansässige Klägerin konnten US-amerikanische Bundesgerichte ohnehin international zuständig sein; Anlaß für den Rechtsstreit bot eine in den USA gekaufte, von der Maschinenfabrik L. hergestellte Drehmaschine. Beide Umstände gaben jedenfalls einen ausreichenden Bezug zur Absicherung eines US-amerikanischen Vermögensgerichtsstands.
Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Zuständigkeitstatsachen ist – gemäß allgemeinen deutschen zivilprozessualen Regeln – grundsätzlich derjenige, der dem tatsächlichen Erkenntnisstand des ausländischen Urteils zugrunde liegt (KG NJW 1988, 649; BayObLGZ 1990, 217, 219; BayObLG NJW-RR 1992, 514; im Sinne einer Fortdauer auch Stein/Jonas/Roth, aaO Rdnr. 32), hier also derjenige der mündlichen Verhandlung vor dem US-amerikanischen Distriktgericht am 16. Januar 1992. Ein möglicher Wegfall der Voraussetzungen bis zum Zeitpunkt der Anerkennung in Deutschland wäre unerheblich, weil hier gerade nicht die Voraussetzungen für eine Verurteilung selbständig nachgeprüft werden (vgl. im Gegenteil § 723 Abs. 1 ZPO); statt dessen ist nur zu fragen, ob das ausländische Gericht bei seiner Entscheidung seine internationale Zuständigkeit aus deutscher Sicht mit Recht annehmen durfte. Im Januar 1992 gehörte das Grundstück im H. Park in C., I., der Beklagten zu 3). Die Beklagten zu 1) und 2) hatten zu dieser Zeit zwar möglicherweise selbst kein werthaltiges Vermögen in den USA mehr, weil sie das bezeichnete Grundstück während der Rechtshängigkeit des ausländischen Prozesses an die Beklagte zu 3) veräußert hatten; bei Zustellung der Klage gehörte es ihnen aber noch. Insoweit gilt aus deutscher Sicht § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ebenfalls spiegelbildlich (ebenso MünchKomm-ZPO/Gottwald, aaO Rdnr. 65; Zöller/Geimer, aaO Rdnr. 124; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 57. Aufl. § 328 Rdnr. 16 a.E.; vgl. auch BGHZ 34, 134, 140). Sogar wenn Einschränkungen dieses Grundsatzes für die internationale Zuständigkeit – etwa gegenüber Gesetzesänderungen – nicht allgemein auszuschließen sein sollten (so Stein/Jonas/Schumann, aaO § 261 Rdnr. 86, 88; Stein/Jonas/Roth, aaO § 328 Rdnr. 90, 98), gilt er jedenfalls gegenüber freiwilligen Verhaltensweisen von Beklagten, welche die Zuständigkeit – nur – des jeweils angegangenen Gerichts nachträglich entfallen lassen sollen oder können: Der Beklagte, der bei Zustellung einer Klage im Ausland noch Vermögen dort hatte, kann die dadurch begründete Zuständigkeit nicht durch eine Entäußerung des Vermögensstücks nachträglich wieder beseitigen. Zwar wäre ohne die Entäußerung des Grundstücks durch die Beklagten zu 1) und 2) hier auch keine Zuständigkeit eines US-amerikanischen Bundesgerichts gegenüber der Beklagten zu 3) begründet worden, doch schließt dies nicht die Zuständigkeit gegenüber allen drei Beklagten aus: Während der Rechtshängigkeit eines Prozesses kann das angerufene Gericht auch noch für die Klage gegen weitere Beklagte zuständig werden.
2. Das Berufungsgericht stützt sein gegenteiliges Ergebnis ersichtlich auf den Umstand, daß außer dem Bundesstaat USA auch alle seine Teilstaaten eigene, selbständige Gerichtsbarkeiten haben, die in erheblichem Umfang mit derjenigen der Bundesgerichte konkurrieren können. Für Gerichte von Teilstaaten oder autonomen regionalen Territorien der USA wird überwiegend die Meinung vertreten, daß auf die internationale Zuständigkeit des jeweiligen Teilstaates abzustellen sei (LG München I RIW 1988, 738; Stein/Jonas/Roth, aaO, § 328 Rdnr. 88; Schack, aaO Rdnr. 906; Rahm/Künkel/Breuer, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens VIII Rdnr. 256 a.E.; Baumbach/Lauterbach/ Hartmann, aaO Rdnr. 16; Sieg IPRax 1996, 77, 79 f; wohl auch BayObLG NJW 1990, 3099; a.M. LG Heilbronn RIW 1991, 343 mit insoweit ablehnender Anmerkung von Jayme IPRax 1991, 262; Zöller/Geimer aaO, Rdnr. 97 a; Staudinger/Spellenberg, BGB 13. Bearbeitung EGBGB/IPR, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, § 328 ZPO Rdnr. 350).
Welcher Ansicht insoweit zu folgen ist, braucht hier nicht allgemein entschieden zu werden. Jedenfalls ist eine territoriale Aufspaltung für die US-amerikanische Bundesgerichtsbarkeit nicht gerechtfertigt.
a) Der Bundesstaat USA ist ein eigenständiger Staat im Sinne des § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO mit autonomer Gesetzgebung. Seine Gerichte sind von denen der Teilstaaten getrennt und folgen im Ansatz eigenen Verfahrensregeln (vgl. von Hoffmann/Hau RIW 1998, 344, 349 f; Haas/Stangel IPRax 1998, 452, 455). Daß sie auch das an ihrem jeweiligen Sitz geltende regionale materielle Recht sowie ergebnisbezogenes Verfahrensrecht anzuwenden haben, soweit keine Bundesgesetze entgegenstehen (vgl. Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozeßrecht 2. Aufl. S. 14 ff), berührt die Unabhängigkeit des Gerichtssystems nicht.
Die internationale Zuständigkeit der US-amerikanischen Bundesgerichte insgesamt erfaßt das ganze Hoheitsgebiet der USA.
b) Der Zweck des § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO rechtfertigt eine Aufspaltung der einheitlichen Zuständigkeit eines Bundesstaates in mehrere regionale Teilzutändigkeiten ebenfalls nicht. Die Vorschrift soll zum einen sicherstellen, daß das Verfahrensrecht des Erststaates wenigstens im Ansatz auf international akzeptierte Grundsätze Rücksicht nimmt (vgl. MünchKomm-ZPO/Gottwald aaO, Rdnr. 53). Zum anderen soll sie den Beklagten davor schützen, sich vor ausländischen Gerichten verteidigen zu müssen, die nach inländischen Vorstellungen keinen genügenden Bezug zum Streitgegenstand haben (BGHZ 120, 334, 340 f). Beides beschränkt sich auf die Gerichtsbarkeit des Erststaates insgesamt, bezieht sich aber nicht auf die örtliche Zuständigkeit innerhalb dieses Staates. Das gilt auch dann, wenn mit dieser Zuständigkeit zugleich gewisse, voneinander abweichende prozessuale und materielle Rechtsregeln verbunden sind: Den Schutz des Beklagten vor der Anwendung bestimmten ausländischen Rechts übernimmt allein § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO.
Die gegenteilige Auffassung würde die Anerkennungsfähigkeit von Urteilen ausländischer Bundesstaaten sehr stark einschränken, indem ungeachtet ihrer eigenen Souveränität sowie unter Aufteilung ihres einheitlichen Staatsgebietes zusätzlich die Zuständigkeit des örtlich betroffenen Teilstaates vorausgesetzt würde. Das ist weder sachlich geboten noch international vertretbar. Im Gegenteil gebietet die Rechtsklarheit eine möglichst einheitliche Anknüpfung. Art. 4 Abs. 3 EGBGB hat daneben im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung. Daß im Rahmen der Gegenseitigkeitsprüfung nach § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ein anderer, speziellerer Bezugspunkt zugrunde zu legen sein kann (s.u. IV. 4), ist unerheblich. Denn dort geht es um eine Einschränkung der Anerkennungsfähigkeit allein im öffentlichen Interesse; der hierfür gebotene Vergleich mit dem ausländischen Anerkennungsverhalten gegenüber deutschen Urteilen kann sich nur auf die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls stützen.
Zwar weist die Revisionserwiderung zutreffend darauf hin, daß Kläger in den USA unter bestimmten Voraussetzungen die Wahl zwischen der Inanspruchnahme der Gerichte der Teilstaaten und denen der Bundesgerichtsbarkeit haben. Es mag sein, daß diese Wahl auch durch die erleichterte Anerkennungsfähigkeit von Urteilen der einen oder anderen Gerichtsbarkeit mit beeinflußt werden kann. Eine derartige Folge konkurrierender Zuständigkeiten ist aber für die Anerkennungsfähigkeit regelmäßig bedeutungslos. § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat nicht selbständig den Zweck zu verhindern, daß Kläger einen für sie verhältnismäßig günstigen Gerichtsstand auswählen. Allenfalls bei mißbräuchlichem Ausnutzen formaler Zuständigkeitsregelungen könnte und müßte gegebenenfalls die Anerkennung versagt werden, doch ist dafür hier nichts vorgetragen.
IV.
Das danach auf einem Rechtsfehler beruhende Berufungsurteil erweist sich derzeit nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 563 ZPO). Nach dem Vorbringen der Klägerin kommt der Erlaß eines Vollstreckungsurteils gemäß § 722 ZPO in Betracht.
1. Das Versäumnisurteil des Distriktgerichts vom 16. Januar 1992 ist im Sinne von § 723 Abs. 2 Satz 1 ZPO nach dem insoweit maßgeblichen ausländischen Recht rechtskräftig. Diese Voraussetzung hat allein den Zweck, ein bei Anerkennung bloß vorläufig vollstreckbarer Entscheidungen möglicherweise entstehendes mehrfaches Hin und Her bei der Anerkennung zu verhindern (Martiny, in: Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts Bd. III/1, Rdnr. 487; Wolff, in: Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts Bd. III/2, Kap. IV Rdnr. 37). Es kommt deshalb nur darauf an, ob die Entscheidung nach dem Prozeßsystem des Erststaates grundsätzlich unabänderlich ist. Das ist sie, wenn gegen die Entscheidung innerhalb des Ausgangsverfahrens kein Rechtsmittel mehr zulässig ist (Martiny, aaO Rdnr. 588; Thomas/Putzo/ Hüßtege, ZPO 21. Aufl. § 328 Rdnr. 3).
Das Versäumnisurteil des US-amerikanischen Distriktgerichts vom 16. Januar 1992 ist in diesem Sinne rechtskräftig. Fristen für Änderungsmöglichkeiten (Rule 59 der Federal Rules of Civil Procedure) oder Rechtsmittel (Rule 4 der Federal Rules of Appellate Procedure) sind nach dem Parteivortrag längst ergebnislos abgelaufen.
Das von den Beklagten zwischenzeitlich gestellte Wiedereinsetzungsgesuch wegen Versäumnis eines Rechtsbehelfs steht der Rechtskraft nicht entgegen (so ausdrücklich Rule 60 Abs. b Satz 3 der F.R.Civ.P.; vgl. Martiny, aaO Rdnr. 489). Es eröffnet noch nicht von sich aus wieder den Rechtsmittelzug gegen das Urteil selbst. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten hat das Bezirksgericht bisher nicht etwa dem Gesuch stattgegeben, sondern auf formelle Mängel des Antrags hingewiesen.
2. Die dem Urteil zugrunde liegende Klageschrift nebst deutscher Übersetzung wurde allen drei Beklagten ausweislich der öffentlichen Urkunde des Amtsgerichts Lü. am 23. März 1991 auf der Grundlage des Haager Zustellungs-Übereinkommens ordnungsgemäß und rechtzeitig zugestellt (§ 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Die Beklagten waren – ungeachtet etwaiger Erläuterungen in der Klageschrift, daß sie unter dem Namen der Maschinenfabrik Lü. aufgetreten seien – selbst als Beklagte bezeichnet.
a) Die Zustellung der „geänderten Klageschrift” vom 13. März 1991 genügte, weil nur diese sich gegen die drei Beklagten persönlich richtete. Sie war ordnungsgemäß. Daß entsprechend einer weit verbreiteten ausländischen Übung (vgl. Lange/Black, Der Zivilprozeß in den Vereinigten Staaten Rdnr. 13; Barnard, The Civil Court in Action, 2. Aufl. S. 56 f, 90 ff) ein bestimmter Antrag noch nicht in der Klageschrift angekündigt wurde, ist für die Wirksamkeit der Zustellung unerheblich. In zahlreichen Prozeßordnungen werden Anträge erst nach Erklärung der Verteidigungsbereitschaft des Beklagten oder sogar als Ergebnis eines auf Beweisermittlung gerichteten gerichtlichen Zwischenverfahrens beziffert. Zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ hat der Senat bereits entschieden, daß dieser Versagungsgrund nicht eingreift, wenn im einleitenden Schriftstück ein niedrigerer Antrag angekündigt als im späteren Verhandlungstermin gestellt wurde (Beschl. v. 10. Juli 1986 - IX ZB 27/86, WM 1986, 1370, 1371; vgl. auch BGH, Beschl. v. 21. März 1990 - XII ZB 71/89, NJW 1990, 2201, 2202). Der Schutzzweck des § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO erfordert einen bestimmten Antrag nicht (ebenso MünchKomm-ZPO/Gottwald, aaO Rdnr. 68; Schack, Zivilverfahrensrecht aaO Rdnr. 852; vgl. auch Zöller/Geimer, aaO § 328 Rdnr. 138 b, 138 c; a.M. Grunsky IPRax 1987, 219 f; wohl auch Stürner JZ 1992, 325, 333). Die Vorschrift soll durch das Abstellen auf einen formalisierten Nachweis gegen einen säumigen Beklagten gewährleisten, daß ihm bei der Verfahrenseinleitung rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) eingeräumt wurde. Dem ist schon genügt, wenn der Beklagte aufgrund der Angaben im einleitenden Schriftstück die Entscheidung sachgerecht zu treffen vermag, ob er sich darauf einläßt oder nicht. Für den weiteren Verfahrensablauf wird die Gewährung rechtlichen Gehörs im Erstverfahren durch § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO mittelbar erzwungen (s.u. 4 a).
Die den Beklagten zugestellte Klageschrift genügte jenen Mindestanforderungen. Sie vermittelte den Beklagten Kenntnis von dem gegen sie eingeleiteten Verfahren und gab an, daß aus Anlaß des bezeichneten Kaufvertrags sowohl Ausgleichs- als auch Strafschadensersatz in Höhe von mehr als 50.000 $ verlangt werde. Zu den einzelnen Folgen des angeblichen Vertragsbruchs hieß es jeweils, ihr Ausmaß sei noch im Prozeß festzusetzen. Darauf konnten die Beklagten ihre Entscheidung über eine Einlassung sachgerecht stützen.
Erst recht gehört die Ankündigung eines bestimmten Verhandlungstermins nicht schon zwingend zur Zustellung der Klageschrift (siehe unten 4 a).
b) Die Zustellung erfolgte auch rechtzeitig. In der zugestellten Klageschrift wurden die Beklagten zwar aufgefordert, binnen 20 Tagen zu antworten. Dies entspricht Rule 12 Abs. a F.R.Civ.P. Durch die verhältnismäßig kurze Frist wurde die Möglichkeit der Beklagten zur Verteidigung nicht unzumutbar erschwert; erst recht wurde nicht ihr Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Die Einlassungsfrist kann auf begründeten Antrag vom jeweiligen Kläger oder dem Gericht um bis zu weitere 20 Tage verlängert werden (vgl. Lange/Black, Rdnr. 14; Schurtmann/Walter, Der amerikanische Zivilprozeß S. 42). Derartige Möglichkeiten im ausländischen Prozeß muß auch eine inländische Partei auszunutzen versuchen; dafür reichte die gesetzte Frist jedenfalls aus.
Das Vorbringen der Beklagten läßt nicht erkennen, daß sie sich nicht einmal hierum hätten erfolgversprechend bemühen können. Die Klagezustellung traf sie weder völlig unvorbereitet noch ganz unerwartet. Wenigstens der Beklagte zu 1) war vorher viele Jahre lang als Anteilsinhaber und Präsident der L. Company, Inc. in den USA berufstätig gewesen. Der Klageerhebung war ein Schriftwechsel mit der Klägerin über die Abwicklung des fraglichen Kaufvertrages vorausgegangen. Die Beklagten legen selbst nicht dar, daß sie sich vor dem US-amerikanischen Gericht etwa nicht sachgerecht hätten vertreten lassen können. Wenn sie darauf bewußt verzichtet haben, weil sie erwarteten, daß das Urteil eines US-amerikanischen Gerichts in Deutschland keine Wirkungen haben würde, hilft ihnen das im vorliegenden Zusammenhang nichts. Tatsächlich hat die Klägerin erst mit Schriftsatz vom 19. November 1991 ein Versäumnisurteil beantragt. Sogar danach kann das US-amerikanische Gericht nach Rule 55 Abs. c F.R.Civ.P. ein Säumnisverfahren noch ablehnen, wenn dafür durchschlagende Gründe vorgetragen werden.
3. Aufgrund des Vorbringens der Klägerin führt die Anerkennung des Urteils des Bezirksgerichts auch nicht zu einem Ergebnis, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist (§ 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).
a) Zum Verhandlungstermin vor dem US-amerikanischen Distriktgericht am 16. Januar 1992 – also fast zehn Monate nach der Klagezustellung – sind die Beklagten nicht geladen worden. Dies stellt ebenfalls noch keinen Verstoß gegen den deutschen verfahrensrechtlichen ordre public dar (vgl. BGHZ 48, 327, 330 ff; dazu BVerfG, Beschl. v. 28. März 1968 - 1 BvR 740/67). Er umfaßt zwar die Prinzipien, die dem Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) zugrunde liegen. Diese erstrecken sich aber nicht auf eine bestimmte verfahrensrechtliche Ausgestaltung, insbesondere nicht auf eine Terminsladung. Sie verbieten allerdings grundsätzlich, eine Entscheidung zu erlassen, bevor der Betroffene Gelegenheit zur Äußerung hatte, und gebieten es, daß ein Beteiligter in der Lage sein muß, auf den Verfahrensablauf aktiv Einfluß zu nehmen. Dies wird durch die ordnungsmäßige Zustellung der Klageschrift ermöglicht. Darüber hinaus gewährleistet Art. 103 Abs. 1 GG nur die – von Staats wegen ungehinderte – zumutbare Gelegenheit, sich am Gerichtsverfahren zu beteiligen. Nimmt der Berechtigte sie nicht wahr, hindert das nicht die Anerkennung des ausländischen Urteils. Es stand hier allgemein im Machtbereich der Beklagten, sich in dem ihnen bekannten Verfahren in W. zu verteidigen. Für ihre eigene ordnungsmäßige Vertretung in einem ihr bekannten Gerichtsverfahren hat in erster Linie jede Partei selbst nach besten Kräften zu sorgen (BGHZ 118, 312, 321 ff). Durch Untätigkeit konnten sich die Beklagten dieser Obliegenheit nicht wirksam entziehen. Es íst nichts dafür ersichtlich, daß sie zum Verhandlungstermin nicht geladen worden wären, wenn sie ihre Verteidigungsbereitschaft und ihr Interesse an einer Teilnahme dem US-amerikanischen Gericht angezeigt hätten. Die reinen Säumnisfolgen waren bereits dadurch ausgelöst, daß sie sich im schriftlichen Vorverfahren nicht rechtzeitig geäußert hatten. Unter diesen Umständen kann auch ein deutsches Gericht gemäß § 331 Abs. 3 i.V.m. § 276 ZPO sogar ohne mündliche Verhandlung ein Versäumnisurteil erlassen. Wenn das US-amerikanische Distriktgericht zusätzlich einen besonderen Termin zur Verhandlung über die Säumnisfolgen anberaumt, aber nicht eine gesonderte Ladung der Beklagten hierzu veranlaßt hat, erscheint dieses Ergebnis aus rechtsstaatlicher Sicht nicht unerträglich. Da das verfassungsrechtliche Gebot einer fairen Verfahrensgestaltung unter den bezeichneten Voraussetzungen eine mündliche Verhandlung nicht einmal zwingend voraussetzt, verstößt das dem vorliegenden Versäumnisurteil zugrundeliegende Verfahren ebenfalls nicht dagegen.
Erst recht ergeben die kostenrechtlichen Erwägungen der Beklagten nichts für eine Verletzung der deutschen öffentlichen Ordnung (vgl. BGHZ 118, 312, 325 f).
b) Die Schadensberechnung im Urteil des US-amerikanischen Bezirksgerichts ist mit Grundsätzen des deutschen materiellen ordre public vereinbar. Gemäß dem Versäumnisurteil setzt sich der Ausgleichsschaden wie folgt zusammen:
Gezahlter Kaufpreis |
$ |
277.467,30 |
Bisherige Reparaturkosten |
$ |
23.692,06 |
Entgangener Gewinn |
$ |
756.365,25 |
Mehrkosten für den Erwerb einer Ersatzmaschine |
$ |
322.532,70 |
|
$ |
1.380.057,31 |
(Statt errechnet |
$ |
1.280.057,30) |
Auch nach deutschem Recht kann der Käufer unter bestimmten Voraussetzungen vom Verkäufer Schadensersatz verlangen (§ 463 BGB). Ob die Voraussetzungen und Folgen mit denen des entsprechenden ausländischen Rechts im einzelnen übereinstimmen, gehört grundsätzlich nicht zur deutschen öffentlichen Ordnung.
4. Endlich ist derzeit nicht auszuschließen, daß die Gegenseitigkeit im Sinne von § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO mit Bezug auf das hier fragliche Versäumnisurteil verbürgt ist. Eine Verbürgung in diesem Sinne liegt vor, wenn das beiderseitige Anerkennungsrecht und die Anerkennungspraxis bei einer Gesamtwürdigung im wesentlichen gleichwertige Bedingungen für die Vollstreckung eines Urteils gleicher Art im Ausland schaffen (BGHZ 42, 194, 196; 59, 116, 121). Insoweit ist im vorliegenden Zusammenhang – obwohl das anzuerkennende Urteil von einem US-amerikanischen Bundesgericht stammt (siehe oben III) – von der Rechtslage im Teilstaat W. auszugehen. Denn es gibt kein einheitliches Recht zur Anerkennung ausländischer Urteile für die USA insgesamt; die Anerkennungsvoraussetzungen richten sich vielmehr nach dem Recht der Teilstaaten (vgl. Weinschenk, Die Anerkennung und Vollstreckung bundesdeutscher Urteile in den Vereinigten Staaten unter den „Foreign Country Money Judgment Recognition Acts”, S. 37 f). Sogar US-amerikanische Bundesgerichte hätten deshalb über eine Anerkennung ausländischer Urteile gemäß dem Recht des Teilstaates zu befinden, in dem ihr Sitz ist (Schütze, Deutsch-amerikanische Urteilsanerkennung S. 8; Schack, Einführung aaO S. 77). Da im vorliegenden Falle ein Gericht mit Sitz in W. entschieden hat, ist darauf abzustellen, ob ein unter entsprechenden Voraussetzungen in Deutschland erlassenes Versäumnisurteil nach dem Recht des Staates W. anerkannt würde. Soweit bekannt, hat W. bisher nicht den „Uniform Foreign Money-Judgments Recognition Act” angenommen. Ausländische Urteile werden aber grundsätzlich gemäß den Regeln der „comity” anerkannt (Schütze JR 1989, 145 und in Urteilsanerkennung aaO S. 153 f; Weinschenk, aaO S. 205; Martiny in Handbuch aaO, Rdnr. 1568).
Fraglich kann danach aus US-amerikanischer Sicht insbesondere sein, ob – spiegelbildlich zum vorliegenden Fall gesehen – ein deutsches Gericht die persönliche Zuständigkeit (personal jurisdiction) über Beklagte gehabt hätte, die sämtlich in den USA wohnen und denen die Klage dort auch zugestellt worden wäre. Wäre das zu verneinen, so wäre für die hier zu beurteilende Fallgestaltung – ungeachtet allgemein anzuerkennender Gegenseitigkeit – diese nicht verbürgt (vgl. BGHZ 52, 251, 255 f; 53, 332, 335): Trotz der auch aus deutscher Sicht an sich vorliegenden internationalen Zuständigkeit des ausländischen Gerichts (s.o. III 2) wird diese aus Gründen der Gegenseitigkeit ausnahmsweise nicht anerkannt, wenn der Urteilsstaat exorbitante Zuständigkeiten nur für sich selbst beansprucht, sie aber anderen Staaten nicht in vergleichbarem Umfange zugesteht. Zur Sicherung dagegen ist die Gegenseitigkeit insoweit – partiell – als nicht verbürgt anzusehen (ebenso Stein/Jonas/Roth, aaO § 328 Rdnr. 152; vgl. auch Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung Band I, 2. Halbband, § 245 II 3, S. 1780).
Allein darauf, daß Personen mit Wohnsitz in den USA Vermögen auch in Deutschland haben, könnte eine deutsche internationale Zuständigkeit aus US-amerikanischer Sicht nicht gestützt werden, weil ein Gerichtsstand des Vermögens (§ 23 ZPO) in den USA nicht anerkannt wird (Weinschenk, aaO S. 89 f; Scoles/Hay, Conflict of Laws 2. Aufl. S. 1011). Allerdings genügt es, um das Gegenseitigkeitserfordernis im Sinne von § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO zu erfüllen, wenn das Recht des Staates W. ersatzweise eine deutsche internationale Zuständigkeit unter einem anderen, dem deutschen Recht an sich fremden Gesichtspunkt anerkennen würde. Insoweit könnte insbesondere auch nach den Regeln der „comity” der Gesichtspunkt eingreifen, daß die Beklagten eine Niederlassung im Erststaat unterhielten und das Verfahren einen daraus entstandenen Anspruch betraf (vgl. § 5 Buchst. a Nr. 5 des Uniform Foreign Money-Judgments Recognition Act).
a) Der Beklagte zu 1) unterhielt zwar nicht persönlich eine Niederlassung in den USA. Er war aber alleiniger Anteilsinhaber und Präsident der L. Company, Inc. mit Sitz in I. Zu klären ist, ob gemäß der in W. geltenden Rechtsauffassung als eine Niederlassung einer natürlichen Person im anerkennungsrechtlichen Sinne auch eine selbständige juristische Person gilt, die der natürlichen Person gehört, oder ob das Verhalten des Beklagten zu 1) anläßlich der Vertragsanbahnung oder -abwicklung die „personal jurisdiction” unter einem anderen Gesichtspunkt begründet. Trifft dies zu, könnte möglicherweise auch im umgekehrten Falle ein deutsches Urteil gegen eine natürliche Person mit Sitz in den USA anzuerkennen sein, die in Deutschland beispielsweise die Anteile einer GmbH innehält und als deren Geschäftsführer einen Kaufvertrag abschließt und abwickelt.
b) Die Beklagte zu 2) war, soweit dargetan, nicht an der L. Company, Inc. beteiligt. Sie war aber Inhaberin der L. Lü. Nach der Behauptung der Klägerin soll sie sich unter dieser Firma in den USA auch persönlich verpflichtet haben. In einem Schreiben vom 13. Mai 1988 hat sich die L. Lü. im Zusammenhang mit dem hier fraglichen Kaufvertrag zudem unmittelbar an die Klägerin gewandt.
Es ist danach nicht von vornherein auszuschließen, daß derartige Verhaltensweisen eines in den USA ansässigen Beklagten im Ausland hier aus US-amerikanischer Sicht ebenfalls eine internationale Zuständigkeit begründen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt eines Zuständigkeitsdurchgriffs (vgl. Schütze, Urteilsanerkennung aaO S. 167) oder von „business transactions” (vgl. Weinschenk, aaO S. 66 ff; Lange/Black, aaO Rdnr. 9; Schurtmann/Walter, aaO S. 38 f; aber auch Hay, Einführung in das amerikanische Recht 4. Aufl. S. 154 Fußn. 8; Scoles/Hay, aaO S. 1012).
c) Für die Beklagte zu 3) ist allerdings weder eine Niederlassung noch eine geschäftliche Tätigkeit in den USA substantiiert behauptet. Ob ihr gegenüber die Gegenseitigkeit verbürgt wäre, erscheint danach zweifelhaft.
d) Da diese Fragen in den Vorinstanzen bisher nicht näher erörtert worden sind, ist den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 139 ZPO). Die Darlegungs- und Beweislast für die Gegenseitigkeit trägt die Klägerin. § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO regelt, trotz seines Wortlauts, nicht durchweg Ausnahmen von einer regelmäßigen Anerkennungsfähigkeit, sondern überwiegend die Voraussetzungen jeder Anerkennung (Stein/Jonas/Roth, aaO § 328 Rdnr. 28, 30; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, aaO Rdnr. 14; vgl. BayObLG NJW 1976, 1037, 1038). Insbesondere ist die allein im öffentlichen Interesse eingeführte Voraussetzung der Gegenseitigkeit – welche die Anerkennungsfreundlichkeit ausländischer Staaten fördern soll – von demjenigen zu beweisen, der ein Vollstreckungsurteil erlangen will (vgl. MünchKomm-ZPO/Gottwald, aaO Rdnr. 93; Stein/Jonas/Roth, aaO § 328 Rdnr. 145; Martiny, aaO Rdnr. 1264). Die gegenteilige Erwägung, § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO solle nur erwiesene Verstöße gegen die zwischenstaatliche Kooperation vergelten (Pfeiffer RabelsZ 55 [1991], 734, 751 ff), wird dem vorbeugenden Gesetzeszweck nicht gerecht. Ihr kann allerdings durch einen großzügigen Maßstab der „Verbürgung” Rechnung getragen werden.
V.
Zu dem weiteren Verteidigungsvorbringen weist der Senat auf folgendes hin:
1. Nach der Behauptung der Beklagten zu 3) enthielt die ihr zugestellte Klageschrift keine Übersetzung in die deutsche Sprache.
a) Diese war für eine ordnungsmäßige Zustellung im Sinne von § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nötig. Denn im Verhältnis zwischen Deutschland und den USA ist das Haager Zustellungsübereinkommen vom 15. November 1965 (BGBl. 1977 II 1453) maßgeblich (vgl. Junker JZ 1989, 121; Weinschenk, aaO S. 51 ff). Auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 3 dieses Übereinkommens verlangt die Bundesrepublik Deutschland zum Schutz inländischer Beklagter gemäß § 3 des Ausführungsgesetzes vom 22. Dezember 1977 (BGBl. I 3105), daß das zuzustellende Schriftstück in deutscher Sprache abgefaßt oder in diese Sprache übersetzt ist. Das war ein wesentliches deutsches Anliegen bei den Vertragsverhandlungen (vgl. Denkschrift zu Art. 5 HZÜ, BT-Drucks. 7/ 4892 S. 44). Fehlt die Übersetzung, handelt es sich nicht um eine förmliche Zustellung, wie sie § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO voraussetzt. Seinen Zweck kann § 3 des Ausführungsgesetzes nur erfüllen, wenn ein Verstoß zur Unwirksamkeit der Zustellung führt. Deren Ordnungsmäßigkeit ist zudem selbständige Anerkennungsvoraussetzung neben ihrer Rechtzeitigkeit (BGHZ 120, 305, 310).
b) Die Heilung eines solchen Zustellungsmangels scheidet hier aus. Sie bestimmt sich auch auf der Grundlage des autonomen deutschen Anerkennungsrechts nach dem Recht des Gerichts des Urteilsstaates einschließlich der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge (BGHZ 120, 305, 311 f im Anschluß an EuGH IPRax 1991, 177, 178). Ob das hier vom US-amerikanischen Distriktgericht zu beachtende Recht eine solche Heilungsmöglichkeit vorsieht, ist nicht dargetan, aber auch unerheblich. Denn maßgeblich wäre sie nur, soweit sie mit dem Haager Zustellungsübereinkommen vereinbar wäre (ebenso BGHZ 120, 305, 312 f im Anschluß an Senatsbeschl. v. 20. September 1990 - IX ZB 1/88, NJW 1991, 641, 642); anderenfalls wäre die Nichtbeachtung dieses völkerrechtlichen Vertrages für den jeweiligen Urteilsstaat folgenlos, soweit sein nationales Recht Heilungsmöglichkeiten vorsieht. Im vorliegenden Falle entspricht eine Heilung nicht dem Haager Zustellungsübereinkommen.
Allerdings sieht Art. 5 Abs. 2 HZÜ regelmäßig die Zustellung durch einfache Übergabe des Schriftstücks an den Empfänger vor, wenn er zur Annahme bereit ist. Unter dieser Voraussetzung könnte auch eine auf anderem Wege fehlerhaft versuchte Zustellung geheilt werden. Sie ist hier aber nicht festzustellen. Vielmehr erfolgte die Zustellung ersatzweise (§ 181 Abs. 1 ZPO) an die Bedienstete B. C. Die Beklagte zu 3) leugnet zwar nicht, inzwischen die Klageschrift kennengelernt zu haben. Über ihre Annahmebereitschaft gegenüber einer Zustellung ist aber nichts bekannt.
Art. 15 HZÜ sieht inhaltlich nicht die Heilung eines Zustellungsmangels vor. Die Vorschrift gestattet vielmehr nur dem Urteilsstaat eine vertragsgerechte Verfahrensfortführung ohne ordnungsmäßigen Zustellungsnachweis. Damit wird nicht ein Zustellungsmangel selbst geheilt, sondern nur dessen verfahrensmäßige Auswirkungen werden gemildert (Senatsbeschl. v. 18. Februar 1993 - IX ZB 87/90, NJW 1993, 2088; Stürner JZ 1992, 325, 332; Rauscher IPRax 1991, 155, 159; wohl auch Schack, Zivilverfahrensrecht aaO Rdnr. 619).
Endlich verweist Art. 5 Abs. 1 Buchst. a HZÜ wegen der Zustellung auf die Form des ersuchten Staates. Daraus wird teilweise zugleich auch ein Verweis auf dessen Heilungsregeln abgeleitet (Stein/Jonas/Roth, aaO § 187 Rdnr. 27, 32 und § 328 Rdnr. 114; Schack, Zivilverfahrensrecht aaO Rdn. 618); eine Heilung könnte danach jedenfalls insoweit in Betracht kommen, als sie sowohl dem Recht des Urteilsstaates als auch dem des Zustellungsstaates entspricht. Sogar das würde hier aber der Klägerin nicht helfen, weil § 187 Satz 1 ZPO eine Zustellung ohne die erforderliche Übersetzung nicht heilt (BGHZ 120, 305, 313; Stürner JZ 1992, 325, 331; Stein/Jonas/Roth, aaO § 187 Rdnr. 33).
d) Allerdings weist die Zustellungsurkunde des Amtsgerichts Lü. vom 28. März 1991 aus, daß auch der Beklagten zu 3) Übersetzungen der zugestellten Schriftstücke in die deutsche Sprache zugeleitet worden sind. Das Fehlen der Übersetzung wird die Beklagte gemäß § 418 ZPO zu beweisen haben.
2. Die Beklagten machen geltend, das Versäumnisurteil des Distriktgerichts beruhe auf vorsätzlich falschem Prozeßvortrag der Klägerin. Die Anerkennung eines durch zielgerichtete Täuschung des ausländischen Gerichts erschlichenen Urteils verstößt gegen die deutsche öffentliche Ordnung im Sinne von § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (vgl. zu Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ Senatsbeschl. v. 10. Juli 1986 - IX ZB 27/86, WM 1986, 1370, 1371; Entsprechendes gilt auch nach § 4 Abs. b Nr. 3 des US-amerikanischen Uniform Foreign Money-Judgments Recognition Act). Dabei kommt es allein auf die Begründung zum Ausgleichsschadensersatz an, weil die weitergehende Verurteilung zu Strafschadensersatz hier nicht Streitgegenstand ist.
Das Versäumnisurteil des US-amerikanischen Distriktgerichts stützt die Verurteilung der drei Beklagten zu materiellem Schadensersatz auf die Behauptung der Klägerin, die Drehmaschine von den Beklagten gekauft zu haben [S. 1 der Anordnung des Richters vom 16. Januar 1992, Anlage K 6].
a) Nach den im vorliegenden Prozeß eingereichten Unterlagen war Verkäuferin der Maschine die L. Company, Inc. eine selbständige juristische Person. Daß dies dem Bezirksgericht verschwiegen worden wäre, ist nicht dargetan.
Der Beklagte zu 1) war alleiniger Anteilsinhaber und Präsident der Verkäuferin. Falls er damit nach dem Recht des Staates W. ebenfalls ohne weiteres als Verkäufer gilt, ist das auch im Hinblick auf die deutsche öffentliche Ordnung hinzunehmen (§ 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).
In der dem Versäumnisurteil zugrundeliegenden, geänderten Klageschrift vom 13. März 1991 heißt es ergänzend, die L. Company, Inc. in den USA sei nur „instrumentality, agent, representative and/or alter ego” der L. Lü. Dies könnte auf eine Mitverpflichtung der Beklagten zu 2) als Inhaberin dieser deutschen Maschinenfabrik hinweisen. Falls eine solche Rechtsfolge gemäß den Gesetzen des Staates W. aus dem genannten pauschalen Vorbringen abzuleiten ist, wäre das in Deutschland hinzunehmen, ohne daß § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO dem entgegenstünde.
Die Behauptung eines Verkaufs auch durch die Beklagten zu 1) und 2) persönlich beruht dann allein auf einer Bewertung ihrer Beteiligung an den beiden Maschinenfabriken L. Ein – unzutreffender – Tatsachenvortrag liegt in derartig pauschalen Wertungen nicht. Die Beklagten hätten sich dagegen gegebenenfalls vor dem US-amerikanischen Distrikgericht verteidigen müssen.
b) Nach dem bisherigen Vorbringen ist aber keinerlei tatsächliche Grundlage für die Behauptung der Klägerin zu erkennen, auch die Beklagte zu 3) habe die Drehmaschine mitverkauft. Ihr Name ist in keiner Urkunde erwähnt, die sich auf den Vertrag oder dessen Abwicklung bezieht. Es wird auch nichts dafür dargetan, daß diese Beklagte sich persönlich an irgendwelchen Verhandlungen mit Bezug auf den Vertrag beteiligt hätte. In der eidesstattlichen Versicherung des Präsidenten der Klägerin, Dr. D., vom 25. Oktober 1991 [Anlage Gc zum Schriftsatz der Beklagten vom 27. Mai 1997, S. 5] wird die Beklagte zu 3) nicht erwähnt. Sie hat die L. Lü. erst im Jahre 1990 übernommen, also rund vier Jahre nach dem Vertragsschluß und auch lange nach den letzten Schreiben, auf welche die Klägerin ihren Anspruch auf Strafschadensersatz gestützt hat. Das alles konnte der Klägerin nicht verborgen geblieben sein.
Unter diesen Umständen erscheint das Vorbringen unter Nr. 4 der geänderten Klageschrift vom 13. März 1991 unzutreffend, auch die Beklagte B. L. habe „at times relevant hereto” unter dem Namen L. Lü. Geschäfte abgewickelt. Dann könnte der Vorwurf der Beklagten zu 3) schlüssig sein, ihre Verurteilung habe die Klägerin durch vorsätzlich unrichtigen Vortrag, also einen Prozeßbetrug erwirkt.
Im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung ist ergänzender Tatsachenvortrag der Parteien jedenfalls insoweit zulässig, als aus der Art des Zustandekommens des anzuerkennenden Urteils ein Verstoß gegen § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO abgeleitet werden soll. Dem steht nicht der Grundsatz entgegen, daß ein betrügerisches Erschleichen eines ausländischen Urteils nicht mit denselben Beweismitteln dargelegt werden kann, deren sich ein Beklagter bereits im Ausgangsverfahren bedient hat oder hätte bedienen können (BGH, Beschl. v. 19. September 1977 - VIII ZR 120/75, NJW 1978, 1114, 1115). Dieser Grundsatz greift ein, wenn sich ein Beklagter vor dem Gericht des Erststaates tatsächlich verteidigt. Dagegen stellen sowohl § 328 Abs. 1 Nr. 2 als auch Nr. 4 ZPO es dem im Inland ansässigen Beklagten frei, sich im Ausland überhaupt einzulassen. Geht er das Risiko ein, sich im Ausland verurteilen zu lassen, so nimmt er die Erschwernis auf sich, im Anerkennungsverfahren nur noch eng begrenzte Verteidigungsmittel geltend machen zu dürfen. Jedenfalls der Betrugseinwand wird ihm aber nicht abgeschnitten.
Allerdings obliegt die Beweislast dafür, daß das Urteil des Erststaates auf vorsätzlich falschem Parteivortrag der Klägerin beruht, der Beklagten zu 3). Denn sie beruft sich auf anerkennungsfeindliche Tatsachen, die im Ersturteil nicht festgestellt sind.
Ausweislich der Eintragung im Handelsregister hat die Beklagte zu 3) bei der Übernahme der Firma L. Lü. die Haftung für die im Betrieb der früheren Inhaberin begründeten Verbindlichkeiten gemäß § 25 Abs. 2 HGB ausgeschlossen. Nur wenn eine solche Haftungsbeschränkung eines Firmenübernehmers vom Recht des Staates W. nicht anerkannt würde, hätte unzutreffender Vortrag über die Beteiligung der Beklagten zu 3) am Kaufvertrag das hier fragliche Versäumnisurteil nicht verursachen können. Dann wäre allerdings die Frage zu prüfen, ob eine solche ausländische Haftungserweiterung noch mit dem deutschen materiellen ordre public vereinbar ist.
Unterschriften
Paulusch, Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof, Fischer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 29.04.1999 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539301 |
BGHZ |
BGHZ, 286 |
NJW 1999, 3198 |
IStR 1999, 540 |
EWiR 2000, 55 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 1381 |
WuB 2000, 1185 |
ZIP 1999, 1226 |
EuZW 2000, 224 |
IPRax 2001, 230 |
JZ 2000, 107 |
MDR 1999, 1084 |
RIW 1999, 698 |
ZZP 1999, 473 |