Verfahrensgang

KG Berlin (Entscheidung vom 10.05.1983)

LG Berlin (Entscheidung vom 19.05.1982)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 10. Mai 1983 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 26 des Landgerichts Berlin vom 19. Mai 1982 wird zurückgewiesen, soweit sie gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von mehr als 254.848,86 DM nebst Zinsen geltend macht.

Im übrigen wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin stand seit langer Zeit in Geschäftsverbindung mit der Kommanditgesellschaft in Firma R. & Co. Straßenbau GmbH & Co. und hatte aus Lieferungen von Baustoffen gegen sie ständig Kaufpreisforderungen in beträchtlicher Höhe. Der Beklagte war deren alleiniger Kommanditist und zugleich der Geschäftsführer und alleinige Gesellschafter der persönlich haftenden Gesellschafterin, der R. Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Am 6. Februar 1979 begaben sich der Prokurist C. und der Angestellte M. der Klägerin in das Geschäftslokal der R. & Co. Straßenbau GmbH & Co. KG und verhandelten mit dem Beklagten über die Rückführung und Sicherung der Außenstände. Nachdem dieser sich zur Übernahme der von ihnen verlangten Bürgschaft bereit erklärt hatte, übersandte die Klägerin mit Schreiben vom 13. Februar 1979 ihm ein mit dem 6.2.1979 datiertes Schreiben folgenden Wortlauts:

"Sehr geehrter Herr K.,

im heutigen Gespräch zwischen Ihnen und unseren Herren M. und C. erklärten Sie sich bereit, für die Verbindlichkeiten der Fa. R. & Co. Straßenbau GmbH + Co. KG gegenüber uns die persönliche Bürgschaft zu übernehmen.

Der guten Ordnung halber bitten wir Sie, zur Bestätigung dieser Bürgschaft die Kopie dieses Schreibens zu unterzeichnen und uns zurückzuschicken.

Wir vertrauen auf eine weitere gute Zusammenarbeit und verbleiben

mit freundlichen Grüßen"

Der Beklagte unterzeichnete das Schreiben unter dem 14. Februar 1979 und sandte es der Klägerin zurück, die ihre Lieferungen fortsetzte. Mit Schreiben vom 11. Mai 1979 teilte sie der R. & Co. Straßenbau GmbH & Co. KG (im folgenden: Hauptschuldnerin) folgendes mit:

"Sehr geehrte Damen und Herren!

Wir hatten abgesprochen, daß Sie - neben der durch monatliche Wechsel erfolgenden Abdeckung des Altsaldos - uns zusätzliche Zahlungen leisten entsprechend der Höhe unserer laufenden neuen Lieferungen. Betrag und Termin dieser Zahlungen waren so definiert, daß Sie nach jeweils 30 Tagen den der/den Lieferung/en entsprechenden Betrag in bar zahlen.

Nach dieser Absprache sind folgende Zahlungen fällig:

1)

Am 10.5.79 (Lieferungen 1.1-10.4.79) DM 14.297,76

2)

Am 26.5.79 (" 17.4-26.4.79) DM 8.582,43

3)

Am 30.5.79 (" 27.4-30.4.79) DM 45.334,11

Wir bitten Sie daher, uns den ersten Betrag umgehend zur Verfügung zu stellen, und um rechtzeitige Überweisung der beiden nächsten Zahlungen.

Mit freundlichen Grüßen"

Am 1. März 1983 wurde über das Vermögen der Hauptschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet.

Die Klägerin nahm den Beklagten als Bürgen auf Erfüllung ihrer Kaufpreisforderungen aus eigenen Lieferungen und ihr am 9. Februar 1982 abgetretener Forderungen einer anderen Baustoffhandlung in Anspruch. In einem Parallelverfahren verlangte sie von dem Beklagten die Bezahlung von Wechselverbindlichkeiten, die die Hauptschuldnerin zur Erfüllung anderer Kaufpreisforderungen der Klägerin eingegangen war.

Über ihre in dem vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Ansprüche aus eigenen Lieferungen legte die Klägerin zahlreiche Rechnungen aus der Zeit vom 25. Mai bis zum 31. Dezember 1981 vor und verlangte jeweils Zinsen seit den in den einzelnen Rechnungen angegebenen Zahlungsterminen. Dazu trug sie in der Klageschrift vor, mit der schriftlichen Bürgschaftserklärung habe der Beklagte sich verpflichtet, schlechthin und unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin, also auch für die erst zukünftig entstehenden, einzustehen. Die Vorsitzende der Zivilkammer bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 19. Mai 1982. Der Beklagte trug mit der Klageerwiderung vor, die Vertreter der Klägerin und er seien sich darüber einig gewesen, daß die Bürgschaft nur zur Sicherung der bis zum 6. Februar 1979 entstandenen Forderungen der Klägerin dienen sollte, und berief sich dafür auf das Zeugnis von C. und M. sowie der Prokuristin G. der Hauptschuldnerin. Darauf entgegnete die Klägerin mit am 15. Mai 1982 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz, der Bürgschaft sei eine Beschränkung auf die bei ihrem Zustandekommen bestehenden Verbindlichkeiten fremd. In der mündlichen Verhandlung behauptete sie, es sei vereinbart worden, daß der Beklagte die Bürgschaft auch für die künftigen Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin habe übernehmen sollen, und berief sich dafür auf das Zeugnis der von dem Beklagten für seine gegenteilige Behauptung bereits benannten Zeugen C. und M.. Das Landgericht wies die Klage ab. Die Auslegung der Bürgschaftsurkunde ergebe zunächst, daß der Beklagte die Bürgschaft nicht für die der Klägerin erst nachträglich abgetretenen Forderungen der anderen Baustoffhandlung eingegangen sei. Ihr Wortlaut lasse auch nicht erkennen, daß sie auch für zukünftige Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin gegenüber der Klägerin habe gelten sollen. Der Sachvortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, die Parteien seien sich darüber einig gewesen, daß die Bürgschaft sich auch auf diese habe erstrecken sollen, sei gemäß § 296 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Seine Zulassung würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögert haben. Die Klägerin sei gemäß § 282 Abs. 1 (richtig: Abs. 2) ZPO gehalten gewesen, ihn so rechtzeitig schriftsätzlich vorzubringen, daß der Beklagte Gelegenheit gehabt hätte, vor dem Termin Gegenbeweis anzutreten. Die Verspätung beruhe auf grober Nachlässigkeit, weil die Klageerwiderung dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin bereits am 20. April 1982 vorgelegen habe und deshalb eine frühere Stellungnahme möglich gewesen sei.

Die Berufung, mit der die Klägerin nur noch die Forderungen aus ihren eigenen Lieferungen weiterverfolgte, hatte - ebenso wie ihre Berufung in dem Parallelprozeß - Erfolg.

Mit der Revision, um deren Zurückweisung die Klägerin bittet, beantragt der Beklagte die Abweisung der Klage, soweit das Berufungsgericht ihr stattgegeben hat.

 

Entscheidungsgründe

I.

In Höhe von 45,01 DM ist die Revision begründet und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, weil die Summe der Einzelbeträge, zu deren Zahlung der Beklagte durch das Berufungsurteil in Höhe von 254.893,87 DM verurteilt worden ist, nur 254.848,86 DM beträgt.

II.

Im übrigen führt die Revision zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

1.

Das Berufungsgericht meint, der Beklagte habe durch die Rücksendung des von ihm am 14. Februar 1979 unterzeichneten Schreibens der Klägerin vom 6. Februar 1979 dieser die Bürgschaftserklärung schriftlich erteilt und sich ihr gegenüber wirksam verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeit der Hauptschuldnerin einzustehen (§§ 765 Abs. 1, 766 Satz 1 BGB). Das ist, wie auch die Revision nicht bezweifelt, richtig: Das Erfordernis der Schriftform, eigenhändige Namensunterschrift des Ausstellers der Urkunde (§ 126 Abs. 1 BGB), hat der Beklagte durch die Unterzeichnung des Schreibens erfüllt (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 1984 - IX ZR 83/82 = NJW 1984, 798). Damit ist der Beweis dafür begründet, daß er die in der Urkunde enthaltenen Erklärungen abgegeben (vgl. § 416 ZPO), sich also der Klägerin gegenüber bereit erklärt hat, "für die Verbindlichkeiten der Firma R. & Co. Straßenbau GmbH + Co. KG" die persönliche Bürgschaft zu übernehmen. Die Erklärung enthält alle wesentlichen Teile einer Bürgschaftserklärung, sie bezeichnet die Person des Gläubigers und die des Hauptschuldners, spricht den Verbürgungswillen aus und gibt die Schuld an, für die gebürgt werden soll.

Allerdings läßt der Wortlaut der Bürgschaftserklärung offen, ob der Beklagte sich nur für die im Zeitpunkt des Abschlusses des Bürgschaftsvertrages entstandenen oder auch für die danach erst entstehenden Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin gegenüber der Klägerin hat verbürgen wollen. Durch diese Unklarheit wird die Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrages nicht in Frage gestellt, wenn sie durch Auslegung behoben werden kann, wobei erforderlich ist, daß der durch Auslegung zu ermittelnde Wille über den Umfang der Bürgschaft irgendwie bereits in der Bürgschaftsurkunde seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. BGH Urteil vom 11. April 1957 - VII ZR 207/56 = WM 1957, 876; Urteil vom 27. Mai 1957 - VII ZR 410/56 = WM 1957, 1222; BGHZ 76, 187, 189). Das Berufungsgericht ist der Ansicht, weil eine ausdrückliche Begrenzung der Bürgschaft auf die "gegenwärtig bestehenden" Verbindlichkeiten nicht erklärt worden sei, könne nach dem Wortlaut - insbesondere unter Berücksichtigung der nach Abgabe der Erklärung fortgesetzten Geschäftsbeziehungen - auch davon ausgegangen werden, daß mit der Formulierung "Verbindlichkeiten" sowohl die bestehenden wie auch die künftigen gemeint gewesen seien. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

2.

Das Berufungsgericht hat das vom Landgericht zurückgewiesene Vorbringen der Klägerin zugelassen und darüber Beweis erhoben. Die dagegen gerichtete Rüge der Revision ist unbegründet.

Der nach Art. 12 Abs. 1 der Vereinfachungsnovelle vom 3. Dezember 1976 (BGBl I 3281) am 1. Juli 1977 in Kraft getretene § 528 Abs. 3 ZPO bestimmt, daß Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen worden sind, ausgeschlossen bleiben. Der Sachverhalt erfordert keine Entscheidung, ob entgegen dem vor dem 1. Juli 1977 geltenden Rechtszustande (vgl. BGH Urteil vom 21. Mai 1954 - V ZR 1/54 = LM PreisüberwVO § 4 Nr. 3; Urteil vom 12. November 1959 - II ZR 40/58 = LM ZPO § 529 Nr. 17) die Revision darauf gestützt werden kann, das Berufungsgericht habe Vorbringen zugelassen, das es nach § 528 Abs. 3 ZPO nicht hätte zulassen dürfen (vgl. BGH Urteil vom 21. Januar 1981 - VIII ZR 10/80 = NJW 1981, 928; Deubner NJW 1981, 929). Denn das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, daß die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 19. Mai 1982 aufgestellte Behauptung, es sei vereinbart worden, daß der Beklagte die Bürgschaft auch für die künftigen Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin übernehmen sollte, im ersten Rechtszug zu Unrecht zurückgewiesen worden ist. Nach § 296 Abs. 2 ZPO können Angriffs- und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 ZPO nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Versäumung auf grober Nachlässigkeit beruht. § 282 Abs. 1 ZPO bestimmt, daß jede Partei in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel so zeitig vorzubringen hat, wie es nach der Prozeßlage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozeßführung entspricht.

Das hat die Klägerin getan, die, nachdem sie bis dahin die Ansicht vertreten hatte, die Bürgschaft des Beklagten erstrecke sich ohne weiteres auch auf die erst nach Abschluß des Bürgschaftsvertrages entstandenen Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin, dann in der ersten mündlichen Verhandlung die Behauptung aufstellte, dies sei ausdrücklich vereinbart worden, und dafür Beweis antrat. Nach § 282 Abs. 2 ZPO sind Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich keine Erklärung abgeben kann, vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen, daß der Gegner die erforderliche Erkundigung einzuziehen vermag. Auch nach dieser Vorschrift hat die Klägerin ihre Prozeßförderungspflicht nicht verletzt, weil der Beklagte in der Klageerwiderung bereits behauptet und teilweise dieselben Zeugen dafür benannt hatte, daß die Parteien sich darüber einig gewesen seien, daß die Bürgschaft sich nur auf die bis Anfang Februar 1979 entstandenen, nicht auf die danach erst entstehenden Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin habe erstrecken sollen. Da er sich mithin zu dieser Frage unter Beweisantritt bereits erklärt hatte, hätte das Landgericht das neue Vorbringen der Klägerin nicht als verspätet zurückweisen dürfen.

3.

Das Berufungsgericht bejaht die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten für die den Gegenstand des Rechtsstreits bildenden, erst nach Abschluß des Bürgschaftsvertrages entstandenen Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin: Die Klägerin habe zwar nicht bewiesen, daß bei den der Bürgschaftserklärung vorangehenden Verhandlungen ausdrücklich darüber gesprochen worden sei, daß die Bürgschaft des Beklagten auch ihre künftigen Forderungen gegen die Hauptschuldnerin sichern solle.

Eines solchen Beweises bedürfe es jedoch nicht, weil nach dem weiteren Ergebnis der Beweisaufnahme die Bürgschaft für das zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin bestehende Kontokorrentverhältnis übernommen worden und die Kontokorrentschuld sich notwendigerweise auch auf die nach Abgabe der Bürgschaftserklärung entstehenden Forderungen erstreckte. Der Prokurist C. habe bekundet, daß die von der Hauptschuldnerin geleisteten Zahlungen auf die ältesten Forderungen verrechnet worden seien. Um ihre Verbindlichkeiten nicht weiter anwachsen zu lassen, hätten nach Abgabe der Bürgschaftserklärung Zahlungen in Höhe der Neulieferungen erfolgen sollen. Diese hätten auf die ältesten Forderungen verrechnet werden sollen, so daß notwendigerweise die neubegründeten Verbindlichkeiten offenblieben, bis sie wiederum durch weitere Zahlungen entsprechend dem Umfange der Neulieferungen getilgt worden seien. Aus dem Hinweis in dem Schreiben der Klägerin vom 11. Mai 1979, daß neben der durch monatliche Wechsel erfolgenden Abdeckung des Altsaldos zusätzliche Zahlungen "entsprechend der Höhe" der laufenden neuen Lieferungen geleistet werden sollten, folge, daß damit nicht die Neulieferungen hätten beglichen werden sollen. Wenn der Saldo einerseits durch Zahlungen der Hauptschuldnerin verringert und andererseits durch die weiterlaufenden Lieferungen wieder vergrößert worden sei, ergebe sich daraus das zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin bestehende Kontokorrentverhältnis. Werde in einem solchen Fall eine Bürgschaftserklärung für die Verbindlichkeiten des Warenempfängers abgegeben, spreche der Umstand, daß bei Abgabe der Bürgschaftserklärung der genaue Stand der Schulden nicht festgehalten worden sei, für eine Bürgschaft für das Kontokorrentverhältnis. Unter diesen Umständen wäre es Sache des Beklagten gewesen nachzuweisen, daß die Bürgschaft nur wegen der über der Kreditlinie von 200.000 DM liegenden Schulden und nur zur Absicherung der bis zum 6. Februar 1979 entstandenen Forderungen gedacht gewesen sei. Das habe die Beweisaufnahme nicht ergeben.

III.

Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.

1.

Nach § 355 Abs. 1 HGB liegt ein Kontokorrentverhältnis vor, wenn jemand mit einem Kaufmanne derartig in Geschäftsverbindung steht, daß die aus der Verbindung entspringenden beiderseitigen Ansprüche und Leistungen nebst Zinsen in Rechnung gestellt und in regelmäßigen Zeitabschnitten durch Verrechnung und Feststellung des für den einen oder anderen Teil sich ergebenden Überschusses ausgeglichen werden.

Daß zwischen ihr und der Hauptschuldnerin ein derartiges Verhältnis vereinbart gewesen sei, ist weder dem Tatsachenvortrag der Klägerin zu entnehmen, noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich. Wenn sie Zahlungen der Hauptschuldnerin zunächst auf ihre ältesten Forderungen gegen sie anrechnete, setzte das nicht nur voraus, daß diese bei der Leistung über die zu tilgende Schuld keine andere Bestimmung getroffen hatte (§ 366 Abs. 1 BGB), sondern auch, daß kein Kontokorrentverhältnis vorlag. Im übrigen schließt auch der Umstand, daß die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit die Summe zahlreicher selbständiger Einzelrechnungen mit den sich aus ihnen jeweils ergebenden unterschiedlich beginnenden Zinsansprüchen gegen den Beklagten als Bürgen geltend macht und im Parallelprozeß die Ansprüche aus zwei von der Hauptschuldnerin zur Erfüllung wiederum zahlreicher selbständiger Einzelforderungen angenommenen Wechseln, eine Kontokorrentforderung aus. Das hat das Berufungsgericht übersehen und, wie die Revision mit Recht rügt, seiner Entscheidung einen anderen Sachverhalt zugrunde gelegt, als ihn die Klägerin zur Begründung ihrer Klage behauptet hatte. Daß davon das Ergebnis seiner Beweiswürdigung, der Beklagte habe sich auch für die künftigen Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin verbürgt, beeinflußt worden sein kann, liegt auf der Hand.

Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, auf der Grundlage des Sachvortrages der Parteien die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.

2.

Falls sich eine ausdrückliche Vereinbarung der Bürgschaft des Beklagten auch für künftige Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin nicht feststellen lassen sollte, scheinen folgende Hinweise geboten:

a)

Für die Beantwortung der Frage, ob der Beklagte sich wirksam auch für die künftigen Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin verbürgt hat, kann von Bedeutung sein, daß die Klägerin in dem von ihm als Bürgschaftsurkunde unterzeichneten Schreiben vom 6. Februar 1979 ihr Vertrauen "auf eine weitere gute Zusammenarbeit" bekundet hat. Andererseits wird zu berücksichtigen sein, daß sie in dem Übersendungsschreiben vom 13. Februar 1979 um die Unterzeichnung des Schreibens vom 6. Februar 1979, um die zugesagte Ausstellung von Wechseln über insgesamt 120.000 DM und "um verbindliche Zusagen über den Abbau Ihrer Verbindlichkeiten" bat. Nach dem Wortlaut ihres Schreibens vom 11. Mai 1979 sollte der "Altsaldo" durch monatliche Wechsel abgedeckt werden und sollten daneben zusätzliche Zahlungen entsprechend der Höhe der neuen Lieferungen jeweils nach 30 Tagen in bar erfolgen. Nach dem Schreiben der Klägerin vom 1. Juni 1979 könnte die Hauptschuldnerin dem entsprochen haben.

b)

Entgegen der bisherigen Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagte hätte eine bestimmte Beschränkung der Bürgschaft nachweisen müssen, hat den Umfang der durch die Bürgschaft gesicherten Forderung nach allgemeinen Regeln der Gläubiger zu beweisen, Unklarheiten gehen zu seinen Lasten (BGHZ 76, 187).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI3018841

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