Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Entscheidung vom 29.06.2022; Aktenzeichen 9 U 139/21) |
LG Flensburg (Entscheidung vom 21.09.2021; Aktenzeichen 7 O 115/20) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 29. Juni 2022 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger begehrt als Verwalter in dem Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der G. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) von dem Beklagten als vormaligem Gesamtvollstreckungsverwalter die Rückzahlung eines Vergütungsvorschusses.
Rz. 2
Mit Beschluss des Amtsgerichts Dessau (nachfolgend: Insolvenzgericht) vom 22. September 1994 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Gesamtvollstreckungsverwalter bestellt. Auf dessen Antrag gestattete das Amtsgericht dem Beklagten mit Beschluss vom 20. April 2005, einen Vorschuss auf seine Vergütung in Höhe von 100.000 € der Masse zu entnehmen. Der Beklagte entnahm den Vorschuss am gleichen Tag. Mit Beschluss vom 18. Februar 2010 entließ das Amtsgericht den Beklagten als Gesamtvollstreckungsverwalter vor dem Hintergrund eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Untreue und der Beihilfe zur Untreue zu Lasten verschiedener Insolvenzmassen aus wichtigem Grund und bestellte den Kläger zum neuen Gesamtvollstreckungsverwalter.
Rz. 3
Am 20. Februar 2013 stellte der Beklagte einen Antrag auf Festsetzung seiner endgültigen Vergütung im hiesigen Gesamtvollstreckungsverfahren. Mit Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 24. November 2015 wurde der Beklagte wegen Untreue in 33 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, da er in den Jahren 2005 bis 2008 von der AG in 33 Fällen sogenannte Kick-Back-Zahlungen zu Lasten der ihm anvertrauten Insolvenzmassen entgegengenommen hatte, um sich persönlich zu bereichern. Den Festsetzungsantrag des Beklagten wies das Gesamtvollstreckungsgericht am 7. August 2017 durch Beschluss zurück, weil er seinen Vergütungsanspruch aufgrund der auch zum Nachteil der verwalteten Vermögensmasse begangenen Straftaten verwirkt habe. Gleichzeitig forderte es den Beklagten zur Rückzahlung des erhaltenen Vorschusses auf. Der Beschluss wurde rechtskräftig.
Rz. 4
Der Kläger verlangt, den Beklagten zu einer Zahlung in Höhe von 100.000 € nebst Verzugszinsen zu verurteilen. Das Landgericht hat die Klage mit Blick auf die durch den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht - soweit noch von Interesse - den Beklagten zur Rückzahlung des entnommenen Vorschusses in Höhe von 100.000 € nebst Verzugszinsen verurteilt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat gemeint, der Kläger habe gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Herausgabe des aus der Gesamtvollstreckungsmasse entnommenen Vorschusses. Zwar komme der Festsetzung des Vorschusses durch das Amtsgericht mit Blick auf den Vorschussanspruch Rechtsgrundwirkung im Sinne eines vorläufigen Behaltendürfens des entnommenen Betrags bis zur Festsetzung des endgültigen Vergütungsanspruchs zu. Dieser Rechtsgrund sei indes mit dem rechtskräftigen Beschluss des Insolvenzgerichts, mit dem der Festsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen worden sei, im Nachhinein entfallen. Der Beklagte könne sich weder auf Entreicherung noch auf Verjährung berufen. Der bereicherungsrechtliche Rückzahlungsanspruch des Klägers sei erst mit der Zurückweisung des Festsetzungsantrags durch Beschluss vom 7. August 2017 entstanden, so dass die im Jahr 2019 erhobene Klage die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt habe.
II.
Rz. 7
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Der Beklagte hat den durch ihn entnommenen Vorschuss der Masse zu erstatten.
Rz. 8
1. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht an, die Rückforderung eines der Masse entnommenen, aber letztlich nicht verdienten Vorschusses richte sich nach § 812 BGB. Die Anspruchsgrundlage für eine Rückforderung überzahlter Vorschüsse folgt vielmehr aus einer entsprechenden Anwendung von § 667 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2019 - IX ZR 143/18, NJW 2019, 1458 Rn. 6 zur Rückgewähr von nicht verbrauchten Vorschüssen auf die Rechtsanwaltsvergütung). Die Bestellung eines Gesamtvollstreckungsverwalters begründet hinsichtlich der Vergütungsansprüche des Verwalters ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Verwalter und der Masse. Ein neu bestellter Gesamtvollstreckungsverwalter ist daher berechtigt und in der Lage, die dem früheren Gesamtvollstreckungsverwalter gewährten Vorschüsse auf die Vergütung zurückzufordern, soweit eine Überzahlung vorliegt.
Rz. 9
2. Der Gesamtvollstreckungsverwalter, der Vorschüsse auf seine Vergütung und Auslagen erhalten hat, befindet sich hinsichtlich etwaiger Überzahlungen in einer einem Beauftragten vergleichbaren Lage. Vorschusszahlungen lassen die Abrechnungspflicht des Gesamtvollstreckungsverwalters unberührt. Dies rechtfertigt die entsprechende Anwendung des § 667 BGB.
Rz. 10
Dies hat der Senat mit Urteilen vom 29. Juni 2023 (IX ZR 152/22 und IX ZR 153/22 für Vorschussklagen an einen Insolvenzverwalter entschieden und näher begründet. Für Vorschussklagen an einen Gesamtvollstreckungsverwalter gilt Entsprechendes. Die Gesamtvollstreckungsverordnung enthält ebenfalls keine Regelungen zu einem Vorschuss. Erst § 7 der Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des Gläubigerbeirats (VergütungsVO) bestimmt, dass der Gesamtvollstreckungsverwalter aus der Masse einen Vorschuss unter anderem auf seine Vergütung entnehmen kann, wenn das Konkursgericht es genehmigt. Nach § 7 Satz 2 VergütungsVO soll die Genehmigung erteilt werden, wenn das Konkursverfahren ungewöhnlich lange dauert oder besonders hohe Auslagen erforderlich werden. Ebenso wie beim Insolvenzverwalter fehlt es auch in der Vergütungsordnung an einer Regelung für die Rückgewähr eines von einem Gesamtvollstreckungsverwalter zu viel vereinnahmten Vorschusses.
Rz. 11
3. Die Einwände des Beklagten gegen die Höhe des Anspruchs sind unbegründet.
Rz. 12
a) Das Gesamtvollstreckungsgericht hat den Antrag des Beklagten auf Festsetzung seiner Vergütung mit Beschluss vom 7. August 2017 rechtskräftig zurückgewiesen, weil er seinen Vergütungsanspruch aufgrund der auch zum Nachteil der verwalteten Vermögensmasse begangenen Straftaten verwirkt hat. Damit steht rechtskräftig fest, dass dem Beklagten für seine Tätigkeit als Verwalter in dem Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin weder eine Vergütung noch eine Auslagenpauschale zusteht. Diese Entscheidung hat für die Frage, ob erhaltene Vorschüsse zurückzuzahlen sind, präjudizielle Wirkung. Der Beklagte kann daher für seine Tätigkeiten - auch vor dem inkriminierten Zeitraum 2005 bis 2008 - weder eine Vergütung noch eine Auslagenpauschale verlangen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2018 - IX ZB 14/18, NZI 2019, 139 Rn. 30). Mithin ist der Beklagte verpflichtet, den vereinnahmten, aber letztlich nicht verdienten Vorschuss in entsprechender Anwendung des § 667 BGB an die Masse zurückzugewähren.
Rz. 13
b) Der Rückforderungsanspruch ist nicht durch eine Aufrechnung seitens des Beklagten erloschen. Es fehlt bereits an einer Aufrechnungserklärung des Beklagten.
Rz. 14
aa) Der Auffassung der Revision, dem Beklagten habe ein aufrechenbarer Bereicherungsanspruch zugestanden, mit dem zumindest konkludent die Aufrechnung erklärt worden sei, ist nicht zu folgen. Der Beklagte hat dem vom Kläger geltend gemachten Rückforderungsanspruch lediglich die Einrede der Entreicherung entgegengehalten. Dass der Beklagte damit konkludent die Aufrechnung mit ihm zustehenden Ansprüchen aus einer Bereicherung der Masse erklärt hat, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich.
Rz. 15
bb) Ohnehin hat der darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, inwieweit und in welcher Höhe die durch ihn entfalteten Tätigkeiten zu einem Vermögenszuwachs der Masse und damit einer Bereicherung geführt haben sollen. Ebenso wenig zeigt der Beklagte auf, welche konkreten Auslagen ihm tatsächlich entstanden sind. Damit kann dahinstehen, ob und inwieweit bei einer Verwirkung der Vergütung entsprechend § 654 BGB Ansprüche des entlassenen Verwalters aus ungerechtfertigter Bereicherung oder auf Ersatz tatsächlich entstandener Auslagen in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2004 - IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 133 f; vom 22. November 2018 - IX ZB 14/18, NZI 2019, 139 Rn. 28, 30).
Rz. 16
c) Ferner verfängt der Einwand des Beklagten nicht, er sei inzwischen entreichert im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB. Gegenüber einem Anspruch auf Rückforderung eines Vorschusses entsprechend § 667 BGB kann sich der Gesamtvollstreckungsverwalter nicht auf Entreicherung berufen.
Rz. 17
4. Das Berufungsgericht nimmt zutreffend an, dass der Anspruch auf Herausgabe des durch den Beklagten vereinnahmten Vorschusses nicht verjährt ist. Mit Urteilen vom 29. Juni 2023 (IX ZR 152/22 und IX ZR 153/22) hat der Senat entschieden und näher begründet, dass die Verjährung eines Anspruchs auf Rückzahlung eines dem Insolvenzverwalter gewährten Vorschusses grundsätzlich erst mit dem Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Insolvenzgerichts zu laufen beginnt. Dies gilt in gleicher Weise für den Anspruch auf Rückforderung eines einem Gesamtvollstreckungsverwalter gewährten Vorschusses.
Rz. 18
Im Streitfall erfolgte die Festsetzung mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 7. August 2017. Die Klage wurde dem Beklagten noch im Jahr 2019 und damit in unverjährter Zeit zugestellt. Die Zustellung der Klage hemmte die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
Schoppmeyer |
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Lohmann |
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Röhl |
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Schultz |
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Weinland |
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Fundstellen
Haufe-Index 15782909 |
DZWir 2024, 100 |
NZI 2024, 11 |
NZI 2024, 150 |
ZInsO 2023, 2004 |
ZRI 2023, 663 |