Leitsatz (amtlich)
Die in einem formularmäßigen Subunternehmervertrag über Bewachungsdienstleistungen enthaltene Klausel, ein wichtiger Kündigungsgrund liege insb. vor, wenn "der Hauptvertrag endet bzw. sich Änderungen im Umfang der Sicherheitsdienstleistung ergeben", hält der Inhaltskontrolle nicht stand.
Normenkette
AGBG § 9
Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 11.09.2003; Aktenzeichen 3 S 201/02) |
AG Potsdam |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Potsdam v. 11.9.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Firma Aufzugswerke M. Sch. & Sohn GmbH (im Folgenden: "Aufzugswerke Sch. ") in C. beauftragte die Beklagte durch schriftlichen "Rahmenvertrag zur Notrufbearbeitung" v. 6./19.8.1998 mit der Bearbeitung von Aufzugsnotrufen. Über einen Teil der zu erbringenden Bewachungsdienstleistungen schloss die Beklagte mit der Klägerin einen auf den 1.11.1998/23.3.1999 datierten Subunternehmervertrag mit einer Festlaufzeit von einem Jahr, beginnend mit dem 1.11.1998. Der Vertrag sollte sich nach Ablauf der Festlaufzeit jeweils um zwölf Monate verlängern, soweit er nicht von einer Partei mit einer Frist von vier Wochen vor Ablauf schriftlich gekündigt wurde. In § 7 Abs. 2 des formularmäßigen Vertrages, den die Beklagte außer bei der Klägerin noch bei 24 weiteren für sie tätigen Subunternehmern verwendete, war folgende Regelung enthalten:
"Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Ein wichtiger Grund liegt insb. vor, wenn
a) der Hauptvertrag endet bzw. sich Änderungen im Umfang der Sicherheitsdienstleistung ergeben, ..."
Mit Schreiben v. 2.1.2000 kündigte die Firma Aufzugswerke Sch. ggü. der Beklagten den Rahmenvertrag zur Notrufbearbeitung zum 31.3.2000. Am 1.4.2000 schlossen die Beklagte und die Firma Aufzugswerke Sch. einen neuen Rahmenvertrag, der abgesehen von einer geänderten Vergütungsstruktur mit dem früheren inhaltlich übereinstimmte. Die Beklagte hatte sich, wie sie vorträgt, mit 23 ihrer 25 Subunternehmer dahin geeinigt, dass die Vergütungsregelungen der jeweiligen Subunternehmerverträge an diese Änderung des Hauptvertrages angepasst wurden. Mit der Klägerin konnte eine Einigung nicht erzielt werden. Die Beklagte kündigte, gestützt auf § 7 Abs. 2 Buchst. a, den Subunternehmervertrag mit der Klägerin mit Schreiben v. 31.3.2000 fristlos. Die Klägerin widersprach dieser Kündigung mit Schreiben vom selben Tage.
Im vorliegenden Rechtsstreit beansprucht die Klägerin von der Beklagten die vertraglichen Vorhaltepauschalen für die Monate April bis Juli 2000. Ihre auf Zahlung von 9.182,56 DM (= 4.694,97 EUR) nebst Zinsen gerichtete Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Beide Vorinstanzen haben angenommen, dass für die Beklagte ein wichtiger Kündigungsgrund nach § 7 Abs. 2 Buchst. a des Subunternehmervertrages - Beendigung des Hauptvertrages zwischen der Beklagten und Firma Aufzugswerke Sch. - vorgelegen hat. Sie meinen, diese Bestimmung halte einer Inhaltskontrolle nach § 9 des hier noch anwendbaren AGB-Gesetzes stand.
Darin kann ihnen nicht gefolgt werden.
1. Allerdings gehen die Vorinstanzen - in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung beider Parteien - zutreffend davon aus, dass es sich bei den von der Beklagten ggü. ihren Subunternehmern verwendeten Formularverträgen um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Die fragliche Klausel unterliegt daher der Inhaltskontrolle nach § 9 des hier noch anwendbaren AGBG. § 10 Nr. 3 AGBG ist dagegen nicht einschlägig, da es hier um ein Dauerschuldverhältnis geht (Halbs. 2) und zudem der Formularvertrag gegenüber der Klägerin als einer Person verwendet wurde, die bei Abschluss des Vertrages in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit gehandelt hat (Unternehmer; § 24 S. 1 Nr. 1 AGBG in der hier einschlägigen Fassung des Handelsrechtsreformgesetzes v. 22.6.1998 BGBl. I, 1474).
2. Die Prüfung der Frage, ob die Klausel die Klägerin als den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 9 Abs. 1 AGBG), orientiert sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH daran, ob der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 3.11.1999 - VIII ZR 269/98, MDR 2000, 320 = NJW 2000, 1110 [1112] m.z.w.N.). Danach ist hier Folgendes festzustellen:
a) Der Subunternehmervertrag zwischen den Parteien war ein Dienstleistungsvertrag mit Dauerschuldcharakter. Als solcher war er einer Kündigung aus wichtigem Grund auch dann zugänglich, wenn dies nicht in den Vertragsbedingungen ausdrücklich geregelt gewesen wäre (§ 626 BGB). Die hier in Rede stehende Klausel stellte also nur eine vertragliche Konkretisierung eines wichtigen Kündigungsgrundes dar. Über den bereits bisher durch § 626 BGB gesetzlich geregelten Bereich des Dienstvertragsrechts eröffnet nunmehr der seit dem 1.1.2002 geltende neue § 314 BGB bei allen Dauerschuldverhältnissen die Möglichkeit einer Kündigung aus wichtigem Grunde.
b) Der Subunternehmervertrag war von vornherein darauf angelegt, dass die der Klägerin obliegenden Leistungspflichten in den Rahmenvertrag eingebettet waren, den die Beklagte mit ihrer Hauptauftraggeberin, der Firma Aufzugswerke Sch., abgeschlossen hatte. Es entstand also ein gestuftes Dienstleistungsverhältnis zwischen der Firma Aufzugswerke Sch. und der Beklagten einerseits sowie zwischen der Beklagten und der Klägerin als Subunternehmerin andererseits. Diese Vertragsgestaltung bewirkte notwendig, dass Leistungsstörungen auf der Ebene der Hauptauftraggeberin und der Beklagten nicht ohne Auswirkungen auf die Ebene zwischen der Beklagten und der Klägerin bleiben konnten. Unter diesem Blickwinkel konnte eine vertragliche Regelung, die die Beklagte berechtigte, bei einem Wegfall des Hauptvertrages den Subunternehmervertrag mit der Klägerin außerordentlich zu kündigen, nicht von vornherein als treuwidrig und einseitig die Interessen der Beklagten begünstigend angesehen werden. Denn die Klägerin hätte auch dann, wenn eine solche ausdrückliche Regelung nicht getroffen worden wäre, es hinnehmen müssen, dass ein Wegfall des Hauptvertrages der Beklagten eine Handhabe bot, sich von dem Subunternehmervertrag zu lösen; sei es unter Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, sei es über ein Kündigungsrecht nach § 626 BGB.
c) Der Beklagten als der Verwenderin dieser Klausel ist jedoch anzulasten, dass nach deren weit gefasstem Wortlaut jede Beendigung des Hauptvertrages darunter fällt. Dies bedeutet, dass die Klausel der Beklagten eine Handhabe bietet, sich auch dann von den Subunternehmerverträgen zu lösen, wenn sie selbst die Beendigung des Hauptvertrages, sei es durch Kündigung ihrerseits, sei es durch eine einvernehmliche Aufhebung, herbeigeführt hat, etwa um aus ihrer Sicht bessere Vertragsbedingungen mit dem Hauptauftraggeber auszuhandeln, ohne dass die Grenze zur Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Hauptvertrages überschritten worden wäre.
d) Dies stellt eine einseitige, die Klägerin als Vertragspartnerin des Verwenders unangemessen benachteiligende Verlagerung des Risikos einer Beendigung des Hauptvertrages auf den jeweiligen Subunternehmer dar. Der Senat sieht auch keine rechtliche Möglichkeit, die Klausel mit eingeschränktem Geltungsbereich aufrechtzuerhalten, etwa in dem Sinn, dass sie nur solche Beendigungen des Hauptvertrages erfasst, die es der Beklagten unzumutbar machen, die Verträge mit ihren Subunternehmern fortzuführen. Dies würde gegen das Verbot der "geltungserhaltenden Reduktion" verstoßen, welches besagt, dass es nach Wortlaut und Zweck der Vorschriften des AGB-Gesetzes nicht möglich ist, Klauseln, die nur zum Teil gegen das AGB-Gesetz verstoßen, mit eingeschränktem Inhalt aufrechtzuerhalten (BGH v. 20.1.1983 - VII ZR 105/81, BGHZ 86, 284 [297] = MDR 1983, 480 m.w.N.). Dieses Verbot der Rückführung unwirksamer Klauseln auf einen zulässigen Inhalt - dazu gehört insb. die Beschränkung ihrer Anwendbarkeit auf einen Bereich, in dem sie der Inhaltskontrolle standhalten würden - gilt auch im kaufmännischen Verkehr (BGH, Urt. v. 28.1.1993 - I ZR 293/90, NJW 1993, 1786 [1787] m.z.w.N.).
3. Hieraus folgt zugleich weiter, dass die Kündigung auch nicht auf die zweite Alternative der in § 7 Abs. 2 Buchst. a getroffenen Regelung, nämlich auf Änderungen im Umfang der Sicherheitsdienstleistung, gestützt werden kann. Auch diese Formularklausel enthält nämlich keine irgendwie geartete Einschränkung dahingehend, dass damit nur solche Änderungen gemeint sind, die es der Beklagten unzumutbar machen, an den Verträgen mit ihren Subunternehmern festzuhalten. Mit diesem weit gefassten Wortlaut zielt die Regelung, ebenso wie die zuvor erörterte Bestimmung über die Beendigung des Hauptvertrages, auf eine einseitige Durchsetzung der Interessen der Beklagten auf Kosten ihrer Subunternehmer ab. Die Regelung braucht daher aus denselben Gründen wie jene andere von den Subunternehmern nicht hingenommen zu werden und unterliegt aus den bereits aufgezeigten Gründen gleichfalls dem Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion.
II.
Eine abschließende eigene Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Denn das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft, ob die fristlose Kündigung der Beklagten nicht nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen, insb. § 626 BGB, gerechtfertigt gewesen ist.
1. Allerdings hatte die Kündigungserklärung der Firma Aufzugswerke Sch. v. 2.1.2000 für sich allein genommen noch nicht zur Beendigung des Hauptvertrages zum 31.3.2000 geführt. Denn ein wichtiger Grund für jene Firma, den Hauptvertrag vor Ablauf der planmäßigen Vertragsdauer von fünf Jahren vorzeitig zu kündigen, ist nicht hinreichend dargetan. Die Vertragsbeendigung wurde aber dadurch bewirkt, dass die Beklagte diese Kündigung akzeptiert und den neuen Vertrag mit der Firma Aufzugswerke Sch. v. 1.4.2000 abgeschlossen hat. Das Berufungsgericht hat den vorinstanzlichen Sachvortrag beider Parteien in diesem Sinne ausgelegt. Insbesondere ist die weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet liegende Würdigung, dass es sich bei dem neuen Vertrag v. 1.4.2000 ggü. dem früheren um ein "aliud" und nicht etwa um eine Fortsetzung des Ursprungsvertrages zu geänderten Bedingungen gehandelt hatte, revisionsrechtlich nicht angreifbar. Die Revision setzt bei ihrer abweichenden Betrachtungsweise ihre eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters, was ihr indessen verwehrt ist.
2. Der Umstand, dass diese Aufhebung des Hauptvertrages auf dem Konsens der dortigen Vertragsparteien beruhte, schließt es indessen nicht aus, diese Beendigung im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin als ihrer Subunternehmerin als einen zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden wichtigen Grund i.S.d. § 626 BGB zu bewerten. Die Beklagte hatte dazu bereits im ersten Rechtszug (im nachgelassenen Schriftsatz v. 17.5.2002) vorgetragen, in den Verhandlungen zwischen ihr und der Firma Aufzugswerke Sch. hätten deren Vertreter zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht länger in der Lage seien, die vereinbarten Preise für die entsprechenden Dienstleistungen zu halten; dies insb. mit dem deutlichen Hinweis auf die inzwischen erheblich gestiegene Anzahl der zu betreuenden Aufzüge. Für sie, die Beklagte, hätte ein Widerspruch gegen die ausgesprochene Kündigung mit der Folge eines womöglich jahrelangen Prozessierens lediglich bedeutet, dass sie für sich und ihre Subunternehmer einen ihrer größten Auftraggeber verloren hätte, dass die Firma Aufzugswerke Sch. jedoch unter Umständen nach einer gerichtlichen Feststellung des Fortbestehens dieses Vertrages die vereinbarten Preise nicht hätte zahlen können und sie, die Beklagte, dann ihrerseits den Vertrag hätte kündigen müssen. Die Revisionserwiderung weist in diesem Zusammenhang nicht ohne Grund darauf hin, es erschiene als eine unangemessene Benachteiligung, wenn die Beklagte auch in dieser Situation an ihre Verträge mit den Subunternehmern gebunden wäre.
3. Mit diesem Sachvortrag wird ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung hinreichend schlüssig dargetan. Die Kündigungsfrist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB - zwei Wochen - war hier gewahrt. Diese Frist gilt auch für selbstständige Dienstverhältnisse (BGH, Urt. v. 19.11.1998 - III ZR 261/97, MDR 1999, 148 = NJW 1999, 355). Sie begann hier jedoch erst mit dem Ende des Hauptvertrages, also mit Ablauf des 31.3.2000, und ist daher durch die an diesem Tag der Klägerin zugegangene Kündigungserklärung eingehalten worden.
4. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht daher Gelegenheit, diesem Vorbringen der Beklagten und der entsprechenden Erwiderung der Klägerin nachzugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 1207593 |
DB 2005, 721 |
BGHR 2004, 1533 |
BauR 2004, 1943 |
NJW-RR 2004, 1498 |
IBR 2005, 67 |
JurBüro 2005, 105 |
MDR 2005, 82 |
MDR 2006, 1151 |
NJ 2004, 561 |
BrBp 2005, 210 |
MMR 2004, 750 |
NJW-Spezial 2004, 310 |
NZBau 2004, 610 |