Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 15.10.2020; Aktenzeichen 12 KLs 257 Js 149023/19) |
Tenor
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 15. Oktober 2020 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass im Fall C XI. 1. der Urteilsgründe (Fall 10 der Anklageschrift) die tateinheitliche Verurteilung wegen Sachbeschädigung entfällt und der Angeklagte insoweit nur wegen Wohnungseinbruchdiebstahls schuldig ist.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „neun tatmehrheitlicher Fälle des schweren Bandendiebstahls, jeweils in Tateinheit mit schwerem Einbruchdiebstahl in Bezug auf eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, in acht Fällen davon in Tateinheit mit Sachbeschädigung, in Tatmehrheit mit schwerem Einbruchdiebstahl in Tateinheit mit Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit zwei Fällen des schweren Einbruchdiebstahls in Bezug auf eine dauerhaft genutzte Privatwohnung jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung, in Tatmehrheit mit Versuch des schweren Einbruchdiebstahls in Bezug auf eine dauerhaft genutzte Privatwohnung in Tateinheit mit Sachbeschädigung” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten hat das Landgericht zudem die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 12.733 Euro gegen ihn allein sowie hinsichtlich eines weiteren Betrages von 34.457,20 Euro gegen ihn als Gesamtschuldner angeordnet.
Rz. 2
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel bleibt überwiegend ohne Erfolg.
Rz. 3
Die Revision des Angeklagten führt zum Entfallen der tateinheitlichen Verurteilung wegen Sachbeschädigung im Fall C XI. 1. der Urteilsgründe und zu einer entsprechenden Abänderung des Schuldspruchs. Die erhobene Verfahrensrüge und die Sachrüge decken im Übrigen keinen weiteren durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
Rz. 4
1. Die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge einer Verletzung des § 189 Abs. 1, § 185 Abs. 1 Satz 1 GVG ist unbegründet.
Rz. 5
a) Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zu Grunde:
Rz. 6
Die beiden für die georgische Sprache zur Hauptverhandlung geladenen Dolmetscher Z. und S. wurden nach der Präsenzfeststellung vom Vorsitzenden auf ihre Pflichten, treu und gewissenhaft zu übertragen, hingewiesen. Beide Dolmetscher erklärten, sie seien öffentlich bestellt und allgemein beeidigt. Sie versicherten unter Berufung auf ihren allgemein geleisteten Eid, treu und gewissenhaft zu übertragen. Da der Vorsitzende den Angaben der Dolmetscherin Z. glaubte, sah er in der Hauptverhandlung davon ab, dieser die Eidesformel nach § 189 Abs. 1 GVG abzunehmen.
Rz. 7
Die Dolmetscherin Z. hatte jedoch als Dolmetscherin keinen allgemeinen Eid nach Art. 4 Abs. 1 des bayerischen Gesetzes über die öffentliche Bestellung und allgemeine Beeidigung von Dolmetschern und Übersetzern (Dolmetschergesetz – DolmG) vom 1. August 1981 (BayRS 300-12-1-J) in Verbindung mit § 189 Abs. 2 GVG geleistet. Sie wurde in der Datenbank der bayerischen Justizverwaltung (Art. 7 DolmG BY) und einer länderübergreifenden Dolmetscher- und Übersetzerdatenbank aber als öffentlich bestellte und allgemein beeidigte Übersetzerin für die georgische Sprache geführt.
Rz. 8
b) Damit hat das Landgericht gegen die Vorschriften der § 189 Abs. 1, § 185 Abs. 1 Satz 1 GVG verstoßen, da die Dolmetscherin Z. keinen allgemeinen Eid als Dolmetscherin nach Art. 4 DolmG BY geleistet hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2019 – 1 StR 190/19 Rn. 3 f.). Bei dieser Rechtsverletzung handelt es sich um einen relativen Revisionsgrund, auf den die Revision nur gestützt werden kann, wenn das Urteil auf der Verletzung des Gesetzes beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Maßgeblich dafür, ob das Beruhen ausgeschlossen werden kann, sind die konkreten Umstände des Einzelfalls (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 15. Dezember 2011 – 1 StR 579/11; vom 27. Juli 2005 – 1 StR 208/05 und vom 2. September 1987 – 2 StR 420/87 Rn. 4; Urteile vom 17. Januar 1984 – 5 StR 755/83 und vom 7. November 1986 – 2 StR 499/86 Rn. 5 f.).
Rz. 9
c) Gemessen hieran schließt der Senat ein Beruhen des Urteils auf der fehlenden Vereidigung der Dolmetscherin Z. gerade als Dolmetscherin aus.
Rz. 10
aa) Die in der Hauptverhandlung hinzugezogene Dolmetscherin Z. hatte ein besonderes Justizverwaltungsverfahren nach Art. 1 ff. DolmG BY zur allgemeinen Anerkennung als Übersetzerin durchlaufen und war damit zur Sprachübertragung für die Sprache georgisch für gerichtliche und behördliche Zwecke als Übersetzerin auf dem Gebiet des Freistaats Bayern öffentlich bestellt und allgemein beeidigt. Die Dolmetscherin hatte damit einen allgemeinen Eid tatsächlich geleistet, von dem sie sich bei ihrer Tätigkeit hat leiten lassen. Es kann daher hier – anders als etwa im Beschluss des Senats vom 6. Juni 2019 – 1 StR 190/19 Rn. 8 bei fehlendem besonderen Justizverwaltungsverfahren – ausgeschlossen werden, dass sich die Dolmetscherin ihrer besonderen Verantwortung und ihrer Pflichten zur treuen und gewissenhaften Übertragung nicht bewusst gewesen ist. Dies gilt umso mehr, als die Dolmetscherin darauf nochmals auch ausdrücklich in der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden hingewiesen wurde und keine Anzeichen dafür vorhanden sind, dass sie sich ihrer besonderen Verantwortung im konkreten Fall nicht bewusst war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Dezember 2011 – 1 StR 579/11; vom 27. Juli 2005 – 1 StR 208/05 und Beschluss vom 28. November 1997 – 2 StR 257/97 Rn. 5, BGHR GVG § 189 Beeidigung 3; Urteil vom 7. November 1986 – 2 StR 499/86 Rn. 6).
Rz. 11
bb) Hinzu kommt, dass während der gesamten Hauptverhandlung ein weiterer Dolmetscher, der sich auf seinen allgemeinen Eid berufen hatte, am Verfahren beteiligt war, welcher abwechselnd mit der Dolmetscherin Z. übersetzte. Auch hat der Angeklagte weder in der Hauptverhandlung noch bei einem Gespräch mit seinem Verteidiger über eine Verständigung nach § 257c StPO gegenüber den beiden Dolmetschern darauf hingewiesen oder sonst mitgeteilt, dass er die Übersetzungen der Dolmetscherin Z. nicht verstehen könne. Es bestehen daher keinerlei Zweifel an deren Sprachkenntnissen und dem für den Einsatz als Dolmetscherin in der Hauptverhandlung erforderlichen Übersetzerqualitäten. Auch aus dem Vortrag der Revision ergeben sich solche Zweifel nicht. Aus dem Umstand, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung, ebenso wie alle Mitangeklagten, ein vollumfängliches Geständnis abgelegt und die ihm vorgeworfenen Taten eingeräumt hat, aber nicht bereit war, weitere Angaben zu machen, ergibt sich nichts Abweichendes. Dem Angeklagten war im vorliegenden Verfahren die den Tatvorwurf enthaltende Anklageschrift bereits vor der Eröffnung des Hauptverfahrens in seine Heimatsprache georgisch übersetzt worden, so dass ihm – unabhängig von der späteren Hauptverhandlung – der konkrete Tatvorwurf bekannt war.
Rz. 12
2. Die erhobene Sachrüge führt aber zu einer Abänderung des Schuldspruchs in Bezug auf die Tat im Fall C XI. 1. der Urteilsgründe.
Rz. 13
a) Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Sachbeschädigung kann, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, keinen Bestand haben, weil insoweit Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Bei Tateinheit läuft für jedes Delikt die Verjährungsfrist gesondert (st. Rspr.; vgl. u.a. BGH, Beschlüsse vom 2. März 2016 – 1 StR 619/15 Rn. 2 und vom 22. Oktober 2008 – 1 StR 503/08 Rn. 2). Die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist (§ 78a StGB). Beendet war die Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) mit der Tatbegehung am 11. September 2012. Die für diesen Straftatbestand geltende Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Rechtzeitige Verjährungsunterbrechungshandlungen erfolgten nicht. Der Eintritt der Verjährung begründet damit ein Verfolgungshindernis hinsichtlich des betreffenden Tatvorwurfs, welches der Senat von Amts wegen zu beachten hat. Dies führt zum Wegfall des tateinheitlich mit dem Wohnungseinbruchdiebstahl erfüllten Tatbestands der Sachbeschädigung. Insoweit ändert der Senat den Schuldspruch entsprechend ab.
Rz. 14
b) Der Wegfall der tateinheitlich begangenen Sachbeschädigung führt nicht zur Aufhebung der betroffenen Einzelstrafe. Auch verjährte Taten können mit dem ihnen noch zukommenden Gewicht strafschärfend verwertet werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. März 2016 – 1 StR 619/15 Rn. 4 und vom 18. Oktober 1989 – 3 StR 173/89 Rn. 2, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 11). Der Senat kann hier ausschließen, dass der Wegfall des tateinheitlichen Delikts im Schuldspruch bei der Strafzumessung der Einzelstrafe in Kenntnis der Verjährung der Sachbeschädigung im Blick auf die Vielzahl der vom Landgericht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigten Strafzumessungserwägungen (UA S. 86) zu einer milderen Bestrafung geführt hätte.
Rz. 15
3. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Rz. 16
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, Abs. 4 StPO. Angesichts der nur geringfügigen Abänderung des Schuldspruchs ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den Kosten des Rechtsmittels zu belasten.
Unterschriften
Raum, Jäger, Bellay, Bär, Pernice
Fundstellen
Haufe-Index 14721896 |
NStZ 2022, 126 |