Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 23.11.2017) |
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 23. November 2017 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter schwerer Brandstiftung und Sachbeschädigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte und mit der Sachrüge geführte Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.
I.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts warf der von seinem rechtsradikalen Vater hierzu angestiftete angetrunkene Angeklagte mit seinem besten Freund nachts zwei von seinem Vater gebaute Brandsätze in ein von minderjährigen Flüchtlingen bewohntes Heim. Hierdurch sollten Furcht und Schrecken verbreitet werden. Die beiden benzingefüllten Flaschen zerstörten äußere Fensterscheiben eines – was die Angeklagten nicht wussten – Abstellraums, die inneren Scheiben blieben unversehrt. Auf einer Fensterscheibe brannte das Benzin weiter, der andere Brandsatz rollte brennend in die Nähe des Fahrzeugs der Einrichtung. Die Brände wurden von einem durch den Knall aufgewachten Betreuer alsbald gelöscht. Der Angeklagte rechnete ernsthaft mit der Möglichkeit, dass sich das Feuer ausbreitet und hierdurch Menschen zu Tode kommen. Dies nahm er billigend in Kauf. Durch den Brandanschlag wurde niemand verletzt. Der verursachte Sachschaden betrug etwa 1.500 Euro. Das Motiv des bei seinem Vater aufgewachsenen Angeklagten war, diesen – sein Vorbild und „Ein und Alles” – „stolz zu machen”. Zudem handelte er aus Flüchtlingsfeindlichkeit.
Rz. 3
2. Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte heimtückisch, mit gemeingefährlichen Mitteln und aus niedrigen Beweggründen gehandelt hat. Die Verhängung einer Jugendstrafe gegen den zur Tatzeit 20 Jahre und fünf Monate alten Angeklagten hat die Strafkammer auf die Schwere der Schuld gestützt und zugleich schädliche Neigungen verneint. Es habe sich um eine persönlichkeitsfremde Tat unter dem Einfluss des rechtsradikalen Vaters gehandelt. Inzwischen sei es – auch vor dem Hintergrund einer über neunmonatigen Untersuchungshaft – zu einem deutlichen Umdenkungsprozess gekommen. Der Angeklagte habe sich von seinem früheren Freundeskreis getrennt und lebe nunmehr bei seiner Mutter, die den Vater wegen dessen rechtsradikaler Einstellung verlassen habe. Auch seine jetzige Partnerin habe sich seit geraumer Zeit vom früheren Umfeld gelöst. Zudem zahle er in Raten den von ihm anerkannten Schaden zurück und habe die Verantwortung für die Tat übernommen.
Rz. 4
Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht trotz der Schwere der Tat in einer am Erziehungszweck ausgerichteten Strafzumessung eine Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren für ausreichend erachtet. Aufgrund der Persönlichkeit des Angeklagten und der Entwicklungen seit der Tat hat die Kammer die Prognose gestellt, dass er sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne Strafvollzug unter der erzieherischen Einwirkung der Bewährungszeit zukünftig einen rechtschaffenen Lebenswandel führen werde.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 5
Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.
Rz. 6
1. Die Bemessung der Jugendstrafe weist keinen Rechtsfehler auf, sondern bewegt sich in dem weiten Rahmen, der dem Tatgericht gerade bei der Festsetzung von Rechtsfolgen nach dem Jugendgerichtsgesetz zukommt.
Rz. 7
a) Die Strafzumessung ist Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen zumessungsrelevanten Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Auch bei der Verhängung von Jugendstrafe ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2018 – 1 StR 551/17, NJW 2018, 2062).
Rz. 8
Wird die Verhängung von Jugendstrafe auf die Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG) gestützt, ist diese nach jugendspezifischen Kriterien zu bestimmen. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt hierbei ist die innere Tatseite. Dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat kommt nur insofern Bedeutung zu, als hieraus Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und das Maß der persönlichen Schuld gezogen werden können. Entscheidend ist, inwieweit sich die charakterliche Haltung, die Persönlichkeit und die Tatmotivation des jugendlichen oder heranwachsenden Täters in der Tat in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Auch wenn eine Jugendstrafe – wie hier – ausschließlich wegen der Schwere der Schuld verhängt wird, ist der das Jugendstrafrecht beherrschende Erziehungsgedanke (§ 18 Abs. 2 JGG) vorrangig zu berücksichtigen. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Erziehungswirksamkeit als einziger Gesichtspunkt bei der Strafzumessung heranzuziehen ist. Vielmehr sind daneben auch andere Strafzwecke, bei Kapitalverbrechen und anderen schwerwiegenden Straftaten namentlich der Sühnegedanke und das Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs zu beachten. Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen dabei in der Regel miteinander in Einklang, da die charakterliche Haltung und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, nicht nur für das Erziehungsbedürfnis, sondern auch für die Bewertung der Schuld von Bedeutung sind (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 2016 – 4 StR 142/16, NStZ-RR 2016, 325; Beschluss vom 9. Januar 2018 – 1 StR 551/17 aaO). Das nach jugendspezifischen Kriterien zu bestimmende Ausmaß der individuellen Schuld bildet wegen des bei der Jugendstrafe ebenfalls geltenden verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatzes den Rahmen, innerhalb dessen die erzieherisch erforderliche Strafe gefunden werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2018 – 1 StR 551/17 aaO; Radtke in MüKo-StGB, 3. Aufl., Band 6, § 17 JGG Rn. 14 f. mwN).
Rz. 9
b) Die Jugendkammer hat in Anwendung dieser Maßstäbe das gesamte Geschehen in ihre Bewertung einbezogen und dabei ohne Rechtsfehler angenommen, dass die individuelle Schuld des Angeklagten die Verhängung von Jugendstrafe gemäß § 105 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 2 JGG gebiete. Innerhalb des vom Landgericht zutreffend bestimmten Strafrahmens von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Jugendstrafe (vgl. § 105 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 1 Satz 1 JGG) hat es alle relevanten Strafzumessungsfaktoren gegeneinander abgewogen und ist letztlich zu dem Ergebnis gelangt, dass aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls eine Jugendstrafe in Höhe von zwei Jahren sowohl aus erzieherischen Gründen wie zur Sühnung der Tat ausreichend ist. Diese Wertung lässt angesichts des weiten Rahmens bei der Strafzumessung Rechtsfehler nicht erkennen und ist vom Senat hinzunehmen, auch wenn eine andere Wertung gleichermaßen möglich gewesen wäre oder sogar näher gelegen hätte. Dass die verhängte Jugendstrafe von zwei Jahren dem Gedanken eines gerechten Schuldausgleichs in gänzlich unangemessener Weise nicht mehr gerecht wird und damit zugleich ihre erzieherischen Zwecke verfehlt (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 1995 – 5 StR 470/95), vermag der Senat – anders als der Generalbundesanwalt – nicht festzustellen.
Rz. 10
3. Die ausführlich begründete Entscheidung der Jugendkammer, die Vollstreckung der verhängten Strafe zur Bewährung auszusetzen (vgl. § 21 Abs. 1 und 2 JGG), ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
III.
Rz. 11
Die Überprüfung des Urteils hat im Anfechtungsumfang auch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 301 StPO).
Unterschriften
Mutzbauer, Sander, Schneider, Berger, Mosbacher
Fundstellen
Haufe-Index 12066944 |
NStZ-RR 2018, 358 |
StV 2019, 463 |