Entscheidungsstichwort (Thema)
bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 28. Mai 1998, soweit er verurteilt worden ist, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten (Einzelstrafen: fünf Jahre und drei Monate sowie fünf Jahre und neun Monate) verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, vor Ablauf von einem Jahr keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Vom Vorwurf weiterer Taten hat es ihn freigesprochen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte war seit der zweiten Jahreshälfte 1995 in Drogengeschäfte seines Bruders B. und des Mitangeklagten G. eingebunden und auch an den erzielten Gewinnen beteiligt. Anfang Oktober 1995 bestellten und erhielten der Angeklagte und sein Bruder aus den Niederlanden 1.800 g Heroin (Reinheitsgehalt mindestens 10 %). Das Rauschgift wurde mit Streckmittel vermischt und an Zwischenhändler zum Verkauf weitergegeben (Fall 3 = Tat 1 des Angeklagten).
Am 4. Januar 1996 fuhr der Angeklagte mit einem Mietwagen in die Niederlande und übernahm dort 2 kg Heroin (Reinheitsgehalt mindestens 15 %). Das Rauschgift brachte er in der Nacht zum 5. Januar 1996 nach Wetzlar, wo er „etwa um 2.00 Uhr ankam”. Auf seine Anweisung wurde dann noch Streckmittel von Köln nach Wetzlar verbracht, mit dem Heroin vermischt und an Dritte zum Verkauf weitergeleitet (Fall 4 = Tat 2 des Angeklagten).
Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten bestritten und unter anderem behauptet, an der Tat vom 4./5. Januar 1996 könne er schon deswegen nicht beteiligt gewesen sein, da er in dieser Nacht wegen erheblicher gesundheitlicher Beschwerden im Limburger Krankenhaus zur Behandlung gewesen sei.
II.
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, das von einer Beteiligung des Angeklagten auch am Rauschgiftgeschäft vom 4./5. Januar 1996 ausgeht, ist unvollständig.
Dem Tatrichter kann zwar nicht vorgeschrieben werden, unter welchen Voraussetzungen er zu einer bestimmten Schlußfolgerung oder einer bestimmten Überzeugung zu kommen hat. Er muß aber die Beweise erschöpfend würdigen, um eine rechtsfehlerfreie Grundlage für die Verurteilung zu schaffen. Eine umfängliche Wiedergabe der Zeugenaussagen in den Urteilsgründen ohne Bezug zu den Einzelheiten der Beweiswürdigung (die bloße Aneinanderreihung erhobener Beweise wie hier UA S. 45-89) genügt nicht (BGH NStZ 1998, 51; 475; 1985, 184; NStZ-RR 1998, 475; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 4. Mai 1999 - 1 StR 104/99; vom 9. April 1999 - 3 StR 54/99 und vom 12. August 1999 - 3 StR 271/99). Eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung ist dann nicht gegeben, wenn der Tatrichter sich nicht mit allen wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Umständen auseinandergesetzt hat (BGHSt 14, 162, 164/165; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 5 und 6; StGB § 177 Abs. 1 Beweiswürdigung 4; Julius in HK-StPO § 261 Rdn. 21). Dies ist hier der Fall.
Aus Rechtsgründen wäre es nicht zu beanstanden gewesen, wenn das Landgericht nach vollständiger und fehlerfreier Würdigung der erhobenen Beweise der Einlassung des Angeklagten nicht gefolgt wäre, die Angaben des Belastungszeugen Ki. (UA S. 58; 94/95) zu den Vorgängen in der Nacht vom 4. zum 5. Januar 1996 für glaubwürdig erachtet und darauf seine Überzeugung von der Beteiligung des Angeklagten am Rauschgiftgeschäft vom 4./5. Januar 1996 gestützt hätte. Die auch für Alibibehauptungen zu fordernde vollständige Erörterung von wesentlichen Beweisergebnissen hätte es aber notwendig gemacht, in die Abwägung einzubeziehen, daß nach den im Urteil (UA S. 85/86) wiedergegebenen Bekundungen der Zeugin A., einer Ärztin des St. Vincenz-Krankenhauses in Limburg, der Angeklagte am 5. Januar 1996 gegen 1.00 Uhr dort zur Behandlung gewesen sei und die durchgeführte Untersuchung „zwischen einer halben und maximal einer Stunde gedauert” habe. Damit ist nicht ohne weiteres die Feststellung (UA S. 18) vereinbar, er sei am 5. Januar 1996 gegen 2.00 Uhr von der Beschaffungsfahrt aus den Niederlanden nach Wetzlar zurückgekehrt.
2. Der Senat kann nicht ausschließen, daß auf diesem Erörterungsmangel das Urteil im Fall II 4 beruht, auch wenn vieles für die Richtigkeit der Angaben des Zeugen Ki. spricht.
3. Die – rechtsfehlerhafte – Beweiswürdigung im Fall II 4 führt auch zur Aufhebung der Verurteilung im Fall II 3.
Das Landgericht hat zwar zutreffend aus der gleichberechtigten, arbeitsteiligen Partnerschaft der Beteiligten, der Vertriebsorganisation unter Beteiligung von Zwischenhändlern, der Verteilung der Erlöse, der Führung eines Kontrollbuches über eingegangene Zahlungen der Zwischenhändler und der mit massiver Gewalt und Drohungen erfolgten „Säuberung des Marktes” die bandenmäßige Tatbegehung hergeleitet (vgl. BGHSt 38, 26, 31; 42, 255, 257 ff.; BGHR BtMG § 30 a Bande 5 und 9 m.w.N.; Beschluß des Senats vom 22. Januar 1999 - 2 StR 628/98; Urteil des Senats vom 19. Mai 1999 - 2 StR 650/98). Der Schuldspruch im Fall II 3 beruht auch überwiegend auf den Angaben der Zeugen S., R., T. und Y.. Der Senat kann aber nicht ausschließen, daß ein erwiesenes Alibi des Angeklagten für die Tat II 4 die Überzeugung des Landgerichts von der Richtigkeit der Angaben des Zeugen Ki. und damit auch von der Einbindung des Angeklagten in die Rauschgiftgeschäfte (Bande) beeinflußt hätte.
Unterschriften
Jähnke, Theune, Detter, Bode, Rothfuß
Fundstellen
Haufe-Index 640487 |
NStZ 2000, 48 |