Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 31.03.2009) |
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 31. März 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der schweren Brandstiftung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und der versuchten schweren Brandstiftung in zwei Fällen, einmal ebenfalls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, freigesprochen. Eine dem Angeklagten ferner zur Last gelegte Sachbeschädigung hat es nach § 154 Abs. 2 SPO eingestellt und – wie das Urteil mitteilt – das Verfahren insofern abgetrennt. Gegen den Freispruch richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Rz. 2
Die zugelassene Anklage legte – soweit das Verfahren nicht nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wurde – dem Angeklagten zur Last, am 30. September sowie am 5. und 7. Oktober 2008 jeweils im Keller des Mehrfamilienhauses, in dem er wohnte, Feuer gelegt zu haben, wobei in zwei Fällen insgesamt drei Mitbewohner durch Rauchgasvergiftungen verletzt wurden.
Rz. 3
Die Strafkammer hat den Angeklagten freigesprochen, weil sie sich nicht von seiner Täterschaft überzeugen konnte. Zwar spreche für diese, dass der Angeklagte zu sämtlichen Brandzeitpunkten in dem Haus anwesend gewesen sei, er offenbar die Brände als erster bemerkt habe und er sodann als erster unter einem falschen Namen die Notrufe betätigt oder dies veranlasst habe. Auch hätten sich keine Anhaltspunkte für die Täterschaft eines Dritten ergeben. Ferner sei es in dem Haus weder vor dem Einzug des Angeklagten am 12. Juni 2008 noch nach dessen Aufnahme in die Untersuchungshaft am 9. Oktober 2008 zu weiteren Bränden gekommen. In dem Anwesen, das der Angeklagte in den Jahren 2005 und 2006 bewohnt habe, habe es in dieser Zeit ebenfalls mehrfach gebrannt. Schließlich habe der Angeklagte eingeräumt, vor dem Brand am 7. Oktober 2008 mit einem Taxi nach Hause gefahren zu sein und ein als Zeuge vernommener Taxifahrer habe bekundet, in dieser Zeit einen Fahrgast zu der Straße gefahren zu haben, in der der Angeklagte wohnte; während der Fahrt habe der Fahrgast plötzlich und ungefragt gesagt, dass sein Haus brenne, „hier brennt's immer, ich bin der Hausmeister”. Diese Indizien weisen nach Ansicht der Strafkammer aber „nicht zwingend” bzw. „notwendigerweise” auf den – wenn auch mit widersprüchlichen und zumindest teilweise widerlegten Angaben – die Tatbegehung in den polizeilichen Vernehmungen bestreitenden Angeklagten als Brandleger hin. Denn es sei „denkbar”, dass der Angeklagte sich bei den Notrufen nicht zu erkennen geben wollte, weil er wegen in der Vergangenheit erfolgter Verurteilungen wegen Inbrandsetzungen befürchtet habe, als Melder der Brände mit diesen direkt in Verbindung gebracht zu werden. Hinzu komme, dass der Zugang zu den Kellerräumen, in denen die Brände gelegt wurden, nicht nur für die Hausbewohner, sondern auch für Außenstehende ohne weiteres möglich gewesen sei.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 4
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, da die Beweiswürdigung auch angesichts ihrer nur eingeschränkten Überprüfbarkeit in der Revision Rechtsfehler aufweist.
Rz. 5
Die Begründung des Freispruchs lässt besorgen, dass die Strafkammer bei der für eine Verurteilung erforderlichen Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten einen falschen rechtlichen Maßstab angelegt hat. Denn Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil oder andere Möglichkeiten denknotwendig ausschließende – oder wie das Landgericht mehrfach formuliert „zwingende” – Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 1. Juli 2008 – 1 StR 654/07; vom 30. Juli 2009 – 3 StR 273/09).
Rz. 6
Hinzu kommt, dass das Landgericht – obwohl es sich hierauf berufen hat – nicht die gebotene Gesamtwürdigung vorgenommen hat. So hat es lediglich im Rahmen der Prüfung, ob der Angeklagte bei den Brandmeldungen Anlass hatte, einen falschen Namen anzugeben, seine Vorstrafen berücksichtigt, aber in der die Tatvorwürfe selbst betreffenden Beweiswürdigung unerörtert gelassen, dass der Angeklagte bereits in den Jahren 1997 und 2006 wegen Brandlegungen verurteilt wurde (in einem Fall hatte er nach einem Einbruch in einen Kindergarten Gegenstände in Brand gesetzt, im anderen Fall hatte er Papier in einem Papiercontainer angezündet). Solche weiteren Brandlegungen können jedoch – etwa wenn sie auf ähnliche Weise begangen wurden wie die hier verfahrensgegenständlichen – ein gewichtiges Indiz für die Täterschaft des Angeklagten sein. Dies gilt ebenfalls für den dem Angeklagten ferner zur Last gelegten, in der Hauptverhandlung aber nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten und nicht weiter aufgeklärten Vorwurf der Sachbeschädigung, die er am 18. Juni 2008 durch Anzünden von Papier in der vor dem von ihm bewohnten Haus abgestellten Papiertonne begangen haben soll. Auch zu der Vorgehensweise bei den angeklagten Brandlegungen hat das Landgericht keine näheren Feststellungen getroffen bzw. mitgeteilt und insbesondere unerörtert gelassen, ob diese stets auf dieselbe Art und Weise erfolgten und ob der Angeklagte über die Möglichkeiten und Mittel verfügte, solche Brände zu legen.
III.
Rz. 7
Die Aufhebung des Urteils erfasst auch den Ausspruch über die dem Angeklagten für die erlittene Untersuchungshaft zugesprochene Entschädigung.
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Solin-Stojanović, Franke, Mutzbauer
Fundstellen
Haufe-Index 2562471 |
NStZ-RR 2010, 85 |
StRR 2010, 103 |