Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 26.01.1994; Aktenzeichen 9 U 185/92) |
LG Verden (Aller) (Urteil vom 06.08.1992; Aktenzeichen 4 O 201/92) |
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch. Die Beklagten haben am 19. April 1991 eine Sparkasse in O. überfallen, um sich Geld u.a. für Drogen zu beschaffen. Dabei hat der Beklagte zu 1) der Klägerin, die sich als Kundin in den Bankräumen aufhielt, den Arm um den Hals gelegt und ihr gleichzeitig eine Schreckschußpistole, die einer echten Waffe täuschend ähnlich sah, an den Hals gedrückt. Dabei hat er mehrfach geäußert, daß er die Klägerin "abknalle", wenn er nicht genug Geld erhalte. Die Klägerin hat Todesängste erlitten und die Beklagten angefleht, sie wegen ihrer zwei Kinder am Leben zu lassen.
Die Beklagten sind wegen gemeinschaftlichen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung rechtskräftig zu Freiheitsstrafen in Höhe von 5 Jahren und 6 Monaten (Beklagter zu 1) sowie 2 Jahren und 6 Monaten (Beklagte zu 2) verurteilt worden und verbüßen derzeit diese Strafen.
Die Klägerin macht geltend, daß sie als Folge der Geiselnahme über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten unter ständiger Schlaflosigkeit und Alpträumen gelitten habe. Auch jetzt seien noch spontane Beklommenheitsgefühle, geringe Belastbarkeit, gesteigerte Reizbarkeit nebst zeitweiliger Schlaflosigkeit, verbunden mit Alpträumen vorhanden. Wegen anhaltender Angstzustände könne sie ihren Beruf als Kinderkrankenschwester nur noch in Abteilungen ausüben, in denen sie den Nachtdienst nicht allein verrichten müsse.
Sie hat deshalb ein Schmerzensgeld von mindestens 8.000 DM für angemessen erachtet.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht ein Schmerzensgeld von 4.000 DM zuerkannt und die weitergehende Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht führt aus, bei der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes seien die kurze Zeit der Geiselnahme und die objektiv geringe Gefahr bei der Verwendung von Scheinwaffen zu berücksichtigen. Andererseits fielen die von der Klägerin erlittenen Ängste erheblich ins Gewicht. Insoweit könne angenommen werden, daß die Klägerin über längere Zeit anhaltende Angstzustände gehabt und an zeitweiliger Schlaflosigkeit, verbunden mit Alpträumen, gelitten habe und daß sie beim Nachtdienst weiterhin von Schreckhaftigkeit und Ängsten beeinträchtigt werde. Eine Beweisaufnahme über weitere psychische Folgen der Geiselnahme komme nicht in Betracht; hinreichende Anknüpfungstatsachen zur Einholung eines Sachverständigengutachtens seien insoweit von der Klägerin nicht dargetan worden. Eine psychotherapeutische Behandlung mit einer Angsttherapie sei offenbar nicht erforderlich gewesen.
Unter Berücksichtigung vergleichbarer Fälle sei im Rahmen der Ausgleichsfunktion ein Schmerzensgeld von 4.000 DM angemessen. Die Genugtuungsfunktion könne nicht mehr nennenswert berücksichtigt werden, weil die Beklagten zu beträchtlichen Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt worden seien und diese auch verbüßten. Insoweit halte das Berufungsgericht an seiner bisherigen Rechtsprechung (JZ 1970, 548 m.Anm. Deutsch) fest. Wäre allerdings diese Funktion entsprechend der gegenteiligen Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum durch die verhängten und verbüßten Freiheitsstrafen nicht weitgehend gegenstandslos geworden, so wäre ein Schmerzensgeld erforderlich geworden, das die in der Klage genannte Größenordnung erreiche.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht durchweg stand.
1. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, das Berufungsgericht habe bei Bemessung des Schmerzensgeldes bereits unter dem Blickpunkt der Ausgleichsfunktion die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte nicht vollständig erfaßt und sich deshalb nicht hinreichend mit dem Streitfall auseinandergesetzt.
Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß dem Schmerzensgeld eine Ausgleichsfunktion beikommt. Insoweit entspricht es gefestigter Rechtsprechung, daß die billige Entschädigung in Geld, die nach § 847 BGB bei bestimmten Rechtsgutsverletzungen für den hierdurch entstandenen nicht vermögensrechtlichen Schaden zu zahlen ist, in erster Linie dem Verletzten einen Ausgleich für die erlittene immaterielle Beeinträchtigung bieten soll (BGHZ 7, 223, 225 ff.; 18, 149, 156 f.; Senatsurteile BGHZ 120, 1, 4 ff.; vom 14. Januar 1992 - VI ZR 120/91 - VersR 1992, 504, 505; vom 16. Februar 1993 - VI ZR 29/92 - VersR 1993, 585 und vom 22. Juni 1993 - VI ZR 302/93 - VersR 1993, 1158). Mithin steht bei Bemessung des Schmerzensgeldes das Ausmaß dieser Beeinträchtigung im Vordergrund. Hiermit hat sich das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision hinreichend auseinandergesetzt.
a) Insbesondere trifft es nicht zu, daß das Berufungsgericht nur pauschal auf vergleichbare Fälle verwiesen habe. Vielmehr hat das Berufungsgericht alle Umständen des konkreten Falles gewürdigt, ohne daß die Revision insoweit zusätzliche Gesichtspunkte aufzuzeigen vermöchte. Soweit das Berufungsgericht zur Bemessung der Höhe auf einige in der Rechtsprechung entschiedene Fälle hingewiesen hat, ist der Einwand der Revision, bis auf den ersten der herangezogenen Vergleichsfälle handele es sich jeweils um andere Lebenssachverhalte, nicht stichhaltig. Das Berufungsgericht hat dies nicht verkannt, sondern gerade darauf hingewiesen, bei den übrigen Vergleichsfällen (nämlich Schock durch den miterlebten Tod eines nahen Angehörigen) sei die psychische Beeinträchtigung deutlich gravierender als im Streitfall. Das ist zumindest aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
b) Ein durchgreifender Verfahrensfehler liegt entgegen der Auffassung der Revision auch nicht darin, daß das Berufungsgericht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen hat. Es hat nämlich insoweit ohne Rechtsfehler festgestellt, daß die Klägerin in dem aus den ärztlichen Attesten ersichtlichen Ausmaß weiterhin unter Beeinträchtigungen leide. Den Fortbestand weiterer Beeinträchtigungen, die etwa vom Berufungsgericht nicht berücksichtigt worden wären, hat die Klägerin nicht geltend gemacht, so daß es weder der Anhörung von Zeugen noch der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte. Soweit die Revision die Ausführungen des Berufungsgerichts zu einer offenbar nicht erforderlichen Angsttherapie beanstandet, ist ein Verfahrensverstoß nicht ersichtlich, zumal auch die Revision nicht vorträgt, daß eine derartige Therapie tatsächlich durchgeführt worden sei.
2. Mit Erfolg bekämpft die Revision jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Verurteilung der Beklagten zu Freiheitsstrafen und deren Verbüßung lasse die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes im wesentlichen entfallen, so daß dieses auf den zuerkannten Betrag zu ermäßigen sei.
a) Die Revision wendet sich nicht gegen den rechtlichen Ansatz des Berufungsgerichts, daß dem Schmerzensgeld neben der Ausgleichsfunktion auch eine Genugtuungsfunktion beikomme, sondern beanstandet lediglich die Ausführungen des Berufungsgerichts zu deren Wegfall.
aa) Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes im Schrifttum umstritten ist (ablehnend z.B. Lorenz, Immaterieller Schaden und billige Entschädigung in Geld (1981), 133; MünchKomm/Mertens 3. Aufl., BGB § 847 Rdn. 2; MünchKomm/Schwerdtner, aaO., § 12 Rdn. 292, 293; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl., § 847 Rdn. 75; Schwerdtner, JuS 1978, 289, 297 und Klimke, VersR 1981, 390, 391), will jedoch grundsätzlich an seiner bisherigen Auffassung hierzu (JZ 1970, 548) festhalten. Diese steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die seit der schon erwähnten Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen (BGHZ 18, 149, 154, 157) eine Doppelfunktion des Schmerzensgeldes annimmt; danach ist das Schmerzensgeld neben dem schon oben zu 1) erörterten Ausgleich des immateriellen Schadens auch dazu bestimmt, dem Geschädigten Genugtuung für das erlittene Unrecht zu gewähren (Senatsurteile BGHZ 120, 4, 5; vom 14. Januar 1992, 16. Februar 1993 und vom 22. Juni 1993, jeweils aaO.). Vorliegend kann dahinstehen, in welchem Umfang ein Genugtuungsbedürfnis des Geschädigten bei nur fahrlässigen, insbesondere leicht fahrlässigen Rechtsgutsverletzungen eine Rolle spielen kann. Jedenfalls bei vorsätzlichen Straftaten der hier zu beurteilenden Art ist nicht zu verkennen, daß sie zu einer "besonderen persönlichen Beziehung" zwischen Geschädigtem und Schädiger (so BGHZ 18, 149, 157), zu einer besonderen Einstellung des Verletzten gegenüber der Person des Schädigers führen, die für einen angemessenen Ausgleich mitberücksichtigt werden muß. Daß diese Besonderheit seit der genannten Entscheidung des Großen Zivilsenats unter dem Blickpunkt der Genugtuung Berücksichtigung findet, erscheint zumindest bei vorsätzlichen Rechtsgutsverletzungen unbedenklich (vgl. hierzu OLG Köln, VersR 1992, 197 und OLG Celle, VersR 1993, 976, 977). Dieser Begriff nötigt nämlich nach heutigem Verständnis nicht dazu, ein dem Zivilrecht fremdes Bedürfnis nach Rache oder Abrechnung mit dem Schädiger zu unterstellen. Zwar handelt es sich beim Schmerzensgeld nach heute herrschender Auffassung nicht um eine Buße oder Privatstrafe (a.A. wohl noch OLG Hamburg, MDR 1972, 1033), sondern um den Ausgleich des immateriellen Schadens. Gleichwohl bestehen keine Bedenken dagegen, zur Erzielung des erforderlichen Schadensausgleichs jene besondere Beziehung in die Bemessung der Geldentschädigung einfließen zu lassen. Weil der immaterielle Schaden in Geld nicht meßbar ist, unterliegt die Entschädigung dem Billigkeitsprinzip, so daß alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden können (BGHZ 18, 149, 157). Deshalb kann die Art und Weise der Schadenszufügung - etwa Vorsatz - ebenso Berücksichtigung finden wie die hierdurch hervorgerufene innere Einstellung des Geschädigten zum Schädiger.
b) Dies bedeutet jedoch nicht, daß sich eine Verurteilung des Täters zu einer empfindlichen Freiheitsstrafe bzw. deren Verbüßung mindernd auf das Schmerzensgeld auswirken muß.
aa) Hiergegen bestehen schon deshalb durchgreifende Bedenken, weil das Berufungsgericht ersichtlich ein Schmerzensgeld in der Größenordnung des Klagantrags, also von 8.000 DM, für angemessen erachtet und dieses wegen Wegfalls der Genugtuungsfunktion auf die Hälfte herabsetzt (ähnlich OLG Düsseldorf, NJW 1974, 1289). Dieses Vorgehen führt zu einer Aufspaltung des Schmerzensgeldes in Beträge, die auf Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion entfallen. Das ist jedoch unzulässig, da es sich bei der Entschädigung nach § 847 BGB um einen einheitlichen Anspruch handelt, der nicht nach dem Gewicht der jeweils in Betracht kommenden Funktionen betragsmäßig aufgespalten werden kann, sondern eine ganzheitliche Betrachtung und Bemessung des Anspruchs erfordert (Senatsurteil vom 6. Dezember 1960 - VI ZR 73/60 - VersR 1961, 164, 165; OLG Hamm, NJW-RR 1988, 1301; OLG Stuttgart, NJW-RR 1993, 1121; vgl. auch OLG Düsseldorf, NJW-RR 1993, 156, 157 sowie im Schrifttum MünchKomm/Mertens, MünchKomm/Schwerdtner und Staudinger/Schäfer, jeweils aaO.).
bb) Erweist sich deshalb schon die faktische Aufspaltung des Schmerzensgeldes durch das Berufungsgericht als unzulässig, so begegnet es zusätzlichen Bedenken, daß die Genugtuungsfunktion nach Auffassung des Berufungsgerichts durch Verhängung und Verbüßung der Freiheitsstrafen entfallen sein soll.
Ob die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes bei einer strafrechtlichen Verurteilung des Schädigers zurücktritt oder gar in Wegfall gerät, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten (bejahend OLG Celle, JZ 1970, 548 m.zust.Anm. Deutsch aaO. 549; OLG Hamburg, MDR 1972, 1033; OLG Düsseldorf, NJW 1974, 1289; OLG Stuttgart, VersR 1989, 1150, 1151; BGB-RGRK/Kreft, 12. Aufl., BGB § 847 Rdn. 42; Deutsch, Haftungsrecht I S. 91 f. sowie Meyer, JuS 1975, 87, 90; aus strafrechtlicher Sicht AG Flensburg, MDR 1973, 948; ablehnend OLG Hamm, MDR 1974, 1018; OLG Köln, VersR 1992, 197; OLG Celle VersR 1993, 976, 977; OLG Stuttgart, NJW-RR 1993, 1121 und LG Stuttgart, NJW 1978, 595; im Schrifttum Lorenz, MünchKomm/Mertens, MünchKomm/Schwerdtner; Staudinger/Schäfer sowie Klimke, jeweils aaO.).
Bei der Beantwortung dieser Frage ist zwischen der Genugtuungsfunktion innerhalb des zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs nach § 847 BGB und dem Anspruch auf strafrechtliche Verurteilung des Schädigers zu unterscheiden. Der Strafanspruch hat in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit daran zum Gegenstand, den Täter für seine Tat strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Demgegenüber stellt sich die Genugtuungsfunktion im Rahmen des § 847 BGB der Sache nach als Berücksichtigung einer besonderen Beziehung des Geschädigten zum Schädiger und damit als eine der Grundlagen für die Bemessung des zivilrechtlichen Anspruchs auf Ausgleich des immateriellen Schadens dar. Damit unterscheidet sie sich begrifflich sowohl vom staatlichen Strafanspruch als auch einem etwaigen Bedürfnis des Geschädigten nach dessen Verwirklichung. Zu Recht erwägt deshalb das Berufungsgericht, ob nicht eine Genugtuung, wie sie für das Schmerzensgeld in Frage kommt, erst durch eine Leistung an den Geschädigten verschafft werde. Das Berufungsgericht hat sich allerdings zu dieser Betrachtungsweise nicht entschließen können, weil damit das Schmerzensgeld in die Nähe einer Privatstrafe gerückt werde. Dem vermag der erkennende Senat nicht zu folgen, weil es sich bei der Genugtuung im zivilrechtlichen Sinn eben nicht um eine Strafe oder Buße handelt, sondern um einen zusätzlichen Bewertungsfaktor im Rahmen des Schadensausgleichs.
Im übrigen weist die Revision mit Recht darauf hin, daß die vom Berufungsgericht erwogene Aussetzung eines Schmerzensgeldprozesses gemäß § 149 ZPO im ersten Rechtszug wegen eines schwebenden Ermittlungs- oder Strafverfahrens gegen den Täter und die damit verbundene Anpassung des zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs an eine vorhergehende strafrechtliche Verurteilung nicht angebracht sei. Zwar würde mit einer solchen Aussetzung den im Schrifttum geäußerten Bedenken wegen eines etwaigen "Wettlaufs" zwischen straf- und zivilrechtlichem Verfahren begegnet (vgl. hierzu Schwerdtner aaO. sowie Hupfer, JZ 1977, 781, 785; für eine Aussetzung Meyer, JuS 1985, 87, 90), daß nämlich die Höhe des Schmerzensgeldes nicht davon abhängen könne, ob der Geschädigte diesen Anspruch vor Abschluß des Strafverfahrens einer rechtskräftigen Erledigung zuführen könne. Gerade diese Überlegung zeigt jedoch, daß eine Ankopplung des Schmerzensgeldanspruchs an eine etwaige strafrechtliche Verurteilung verfehlt ist. Die Bemessung des zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs kann nämlich schon im Ansatz nicht vom Ausgang eines Strafverfahrens abhängen, weil - wie die Revision mit Recht geltend macht - der Schädiger die Pflicht, den immateriellen Schaden des Geschädigten tat- und schuldangemessen voll auszugleichen, als zivilrechtliche Folge seiner Tat eben so hinnehmen muß wie deren strafrechtliche Folge, also etwa den Freiheitsentzug (OLG Hamm, MDR 1974, 1018). Gerade weil das Schmerzensgeld keine Privatstrafe darstellt, sondern auf Schadensausgleich gerichtet ist, kann die Höhe der Entschädigung nur am immateriellen Schaden ausgerichtet werden, nicht aber an der Überlegung, ob daneben auch der staatliche Strafanspruch verwirklicht worden ist. Dies zeigt sich insbesondere an der Überlegung, daß die immaterielle Beeinträchtigung des Geschädigten in ihrem Umfang nicht davon abhängen kann, ob ein Strafverfahren gegen den Täter mit einer Verurteilung oder einer Einstellung des Verfahrens endet. Daß der Geschädigte etwa bei einer Vorsatztat an einer Bestrafung des Täters Interesse hat und diese nach allgemeinem Sprachgebrauch möglicherweise als "Genugtuung" empfindet, darf mit seinem Genugtuungsbedürfnis im Rahmen des immateriellen Schadensausgleichs nicht vermengt werden.
Deshalb tritt der erkennende Senat der Auffassung bei, daß sich eine strafrechtliche Verurteilung des Täters auf die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes grundsätzlich nicht auswirkt.
III. Da das angefochtene Urteil erkennen läßt, daß das Berufungsgericht ohne den von ihm angenommenen Wegfall der Genugtuungsfunktion ein Schmerzensgeld in Größenordnung des Klagantrags für angemessen erachtet und die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der erkennende Senat gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO mit dem aus dem Tenor ersichtlichen Ergebnis in der Sache selbst entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 2993306 |
BGHZ 128, 117 |
BGHZ, 117 |
BB 1995, 639 |
NJW 1995, 781 |
LM BGB § 847 Nr. 94 |
BGHR BGB § 847 Genugtuungsfunktion 1 |
DRsp I(147)306a-b |
MDR 1995, 482 |
VersR 1995, 351 |
ZfS 1995, 128 |
SP 1995, 169 |
r s 1995, 97 |