Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 23.05.2012) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Mai 2012
- in den Schuldsprüchen dahin klargestellt, dass die Angeklagten der besonders schweren räuberischen Erpressung schuldig sind,
- in den Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen – gemeint: besonders – schwerer räuberischer Erpressung verurteilt und gegen den Angeklagten S. eine Freiheitsstrafe von drei Jahren, gegen den Angeklagten B. eine solche von drei Jahren und vier Monaten verhängt. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen, auf die Strafaussprüche beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben mit der Sachrüge Erfolg.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verschafften sich die Angeklagten und ein unbekannt gebliebener Mittäter unter einem Vorwand Zugang zur Wohnung der Nebenklägerin, einer Arbeitskollegin des Angeklagten S.. Der Angeklagte B. forderte die Nebenklägerin und ihren anwesenden Partner auf, Geld und Marihuana herauszugeben, und bedrohte beide mit einem großen „machetenartigen” Messer; er drohte, den Partner der Nebenklägerin „abzustechen” und ihm die Finger abzuschneiden, wobei er mehrfach Stichbewegungen in unmittelbare Nähe des Körpers des Mannes ausführte. Zudem drohte er, die Nebenklägerin im Badezimmer zu vergewaltigen. Währenddessen stand der Angeklagte S. mit einem Teleskopschlagstock an der Tür zum Flur, der dritte Täter hielt ein Messer in den Händen. Die Nebenklägerin übergab aus einer Geldkassette 20 EUR und etwas Marihuana, woraufhin der Angeklagte B. ihnen weiter drohte, sie „sollten ihn nicht ‚verarschen?, sonst käme er mit allen seinen Leuten” (UA S. 5). Als daraufhin der Partner der Nebenklägerin die Geldkassette durch die geschlossene Balkontür warf und laut um Hilfe rief, flüchteten die Täter mit der Beute.
Rz. 3
Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung bei jedem der Angeklagten einen minder schweren Fall nach § 250 Abs. 3 StGB angenommen. Dabei hat es zu ihren Gunsten neben den „umfassenden” Geständnissen und der erwartbar geringen Beute vor allem berücksichtigt, dass „die Schlag- und Stichwaffen nicht so gefährlich waren, wie etwa eine scharfe Schusswaffe” (UA S. 7). Als maßgeblich für die Strafrahmenwahl erachtete es die Strafkammer zudem, dass die Tatausführung „dilettantisch und unprofessionell” gewesen sei, weil die Täter nicht maskiert waren und der Angeklagte S. der Nebenklägerin bekannt war (UA S. 8). Die Anwendung des Strafrahmens nach § 250 Abs. 2 StGB hielt sie „für nicht geboten und unangemessen, zumal die Mindeststrafe wegen des Gewichts der straferhöhenden Umstände bei der Festsetzung der Strafen nicht nur unbeträchtlich erhöht werden müsste” (UA S. 8).
Rz. 4
2. Diese Begründung für die Annahme minder schwerer Fälle nach § 250 Abs. 3 StGB bei beiden Angeklagten hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 5
Durchgreifenden Bedenken begegnet bereits die Erwägung, die verwendeten Schlag- und Stichwaffen seien nicht so gefährlich, wie eine „scharfe Schusswaffe”. Das Landgericht berücksichtigt dabei nicht ausreichend die konkreten Umstände des Waffeneinsatzes (Überfall in einer Ein-Zimmer-Wohnung durch drei bewaffnete Täter; körpernahe Stichbewegungen mit dem „machetenartigen” Messer), die für die Beurteilung der Gefährlichkeit der Waffen von erheblicher Bedeutung sind. Bei der Bewertung der Tatausführung als „dilettantisch und unprofessionell” aufgrund der unterlassenen Maskierung der Täter zieht das Landgericht nicht in Betracht, dass die Nebenklägerin wusste, „dass der Angeklagte S. mit einer Rockergruppierung in Kontakt stand” (UA S. 7), und sich die Angeklagten deshalb möglicherweise darauf verließen, von ihr nicht angezeigt zu werden. An anderer Stelle hat das Landgericht der Drohung des Angeklagten B., er werde „seine Leute” vorbeischicken, in diesem Zusammenhang besonderes Gewicht beigemessen (UA aaO). Angesichts des Tatbildes und insbesondere der Reaktion des Angeklagten B. auf die Übergabe eines nur geringen Bargeldbetrages und einer kleinen Menge Rauschgift ist auch die Annahme einer geringen Beuteerwartung der Täter nicht ohne Weiteres nachvollziehbar.
Rz. 6
Sachlich unzutreffend und mithin rechtsfehlerhaft ist schließlich die Kontrollerwägung des Landgerichts, dass bei Anwendung des Regelstrafrahmens die Mindeststrafe erheblich hätte erhöht werden müssen. Es ist abwegig anzunehmen, dass unter Berücksichtigung der hier gegebenen strafmildernden Gesichtspunkte eine erhebliche Erhöhung der in § 250 Abs. 2 StGB vorgesehenen Mindeststrafe zwingend erforderlich gewesen wäre. Die hohe Untergrenze dieses strengen Strafrahmens trägt der hohen Gefährlichkeit der umfassten Taten bereits Rechnung. Dies zwingt bei Vorliegen von Milderungsgründen, wenn sie nicht zur Annahme eines minder schweren Falles hinreichen, ungeachtet – wie hier – gegebener Erschwerungsgründe nicht zu deren Anhebung.
Rz. 7
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Gesamtwürdigung einen minder schweren Fall nach § 250 Abs. 3 StGB abgelehnt hätte. Die Strafaussprüche haben daher keinen Bestand. Da lediglich Wertungsfehler vorliegen, können die Feststellungen bestehen bleiben und weitere, ihnen nicht widersprechende, getroffen werden.
Unterschriften
Basdorf, Schaal, Schneider, Dölp, Bellay
Fundstellen
Haufe-Index 3549074 |
NStZ-RR 2013, 366 |