Leitsatz (amtlich)
›Auch wenn der Versicherungsnehmer das unfallgeschädigte Fahrzeug selbst repariert oder von privater Hand oder gar nicht reparieren läßt, hat der Kaskoversicherer wie der Schädiger im Schadensrecht den Mehrwertsteuerbetrag zu zahlen, der als allgemeiner Kostenfaktor zu den sachverständig errechneten Wiederherstellungskosten gehört.‹
Verfahrensgang
LG Düsseldorf |
OLG Düsseldorf |
Tatbestand
Als Kaskoversicherer will die Beklagte der Klägerin nicht den Mehrwertsteuerbetrag zahlen, der auf die von einem Sachverständigen errechneten Wiederherstellungskosten für das unfallgeschädigte Fahrzeug der Klägerin entfällt.
Die Klägerin ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Sie behauptet, für die Reparatur den gesamten geschätzten Betrag einschließlich Mehrwertsteuer aufgewendet zu haben. Die Beklagte bestreitet die Reparatur durch einen umsatzsteuerpflichtigen Unternehmer und die Höhe der Zahlungen. Sie vertritt die Ansicht, bei einer Abrechnung auf Gutachtensbasis sei die lediglich kalkulierte, tatsächlich aber nicht angefallene Mehrwertsteuer nicht zu erstatten.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweichung der Klage in Höhe des Mehrwertsteuerbetrages von 1.712,01 DM.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht läßt dahinstehen, in welcher Weise das Fahrzeug repariert wurde und welche Zahlungen die Klägerin aus diesem Anlaß tatsächlich erbrachte. Es ist der Ansicht, die Klägerin habe - wie sich aus §§ 13,7 AKB, 55 W G ergebe - in jedem Fall einen Anspruch auf Erstattung der nach dem Reparaturkostengutachten kalkuliertee Mehrwertsteuerbeträge. Diese zählten zu den "erforderlichen Kosten der Wiederherstellung" (§ 13 Abs. 5 AKB). Das sei unzweifelhaft, wenn der Versicherungsnehmer die Mehrwertsteuer bei Reparatur des Fahrzeugs tatsächlich tragen müsse. Wie im Schadensersatzrecht sei dem nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Versicherungsnehmer die Mehrwertsteuer auch dann zuzusprechen, wenn eine Reparatur unterbleibe, in Eigenarbeit oder von privater Hand ausgefilhrt werde. Insoweit sei eine einheitliche Betrachtungsweise geboten.
Die Revision hält bereits die vom VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in ständiger Rechtsprechung vertretene Auffassung für verfehlt, wonach gemäß § 249 Satz 2 BGB dem nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Geschädigten die kalkulierte Mehrwertsteuer auf die Reparaturkosten auch dann zu ersetzen ist, wenn eine Wiederherstellung nicht oder in Eigenarbeit vorgenommen wird. Zumindest könnten die zu § 249 Satz 2 BGB entwickelten Grundsätze nicht auf die Bemessung der Kaskoentschädigung nach § 13 Abs. 5 AKB Ubertragen werden. Die Kaskoversicherung sei als Eigenschadensversicherung dem Solidargedanken besondern verpflichtet und erfordere sowohl eine besondere Kooperationsbereitschaft des Versicherungsnehmers als auch eine damit korrespondierende besondere Schadensminderungspflicht.
II.
Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden.
1. In allen Fällen einer Beschädigung, die nicht zu einem Totalschaden am versicherten Fahrzeug fUhrt, hat der Versicherungenehmer (VN) gemäß § 13 Abs. 5 AKB einen Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Kosten der Wiederherstellung. Hierunter sind die finanziellen Aufwendungen zu verstehen, die einer ordentlichen Werkstatt im Rahmen der üblichen Vergütung für die Reparatur des Fahrzeugs zu erbringen sind (Bruck/Möller/Johannsen, 8. Aufl., VVG, Bd. V 2 Fahrzeugversicherung J 138 Seite F 218 unten; Stiefel/Hofmann, AKB, 12. Aufl., § 13 Rdn. 51). Etwas anderes gilt im Schadensrecht (vgl. BGHZ 54, 82), wenn der Geschädigte selbst eine Werkstätte unterhält, die nur zur Instandsetzung der eigenen Fahrzeuge bestimmt ist; ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Werkstätten werden in aller Regel von umsatzsteuerpflichtigen Unternehmern betrieben. Daneben gibt es keinen für die Vielzahl der VN offenen Markt nicht mehrwertsteuerpflichtiger Reparaturbetriebe. Regelmäßig muß demnach der VN zur Wiederherstellung des Fahrzeugs in einer Werkstätte Preise zahlen, welche die Mehrwertsteuer umfassen. Der Mehrwertsteueranteil ist trotz getrennter Aunweisung als leistungsbezogene Abgabe auf den Verbrauch ein allgemeiner Kostenfektor, der in den Preis der Leistung Eingang gefunden hat (BGHZ 61, 56, 58 f. ). Er ist demnach als Teil der erforderlichen Kosten der Wiederherstellung gemäfß § 13 Abs. 5 AXB zu erstatten (Wussow, WI 1982, 185). Daß der VN sich dieselben Leistungen beschaffen könnte, ohne letztlich den Mehrwertsteuerbetrag tragen zu müssen, weil er selbst eine Reparaturwerkstätte unterhält oder zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (vgl. zum Schadensrecht: BGH, Urteil vom 6. 6. 1972 - VI ZR 49/71 - LM BGB § 249 Cb Nr. 17 = NJW 1972, 1460) kommt hier nicht in Betracht; bei der Klägerin liegen diese besonderen Umstände nicht vor.
2. Die Leistungspflicht des Versicherers ist im Rahmen des § 13 Abs. 5 AKB nicht davon abhängig, ob und in welchem Umfang eine Wiederherstellung erfolgt. Nach allgemeiner und zutreffender Auffassung setzt die Kaskoentschädigung eine vorherige DurchfUhrung der Reparatur nicht voraus (RG, JW 1928, 1744, BGH, Urteil vom 13.7.1961 - II ZR 135/59 - VersR 1961, 723; Bruck/ Möller/Johannsen, aaO., Seite F 217; Prölss/Martin, VVG, 23. Aufl., AKB § 13 Anm. 3 c; Stiefel/Hofmann, aaO., Rdn. 46 ) . Der Versicherungsnehmer ist demnach hier hinsichtlich der Verwendung der Versicherungsleistung in seiner Disposition grundsätzlich frei. Die Höhe der Entschädigung richtet sich allein nach den erforderlichen Kosten. Diese lassen sich durch Gutachten sorgfältig ausgewählter Sachverständiger ermitteln. Mit der Ausgestaltung des Versicherungsschutzes in § 13 Abs. 5 AKB läßt sich eine nachträgliche Anderung des Entschädigungsbetrages wegen einer bestimmten Entscheidung dea Versicherungsnehmers über die Verwendung der Mittel oder über den vom Gutachten vorausgesetzten Standart der Schadensbehebung nicht vereinbaren (vgl. auch: Selb, Festschrift für Klingmüller, 1974, S. 441, 445; Prölss/Martin, aaO., § 55 Anm. 2 A).
Der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte VN hat deshalb auch dann Anspruch auf Erstattung der Wiederherstellungskosten einschließlich des darin enthaltenen Mehrwertsteuerbetrages, wenn er die Reparatur nicht oder von privater Hand durchführen läßt (überwiegende Meinung, in der Rechtsprechung zuletzt LG Osnabrück, DAR 1984, 332; in der Literatur Medicus, DAR 1982, 352, 353 ff; Bruck/Möller/Johannsen, aaO., S. F 218; Prölss/Martin, aaO., § 55 Anm. 2 A; Bauer, Die Kraftfahrtversicherung, 2. Aufl., Rdn. 745). Mit dem feststehenden Schadensumfang und der Dispositionsfreiheit des Geschädigten sind hier - unabhängig von der Verschiedenheit des allgemeinen und des versicherungsrechtlichen Schadensbegriffes (vgl. Bruck/Möller, aaO., § 55 Anm. 14 ff.) dieselben Gesichtspunkte maßgebend, die auch im Schadensrecht zur Erstattung der Mehrwertsteuerbeträge in den Fällen führen, in denen der Geschädigte sein Fahrzeug selbst wieder instandsetzt (BGHZ 61, 56) oder auf eine Reparatur verzichtet (BGHZ 66, 239).
3. Die gegenteilige Auffassung der Revision, die auch von einem Teil der Rechtsprechung und Literatur (zuletzt OLG Frankfurt/M., ZfS 1984, 149; Stiefel-Hofmann, aaO., Rdn. 52; Hofmann, DAR 1983, 374, Wussow, WI 1982, 185) vertreten wird, beachtet nur unzureichend, daß die Mehrwertsteueranteile der Reparaturkosten als allgemeiner Kostenfaktor in den Preis aufgenommen sind (vgl. oben II 1). Die Revision kann sich auch nicht auf das Bereicherungsverbot nach § 55 VVG stützen. Der VN, der sich entschließt, auf die Wiederherstellung zu verzichten, verbessert seine Stellung nicht in einer Weise, der im Verhältnis zum Versicherer Gewicht zukommt. Nach dem Bemessungamaßstab des § 13 Abs. 5 AKB gleicht die Entschädigung naturgemäß nur die Einbußen aus, die der VN im Schadensfall erlitten hat.
Nichts anderes gilt in den Fällen, in denen die Reparaturleistungen vom VN selbst oder von privater Hand erbracht werden. Der Gedanke, hier erhalte der Versicherunganehmer einerseits die volle tatsächliche Wiederherstellung andererseits aber auch die gar nicht angefallene, selbst in der Preiskalkulation nicht berücksichtigte Mehrwertsteuer (Köhler, Festschrift für Karl Lorenz zum 80. Geburtstag, 1983, S. 349, 354), besteht auf der Gleichsetzung solcher Reparaturen mit den in einer ordentlichen Werkstatt ausgeführten. Zu einer solchen Gleichsetzung sieht sich der Senat jedoch nicht in der Lage. Dabei kommt es auf die Qualität der Arbeiten im Einzelfall nicht an. Entscheidend ist vielmehr, daß für derartige, nicht der Umsatzsteuer unterliegende Reparaturleistungen kein Markt besteht, auf den der VN verwiesen werden könnte. Soweit es sich um Schwarzarbeiten handelt, droht ihm sogar eine Verfolgung wegen Ordnungewidrigkeiten:
Bereits das Ermitteln einer anderweitigen Reparaturgelegenheit bedeutet für den VN in aller Regel einen spürbaren Aufwand von Zeit und Mühe oder den Einsatz persönlicher Beziehungen. Zudem birgt die Wiederherstellung außerhalb eines normalen Reparaturbetriebes regelmäßig beachtliche Risiken in Bezug auf Mangelfreiheit und Durchsetzbarkeit von Gewährleistungsansprüchen (vgl. BGH, Urteil vom 4. 5.1982 - VI ZR 166/80 - VersR 1982, 757, 759). Ferner kann nicht übersehen werden, daß die nachgewiesene Behebung eines Vorschadens in einer ordentlichen Werkstatt gewöhnlich den Wert eines Gebrauchtwagens beeinflußt. Alle diese Gesichtspunkte verbieten es, die Reparatur von privater Hand der Wiederherstellung gleichzusetzen, deren Kosten nach § 13 Abs. 5 AKB dem VN zu erstatten sind.
Es handelt sich vielmehr um anderweite Dispositionen über die Entschädigung. Dabei setzt der VN in zulässiger Weise den überschießenden Barbetrag zur Kompensation der aufgezeigten Nachteile ein. Eine Bereicherung tritt nicht ein. Insoweit unterscheiden sich die hier angesprochenen Sachverhalte von jenen, in denen sich nach durchgeführter Reparatur zu dem Standart, den das Gutachten voraussetzt, die ursprüngliche Kalkulation als überhöht erweist. Nur solchen Fällen entspricht der niedrigere Betrag den erforderlichen Kosten im Sinne von § 13 Abs. 5 AKB. Zu dem konkreten Preis bekommt der VN dort, was § 13 Abs. 5 AKB ihm zuspricht, nämlich die vollständige Beseitigung seines Kaskoschadens (RG, HRR 1929 Nr. 1592).
4. Unbilliges wird mit diesem Verständnis des Merkmals "erforderlich" weder den Versicherern noch der Versichertengemeinschaft zugemutet. Eine Schadensfeststellung nach § 13 Abe. 5 AKB, die - der pauschalierenden Schadenstiktion vergleichbar (vgl. Medicus, DAR 1982, 352, 357) - unabhängig von der tatsächlichen Vornahme der Reparatur und ohne Rücksicht auf die wirklich entstandenen Kosten erfolgt, liegt nicht zuletzt auch im Interesse des Versicherers (vgl. für den Haftpflichtversicherer: Köhler, aaO., S. 366). Dessen Belange bei der eigentlichen Bemessung der Entschädigung werden durch die Einschaltung von berufenen Sachverständigen hinreichend gewahrt. Das Verfahren gewährleistet zudem vielfach den raschen und deshalb kostengünstigeren Abschluß der Schadensregulierung (BGH, Urteil vom 13.7.1961 - II ZR 135/59 - VersR 1961, 723). Es erspart Zweitgutachten in den Fällen, in denen der Versicherungenehmer geltend machen könnte, die tatsächlich durchgefUhrte und abgerechnete Reparatur bleibe technisch und wirtschaftlich hinter einer Wiederherstellung im Sinne von § 13 Abs. 5 AKB zurück.
Eine spürbare Entlastung der Versichertengemeinschaft wäre bei Durchführung des gegenteiligen Bemessungskonzept nicht zu erwarten. Mit dem Anknüpfen an die tatsächlich entstandenen Reparaturkosten entfiele der Anreiz zu kostengünstigen Notlösungen (vgl. Leonhard, VersR 1983, 415, 416).
Voraussichtlich erforderliche und tatsächlich zu erbringende Kosten wären weitgehend deckungsgleich.
Fundstellen
Haufe-Index 2992770 |
NJW 1985, 1222 |
DRsp II(229)232d |
DAR 1985, 153 |
MDR 1985, 558 |
VRS 68, 427 |
VersR 1985, 354 |
DRsp-ROM Nr. 1995/523 |
ES Kfz-Schaden H-2/9 |