Entscheidungsstichwort (Thema)
Verleihung von Nutzungsrechten. Nichterhebung von Nutzungsentgeltung. Dingliche Nutzungsrechte an volkseigenen Grundstücken. Unentgeltlichkeit
Leitsatz (amtlich)
a) Zum Inhalt eines dinglichen Nutzungsrechts gehört auch seine Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit. Dafür sind neben den Bestimmungen über die Verleihung von Nutzungsrechten auch die Bestimmungen über die Nichterhebung von Nutzungsentgelten etwa nach der Eigenheimverordnung maßgeblich.
b) Auch nach 1970 waren dingliche Nutzungsrechte an volkseigenen Grundstücken i. d. R. unentgeltlich. Deshalb kann ein Entgelt bei solchen Rechten nur verlangt werden, wenn der Nutzer ausnahmsweise nicht von einem Entgelt befreit war.
Normenkette
EGBGB Art. 233 § 3
Verfahrensgang
LG Stendal (Urteil vom 27.08.2003) |
AG Burg |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 1 des LG Stendal v. 27.8.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Dem Beklagten und seiner Ehefrau wurde am 27.4.1983 mit Wirkung zum 1.9.1978 ein Nutzungsrecht an dem damals volkseigenen Grundstück L. -Str. in B. verliehen. In der hierüber erteilten Nutzungsrechtsurkunde hieß es u. a.:
"Das Entgelt für die Nutzung des volkseigenen Grund und Bodens wird vom Rat der Stadt bzw. Gemeinde festgesetzt."
Am 10.4.2000 wurde das Grundstück der Klägerin mit Wirkung v. 3.10.1990 als Eigentum zugeordnet. Am 18.8.2000 verkaufte es die Klägerin dem Beklagten.
Mit ihrer am 8.11.2002 eingegangenen Klage verlangt die Klägerin von dem Beklagten für den Zeitraum v. 29.11.1993 bis zum Ablauf des 31.3.1995 eine Nutzungsentschädigung von 169,67 Euro und für den Zeitraum v. 1.4.1995 bis zum 17.8.2000 eine Nutzungsentschädigung von 2.754,25 Euro.
Das AG und das LG haben die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die von dem LG zugelassene Revision, mit der die Klägerin eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der beantragten Nutzungsentschädigung weiterverfolgt. Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Das LG hält den Anspruch für unbegründet. Auf Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 4 oder 8 EGBGB lasse er sich nicht stützen. Für die Zeit vor dem 1.4.1995 sei der Anspruch verjährt, weil die Klage bis zum Ablauf des 7.11.2002 habe eingereicht werden müssen. Danach scheitere der Anspruch daran, dass die Klägerin kein Bereinigungsverfahren beantragt oder eingeleitet habe. Aus dem Nutzungsrecht selbst könne die Klägerin keine Festsetzungsbefugnis ableiten. Ein Entgelt habe vor dem 2.10.1990 festgesetzt werden können. Dies sei aber nicht geschehen und könne jetzt nicht mehr nachgeholt werden. Eine entsprechende Anwendung von § 315 BGB scheide aus, weil die Festsetzung seinerzeit hoheitlich habe erfolgen müssen und die dafür erforderliche Rechtsgrundlage entfallen sei.
II.
Dieses Ergebnis tragen die bisher getroffenen Feststellungen nicht.
1. Einen Anspruch aus Art. 233 § 2a Abs. 1 EGBGB haben die Vorinstanzen indes zu Recht verneint. Für die Zeit v. 29.11.1993 bis zum Ablauf des 31.3.1995 ist der Anspruch verjährt, weil er bis zum Ablauf des 7.11.2002 hätte geltend gemacht werden müssen, die Klage aber erst am 8.11.2002 bei Gericht eingegangen ist. Für die Zeit v. 1.4.1995 bis zum Ablauf des 17.8.2000 scheitert der Anspruch daran, dass die Klägerin kein Bereinigungsverfahren eingeleitet hat. Beides wird von der Revision nicht angegriffen.
2. Auch auf das dingliche Nutzungsrecht lässt sich der Anspruch nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht stützen.
a) Das ergibt sich indes entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht schon daraus, dass die Entgeltpflicht nach § 3 Abs. 4 S. 1 des Gesetzes über die Verleihung von Nutzungsrechten an volkseigenen Grundstücken (14.12.1970, GBl. I, 372 - im Folgenden: Nutzungsrechtsgesetz 1970) und § 288 Abs. 3 S. 1 ZGB nicht näher ausgestaltet worden wäre. Dem Berufungsgericht ist einzuräumen, dass die Grundsätze zur Festlegung von Entgelten für die Nutzung volkseigener Grundstücke nach § 3 Abs. 4 S. 3 Nutzungsrechtsgesetz nicht von den örtlichen Räten, sondern vom Ministerrat festzulegen waren. Es spricht auch manches dafür, dass die Entgeltpflichtigkeit ohne die Festlegung solcher Grundsätze nicht umgesetzt werden konnte. Diese Festlegung hat der Ministerrat aber am 15.12.1970 vorgenommen. An diesem Tag hat er die "Grundsätze zur Festsetzung von Entgelten für die Nutzung volkseigener Grundstücke für Eigenheime" (nicht veröffentlicht, jetzt abgedr. in Bundesministerium der Justiz [Hrsg.], Sammlung von Rechtsvorschriften, internen Anweisungen und Erläuterungen zum Grundstücksrecht der ehemaligen DDR, Geschäftszeichen 3440/4-140596/95 - im Folgenden: BMJ-Sammlung -, Nr. 70.12.15.4). Nach Nr. 5 dieser Grundsätze sollte das Entgelt je Grundstück monatlich 10 Mark/DDR nicht unter- und monatlich 30 Mark/DDR nicht überschreiten. Ausnahmen nach "territorialen Besonderheiten" waren danach zulässig. Damit war die Entgeltpflicht umsetzbar.
b) Der Anspruch der Klägerin scheitert entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht von vornherein daran, dass die Entgelte "hoheitlich festzulegen" gewesen und hierfür heute keine Ermächtigung gegeben sei.
Richtig ist allerdings, dass die geschuldeten Nutzungsentgelte nach Nr. 5.8 der "Hinweise und Erläuterungen zur Durchführung des Gesetzes v. 14.12.1970 über die Verleihung von Nutzungsrechten an volkseigenen Grundstücken (GBl. I, 372)" des Ministeriums der Finanzen der DDR v. 4.6.1971 (unveröffentlicht, verfügbar in BMJ-Sammlung Nr. 71.06.04) bei Verleihung des Nutzungsrechts durch einen (gleichzeitig zuzustellenden) gesonderten Bescheid festzusetzen waren. Die Passage in den nach Nr. 9. 2. der vorgenannten Hinweise und Erläuterungen für die Verleihung des Nutzungsrechts zu verwendenden amtlichen Vordrucken, wonach das Entgelt vom Rat der Stadt bzw. Gemeinde festgesetzt wird, ist deshalb auch nur als Hinweis auf diesen ggf. zu erteilenden gesonderten Bescheid zu verstehen, nicht aber als Festsetzung des Entgelts dem Grunde nach. Eine solche (gesonderte) Festsetzung durch Bescheid würde jedenfalls heute auch einer besonderen Rechtsgrundlage bedürfen (vgl. dazu: BVerwG NJW 1977, 1838 [1839]), an der es fehlt.
Das Fehlen einer solchen Regelung bedeutet aber zunächst nur, dass ein geschuldetes Nutzungsentgelt statt durch Leistungsbescheid durch Klage durchzusetzen ist. Die Möglichkeit einer klageweisen Durchsetzung hängt wiederum davon ab, ob ein materiellrechtlicher Anspruch auf Zahlung eines Nutzungsentgelts besteht. Das wäre nach Art. 233 § 3 Abs. 1 S. 1 EGBGB grundsätzlich der Fall. Danach bestehen beschränkte dingliche Rechte an Grundstücken in den neuen Bundesländern mit ihrem bisherigen Rang und Inhalt fort. Zu diesen dinglichen Rechten gehören ungeachtet ihrer Begründung durch Verwaltungsakt auch dingliche Nutzungsrechte an ehemals volkseigenen Grundstücken. Der Entgeltanspruch bestünde deshalb grundsätzlich fort, wenn die Entgeltlichkeit eines Nutzungsrechts zu seinem Inhalt gehört. Dies lässt sich nicht mit dem Hinweis darauf in Zweifel ziehen, dass das Entgelt durch Bescheid festgesetzt werden sollte. Dieser Bescheid sollte nämlich die Entgeltpflicht nach der Konzeption des Nutzungsrechtsgesetzes 1970 und des § 288 Abs. 3 ZGB nicht erst begründen, sondern eine kraft Gesetzes auf Grund der Verleihung des Nutzungsrechts schon bestehende Entgeltpflicht in dem durch die Grundsätze festgelegten Rahmen konkretisieren. Bei einem Erbbaurecht, dem dingliche Nutzungsrechte in einiger Beziehung ähneln, wäre das Entgelt auch bei dinglicher Ausgestaltung allerdings nicht Inhalt des Erbbaurechts, sondern eine Belastung desselben. Bei dinglichen Nutzungsrechten ist das indes anders. Sie sind ursprünglich in bewusster Abkehr vom Modell des Erbbaurechts (Rhode (Hrsg.), Lehrbuch des Bodenrechts, 1976, S. 293 ff.) als Rechte konzipiert worden, zu deren Inhalt es gehörte, dass die Nutzung unentgeltlich erfolgen soll (vgl. § 3 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Eigenheime und Siedlungshäuser v. 15.9.1954, GBl. I, 784, § 3 Abs. 1 S. 1 des Zweiten Gesetzes über die Verleihung von Nutzungsrechten an volkseigenen Grundstücken v. 3.4.1959, GBl. I, 277). Das Nutzungsrechtsgesetz gibt zwar die Unentgeltlichkeit auf, behält aber die Konzeption des Nutzungsrechts ansonsten bei. Die neue Ausrichtung auf die Entgeltlichkeit erfolgte wie bisher im inhaltlichen Kontext des "Umfangs" des Nutzungsrechts (§ 3 Nutzungsrechtsgesetz 1970). Genauso liegt es bei § 288 ZGB. Die Unentgeltlichkeit oder Entgeltlichkeit der Nutzung gehört deshalb zum Inhalt eines dinglichen Nutzungsrechts (v. Oefele in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art 233 § 4 EGBGB Rz. 31; Staudinger/Rauscher, BGB, 12. Aufl., Art. 233 § 3 Rz. 14). Einem Fortbestehen des Anspruchs steht nicht entgegen, dass eine Entgeltpflicht anhand der Grundsätze v. 15.12.1970 konkretisiert werden muss. Denn eine solche Konkretisierung wäre mit zivilrechtlichen Mitteln möglich. Dazu kommt die von der Klägerin angesprochene entsprechende Anwendung von § 315 BGB in Betracht. Eine solche Bestimmung muss auch nicht daran scheitern, dass die Festlegung den örtlichen Räten übertragen war, die mit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes über die Kommunalverfassung v. 17.5.1990 (GBl. I, 255) untergegangen sind. Denn mit der Zuordnung des Grundstücks an die Klägerin sind nach §§ 1a Abs. 1, 11 Abs. 2 VZOG nicht nur die aus dem fortbestehenden dinglichen Nutzungsrecht folgenden Verpflichtungen, sondern auch die Rechte auf die Klägerin übergegangen, die aus diesem Recht abgeleitet werden können.
c) Die Klägerin hat aber bisher nicht dargelegt, dass im Fall des Beklagten für die Nutzung volkseigenen Bodens zu Eigenheimzwecken ein Entgelt erhoben werden durfte. Dies war vielmehr nur ausnahmsweise der Fall; worin die Ausnahme im Fall des Beklagten liegt, hat die Klägerin bislang nicht dargelegt.
aa) Die Möglichkeit, von der Erhebung eines Entgelts abzusehen, war ausdrücklich nur in § 288 Abs. 3 S. 2 ZGB geregelt. Das hier zu beurteilende dingliche Nutzungsrecht ist aber nicht auf Grund von § 287 Abs. 1 ZGB, sondern auf Grund § 2 Abs. 1 Nutzungsrechtsgesetz 1970 verliehen worden. Dies war möglich, weil dieses Gesetz bei Einführung des ZGB nicht aufgehoben wurde, sondern bestehen blieb, soweit es dem ZGB nicht widersprach (§ 13 Abs. 2 EGZGB). In § 3 Abs. 4 Nutzungsrechtsgesetz 1970 ist die Möglichkeit einer unentgeltlichen Nutzung volkseigener Grundstücke auf Grund von dinglichen Nutzungsrechten nicht ausdrücklich vorgesehen. Das bedeutete aber nicht, dass eine Freistellung dinglicher Nutzungsrechte von der Verpflichtung zur Zahlung eines Nutzungsentgelts nicht möglich war. Tatsächlich waren dingliche Nutzungsrechte nach dem Nutzungsrechtsgesetz 1970 in großem Umfang unentgeltlich. Grundlage war die Verordnung über die Förderung des Baus von Eigenheimen v. 24.11.1971 (GBl. II, 709), nach deren § 8 Abs. 5 ein Entgelt für die Nutzung volkseigener Grundstücke für Eigenheime nicht zu erheben war, die nach dieser Verordnung finanziert wurden. Diese und ihre Nachfolgevorschriften wurden als die wesentlichen Rechtsvorschriften angesehen, die mit § 288 Abs. 3 S. 2 ZGB angesprochen werden sollten (Ministerium der Justiz [Hrsg.], Kommentar zum Zivilgesetzbuch der DDR und zum Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch, 2. Aufl., § 288 Anm. 3). Dies bedarf hier indes keiner Vertiefung. Jedenfalls für den hier maßgeblich Zeitraum nach dem In-Kraft-Treten des Zivilgesetzbuchs der DDR am 1.1.1976 kam ein anderes Verständnis des § 3 Abs. 4 Nutzungsrechtsgesetz 1970 nicht mehr in Betracht. Ein etwa engeres Verständnis dieser Vorschrift würde nämlich § 288 Abs. 3 ZGB widersprechen. Dies hätte nach § 13 Abs. 2 EGZGB zur Folge, dass die Vorschrift durch § 288 Abs. 3 ZGB ersetzt worden wäre.
bb) Von seiner Ermächtigung, Inhaber dinglicher Nutzungsrechte nach dem Nutzungsrechtsgesetz 1970 von der Zahlung eines Nutzungsentgelts freizustellen, hat der Gesetz- und Verordnungsgeber der DDR nie in vollem Umfang Gebrauch gemacht. Es gab bis zum Ablauf des 2.10.1990 immer eine wenn auch kleine Zahl von Inhabern solcher Nutzungsrechte, die nicht freigestellt waren und ein solches Entgelt zu zahlen hatten und auch zahlten (Bericht des Bundesministeriums der Justiz "Nutzungsrecht und Eigentum an Grund und Boden in den neuen Ländern und im Ostteil Berlins" v. 28.10.1991, Geschäftszeichen 3440/4-6, abgedr. in Schmidt-Räntsch/Rühl/Baeyens, Grundeigentum und Investitionen in den neuen Bundesländern, 1994, S. 957, 960; Schmidt-Räntsch, Eigentumszuordnung, Rechtsträgerschaft und Nutzungsrechte an Grundstücken, 2. Aufl., S. 110; v. Oefele in MünchKomm/BGB, Art. 233 § 4 EGBGB Rz. 31). Ob der Beklagte zu dieser kleinen Zahl entgeltpflichtiger oder zur großen Zahl der von einem Entgelt befreiten Inhaber dinglicher Nutzungsrechte gehörte, bestimmt sich entgegen der Ansicht der Revision aber weder nach den bei der Erstverleihung des Nutzungsrechts am 27.4.1983 geltenden noch nach den Vorschriften, die am 1.9.1978 galten, zu dem das dem Beklagten seinerzeit verliehene Nutzungsrecht wirksam werden sollte. Für die Freistellung kam es nämlich nach §§ 1, 12 Abs. 2 der Eigenheimverordnung v. 31.8.1978 (GBl. I, 425) i. V. m. zunächst § 9 Abs. 5 der Durchführungsbestimmung zur Eigenheimverordnung v. 31.8.1978 (GBl. I, 428), v. 1.10.1987 an i. V. m. § 11 Abs. 5 der Durchführungsbestimmung zur Verordnung über den Neubau, die Modernisierung und Instandsetzung von Eigenheimen v. 18.8.1987 (GBl. I, 215) nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt das Nutzungsrecht verliehen wurde, sondern darauf, ob der Eigenheimbau nach der Eigenheimverordnung finanziert war. Maßgeblich ist deshalb die bei Ablauf des 2.10.1990 geltende Regelung, also § 11 Abs. 5 der Durchführungsbestimmung v. 18.8.1987. Danach war ein Nutzungsentgelt von Arbeitern, Angestellten, Angehörigen der bewaffneten Organe, Mitgliedern sozialistischer Genossenschaften und kinderreichen sowie Familien mit drei Kindern nicht zu erheben, die das Eigenheim errichteten, modernisierten, in Stand setzten oder seinen Kauf finanzierten.
cc) Die Erhebung eines Nutzungsentgelts für den Zeitraum v. 29.11.1993 bis zum 17.8.2000 kam deshalb nur in Betracht, wenn der Inhaber des Nutzungsrechts bei Ablauf des 2.10.1990 zu den wenigen Bürgern gehörte, die danach von der Zahlung des Entgelts nicht befreit waren. Diese eingeschränkte Möglichkeit, ein Entgelt zu erheben, gehört zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Nutzungsentgelt aus einem dinglichen Nutzungsrecht. Der Klägerin ist einzuräumen, dass die Zahlung von Nutzungsentgelt nach dem Wortlaut sowohl des Nutzungsrechtsgesetzes 1970 als auch des § 288 Abs. 3 ZGB die Regel und die Befreiung die Ausnahme ist. Käme es hierauf an, könnte die Klägerin von der Möglichkeit der Entgelterhebung ausgehen; der Beklagte müsste dann das Vorliegen eines Befreiungstatbestandes darlegen und erforderlichenfalls beweisen. Das ursprünglich vorgesehene Regel-Ausnahme-Verhältnis ist aber praktisch nie Wirklichkeit geworden. Das Nutzungsrechtsgesetz 1970 selbst erhielt die Unentgeltlichkeit für alle bis zu seinem In-Kraft-Treten verliehenen Nutzungsrechte aufrecht. Für danach verliehen Nutzungsrechte wurde aber schon ein Jahr später eine weit reichende Befreiung von der Entgeltpflicht erlassen, nämlich durch § 8 Abs. 5 der Verordnung über die Förderung des Baus von Eigenheimen v. 24.11.1971 (GBl. II, 709). Diese Befreiung ist auf Grund der Eigenheimverordnung v. 31.8.1978 auf weitere Teile der Bevölkerung ausgedehnt worden. Hinzu kam, dass die dinglichen Nutzungsrechte auf Grund von § 291 ZGB und seinen Vorgängervorschriften immer unentgeltlich geblieben waren. Bei dieser Sachlage war die Unentgeltlichkeit die Regel und die Entgeltlichkeit die seltene Ausnahme (Heuer, Grundzüge des Bodenrechts der DDR 1949-1990, S. 42 Rz. 48). Dass im Fall des Beklagten und seiner Ehefrau ein Entgelt nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen nicht festgesetzt worden ist, entsprach dieser Regel. Deshalb muss die Klägerin darlegen und erforderlichenfalls auch beweisen, dass der Beklagte abweichend von der Regel nicht von der Entgeltpflicht befreit war und ein Entgelt überhaupt erhoben werden durfte.
dd) Dieser Gesichtspunkt ist im bisherigen Verfahren nicht gesehen worden, deshalb fehlen Feststellungen hierzu. Verwertbare Erkenntnisse hierzu haben sich auch in der Revisionsinstanz nicht ergeben. Die Sache ist deshalb nicht entscheidungsreif. Die Klägerin wird in der neuen Verhandlung vor dem Berufungsgericht Gelegenheit haben, unter Berücksichtigung der streitig gebliebenen Einlassungen des Beklagten im Einzelnen darzulegen, dass der Beklagte und seine Ehefrau zu den Inhabern von Nutzungsrechten gehörte, bei den ein Nutzungsentgelt ausnahmsweise zu erheben war. Sie wird sich dazu nicht auf die vom Beklagten bestrittene Behauptung beschränken können, der Beklagte und seine Ehefrau hätten jedenfalls 1978 keine Kinder gehabt. Denn auch kinderlose Inhaber von dinglichen Nutzungsrechten waren regelmäßig von der Pflicht zur Zahlung eines Entgelts befreit. Ein Entgelt konnte vielmehr nur erhoben werden, wenn weder der Erwerb noch die Instandsetzung oder Modernisierung eines Eigenheims ganz oder teilweise finanziert oder auch nur bezuschusst (§ 11 der Durchführungsbestimmung v. 18.8.1987) wurde oder wenn der Beklagte nicht zu den in § 12 Abs. 2 der Eigenheimverordnung v. 31.8.1978 genannten Bevölkerungsgruppen gehörte. Zu klären sein wird auch, ob die Klägerin ein Nutzungsentgelt auch noch nach Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück und für einen längere Zeit zurück liegenden Zeitraum, in dem sie untätig blieb, verlangen konnte.
Fundstellen
Haufe-Index 1121182 |
BGHR 2004, 720 |
DWW 2004, 132 |
EBE/BGH 2004, 1 |
FamRZ 2004, 600 |
VIZ 2004, 276 |
WM 2004, 2084 |
ZfIR 2004, 344 |
NJ 2004, 417 |
DS 2004, 380 |