Entscheidungsstichwort (Thema)
Bereicherungsanspruch der Bank gegen Fiskus nach Überweisung aufgrund nichtigen Überweisungsauftrags; keine Verzinsung zivilrechtlicher Bereicherungsansprüche gegen den Steuerfiskus
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Kreditinstitut hat nach Durchführung einer Überweisung an das Finanzamt einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen das Finanzamt und nicht einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO, wenn der Überweisungsauftrag von einem Mitarbeiter ihres Kunden, einer juristischen Person, ausgestellt worden ist, dessen Kontovollmacht von einem geschäftsunfähigen Vertreter der juristischen Person erteilt worden und deshalb nichtig ist. Dies gilt auch dann, wenn die juristische Person den gezahlten Betrag dem Finanzamt tatsächlich schuldete und dieses den Gültigkeitsmangel nicht kannte (vgl. BGH, Urteil vom 3.Februar 2004 XI ZR 125/03, BFH/NV Beilage 2004, 314).
2. Ob die Vornahme eines Rechtsgeschäfts die Geschäftsfähigkeit der handelnden Person voraussetzt, bestimmt sich nach der für das Geschäft geltenden Rechtsordnung. Auch für die Vollmachterteilung gilt das Recht des Staates, in dem sie nach dem Willen des Vollmachtgebers rechtliche Wirkung entfalten soll. Wird der einer Zahlung zugrunde liegende Überweisungsauftrag einer deutschen Sparkasse erteilt und von dieser ausgeführt, gilt deutsches Recht.
3. Erfolgt eine Überweisung an das Finanzamt aufgrund einer nichtigen Anweisungserklärung, führt dies nicht zur Tilgung der Schuld und das Finanzamt verliert nicht nach §§ 47, 224 AO seinen Steueranspruch.
4. Der Wegfall der Bereicherung des Fiskus ergibt sich nicht daraus, dass der Fiskus (hier: hinsichtlich der vereinnahmten Umsatzsteuer) zum Finanzausgleich gem. Art. 106 Abs. 3 und 4, Art. 107 Abs. 1 Satz 4 GG verpflichtet war.
5. Ein zivilrechtlicher Bereicherungsanspruch gegen den Steuerfiskus ist grundsätzlich nicht gemäß § 818 Abs. 1 BGB zu verzinsen (vgl. BGH, BFH/NV Beilage 2004, 314)
Normenkette
BGB §§ 812, 818-819, 286; AO §§ 37, 47, 224; GG Art. 106-107
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 26.03.2003) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 26. März 2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beklagte 5% Zinsen über dem Basiszinssatz erst seit dem 14. Dezember 2000 zu zahlen hat.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende Sparkasse nimmt das beklagte Land als Steuerfiskus auf Rückzahlung eines Betrages in Anspruch, den sie zur Erfüllung eines Überweisungsauftrages aufgewandt hat.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 21. Dezember 1993 erwarb die in D. /Schweiz ansässige P. AG, vertreten durch ihren alleinvertretungsberechtigten, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzenden Direktor, mehrere Grundstücke in Deutschland zum Preis von 14 Millionen DM. Zur Finanzierung des Kaufpreises gewährte die Klägerin der P. AG ein Darlehen über 15 Millionen DM und eröffnete für sie ein Girokonto. Am 14. April 1994 überwies die Klägerin von diesem Konto einen Betrag in Höhe von 1.827.087,80 DM an das zuständige Finanzamt, wobei sie auf Weisung des Direktors der Gesellschaft oder eines von ihm bevollmächtigten Mitarbeiters handelte. Als Verwendungszweck wurde eine „Umsatzsteuer-Vorauszahlung Steuernummer 5… i.S. E. … L. „ (Verkäuferin) und als Auftraggeberin die „P. AG” angegeben.
Die Klägerin beruft sich auf die in der Berufungsinstanz unstreitig gewordene Geschäftsunfähigkeit des Direktors der P. AG bei Eröffnung des Kontos und der Zahlungsanweisung nebst Tilgungsbestimmung. Sie fordert von dem Beklagten die Rückzahlung des überwiesenen Betrages von 1.827.087,80 DM (= 934.175,16 EUR) zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 1996.
Das Landgericht hat der Klage in der Hauptsache stattgegeben und sie hinsichtlich der Zinsen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und ihn auf die Berufung der Klägerin zur Zahlung von 6% Zinsen vom 1. Januar 1996 bis zum 30. Juni 2000 und 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2000 verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist bis auf einen Teil der Zinsforderung unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Die mit der Klage verfolgte Hauptforderung sei gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (Nichtleistungskondiktion) begründet. Die Klägerin habe einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen den Beklagten als Zahlungsempfänger, weil sie aufgrund einer von vornherein unwirksamen Anweisung und Tilgungsbestimmung gezahlt habe. Aufgrund der Geschäftsunfähigkeit des Direktors der P. AG habe er für sie weder nach deutschem Recht (§ 105 BGB) noch nach Schweizer Recht eine wirksame Anweisung erteilen oder einen ihrer Angestellten mit deren Vornahme wirksam beauftragen können.
Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung unterliege nach Internationalem Privatrecht deutschem Recht. Danach könne die Klägerin den Beklagten unmittelbar in Anspruch nehmen, weil ihre Zahlung der P. AG mangels wirksamer Anweisung und Tilgungsbestimmung nicht zuzurechnen sei. Daß der Beklagte die Unwirksamkeit der Anweisung nicht gekannt und einen Steueranspruch gegen die Grundstücksverkäuferin gehabt habe, rechtfertige keine andere Beurteilung.
Durch die Überweisung habe der Beklagte den streitigen Betrag auf Kosten der Klägerin erlangt. Sein Einwand, daß nicht er, sondern die Grundstücksverkäuferin bereichert sei, greife nicht. Da der nichtigen Überweisung keine Erfüllungswirkung zukomme, sei eine etwaige Steuerschuld der Grundstücksverkäuferin nicht erloschen.
Der Beklagte berufe sich ohne Erfolg auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB). Soweit eine Steuerschuld der Verkäuferin inzwischen verjährt sei oder wegen Zahlungsunfähigkeit nicht mehr eingetrieben werden könne, habe dies mit dem eigentlichen Bereicherungsvorgang nichts zu tun, sondern spiegele lediglich das Ausfallrisiko wider. Daß das Umsatzsteueraufkommen nach dem Finanzausgleichsgesetz auch dem Bund und anderen Bundesländern zufließe, ändere nichts, da nicht substantiiert dargetan sei, warum insoweit naheliegende Rückforderungsansprüche des Beklagten nicht in Betracht kämen.
Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung scheide auch nicht nach den Regelungen des § 37 Abs. 2 AO aus. § 37 AO und §§ 812 ff. BGB seien grundsätzlich eigenständige Anspruchsgrundlagen. Lediglich wenn die Bank eine ihr nach den Steuergesetzen obliegende Verpflichtung erfüllen wollte, könne ihr ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO zustehen, welcher dann einen Anspruch auf zivilrechtlicher Grundlage ausschließe. Die Klägerin mache aber keinen Anspruch aus einem Steuerrechtsverhältnis, sondern einen zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch geltend.
Hinsichtlich der Zinsforderung sei davon auszugehen, daß der Beklagte den erhaltenen Betrag entweder zinsbringend angelegt oder zur Tilgung von Schulden verwendet und hierdurch Zinsaufwendungen erspart habe. In beiden Fällen habe er Vorteile aus dem Gebrauch des empfangenen Geldes im Sinne des § 818 Abs. 1 BGB gezogen und herauszugeben. Für die Zeit nach dem 1. Juli 2000 ergebe sich der Zinsanspruch aus Verzug (§§ 284, 288 Abs. 2 BGB a.F.).
II.
Diese Ausführungen halten – wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 3. Februar 2004 (XI ZR 125/03, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) zu einem weitgehend gleichgelagerten Fall derselben Parteien ausgeführt hat – bis auf die Begründung der Zinsentscheidung rechtlicher Überprüfung stand.
1. Die Hauptforderung auf Zahlung von 934.175,16 EUR ist gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (Nichtleistungskondiktion) begründet.
a) Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die Klägerin einen nach deutschem Recht zu beurteilenden zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch und keinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO geltend macht. Ein solcher Anspruch kann grundsätzlich nur durch die Bezahlung einer vermeintlichen Steuerschuld entstehen (Senatsurteil vom 3. Februar 2004, aaO Umdr. S. 7 m.w.Nachw.). Mit der Zahlung an den Beklagten wollte die Klägerin indes – wie dieser wußte – ausschließlich der ihr von der P. AG erteilten Zahlungsanweisung Folge leisten, aber keine eigene Steuerschuld erfüllen oder eine sich auf eine etwaige Steuerschuld der Grundstücksverkäuferin beziehende Drittleistung im Sinne des § 267 Abs. 1 BGB (siehe dazu Senat BGHZ 152, 307, 313 m.w.Nachw.) erbringen.
Der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung unterliegt deutschem Recht (Senatsurteil vom 3. Februar 2004, aaO Umdr. S. 7, 8). Zwar ergibt sich dies nicht aus dem erst am 1. Juni 1999 in Kraft getretenen Art. 38 Abs. 3 EGBGB. Auch nach den vorher geltenden Anknüpfungsregeln findet aber grundsätzlich das Recht des Staates Anwendung, in dem die Bereicherung eingetreten ist, zumal wenn Bereicherungsgläubiger und -schuldner wie im vorliegenden Streitfall ihren Sitz im selben Staat haben.
b) Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen einer Nichtleistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB im Verhältnis der Klägerin zum Beklagten zu Recht bejaht.
aa) Der Bereicherungsausgleich vollzieht sich zwar in Fällen der Leistung kraft Anweisung grundsätzlich innerhalb des jeweiligen Leistungsverhältnisses, also zum einen zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen und zum anderen zwischen dem Anweisenden und dem Anweisungsempfänger (st.Rspr., siehe z.B. BGHZ 147, 269, 273 m.w.Nachw.). Dies gilt aber nicht ausnahmslos. Der Angewiesene hat einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen den Anweisungsempfänger, wenn eine wirksame Anweisung fehlt. Das ist nicht nur der Fall, wenn der Anweisungsempfänger das Fehlen einer wirksamen Anweisung im Zeitpunkt der Zuwendung kannte (vgl. dazu BGHZ 66, 362, 364 f.; 66, 372, 374 f.; 67, 75, 78; 147, 269, 274), sondern auch ohne diese Kenntnis (BGHZ 111, 382, 386 f.; Senat BGHZ 147, 145, 151 und 152, 307, 311 f.). Ohne gültige Anweisung kann die Zahlung dem vermeintlich Anweisenden nicht als seine Leistung zugerechnet werden. Da der gutgläubige Vertragsgegner nur geschützt werden kann, wenn der andere Vertragsteil in zurechenbarer Weise einen Rechtsschein hervorgerufen hat, vermag der sogenannte Empfängerhorizont des Zahlungsempfängers – wie das Berufungsgericht zu Recht hervorgehoben hat – die fehlende Tilgungs- und Zweckbestimmung des vermeintlich Anweisenden selbst dann nicht zu ersetzen, wenn dieser den gezahlten Betrag tatsächlich schuldete (Senat BGHZ 147, 145, 151 und 152, 307, 312; siehe ferner Senatsurteil vom 3. Februar 2004, aaO Umdr. S. 8 f.).
Mit dieser Rechtsprechung weicht der erkennende Senat entgegen der Ansicht der Revision nicht von der Entscheidung eines anderen Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ab (vgl. bereits Senat BGHZ 147, 145, 151). Die von ihr herangezogenen Urteile des VII. Zivilsenats vom 31. Mai 1976 (VII ZR 218/74, BGHZ 66, 362, 365) und des VI. Zivilsenats vom 31. Mai 1994 (VI ZR 12/94, WM 1994, 1420, 1421) beruhen nicht auf der Rechtsansicht, daß eine Direktkondiktion des Angewiesenen beim Zahlungsempfänger unter allen Umständen dessen Kenntnis vom Fehlen einer wirksamen Anweisung nebst Tilgungsbestimmung voraussetzt. Eine Vorlage an den großen Senat für Zivilsachen gemäß § 132 Abs. 2 GVG ist daher nicht erforderlich.
bb) Die Zahlungsanweisung nebst Tilgungsbestimmung der P. AG ist von Anfang an nichtig, gleichgültig ob sie von ihrem unstreitig geschäftsunfähigen Direktor selbst oder durch einen von ihm bevollmächtigten Angestellten namens der Gesellschaft abgegeben wurde.
(1) Die Wirksamkeit der Anweisung und Tilgungsbestimmung beurteilt sich nach deutschem Recht. Anders als die Revision meint, ist das Personalstatut der schweizerischen Aktiengesellschaft unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt maßgeblich. Ob die Vornahme eines Rechtsgeschäfts die Geschäftsfähigkeit der handelnden Person voraussetzt, bestimmt sich nach der für das Geschäft geltenden Rechtsordnung (MünchKommBGB/Birk, 3. Aufl. Art. 7 EGBGB Rdn. 27; Staudinger/Hausmann, BGB 13. Bearb. Art. 7 EGBGB Rdn. 41; Palandt/Heldrich, BGB 63. Aufl. Art. 7 EGBGB Rdn. 5; Erman/Hohloch, BGB 10. Aufl. Art. 7 EGBGB Rdn. 13; Soergel/Kegel, BGB 12. Aufl. Art. 7 EGBGB Rdn. 8, jeweils m.w.Nachw.). Auch für die Vollmachtserteilung gilt das Recht des Staates, in dem sie nach dem Willen des Vollmachtgebers rechtliche Wirkung entfalten soll (BGHZ 64, 183, 192; 128, 41, 47; BGH, Urteile vom 13. Mai 1982 – III ZR 1/80, WM 1982, 1132, 1133 und vom 26. April 1990 – VII ZR 218/89, WM 1990, 1847, 1848; siehe auch Senatsurteil vom 3. Februar 2004, aaO Umdr. S. 10). Dies ist hier deutsches Recht, weil der der Zahlung zugrunde liegende Überweisungsauftrag einer deutschen Sparkasse erteilt und von dieser ausgeführt wurde. Ob sich die Rechtsfolgen fehlender Geschäftsfähigkeit ebenfalls nach dem sogenannten Wirkungsstatut (so OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 755, 756; Birk, aaO Art. 7 EGBGB Rdn. 35) oder nach dem Personalstatut des Geschäftsunfähigen gemäß Art. 7 EGBGB (siehe OLG Hamm NJW-RR 1996, 1144; Hausmann, aaO Art. 7 EGBGB Rdn. 70 ff. m.w.Nachw.) beurteilen, kann dahingestellt bleiben, da auch nach dieser Vorschrift aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit des Direktors der P. AG deutsches Recht Anwendung findet.
(2) Nach § 105 Abs. 1, § 165 BGB ist die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen nichtig. Ob der Geschäftsunfähige für sich selbst oder als Vertreter (vgl. BGHZ 53, 210, 215) bzw. als vertretungsberechtigtes Organ einer Kapitalgesellschaft (vgl. BGHZ 115, 78, 80 f.) handelt, ist angesichts des umfassenden Schutzes Geschäftsunfähiger ohne Bedeutung. Der Direktor der P. AG war aufgrund seiner Geschäftsunfähigkeit daher nicht in der Lage, für sie eine wirksame Zahlungsanweisung zu erteilen oder sich dazu eines von ihm bevollmächtigten Angestellten zu bedienen.
cc) Die Anweisung der P. AG ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht unter Rechtsscheingesichtspunkten gegenüber der Klägerin als wirksam zu behandeln. Maßgebend hierfür ist das Recht des Ortes, an dem ein Rechtsschein entstanden sein und sich ausgewirkt haben könnte (BGHZ 43, 21, 27; siehe auch Senatsurteil vom 3. Februar 2004, aaO Umdr. S. 10), mithin deutsches Recht.
(1) Der Direktor der P. AG konnte gegenüber der Klägerin nicht den Anschein einer wirksamen Vollmacht des möglicherweise mit der Vornahme der Zahlungsanweisung und Tilgungsbestimmung beauftragten Angestellten gemäß § 171 Abs. 1 BGB setzen. Die Mitteilung einer Bevollmächtigung im Sinne dieser Vorschrift und der sich daraus ergebende Vertrauensschutz des Verhandlungspartners in das Bestehen der Vollmacht setzt grundsätzlich die Geschäftsfähigkeit des Erklärenden voraus (Senatsurteil vom 3. Februar 2004, aaO Umdr. S. 11; MünchKommBGB/Schramm, 4. Aufl. § 171 Rdn. 5; Erman/Palm, BGB 10. Aufl. § 171 Rdn. 3).
(2) Zwar schließt der Schutz eines geschäftsunfähigen Gesellschaftsorgans es nicht grundsätzlich aus, daß sich die von ihm vertretene Gesellschaft sein vollmachtloses Handeln nach Rechtsscheingesichtspunkten zurechnen lassen muß (siehe BGHZ 115, 78, 81 ff.). Die Beklagte hat aber weder die Voraussetzungen einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht dargetan noch vorgetragen, daß die Geschäftsunfähigkeit für die Gesellschaft rechtzeitig erkennbar war (zu dieser Voraussetzung siehe BGHZ aaO S. 82 f.) und sie gleichwohl untätig geblieben ist.
dd) Der Direktkondiktion der Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB stehen auch keine anderen Hinderungsgründe entgegen. Sie ergeben sich – anders als die Revision meint – weder aus der besonderen Schutzbedürftigkeit des Steuerfiskus bei Überweisungen eines unerkannt Geschäftsunfähigen, noch aus dem Umstand, daß die Unwirksamkeit der Anweisung und Tilgungsbestimmung nicht auf der unerkannt gebliebenen Geschäftsunfähigkeit des Anweisenden selbst, sondern auf der des für ihn handelnden Vertreters beruht (siehe Senatsurteil vom 3. Februar 2004, aaO Umdr. S. 11 f.).
c) Die Inanspruchnahme des Beklagten aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB ist entgegen der Ansicht der Revision nicht wegen Wegfalls der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) ausgeschlossen oder eingeschränkt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte sich gegenüber zivilrechtlichen Bereicherungsansprüchen überhaupt mit Erfolg auf einen Wegfall der Bereicherung berufen kann (verneinend für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche gegen die öffentliche Hand BVerwGE 36, 108, 113 f.; 107, 304, 312; offengelassen im Senatsurteil vom 3. Februar 2004, aaO Umdr. S. 12 f.), weil das Berufungsgericht den Vortrag des Beklagten zum Nachweis einer Entreicherung zu Recht für nicht ausreichend erachtet hat.
aa) Anders als die Revision meint, hat der Beklagte einen etwaigen Umsatzsteueranspruch gegen die Grundstücksverkäuferin durch die Überweisung der Klägerin nicht nach §§ 47, 224 AO verloren. Die Zahlung einer Steuerschuld ist ein im wesentlichen nach privatrechtlichen Vorschriften zu beurteilender Vorgang, der aus öffentlich-rechtlichem Grund und mit öffentlich-rechtlicher Wirkung erfolgt (BVerwG NJW 1984, 2114; BFHE 151, 123, 124). Bei fehlender oder nichtiger Anweisung erzeugt die Zahlung im Valutaverhältnis zwischen Kontoinhaber und Zuwendungsempfänger indes keine Tilgungswirkung im Sinne des § 362 BGB (Senat BGHZ 147, 145, 149). Wegen der bei Drittleistungen erforderlichen Tilgungsbestimmung (vgl. BGHZ 137, 89, 95; Senat BGHZ 152, 307, 313) kann eine nichtige Anweisungserklärung, was die Revision verkennt, erst recht nicht zur Tilgung einer für den Kontoinhaber fremden Schuld führen.
bb) Zutreffend hat es das Berufungsgericht für bereicherungsrechtlich unerheblich erachtet, ob der etwaige Anspruch aus dem Umsatzsteuerschuldverhältnis gegen die Grundstücksverkäuferin inzwischen verjährt ist oder aus anderen Gründen nicht mehr durchgesetzt werden kann. Nach § 818 Abs. 3 BGB können nur solche Vermögensnachteile zu einer Entreicherung des Bereicherungsschuldners führen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung mit dem die Grundlage der ungerechtfertigten Bereicherung bildenden Tatbestand jedenfalls in einem adäquat-ursächlichen Zusammenhang stehen (siehe z.B. BGHZ 118, 383, 386 f.; BGH, Urteil vom 23. Oktober 1980 – IVa ZR 45/80, NJW 1981, 277, 278 m.w.Nachw.). Daran fehlt es hier. Dem Vortrag des Beklagten ist nicht zu entnehmen, daß er im Vertrauen darauf, den überwiesenen Betrag behalten zu können, von weiteren Beitreibungsmaßnahmen abgesehen hat und diese bis zum angeblichen Eintritt der Verjährung ganz oder zumindest teilweise erfolgreich gewesen wären.
cc) Der Revision kann auch nicht gefolgt werden, soweit sie sich erstmals in der Revisionsinstanz darauf beruft, der Beklagte habe im Rahmen der haushaltsmäßigen Ausgaben über den Überweisungsbetrag zwischenzeitlich verfügt. Dieser Sachvortrag ist nicht nur unzulässig (§ 559 Abs. 1 ZPO), sondern genügt auch nicht den an eine schlüssige Darlegung einer Entreicherung im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB zu stellenden Anforderungen (vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 2004, aaO Umdr. S. 13; vgl. ferner BVerwGE 36, 108, 113).
dd) Ein Wegfall der Bereicherung ergibt sich schließlich auch nicht daraus, daß der Beklagte hinsichtlich der vereinnahmten Umsatzsteuer gemäß Art. 106 Abs. 3 und 4, Art. 107 Abs. 1 Satz 4 GG zum Finanzausgleich verpflichtet war. Hierauf kann der Beklagte sich nicht mit Erfolg berufen, weil er kraft seiner Verwaltungshoheit (Art. 108 Abs. 2 und 3 GG, § 21 AO) für die Erfüllung des gesamten Rückzahlungsanspruchs zuständig und verantwortlich ist (siehe Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO § 37 AO Rdn. 69; Kruse/Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO 16. Aufl. § 37 Rdn. 86 jeweils für den Erstattungsanspruch nach § 37 AO). Zudem mindert die Erfüllung des Bereicherungsanspruchs der Klägerin das Steueraufkommen des Beklagten (vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Art. 107 Rdn. 18, 21), was sich im Rahmen des zukünftigen Finanzausgleichs grundsätzlich zu seinen Gunsten auswirkt (vgl. Vogel/Kirchhof, in: Bonner Kommentar Art. 107 Rdn. 126 f.). Daß der Beklagte gleichwohl im Ergebnis schlechter steht, als wenn die Umsatzsteuer nicht vereinnahmt worden wäre, ist dem Vortrag des für den Wegfall der Bereicherung darlegungspflichtigen Beklagten (vgl. BGHZ 118, 383, 387 f.; BGH, Urteil vom 17. Januar 2003 – V ZR 235/02, WM 2003, 1488, 1489, jeweils m.w.Nachw.) nicht zu entnehmen.
2. Indessen kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben, soweit das Berufungsgericht den Beklagten gemäß § 818 Abs. 1 BGB zur Zahlung von Zinsen verurteilt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 107, 304, 308; BVerwG, Urteil vom 30. April 2003 – 6 C 5/02, NVwZ 2003, 1385, 1387) kommt bei einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen eine Behörde eine Verzinsung wegen tatsächlich gezogener Nutzungen grundsätzlich nicht in Betracht, weil der Staat öffentlich-rechtlich erlangte Einnahmen in aller Regel nicht gewinnbringend anlegt, sondern über sie im Interesse der Allgemeinheit verfügt. Dieser Betrachtungsweise hat sich der erkennende Senat in der zitierten Entscheidung vom 3. Februar 2004 (aaO Umdr. S. 13) für den zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch gegen den Steuerfiskus angeschlossen.
Der Beklagte schuldet entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts vor Rechtshängigkeit auch keine Verzugszinsen gemäß § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB a.F.. Vor Eintritt der Rechtshängigkeit (§ 818 Abs. 4 BGB) kann ein Bereicherungsschuldner nur unter den engen Voraussetzungen des § 819 Abs. 1 BGB wegen Verzuges in Anspruch genommen werden (Staudinger/Werner Lorenz, BGB Neubearbeitung 1999, § 818 Rdn. 51). Hierzu hat die Klägerin in den Vorinstanzen nicht substantiiert vorgetragen. Sie hat daher einen Anspruch auf Verzugszinsen erst ab Zustellung der Klage am 14. Dezember 2000 (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 2002 – IX ZR 242/01, NJW 2002, 2871, 2872).
III.
Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), soweit das Berufungsgericht den Beklagten zur Zahlung von Zinsen vor Eintritt der Rechtshängigkeit verurteilt hat. Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Zinsforderung in diesem Umfang abweisen. Die weitergehende Revision war als unbegründet zurückzuweisen.
Unterschriften
Nobbe, Müller, Joeres, Wassermann, Mayen
Fundstellen
BFH/NV Beilage 2004, 386 |
BFH/NV-Beilage 2004, 386 |