Normenkette
StPO § 261; StGB § 177 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Kassel (Entscheidung vom 10.03.2021; Aktenzeichen 4735 Js 33119/20 - 1 KLs) |
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 10. März 2021 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen wurde.
3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen. Hiergegen wenden sich die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin, letztere beschränkt auf den Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung. Die Rechtsmittel haben im Umfang der Anfechtung Erfolg.
I.
Rz. 2
Mit ihrer unverändert zugelassenen Anklage hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last gelegt, in seinem Einzimmerappartement in K. in den frühen Morgenstunden des 4. November 2020 den Geschlechtsverkehr mit der damals sechzehnjährigen Nebenklägerin gegen deren erkennbaren Willen vollzogen und diese sodann dadurch der Freiheit beraubt zu haben, dass er die Wohnungstüre versperrte und den Schlüssel versteckte.
II.
Rz. 3
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen. Auf der Basis der Aussage der Nebenklägerin könne der Angeklagte nicht verurteilt werden.
Rz. 4
Danach habe ein Geschlechtsverkehr zwar objektiv gegen den Willen der Nebenklägerin stattgefunden, es könne aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte den entgegenstehenden Willen „während der Durchführung des Geschlechtsverkehrs erkannt“ habe. Als der Angeklagte der Nebenklägerin nach einer bis dahin harmonisch in seiner Wohnung verlaufenden Nacht erstmals in den Intimbereich fasste, habe es keine Anzeichen gegeben, dass sie dies nicht wünsche, zumal die Nebenklägerin vorhergehende Küsse des Angeklagten auf ihren Hals und Nacken „geduldet“ habe. Da die Nebenklägerin den Angeklagten nach der Berührung wegschubste und sagte, dass sie das (Berühren im Intimbereich) nicht wolle, habe der Angeklagte deren Ablehnung erkannt und „dementsprechend“ nunmehr die Notwendigkeit gesehen, die Nebenklägerin „sowohl körperlich als auch verbal zu bedrängen, um sie umzustimmen“. Im weiteren (dann dritten) Geschehensabschnitt, der im ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr mündete, habe die Nebenklägerin ihren körperlichen Widerstand - obwohl weiterhin möglich - von sich aus aufgegeben, was vom Angeklagten „nicht ausschließbar falsch verstanden wurde“. Insofern sei auch zu berücksichtigen, dass es angesichts der „Größen- und Gewichtsangaben“ naheliege, dass der Angeklagte einen körperlichen Widerstand nicht ohne Weiteres hätte überwinden können, dass er sich nach dem Geschlechtsverkehr überrascht gezeigt habe über den Vorwurf, dieser sei gegen den Willen der Nebenklägerin erfolgt, und dass der Angeklagte die von der Nebenklägerin getragene Leggings nicht gegen deren Willen habe ausziehen können, wenn es insoweit „nicht gar (…) einer gewissen Unterstützung“ bedurfte.
Rz. 5
Hinsichtlich der Freiheitsberaubung lasse sich der Aussage der Nebenklägerin ebenfalls kein entsprechender Vorsatz des Angeklagten entnehmen. Danach habe der Angeklagte zwar die Wohnung verschlossen. Auch habe die Nebenklägerin die Wohnung, nachdem der Angeklagte eingeschlafen war, heimlich verlassen wollen und hierzu vergeblich den Schlüssel gesucht. Es erscheine aber nicht überraschend, dass sie ihn auf dem komplett vollgestellten Wohnzimmertisch, wo der Angeklagte nach eigenen Angaben den Schlüssel abgelegt hatte, nicht fand, zumal es dämmrig gewesen und die Nebenklägerin „mit künstlichen Lichtquellen vorsichtig gewesen sein dürfte“. Im Übrigen habe für den Angeklagten auch kein Motiv für eine Freiheitsberaubung bestanden, da er nach einer Aussprache die „Angelegenheit als geklärt betrachten“ konnte.
III.
Rz. 6
Das unbeschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Der Freispruch des Angeklagten hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das angefochtene Urteil wird den sich aus § 261 StPO ergebenden Anforderungen an eine Beweiswürdigung nicht gerecht. Aus diesem Grund hat auch die zulässige (§ 400 Abs. 1 StPO) und wirksam auf den Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung beschränkte Revision der Nebenklägerin im Umfang der Anfechtung Erfolg.
Rz. 7
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 1. Februar 2017 - 2 StR 78/16 Rn. 19; BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 ‒ 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung nähergelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 ‒ 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die auf die Sachrüge gebotene revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind, weil die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 23. Juni 2021 - 2 StR 337/20 Rn. 6; BGH, Urteil vom 1. Juni 2016 ‒ 1 StR 597/15, Rn. 27 je mwN).
Rz. 8
2. Dies ist hier der Fall. Die Urteilsgründe lassen schon nicht erkennen, welchen objektiven Sachverhalt die Strafkammer ihrer Würdigung zum (fehlenden) Vorsatz des Angeklagten zugrunde gelegt hat.
Rz. 9
a) Eine zentrale Regel der Beweiswürdigung ist das Gebot, alle wesentlichen, für und gegen den Angeklagten sprechenden Tatsachen und Beweisergebnisse, die Gegenstand der Hauptverhandlung waren, erschöpfend in einer Gesamtschau zu würdigen (BeckOK-StPO/Eschelbach, 42. Ed., § 261 Rn. 13 mwN). Dem konnte sich die Strafkammer vorliegend nicht dadurch entziehen, dass sie - allein ausgehend von Angaben der Nebenklägerin zum Kerngeschehen - keine Aussage dazu getroffen hat, von welchem Gesamtgeschehensablauf sie insgesamt ausgegangen ist. Ohne Kenntnis vom zugrunde gelegten Geschehensablauf ist die Wertung der Strafkammer, der Angeklagte habe den entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin nicht erkennen können, nicht nachvollziehbar.
Rz. 10
aa) Die der Beschränkung auf die Kernaussage der Nebenklägerin zugrundeliegende Erwägung der Strafkammer, die Nebenklägerin und der Angeklagte hätten „das Vor- und Nachtatgeschehen weitgehend identisch“ beschrieben, findet in den in den Urteilsgründen wiedergegebenen Aussagen keine Stütze. Deren Angaben widersprechen sich diametral.
Rz. 11
Nach der Aussage des Angeklagten sind Einzelheiten der verabredeten Übernachtung nicht vorab besprochen worden. Gleich nach der gemeinsamen Ankunft in seiner Wohnung will der Angeklagte zunächst geduscht haben. Im Rahmen der anschließenden Unterhaltung habe die Nebenklägerin seine Haare angefasst und gesagt, er habe schöne Haare. Dann hätten sie sich gegenseitig geküsst, seien Hand in Hand ins Bett gegangen, die Nebenklägerin habe ihre Pyjamahose und Unterhose selbst ausgezogen und es sei zu einem ersten, einvernehmlichen und ca. 20 Minuten später, nach weiterem gegenseitigen Küssen, zu einem weiteren Geschlechtsverkehr gekommen. Erst danach habe die Nebenklägerin „wütend, verärgert und traurig gewirkt“; er, der Angeklagte, habe ihr daher angeboten, sie zu Freunden oder nach Hause zu fahren, was sie aber abgelehnt habe.
Rz. 12
Demgegenüber schildert die Nebenklägerin, es sei bereits vorab verabredet worden, dass der Angeklagte auf dem Sofa und sie im Bett schlafen würden. Der Angeklagte habe sie mit seinem Pkw abgeholt, beide hätten sich sodann mehrere Stunden unterhalten, Schischa geraucht und Alkoholmischgetränke konsumiert. Der Angeklagte habe sie dann an Hals und Nacken geküsst. Sie habe die Küsse nicht erwidert, sondern sei ein wenig zur Seite gerückt; irgendwann habe der Angeklagte aufgehört, ohne dass sie dazu etwas gesagt habe. Gegen 3.30 Uhr sei sie bekleidet mit Oberteil und einer Leggings zu Bett gegangen. Als der Angeklagte sich dann - entgegen der zuvor getroffenen Absprache - zu ihr ins Bett gelegt und ihr dort über ihrer Hose an den Intimbereich gefasst und dort gerieben habe, habe sie ihm gesagt, dass sie das nicht wolle. Der Angeklagte habe dann damit aufgehört und sich über sie gebeugt, so dass er sich direkt über ihr befunden habe. Auf dem Rücken liegend habe sie nun versucht, ihn wegzudrücken. Sie habe mit ihren Händen gegen seine Brust gedrückt und gesagt, er solle „von ihr runtergehen“. Der Angeklagte habe mehrfach gesagt, sie müsse mit ihm schlafen und sie habe immer wieder gesagt, dass sie das nicht wolle. Dann habe er versucht, ihre Leggings auszuziehen, die sie aber zunächst erfolgreich seitlich festgehalten habe. Sie habe gefragt, was das solle und er habe weiterhin gesagt, sie müsse mit ihm schlafen. Er habe sie gar nicht verstanden oder er habe sie nicht verstehen wollen, aber sie meine, eigentlich müsse man ein „Nein“ doch verstehen. Nach etwa fünf bis zehn Minuten habe sie sich dann nicht mehr gewehrt und die Hose auch nicht mehr festgehalten; sie sei niemand, der in so einer Situation dann um sich trete. Sie habe dann auch nichts mehr gesagt. Der Angeklagte habe sie - erst jetzt - ins Gesicht geküsst, habe ihre Leggings und Unterhose sowie sich selbst ausgezogen und sei mit seinem erigierten Glied vaginal eingedrungen. Erst dann habe sich der Angeklagte geduscht; sie habe den Angeklagten anschließend zur Rede gestellt, dem sei ein längeres Gespräch gefolgt. Schließlich habe sich der Angeklagte schlafen gelegt, sie habe heimlich die Wohnung verlassen wollen und bemerkt, dass die Türe verschlossen und der Schlüssel nicht auffindbar war.
Rz. 13
bb) Hiervon ausgehend bleiben auch die Feststellung der Strafkammer und die darauf aufbauende Würdigung unklar, gegen 3:30 Uhr habe sich „das Geschehen von der Couch auf das im Wohnzimmer befindliche Bett“ verlagert. Denn nach der Einlassung des Angeklagten hatte sich ein „Geschehen“ schon zuvor, nämlich zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, auf das Bett „verlagert“, während es nach der Aussage der Nebenklägerin kein Geschehen gab, welches sich auf das Bett hätte „verlagern“ können. Ohne Gewissheit darüber, welches „Geschehen“ aus Sicht der Strafkammer sodann zu dem anklagegegenständlichen Geschlechtsverkehr geführt hat, kann die Frage nach der Erkennbarkeit des - von der Strafkammer als objektiv gegeben angenommenen - entgegenstehenden Willens der Nebenklägerin vom Senat nicht nachvollzogen werden. Dies begründet einen durchgreifenden Rechtsmangel.
Rz. 14
b) Die Strafkammer hat überdies entgegen ihrer Prämisse der Würdigung die Aussage der Nebenklägerin nicht uneingeschränkt als zutreffend zugrunde gelegt. Denn mit deren oben angeführter Aussage ist die Wertung der Strafkammer, sie habe die Küsse des Angeklagten „zwar nicht erwidert, aber doch zumindest geduldet“ ebenso wenig vereinbar, wie die - im Übrigen durch nichts belegte - Vermutung, die Nebenklägerin könnte das Ausziehen ihrer Leggings unterstützt haben. Beide Annahmen verkehren den Gehalt der zugrunde gelegten Aussage ins Gegenteil. Auch das ist rechtsfehlerhaft. Da die Strafkammer die Richtigkeit der Angaben der Nebenklägerin unterstellt hat („selbst wenn man ihr Glauben schenkte“), ist sie im Rahmen der Beweiswürdigung an einer Wertung gehindert, die dem Inhalt der Aussage nicht entspricht oder diesen auch nur in Zweifel zieht.
Rz. 15
c) Darüber hinaus hätte es ausgehend von der Aussage der Nebenklägerin näherer Erörterung bedurft, weshalb der Angeklagte, als er begann, die Nebenklägerin zu entkleiden, vorsatzausschließend annehmen konnte, diese habe ihren entgegenstehenden Willen geändert. Zwar hat das Landgericht zutreffend gesehen, dass der Tatbestand des § 177 Abs. 1 StGB erfordert, dass der entgegenstehende Wille zum Tatzeitpunkt erkennbar sein muss, dass dies aus Sicht eines objektiven Dritten zu bestimmen ist (BT-Drucks. 18/9097 S. 22; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 177 Rn. 19 mwN; Hörnle, NStZ 2017, 13, 15), und dass eine erklärte ausdrückliche Ablehnung durch nachfolgende entgegenstehende Handlungen oder Äußerungen der Nebenklägerin entkräftet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2018 - 1 StR 290/18, NStZ 2019, 717, 718). Auch muss sich der Vorsatz des Täters auf den entgegenstehenden Willen erstrecken. Die Urteilsgründe lassen indes nicht erkennen, dass sich die Strafkammer des Umstandes bewusst war, dass der subjektive Tatbestand des § 177 Abs. 1 StGB erfüllt ist, „wenn es der Täter zumindest billigend in Kauf nimmt, dass die sexuelle Handlung gegen den objektiv erkennbaren entgegenstehenden Willen des Opfers geschieht“ (BT-Drucks. 18/9097, S. 23). Ein nur für möglich gehaltenes Einverständnis schließt einen bedingten Vorsatz im Hinblick auf § 177 Abs. 1 StGB nicht aus.
Rz. 16
Dies näher als geschehen in den Blick zu nehmen, musste sich der Strafkammer schon deswegen aufdrängen, weil die Nebenklägerin nicht nur von Anbeginn der sexuellen Annäherung und dann über fünf bis zehn Minuten hinweg unmissverständlich zu erkennen gegeben hat, dass sie keinen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten wolle, sondern sich - anders als in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. November 2018 - 1 StR 290/18 (NStZ 2019, 717) zugrundeliegenden Fall - an dem Geschlechtsakt nicht aktiv beteiligte, sondern sich lediglich gegen die Aktivitäten des Angeklagten nicht zur Wehr setzte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 16. Dezember 2021 - 3 StR 302/21 Rn. 47). Die Erwägung der Verteidigerin des Angeklagten in der Revisionshauptverhandlung, der junge Angeklagte habe es gar nicht anders als eine Signalisierung von Einverständnis mit sexuellen Handlungen verstehen können, wenn sich eine junge Frau bei ihm zur Übernachtung einlädt, ist schon mit der Einlassung des Angeklagten nicht vereinbar, seine Freundin Ki. habe oft bei ihm übernachtet und „sie hätten nichts miteinander gemacht“; im Übrigen ist derlei Überlegungen spätestens durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I, S. 2460) der Boden entzogen (sog. Nichteinverständnislösung - „Nein-heißt-Nein“ - vgl. BT-Drucks. 18/9097, S. 21).
Rz. 17
d) Des Weiteren findet die zur Bewertung der Aussage der Nebenklägerin herangezogene Erwägung, es liege nicht nahe, „dass der Angeklagte der Nebenklägerin in einer Weise überlegen gewesen wäre, die es ihm erlaubt hätte, einen körperlichen Widerstand von ihr ohne Weiteres zu überwinden“, in den Urteilsgründen keine tatsächliche Stütze. Zwar hat die Strafkammer auf „Größen- und Gewichtsangaben“ und einen persönlichen Eindruck in der Hauptverhandlung zurückgegriffen, sie hat aber auch ausgeführt, dass „die Frage der Kräfteverhältnisse auf dieser vagen Grundlage nicht abschließend beurteilt werden“ könne. Damit entbehrt die Schlussfolgerung der Strafkammer einer nachvollziehbaren Tatsachengrundlage und erweist sich letztlich als reine Vermutung; auch dies ist rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 - 1 StR 360/16 Rn. 11; vom 21. März 2013 ‒ 3 StR 247/12, NStZ 2013, 420, 421 mwN; Senat, Beschluss vom 16. Januar 2018 - 2 StR 527/17, NStZ-RR 118, 119).
Rz. 18
e) Auch die Beweiswürdigung zum Vorwurf der Freiheitsberaubung erweist sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Die Erwägungen der Strafkammer, die Nebenklägerin könnte den nach den Angaben des Angeklagten auf dem Tisch abgelegten Schlüssel zur verschlossenen Wohnungstür aufgrund der Lichtverhältnisse schlicht nicht gefunden haben, entbehren ebenfalls einer nachvollziehbaren Tatsachengrundlage. Feststellungen zu den Lichtverhältnissen hat die Strafkammer nicht getroffen. Ihrer Würdigung zum Vorsatz des Angeklagten bezüglich einer Freiheitsberaubung legt sie vielmehr - wie sie selbst ausführt - zugrunde, wie es gewesen sein „dürfte“; das ist keine tragfähige Beweisgrundlage.
Rz. 19
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Freispruch des Angeklagten auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht. Die Sache bedarf daher - wie aus dem Tenor ersichtlich - neuer Verhandlung und Entscheidung.
Franke |
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Eschelbach |
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Meyberg |
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Grube |
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Schmidt |
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Fundstellen
Haufe-Index 15217676 |
NStZ-RR 2022, 211 |