Leitsatz (amtlich)
a) Eine Haustürsituation ist dem Kreditinstitut, das eine Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds finanziert, in entsprechender Anwendung der zu § 123 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätze zuzurechnen.
b) Dabei erstreckt sich das Erfordernis einer Kenntnis oder einer zumindest fahrlässigen, durch Erkundigung vermeidbaren Unkenntnis vom Vorhandensein der Haustürsituation nach den unter a) bezeichneten Regeln ausschließlich auf die tatsächlichen Umstände, unter denen es zur Abgabe der Vertragserklärung des Kunden gekommen ist. Dass nach den grundlegenden Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH, Urt. v. 13.12.2001 - Rs. C-481/99 - Heininger gegen Bayerische Hypo- und Vereinsbank, MDR 2002, 225 = ZIP 2002, 31 [35]) und des BGH (BGH v. 9.4.2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248 [257] = BGHReport 2002, 595 m. Anm. Kemper = MDR 2002, 893) in rechtlicher Hinsicht eine Haustürsituation vorliegt, hat das Kreditinstitut hierbei hinzunehmen, weil ein etwaiges Vertrauen auf ein bestimmtes Verhältnis zwischen Verbraucherkreditgesetz und Haustürwiderrufsgesetz auch im Rahmen der Zurechnung nicht geschützt wird.
Normenkette
HaustürWG § 5 Abs. 2 in der bis zum 30.9.2000 geltenden Fassung
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 08.03.2004; Aktenzeichen 19 U 163/02) |
LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 28.10.2002) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats in Freiburg des OLG Karlsruhe v. 8.3.2004 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Freiburg v. 28.10.2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Darlehen, das die Klägerin den Beklagten im Sommer 1992 zur Finanzierung ihres Beitritts zur G.-GbR, Sa. Straße 7 und 9, D., Fonds Nr. 14 (im Folgenden: Fonds, Fondsgesellschaft), gewährte.
Die Fondsgesellschaft war von der Do. Gesellschaft für Wohnungs- und Gewerbebau mbH (im Folgenden: Do. GmbH) und deren Geschäftsführer W. Gr. gegründet worden. Gesellschaftszweck war der Erwerb, die Bebauung, wirtschaftliche Ausnutzung und Verwaltung des Grundstücks Sa. Straße 7 und 9 in D. Die Einlage der Beklagten betrug 70.000 DM und wurde in vollem Umfang durch einen u.a. mit einer Tilgungslebensversicherung des Beklagten zu 1) besicherten Festkredit der Klägerin finanziert. Die Klägerin zahlte die Darlehensvaluta, wie nach dem Darlehensvertrag vorgesehen, an den Treuhänder des Fonds. Die Fondsbeteiligung und deren Finanzierung waren den Beklagten von den Mitarbeitern A. Dr. und Z. der Firma S. GmbH, We., vermittelt worden.
Die im Fondsprospekt veranschlagten Mieten konnten nicht erwirtschaftet werden; die Mietgarantin wurde zahlungsunfähig. Der Initiator des Fonds, W. Gr., wurde 1999 wegen Kapitalanlagebetrugs, u.a. hinsichtlich des Fonds Nr. 14, rechtskräftig verurteilt.
Die Beklagten haben ihre Zinszahlungen an die Klägerin ab November 1997 eingestellt und den Darlehensvertrag mit Anwaltsschreiben v. 5.1.1998 wegen arglistiger Täuschung anfechten lassen. Während des Rechtsstreits haben sie mit Schreiben v. 28.4.2002 ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen widerrufen lassen.
Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagten auf Rückzahlung der noch offenen Darlehensbeträge, insgesamt 54.047,26 EUR, nebst Zinsen in Anspruch. Die Beklagten verlangen widerklagend Rückzahlung unstreitig an die Klägerin erbrachter Zinsleistungen abzgl. der Auszahlungen des Fonds, insgesamt 8.611,94 EUR, sowie Rückabtretung der der Klägerin zur Sicherung abgetretenen Rechte und Ansprüche aus der Lebensversicherung des Beklagten zu 1) an diesen.
Das LG hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG die Beklagten als Gesamtschuldner unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 36.594,11 EUR nebst Zinsen an die Klägerin sowie dazu verurteilt, der Klägerin ihren Anspruch ggü. der Fondsgesellschaft auf das Abfindungsguthaben abzutreten, und die Widerklage hinsichtlich des Zahlungsbegehrens der Beklagten abgewiesen.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin und damit zur Wiederherstellung der Entscheidung des LG.
I. Die Beklagten brauchen der Klägerin das Darlehen nicht zurückzuzahlen und haben ihrerseits gegen die Klägerin gem. § 3 HaustürWG (in dessen hier maßgeblicher bis zum 30.9.2000 geltenden Fassung) Anspruch auf Rückgewähr ihrer auf Grund des Darlehensvertrages an sie erbrachten Leistungen.
1. Die Beklagten haben ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten v. 28.4.2002 gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG wirksam widerrufen.
a) Der Darlehensvertrag unterfällt dem Haustürwiderrufsgesetz. Dessen Vorschriften sind durch die Vorrangregelung des § 5 Abs. 2 HaustürWG hier nicht ausgeschlossen.
§ 5 Abs. 2 HaustürWG ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass das Widerrufsrecht nach dem Haustürwiderrufsgesetz nicht durch das Widerrufsrecht nach § 7 Abs. 2 VerbrKrG ausgeschlossen oder eingeschränkt wird (BGH, Urt. v. 14.6.2004 - II ZR 395/01, BGHReport 2004, 1292 = MDR 2004, 1193 = ZIP 2004, 1402 [1403] m.w.N.).
b) Die Voraussetzungen des Widerrufsrechts nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG liegen vor. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Beklagten - wie es das LG angenommen hat - in einer Haustürsituation zum Abschluss des Darlehensvertrages bestimmt worden sind.
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Haustürsituation der Klägerin zuzurechnen. Insoweit gelten nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH die für die Zurechnung einer arglistigen Täuschung nach § 123 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätze (BGH, Urt. v. 12.11.2002 - XI ZR 3/01, MDR 2003, 225 = BGHReport 2003, 235 = ZIP 2003, 22 [24 f.]; v. 15.7.2003 - XI ZR 162/00, BGHReport 2003, 1340 = ZIP 2003, 1741 [1743]; v. 20.1.2004 - XI ZR 460/02, BGHReport 2004, 595 m. Anm. Assies = MDR 2004, 582 = DB 2004, 647 [648]). Ist danach - wie hier - der Verhandlungsführer als Dritter anzusehen, so ist sein Handeln dem Erklärungsempfänger zuzurechnen, wenn dieser es kannte oder kennen musste. Für eine fahrlässige Unkenntnis genügt, dass die Umstände des Falles den Erklärungsempfänger veranlassen mussten, sich zu erkundigen, auf welchen Umständen die ihm übermittelte Willenserklärung beruht (BGH, Urt. v. 9.4.1992 - IX ZR 145/91, MDR 1992, 961 = ZIP 1992, 755 [756]). Dabei kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin allein auf die tatsächlichen Umstände an, unter denen die Willenserklärung abgegeben wurde, nicht auf eine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der Rechtslage. § 5 Abs. 2 HaustürWG ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH, Urt. v. 13.12.2001 - Rs. C-481/99 - Heininger gegen Bayerische Hypo- und Vereinsbank, MDR 2002, 225 = ZIP 2002, 31 [35]) und des BGH (BGH v. 9.4.2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248 [257] = BGHReport 2002, 595 m. Anm. Kemper = MDR 2002, 893) stets, also auch bei Sachverhalten aus der Zeit vor Erlass der genannten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, in richtlinienkonformer Auslegung anzuwenden; für das vor der Veröffentlichung der Entscheidung v. 13.12.2001 in Literatur und Rechtsprechung überwiegend vertretene Verständnis von § 5 Abs. 2 HaustürWG, das Verbraucherkreditgesetz als das speziellere Gesetz verdränge das Haustürwiderrufsgesetz, wenn der Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes eröffnet ist, wird kein Vertrauensschutz gewährt (st.Rspr. BGH v. 9.4.2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248 [257] = BGHReport 2002, 595 m. Anm. Kemper = MDR 2002, 893).
Auch wenn die Klägerin nicht schon gewusst haben sollte, dass die Fondsbeteiligungen und die zugehörigen Finanzierungen in Haustürsituationen vertrieben wurden, war sie nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen jedenfalls verpflichtet, sich bei der Fondsgesellschaft oder dem Vermittlungsunternehmen über die Umstände der Vertragsverhandlungen zu erkundigen, weil sie durch die Erklärung ihrer grundsätzlichen Bereitschaft zur Finanzierung der Fondseinlagen ggü. W. Gr. und dadurch, dass sie sich die Tätigkeit der Do. GmbH und der eingeschalteten Vermittler zu Nutze machte, in das Vertriebssystem des Fonds eingebunden war: Die Do. GmbH reichte die Kreditunterlagen der Beklagten bei der Klägerin ein, nachdem sie die Unterlagen von den Vermittlern erhalten hatte, die die Unterschriften der Beklagten eingeholt hatten. Die Beklagten wohnten damals wie heute in L. Nach dem Inhalt ihrer Beitrittserklärung zur Fondsgesellschaft, der Widerrufsbelehrung hinsichtlich des Darlehensvertrages und der als Sicherheit von der Klägerin verlangten Abtretung ihrer Beteiligung haben sie diese Unterlagen, die ihrem an die Klägerin gerichteten Darlehensantrag von der Do. GmbH beigefügt wurden, am 23.6.1992 in L. unterschrieben. Der Darlehensantrag enthält über der für die Unterschriften vorgesehenen Zeile zudem maschinenschriftlich als Ortsangabe "L." und als Datum "23.06.92". Beide Angaben sind durchgestrichen und ersetzt worden durch "T." und "29.6.1992", da die Klägerin die notarielle Beglaubigung der Unterschriften der Beklagten verlangte, die durch den Ratschreiber des Grundbuchamtes T. am 29.6.1992 vorgenommen wurde. Damit war aus der Sicht der Klägerin von einer Haustürsituation auszugehen, jedenfalls musste sich ihr dieser Eindruck aufdrängen. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ändert es hieran nichts, dass bei Abschluss des Darlehensvertrages 1992 dessen Widerruflichkeit für die Klägerin nicht vorhersehbar war. Das Erfordernis der Kenntnis bzw. fahrlässigen Unkenntnis in diesem Zusammenhang betrifft nur die einer übermittelten Willenserklärung zu Grunde liegenden tatsächlichen Umstände, nicht aber die Rechtslage. Wie die einschlägigen Vorschriften auszulegen sind, ergibt sich aus der oben geschilderten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des BGH. Danach genießt ein etwaiges Vertrauen in eine andere als die richtlinienkonforme Auslegung des § 5 Abs. 2 HaustürWG keinen Schutz.
d) Das Widerrufsrecht der Beklagten ist nicht durch Fristablauf erloschen. Die einwöchige Widerrufsfrist des § 1 Abs. 1 HaustürWG hat mangels ordnungsgemäßer Belehrung nach § 2 Abs. 1 S. 2 und 3 HaustürWG nicht zu laufen begonnen.
Die Belehrungen hinsichtlich des Darlehensvertrages enthalten den Hinweis, dass nach dem Empfang des Darlehens der Widerruf als nicht erfolgt gelte, wenn der Nettokreditbetrag nicht binnen zwei Wochen zurückgezahlt werde. Eine solche - dem § 7 Abs. 3 VerbrKrG entsprechende - Widerrufsbelehrung genügt den Anforderungen des § 2 HaustürWG nicht, weil sie eine "andere" - und zudem unrichtige - Erklärung enthält (BGH, Urt. v. 14.6.2004 - II ZR 395/01, BGHReport 2004, 1292 = MDR 2004, 1193 = ZIP 2004, 1402 [1404] m.w.N.; v. 14.6.2004 - II ZR 385/02, WM 2004, 1527 [1528]). Das gilt nach dem vorstehend unter I 1c Ausgeführten auch, wenn eine Belehrung nach dem Haustürwiderrufsgesetz allein wegen der früher herrschenden Auslegung des § 5 Abs. 2 HaustürWG nicht erfolgt war.
Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 S. 4 HaustürWG liegen nicht vor.
2. Als Rechtsfolge des Widerrufs haben die Vertragspartner einander die jeweils empfangenen Leistungen zurückzugewähren, § 3 Abs. 1 S. 1 HaustürWG.
Danach muss die Klägerin den Beklagten die von diesen aus ihrem eigenen Vermögen gezahlten Zinsen abzgl. von der Fondsgesellschaft erhaltener Leistungen, unstreitig 8.611,94 EUR, zurückzahlen und ihnen auch alle Sicherheiten zurückübertragen.
Die Beklagten brauchen der Klägerin das Darlehen nicht zurückzuzahlen, sondern ihr lediglich die Fondsanteile, die sie der Klägerin bereits im Zusammenhang mit dem Abschluss des Darlehensvertrages zur Sicherheit abgetreten haben, endgültig zu überlassen. Die von dem Darlehensnehmer empfangene Leistung ist im Falle der - hier vorliegenden - Auszahlung der Valuta an einen Dritten bei einem Verbundgeschäft i.S.v. § 9 VerbrKrG der finanzierte Gesellschaftsanteil (BGH, Urt. v. 14.6.2004 - II ZR 395/01, BGHReport 2004, 1292 = MDR 2004, 1193 = ZIP 2004, 1402 [1404 f.]).
Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des verbundenen Geschäfts nach § 9 Abs. 1 VerbrKrG auf der Basis der Entscheidung des Senats v. 21.7.2003 (BGH v. 21.7.2003 - II ZR 387/02, BGHZ 156, 46 [50 f.] = BGHReport 2003, 1208 m. Anm. Terlau = MDR 2003, 1188) zutreffend für gegeben erachtet. Die Klägerin und die Fondsgesellschaft haben sich beide der für sie gleichzeitig ggü. den Anlegern auftretenden Vermittler Dr. und Z. sowie der Do. GmbH bedient.
II. Danach erweist sich die Berufung der Klägerin gegen die Entscheidung des LG als unbegründet. Vielmehr hat das LG mit Recht die Klage abgewiesen und ebenfalls mit Recht der Widerklage sowohl hinsichtlich des Zahlungsantrags als auch hinsichtlich der Rückabtretung der Lebensversicherung an den Beklagten zu 1) stattgegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 1386067 |
DB 2005, 1791 |
DStR 2005, 1457 |
DStZ 2005, 651 |
NJW 2005, 2545 |
BGHR 2005, 1335 |
DWW 2005, 297 |
EWiR 2005, 893 |
NZM 2005, 719 |
WM 2005, 1408 |
WuB 2005, 787 |
ZIP 2005, 1314 |
ZfIR 2005, 686 |
MDR 2005, 1239 |
BKR 2005, 404 |
ZBB 2005, 292 |
ZGS 2005, 327 |
Kreditwesen 2005, 1255 |