Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 29.11.2001) |
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 29. November 2001 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Tatbestand
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in 35 Fällen und wegen der Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe (§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a lit. a WaffG) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Außerdem wurde der Verfall von insgesamt 110.000,– DM (§ 73 und § 73a StGB) angeordnet. Die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam beschränkt. Sie richtet sich allein gegen den Schuld- und Strafausspruch in den Fällen 37 (Verstoß gegen das BtMG) und 38 (Verstoß gegen das WaffG) sowie gegen die Gesamtstrafe. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit der Sachrüge, daß der Angeklagte nicht wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) verurteilt wurde. Der Revision bleibt der Erfolg versagt.
Entscheidungsgründe
II.
Gemeinsam mit anderen handelte der Angeklagte als Zwischenhändler im großen Stil mit Haschisch, jeweils in Mengen bis zu 100 kg. Im Fall 37 lag der Verurteilung nach den Feststellungen des Landgerichts folgendes zugrunde:
Ende März oder Anfang April 2001 bestellte der Angeklagte bei seinem Lieferanten 50 kg Haschisch zum Preis von 120.000,– DM. Dieses wurde am 6. April 2001 in zwei Tragetaschen zu dem Anwesen in Mannheim, in dem der Angeklagte wohnte, geliefert. Der Angeklagte stellte die Taschen mit den Haschischpaketen im Keller ab. Von dort aus sollte das Rauschmittel zeitnah in die „Bunkerwohnungen” verbracht werden. Die Zwischenlagerung bei oder in der Wohnung des Angeklagten war die Ausnahme. Von dort aus hat der Angeklagte nie Rauschmittel vertrieben.
Zum Weitertransport kam es jedoch nicht mehr. Noch am selben Tag wurde beim Angeklagten durchsucht und das Haschisch – 48,5 kg mit 3,65 kg THC – im Keller sichergestellt. Daneben fand die Polizei unter einer Decke eine Pistole Baretta 950, Kaliber 22, mit einem eingeführten leeren und einem weiteren nicht für diese Waffe geeigneten Magazin sowie zwei Päckchen zur Pistole passender Munition. Diese Gegenstände hatte der Angeklagte (Fall 38) im Februar 2001 für 600,– DM in Mannheim gekauft und seither nie in Gebrauch gehabt. Im Zusammenhang mit den Haschischgeschäften stand der Erwerb nicht. An die Schußwaffe hat der Angeklagte am 6. April 2001 nicht mehr gedacht; deren Vorhandensein war ihm nicht bewußt, als er das Haschisch im Keller verstaute.
Damit folgte die Strafkammer den „unwiderlegbaren” Einlassungen des – im übrigen – umfassend geständigen Angeklagten und verneinte in der Konsequenz die Voraussetzungen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG. Zwar habe die Schußwaffe dem Angeklagten während des Handeltreibens objektiv zur Verfügung gestanden, jedoch könne ein entsprechender Vorsatz nicht positiv festgestellt werden.
II.
Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Eine Schußwaffe führt schon mit sich, wer sie – samt Munition – in Griffweite hat. Der Wille, diese gegebenenfalls einzusetzen, ist nicht erforderlich. Für die subjektive Seite genügt das Bewußtsein, über den gefährlichen Gegenstand jederzeit verfügen zu können. All dies hat die Strafkammer nicht verkannt. Sie hat festgestellt, daß der Angeklagte die Pistole samt geeigneten Patronen griffbereit hatte, als er die Taschen mit den Haschischpaketen daneben ablegte, daß ihm dies – das Vorhandensein der Schußwaffe – damals aber nicht bewußt war. Damit entfällt bewaffnetes unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Satz 2 BtMG).
Die den getroffenen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung ist rechtsfehlerfrei. Sie verstößt nicht gegen Denkgesetze, ist widerspruchsfrei und weist insbesondere keine Lücken auf. Mit der räumlichen Nähe zwischen Waffe samt Munition und Haschisch sowie den nicht allzuweit auseinanderliegenden Erwerbsdaten setzte sich die Strafkammer in der Beweiswürdigung und in der rechtlichen Würdigung auseinander. Wenn sie gleichwohl der Einlassung des Angeklagten, ihm sei das Vorhandensein der Pistole nicht gegenwärtig gewesen, als er die Taschen mit Haschisch im Keller abstellte, folgte, ist dies frei von Rechtsfehlern.
Je ferner die Gefahr des Einsatzes der Waffe liegt, desto höhere Anforderungen sind an die Prüfung und Darlegung des subjektiven Merkmals des Bewußtseins der Verfügbarkeit der Waffe zu stellen (BGH NStZ 2000, 433). Mit einem Gebrauch der Waffe war hier nicht zu rechnen. Erwerb und Besitz der Pistole standen in keinem Zusammenhang mit den Betäubungsmittelgeschäften des Angeklagten, der schon einmal im Jahre 1993 wegen eines Waffendelikts verurteilt wurde. Auch seinerzeit ergab sich kein Bezug zu dem schon damals von ihm betriebenen Haschischhandel. Zum Abstellen der – alsbald danach beschlagnahmten – Taschen hielt sich der Angeklagte nur kurze Zeit im Keller auf. Daß er in diesem Moment nicht an die unter einer Decke verborgene Pistole samt Magazin und Munition dachte, durfte die Strafkammer hinnehmen, ohne damit überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung zu stellen.
Unterschriften
Schäfer, Nack, Wahl, Boetticher, Hebenstreit
Fundstellen