Entscheidungsstichwort (Thema)
Genehmigung einer Belastung vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch einen Insolvenzverwalter im Wege der auch gegenüber einem Insolvenzverwalter geltenden Genehmigungsfiktion. Genehmigung einer Lastschrift im Wege einer Genehmigungsfiktion durch den Insolvenzverwalter einer zahlungsunfähigen GmbH als eine anfechtbare Rechtshandlung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Genehmigungsfiktion gemäß Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken, Nr. 7 Abs. 4 AGB-Sparkassen gilt auch im Verhältnis zu einem vorläufigen Insolvenzverwalter, der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattet ist.
2. Bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften werden erst mit der Genehmigung etwaige Anfechtungsfristen in Lauf gesetzt.
Normenkette
AGB-Banken Nr. 7 Abs. 3; InsO § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 140 Abs. 1, § 143; BGB § 184
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 07.09.2007; Aktenzeichen 6 S 76/07) |
AG Offenbach (Urteil vom 22.03.2007; Aktenzeichen 390 C 374/06) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 7. September 2007 und das Urteil des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 22. März 2007 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.336,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Juni 2006 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. August 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der H. GmbH (fortan: Schuldnerin). Diese unterhielt bei der D. Bank (fortan: Bank) und der Sparkasse U. (fortan: Sparkasse) jeweils ein Girokonto. Im Zeitraum vom 1. April bis 1. Juni 2005 wurde das Konto der Schuldnerin bei der Bank u.a mit Lastschriften in Höhe von fünfmal 177,34 EUR und sechsmal 177,48 EUR, insgesamt 1.951,58 EUR, und das bei der Sparkasse mit zweimal 192,56 EUR, insgesamt 385,12 EUR, belastet.
Rz. 2
Am 10. Juni 2005 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Am selben Tage wurde der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Die Sparkasse kündigte die Geschäftsverbindung mit der Schuldnerin mit Schreiben vom 13. Juni 2005 und die Bank mit Schreiben vom 15. Juni 2005, wobei jeweils ein Rechnungsabschluss erteilt wurde.
Rz. 3
Der Kläger verlangt Zahlung des sich aus den Lastschriften ergebenden Betrages von 2.336,70 EUR. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
Die Revision hat Erfolg.
I.
Rz. 5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Kläger habe in Höhe von 1.774,24 EUR seinen Anspruch nicht schlüssig vorgetragen, weil aus den vorgelegten Kontoauszügen mit Ausnahme einer Lastschrift über 177,34 EUR nicht erkennbar sei, dass die Beklagte die Belastungen des Kontos der Schuldnerin bei der Bank veranlasst habe. Auch wegen des Restbetrages von 562,46 EUR (177,34 EUR und zweimal 192,56 EUR) scheide ein Anspruch aus §§ 143, 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO aus. Es liege zwar eine anfechtbare Rechtshandlung vor, weil die Lastschriften während der vorläufigen Insolvenzverwaltung genehmigt worden seien; der Kläger müsse die Genehmigungsfiktion nach Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken gegen sich gelten lassen. Die Beklagte habe aber zum Zeitpunkt der Rechtshandlung (§ 140 Abs. 1 InsO) keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag gehabt, weil es hierfür auf den Zeitpunkt der Kontobelastung ankomme. Die Genehmigung wirke gemäß § 184 BGB auf den Zeitpunkt der Lastschriftbuchung zurück.
II.
Rz. 6
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 7
1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die Klage insgesamt schlüssig. Der Kläger hat die streitgegenständlichen Kontobelastungen nach Betrag und Datum dargelegt und behauptet, sie seien von der Beklagten veranlasst worden. Dieser Vortrag reichte zunächst aus, unabhängig davon, ob sich der Empfänger der Zahlungen aus den vorgelegten Kontoauszügen ergab oder nicht.
Rz. 8
2. Anfechtbare Rechtshandlung ist die Genehmigung der Lastschriften durch den vorläufigen Insolvenzverwalter.
Rz. 9
a) Der vorläufige Insolvenzverwalter hat die streitgegenständlichen Belastungen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens genehmigt. Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag in der Sache IX ZR 178/09 entschieden hat, gilt die Genehmigungsfiktion gemäß Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken (Nr. 7 Abs. 4 AGB-Sparkassen) auch im Verhältnis zu einem vorläufigen Insolvenzverwalter, der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattet ist. An seiner entgegenstehenden Rechtsprechung (BGHZ 174, 84, 92 ff Rn. 21 ff) hält der Senat nicht mehr fest.
Rz. 10
b) Die Erfüllung einer Verbindlichkeit durch die Genehmigung der Belastungsbuchung stellt eine Rechtshandlung im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO dar, die dann, wenn die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestandes der §§ 130 ff InsO erfüllt sind, der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter unterliegt. Anfechtungsgegner ist der begünstigte Gläubiger (BGHZ 161, 49, 56 f; BGH, Urt. v. 29. Mai 2008 – IX ZR 42/07, NZI 2008, 482, 483 Rn. 11; vgl. auch Urt. v. 2. April 2009 – IX ZR 171/07, NZI 2009, 378 Rn. 9). Rechtshandlungen des späteren Insolvenzschuldners, denen der vorläufige Insolvenzverwalter zugestimmt hat, oder des vorläufigen Insolvenzverwalters, der namens und in Vollmacht des späteren Insolvenzschuldners gehandelt hat, können dann, wenn kein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet war, nach den Vorschriften der §§ 129 ff InsO angefochten werden (BGHZ 154, 190, 194; HK-InsO/Kreft, 5. Aufl. § 129 Rn. 31; Graf-Schlicker/Huber, InsO 2. Aufl. § 129 Rn. 14; vgl. auch BGH, Urt. v. 29. November 2007 – IX ZR 165/05, ZIP 2008, 372, 374 Rn. 30).
Rz. 11
3. Maßgeblicher Zeitpunkt, in dem die Anfechtungsvoraussetzungen erfüllt sein müssen, ist derjenige der Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 Abs. 1 InsO). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist dies hier der Zeitpunkt der Genehmigung der Belastungsbuchungen, nicht derjenige der Buchungen selbst, denn die Belastungen des Kontos blieben bis zu ihrer Genehmigung ohne materielle Wirkung (vgl. bereits BGHZ 161, 49, 57; BGH, Urt. v. 29. Mai 2008, aaO Rn. 16). Eine Rückwirkung der Genehmigung entsprechend § 184 BGB ist in § 140 InsO gerade nicht vorgesehen. Die Senatsrechtsprechung zu den Voraussetzungen einer Bardeckung (§ 142 InsO) bei der Genehmigung eines Lastschrifteinzuges (BGH, Urt. v. 29. Mai 2008, aaO Rn. 11 ff; v. 2. April 2009, aaO Rn. 10 f) betrifft den zeitlichen Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung, nicht jedoch die Frage des Zeitpunkts der Vornahme der Rechtshandlung. Bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften kann überhaupt erst mit der Genehmigung von einer anfechtbaren Rechtshandlung gesprochen werden. Erst mit der Genehmigung werden etwaige Anfechtungsfristen in Lauf gesetzt (BGH, Urt. v. 29. Mai 2008, aaO Rn. 16).
III.
Rz. 12
Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine eigene Sachentscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg.
Rz. 13
1. Die Beklagte hat am 1. April 2005, am 2. Mai 2005 und am 1. Juni 2005 insgesamt 2.336,70 EUR von Konten der Schuldnerin abgebucht. Sie hat den entsprechenden Vortrag des Klägers zwar mit Nichtwissen bestritten. Dieses Bestreiten war jedoch prozessual unzulässig und damit unbeachtlich. Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind (§ 138 Abs. 4 ZPO). Hier geht es um Abbuchungen, welche nach dem Vortrag des Klägers die (durch Organe oder Angestellte handelnde) Beklagte veranlasst hat. Diese verfügt ihrer eigenen Darstellung nach über Unterlagen, anhand derer sie nachvollziehen kann, ob die Abbuchungen erfolgt sind oder nicht. Sie hat es lediglich abgelehnt, ihre Akten, die bereits „archiviert” seien, einzusehen. Damit hat sie der Informationspflicht, die § 138 Abs. 4 ZPO jeder Prozesspartei auferlegt (vgl. hierzu BGHZ 109, 205, 209 f; BGH, Urt. v. 10. Oktober 1994 – II ZR 95/93, NJW 1995, 130, 131; Prütting in Prütting/Gehrlein, ZPO 2. Aufl. § 138 Rn. 18), nicht genügt. Die in der mündlichen Verhandlung erhobene Gegenrüge, dass ein gerichtlicher Hinweis erforderlich gewesen wäre, ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt, weil nicht dargelegt wurde, was auf den Hinweis hin vorgetragen worden wäre.
Rz. 14
2. Die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO sind erfüllt. Die Belastungsbuchungen sind gemäß Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken (Nr. 7 Abs. 4 AGB-Sparkassen) sechs Wochen nach Zugang der den Kündigungsschreiben vom 13. bzw. 15. Juni 2005 beigefügten Rechnungsabschlüsse genehmigt worden. Zu diesem Zeitpunkt wusste die Beklagte von dem Eröffnungsantrag. Nach dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen beider Parteien in den Tatsacheninstanzen hatte sich der vorläufige Insolvenzverwalter bereits im Juni 2005 mit der Beklagten in Verbindung gesetzt, weil er deren Leistungen weiterhin in Anspruch nehmen wollte.
Rz. 15
3. Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB.
Fundstellen