Leitsatz (amtlich)
Zum Schadensersatzanspruch einer Jagdgenossenschaft wegen des Neubaus einer Gasversorgungsleitung durch den Jagdbezirk.
Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 25.10.2002) |
AG Rotenburg (Wümme) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Grundurteil der 1. Zivilkammer des LG Verden v. 25.10.2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Das beklagte Energieversorgungsunternehmen verlegte zwischen Anfang Mai und Mitte Juli 2000 im Gebiet der Gemeinde S. eine Erdgasleitung. Dabei wurden auch die vom Kläger und seinem Mitpächter T. gepachteten gemeinschaftlichen Jagdbezirke S. -West und S. -Süd durchschnitten. Die Beklagte hatte nach ihrer Behauptung mit allen betroffenen Grundstückseigentümern gegen Zahlung einer Entschädigung Gestattungsverträge geschlossen. Eine Zustimmung der Jagdgenossenschaft wurde nicht eingeholt.
Mit der Behauptung, die Verlegungsarbeiten während der Brut- und Setzzeit des Wildes hätten zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Jagdbetriebs geführt, hat der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz i. H. v. 4.908 DM in Anspruch genommen. Er hat seine Klage in erster Linie auf ein verletztes Jagdausübungsrecht der Jagdgenossenschaft gestützt und eine Abtretung von deren Ersatzansprüchen an ihn behauptet, hilfsweise auf eigenes Recht und das seines Mitpächters T. als Jagdpächter. Dieser hat alle ihm zustehenden Ansprüche an den Kläger abgetreten.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Das LG hat den Anspruch des Klägers "auf Ersatz des Schadens infolge Verletzung des Jagdausübungsrechts der Jagdgenossenschaft ..." dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Dem Kläger stehe dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Jagdausübungsrechts zu. In dieses Recht der Jagdgenossenschaft habe die Beklagte widerrechtlich und schuldhaft (zumindest fahrlässig) eingegriffen, indem sie die Gasleitungen ohne die notwendige Erlaubnis auch der Jagdgenossenschaft verlegt habe. Die von der Beklagten behauptete Gestattung seitens der Grundstückseigentümer habe nicht ausgereicht, da die Bauarbeiten auch zu Beeinträchtigungen der Jagd geführt hätten. Demnach sei die Beklagte verpflichtet, den durch die Verletzung des Jagdausübungsrechts entstandenen Schaden zu ersetzen. Sie könne sich hierbei nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Jagdgenossenschaft mangels Pachtausfalls kein Vermögensschaden entstanden sei. Die hier gegebene mehr als unerhebliche Beeinträchtigung der Jagdausübung führe zu einer Minderung des Pachtzinses. Im Rechtssinne von dem Eingriff betroffen sei zwar nur die Jagdgenossenschaft, in wirtschaftlicher Hinsicht geschädigt seien jedoch die Jagdpächter. Der Umstand, dass der Kläger und sein Mitpächter den Jahrespachtzins in voller Höhe im Voraus entrichtet hätten, könne bei wertender Betrachtungsweise nach allgemeinen schadensersatzrechtlichen Grundsätzen nicht dazu führen, dass es ihnen verwehrt sei, diesen Nachteil als eigene Vermögenseinbuße geltend zu machen. Zu demselben Ergebnis gelange man im Übrigen auch über die klägerseits behauptete Abtretung von Schadensersatzansprüchen seitens der Jagdgenossenschaft, ohne dass es insoweit der Erhebung der angebotenen Beweise bedurft hätte. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch aus eigenem und aus abgetretenem Recht seines Mitpächters T. zu.
II.
Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Das angefochtene Urteil lässt schon nicht zweifelsfrei erkennen, ob das Berufungsgericht dem Kläger dem Grunde nach einen Ersatzanspruch aus eigenem Recht (und dem des weiteren Jagdpächters T.) oder auf Grund eines abgetretenen Anspruchs der Jagdgenossenschaft zuerkennen will. Die Revision versteht es im Gegensatz zur Revisionserwiderung in dem erstgenannten Sinne. Für diese Auslegung lassen sich die - bei isolierter Betrachtung eindeutigen - Bemerkungen zum Schluss der Entscheidungsgründe in Anspruch nehmen, dem Kläger stehe der Anspruch aus eigenem und abgetretenem Recht seines Mitpächters zu. Auf der anderen S. hat das Berufungsgericht jedoch im Tenor seines Urteils den Anspruch des Klägers auf Ersatz des Schadens "infolge Verletzung des Jagdausübungsrechts der Jagdgenossenschaft" dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und ebenso zu Beginn der Entscheidungsgründe ausgeführt, die Beklagte habe widerrechtlich in das "Jagdausübungsrecht der Jagdgenossenschaft" eingegriffen, indem sie ohne deren Erlaubnis Gasleitungen durch die Jagdbezirke verlegt habe. Erst bei der Behandlung des Schadens vermengen sich im Berufungsurteil - möglicherweise infolge eines Missverständnisses der vom Berufungsgericht angeführten Rechtsprechung des erkennenden Senats (BGH v. 8.11.1990 - III ZR 251/89, BGHZ 112, 392 = MDR 1991, 950 = NJW 1991, 1421; v. 4.8.2000 - III ZR 328/98, BGHZ 145, 83 = NJW 2000, 3638) - die Vermögenssphären der Jagdgenossenschaft und der Jagdpächter mit der Folge, dass an die Stelle eines Ersatzanspruchs der Genossenschaft im Ergebnis ein eigener Schadensersatzanspruch der Jagdpächter tritt. Infolgedessen ist das Berufungsurteil nicht nur im Verhältnis der Urteilsformel zu den Gründen, sondern auch innerhalb der Entscheidungsgründe in sich widersprüchlich. Unter derartigen Umständen gebührt aber grundsätzlich dem Urteilstenor Vorrang (BGH, Urt. v. 13.5.1997 - VI ZR 181/96, MDR 1997, 829 = NJW 1997, 3447 [3448]; Urt. v. 12.9.2002 - IX ZR 66/01, MDR 2003, 57 = BGHReport 2003, 40 = NJW 2003, 140 [141]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 313 Rz. 8). Das gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als dem Berufungsgericht nicht ohne weiteres unterstellt werden kann, es habe mit einer Entscheidung nach dem Hilfsantrag ohne Bescheidung des Hauptantrags die Bindung des Gerichts an die Parteianträge (§ 308 Abs. 1 ZPO) und somit eine fundamentale Regel des Zivilprozessrechts verkannt (vgl. hierzu zuletzt BGH, Urt. v. 3.7.2003 - I ZR 270/01, BGHReport 2003, 1158 = MDR 2003, 1310 = WRP 2003, 1138). Der Senat interpretiert daher das Berufungsurteil mit der Revisionserwiderung dahin, dass es dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch der Jagdgenossenschaft, nicht der Jagdpächter, bejaht.
2. Bei dieser Auslegung kann das angefochtene Urteil indessen wegen anderer Mängel nicht bestehen bleiben.
a) Das Berufungsurteil ist bereits deswegen aufzuheben, weil es keine Feststellungen über die dann erforderliche, unter den Parteien jedoch streitige Abtretung eines Ersatzanspruchs der Jagdgenossenschaft an den Kläger trifft.
b) Demgegenüber ist im Ausgangspunkt die Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatzforderungen der Jagdgenossenschaft gegen die Beklagte nicht zu beanstanden. Insoweit erhebt die Revision auch keine Rüge, während die Revisionserwiderung nunmehr den Klageanspruch unter Hinweis auf das Senatsurteil v. 20.1.2000 (BGH, Urt. v. 20.1.2000 - III ZR 110/99, BGHZ 143, 321 = MDR 2000, 520 = NJW 2000, 1720) an Stelle unerlaubter Handlung auf Enteignungsentschädigung nach § 12 EnWG i. V. m. § 4 NEG stützen will. Die Revisionserwiderung vertritt den Standpunkt, die von der Beklagten behaupteten Gestattungsverträge mit den Grundstückseigentümern seien wegen eines ihr als Gasversorger gem. § 12 EnWG zustehenden Enteignungsrechts zur Abwehr einer Enteignung geschlossen worden. Entsprechend den Erwägungen des erkennenden Senats in dem angeführten Urteil könne die Jagdgenossenschaft einen ihr zustehenden Enteignungsentschädigungsanspruch deshalb im vorliegenden Rechtsstreit auch ohne Durchführung eines Enteignungsentschädigungsverfahrens durchsetzen.
Dem ist, unabhängig von der Frage, ob hierin eine in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässige Klageänderung läge, im Ansatz nicht zu folgen. Dabei kann ein in den Tatsacheninstanzen von der Beklagten allenfalls angedeutetes Enteignungsrecht (ihr hätten bei der Leitungsverlegung bestimmte "Privilegien" zugestanden) ebenso unterstellt werden wie die Richtigkeit des von der Revisionserwiderung hieraus gezogenen Schlusses, die behaupteten Gestattungsverträge seien demnach von den Grundeigentümern zur Abwendung einer Enteignung geschlossen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH gelten i. d. R. auch dann, wenn außerhalb eines Enteignungsverfahrens durch den Abschluss eines Kaufvertrags oder eines Vertrags über die Einräumung von Nutzungsrechten mit dem Grundstückseigentümer, wie hier, nur die sonst zu erwartende Enteignung abgewendet werden soll, zwischen den Vertragsparteien ausschließlich die Regeln des bürgerlichen Rechts (BGH BGHZ 50, 284 [287 ff.]; Urt. v. 29.4.1982 - III ZR 154/80, BGHZ 84, 1 [3 f.] = MDR 1982, 732; Urt. v. 23.5.1985 - III ZR 10/84, BGHZ 95, 1 [4] = MDR 1986, 35; v. 9.4.1987 - III ZR 181/85, BGHZ 100, 329 [333] = MDR 1987, 742; Urt. v. 5.12.1980 - V ZR 160/78, MDR 1981, 572 = WM 1981, 309 [311]; v. 14.3.1997 - V ZR 9/96, BGHZ 135, 92 [95] = MDR 1997, 724; Urt. v. 26.9.1997 - V ZR 186/96, NJW-RR 1998, 589 [590]). Das entspricht auch sonst der überwiegenden Auffassung (vgl. BVerwG BVerwGE 19, 171 [173]; Brügelmann/Reisnecker, BauGB, § 87 Rz. 32; Gaentzsch, BauGB, § 87 Rz. 7; Krohn/Löwisch, Eigentumsgarantie, Enteignung, Entschädigung, 3. Aufl., Rz. 458 ff.; Schmidt-Aßmann in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 93 Rz. 5; Schrödter/Breuer, BauGB, 6. Aufl., §§ 110 Rz. 7, 111 Rz. 7; zweifelnd: Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 8. Aufl., § 87 Rz. 6; Berkemann in Schlichter/Stich, Berliner Kommentar zum BauGB, 2. Aufl., § 87 Rz. 100). Der zur Vermeidung einer Enteignung erfolgende freihändige Erwerb eines Grundstücks oder Grundstücksrechts durch den Enteignungsbegünstigten steht der Enteignung mangels Einleitung oder Durchführung eines förmlichen Enteignungsverfahrens nicht gleich. Infolgedessen ergibt sich auch der hier relevante Schutz vermögenswerter Rechte eines am Vertragsschluss nicht beteiligten Dritten, der dingliche oder schuldrechtliche Rechte in Bezug auf das Grundstück hat, grundsätzlich allein aus privatrechtlichen Normen (BGH BGHZ 50, 284 [287]; Urt. v. 27.1.1969 - III ZR 73/68, WM 1969, 635 [636 f.}). Die von der Revisionserwiderung dagegen angeführten Senatsentscheidungen (BGH v. 15.2.1996 - III ZR 143/94, BGHZ 132, 63; v. 4.8.2000 - III ZR 328/98, BGHZ 145, 83) "Bau einer Bundesautobahn" sowie (BGH v. 20.1.2000 - III ZR 110/99, BGHZ 143, 321 = MDR 2000, 520) "Neubau einer Eisenbahnstrecke" sind nicht einschlägig. In dem den zuerst genannten Revisionsurteilen zu Grunde liegenden Fall hatte die Enteignungsbehörde selbst ein Enteignungsentschädigungsverfahren eingeleitet und hierin die den Jagdgenossenschaften zustehende, im Rechtsstreit angefochtene Entschädigung festgesetzt. Im zweiten Fall bestand ein enger Zusammenhang mit der Durchführung eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens; zudem hatte schon der Planfeststellungsbeschluss die klagende Jagdgenossenschaft auf ein enteignungsrechtliches Entschädigungsverfahren verwiesen. Mit diesen Fallgestaltungen ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Eine Verbindung zum Recht der Enteignungsentschädigung wird hier ausschließlich über ein der Beklagten beim Scheitern des freihändigen Erwerbs zur Verfügung stehendes Enteignungsrecht hergestellt. Das reicht für den Tatbestand eines Enteignungseingriffs nicht aus. Der gegenteiligen Rechtsauffassung Otto Gassners (Gassner, Der freihändige Grunderwerb der öffentlichen Hand, 1983, S. 150 ff.), derzufolge der von Gassner als "pseudo-freihändig" bezeichnete Erwerb der öffentlichen Hand schon von der Einleitung eines Enteignungsverfahrens oder der Planreife an als Institut des Enteignungsrechts und materiell als Eingriff im enteignungsrechtlichen Sinn gelten soll (Gassner, Der freihändige Grunderwerb der öffentlichen Hand, 1983, S. 187 ff., 213 ff.), vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der freihändige Erwerb außerhalb eines Enteignungsverfahrens erfolgt mit den Mitteln und in den Formen des Privatrechts. Daran ändert sich wie auch sonst im Verwaltungsprivatrecht nichts dadurch, dass Ziel und Legitimation eines solchen Erwerbs sich aus öffentlichem Recht ergeben. Ebensowenig zwingt der Umstand, dass sich der Grundeigentümer bei bestandskräftiger Planung wegen der Drohung mit einer sonst zulässigen Enteignung nicht mehr frei entscheiden kann, zur Abkehr von den Regeln des bürgerlichen Rechts. Das Privatrecht beruht zwar auf den Grundsätzen der Vertragsfreiheit und der Privatautonomie. Rechtliche oder tatsächliche Zwänge zum Abschluss bestimmter Verträge stellen gleichwohl weder allgemein noch in dem hier maßgebenden Zusammenhang die Anwendung des Privatrechts grundsätzlich in Frage. Der notwendige Rechtsschutz zu Gunsten des Einzelnen kann hinreichend durch die Institute des bürgerlichen Rechts und die Regeln des - eine noch engere Pflichtenbindung der öffentlichen Hand begründenden - Verwaltungsprivatrechts erreicht werden (vgl. auch Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtsfragen städtebaulicher Verträge, 2. Aufl., S. 20 f., 23).
c) Auf dieser Grundlage setzt ein Schadensersatzanspruch der Jagdgenossenschaft die widerrechtliche Verletzung eines durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts oder Rechtsguts sowie einen eigenen Schaden der Zedentinnen voraus. Beides hat das Berufungsgericht nicht fehlerfrei festgestellt. Auch aus diesem Grunde kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben.
aa) Im Ansatz ist allerdings richtig, dass der Jagdgenossenschaft ein vom Jagdrecht der Grundstückseigentümer (§ 3 Abs. 1 BJagdG) zu unterscheidendes Jagdausübungsrecht zusteht und dass dieses Recht als "sonstiges Recht" den Schutz des § 823 Abs. 1 BGB genießt. Im Interesse einer ordnungsgemäßen Hege des Wildes darf der Grundeigentümer sein Jagdrecht nur ausüben, wenn ihm eine zusammenhängende Fläche von mindestens 75 ha (Eigenjagdbezirk) gehört (§§ 3 Abs. 3, 7 Abs. 4 BJagdG). Andernfalls ist der Grundbesitz nach § 8 Abs. 1 BJagdG Teil eines gemeinschaftlichen Jagdbezirks. Hier steht die Ausübung des Jagdrechts der Jagdgenossenschaft als der Vereinigung der Grundeigentümer zu (§§ 8 Abs. 5, 9 Abs. 1 BJagdG). Nach der Rechtsprechung des BGH und der ganz herrschenden Meinung gehört dieses Jagdausübungsrecht zu den sonstigen Rechten i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB (BGH, Urt. v. 14.6.1982 - III ZR 175/80, BGHZ 84, 261 [264] = MDR 1982, 914; v. 15.2.1996 - III ZR 143/94, BGHZ 132, 63 [65]; v. 20.1.2000 - III ZR 110/99, BGHZ 143, 321 [324] = MDR 2000, 520; Metzger in Lorz/Metzger/Stöckel, Jagdrecht, Fischereirecht, 3. Aufl., § 3 Rz. 5; Mitzschke/Schäfer, BJagdG, 4. Aufl., § 1 Rz. 6; jew. m. w. N.). Es ist gleichsam ein "Stück abgespaltenen Eigentums" der einzelnen Jagdgenossen, das erst in der Hand der Genossenschaft als Trägerin zu einem Recht erstarkt (BGH, Urt. v. 14.6.1982 - III ZR 175/80, BGHZ 84, 261 [265 f.] = MDR 1982, 914; v. 20.1.2000 - III ZR 110/99, BGHZ 143, 321 [324] = MDR 2000, 520).
bb) Nicht jede tatsächliche Beeinträchtigung der Jagd verletzt indessen bereits das Jagdausübungsrecht. Jagdausübung ist im Kern die ausschließliche Befugnis, auf einem bestimmten Gebiet wild lebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen, zu hegen, ihnen nachzustellen, sie zu fangen oder zu erlegen und sie sich anzueignen (§ 1 Abs. 1 und 4 BJagdG; Mitzschke/Schäfer, § 1 Rz. 14). Der Jagdausübungsberechtigte hat jedoch weder Anspruch auf einen bestimmten Wildbestand noch auf einen gänzlich störungsfreien Jagdgenuss. Insbesondere muss er das Betreten des Waldes durch Spaziergänger ebenso dulden wie Störungen, die von der bestimmungsgemäßen sonstigen Nutzung der im Jagdbezirk gelegenen Grundstücke ausgehen (vgl. nur Metzger in: Lortz/Metzger/Stöckel, §§ 1 Rz. 2, 3 Rz. 5; Mitzschke/Schäfer, §§ 1 Rz. 43 f., 9 Rz. 12). Daraus folgt zwar nicht, wie die Revision meint, dass die nach der Behauptung der Beklagten im Streitfall mit allen betroffenen Grundstückseigentümern geschlossenen Gestattungsverträge auch zu Lasten der Jagdgenossenschaften wirkten und ihnen gegenüber die Einwirkungen ebenfalls legitimierten. Der Senat hat im Zusammenhang mit dem Zugriff auf Grundstücksflächen für öffentliche Bauvorhaben, die der Bejagung dadurch entzogen wurden, einen entscheidenden Unterschied zwischen der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung seitens der Jagdgenossen und der hoheitlichen Inanspruchnahme zu eigentümer- und genossenschaftsfremden Zwecken für ein Enteignungsunternehmen gesehen (BGH, Urt. v. 14.6.1982 - III ZR 175/80, BGHZ 84, 261 [266 f.] = MDR 1982, 914; v. 4.8.2000 - III ZR 328/98, BGHZ 145, 83 [87 f.]). Für die vorliegende private Einigung zwischen den Jagdgenossen und dem Vorhabenträger über eine Grundstücksnutzung gilt nichts Anderes. Dessen ungeachtet ergibt sich schon aus dem Bestehen zahlreicher konkurrierender anderer Nutzungsrechte neben dem Jagdausübungsrecht, dass dieses Recht durch § 823 Abs. 1 BGB lediglich gegen spürbare Beeinträchtigungen geschützt sein kann. Das betrifft in erster Linie die hier nicht interessierende Jagdausübung i. e. S. mit dem Ziel, dem Wild nachzustellen und es zu erlegen (so die Fallgestaltung in BGH, Urt. v. 5.3.1958 - V ZR 199/56, LM § 823 [F] Nr. 10 = MDR 1958, 325). Soweit es wie im Streitfall dagegen nur um tatsächliche Störungen der Jagdausübung geht, müssen, falls nicht bei einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung § 826 BGB eingreift, nach Ausmaß und Dauer wesentliche Beeinträchtigungen vorliegen, wenn etwa Wild in erheblichem Umfang und auf längere Frist vergrämt wird.
Einen solchen Sachverhalt hat der Kläger zwar behauptet, das LG hat die Richtigkeit dieses Vorbringens aber nicht verfahrensfehlerfrei festgestellt. Es ist insoweit, wie die Revision mit Recht rügt, ohne weiteres dem bestrittenen Klagevortrag gefolgt und hat die gebotene Beweisaufnahme unterlassen.
cc) Entsprechendes gilt für den erforderlichen Schaden der Jagdgenossenschaft, der auch bei einem Grundurteil zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben sein muss. Da der Kläger und sein Mitpächter T. den Jagdpachtzins im Voraus gezahlt haben und eine Rückzahlung an sie bisher nicht erfolgt ist, lassen sich zu ersetzende Vermögensnachteile der Jagdgenossenschaft hier nur damit begründen, dass sie wegen berechtigter Minderung des Jagdpachtzinses entsprechend den §§ 581 Abs. 2, 537 Abs. 1 BGB a. F. (hierzu BGH v. 8.11.1990 - III ZR 251/89, BGHZ 112, 392 [396 f.] = MDR 1991, 950) zur teilweisen Erstattung der Pacht an die Jagdpächter verpflichtet wäre. Das setzt jedoch ebenfalls eine nicht nur unerhebliche Einwirkung auf die Jagd durch die von der Beklagten durchgeführten Bauarbeiten voraus, von der das Berufungsgericht, wie bemerkt, nicht ohne Beweisaufnahme ausgehen durfte.
d) Entgegen der Revision im Ergebnis nicht zu beanstanden sind demgegenüber wegen des im Zivilrecht geltenden objektiven Sorgfaltsmaßstabes die Ausführungen des LG zu einem etwaigen Verschulden der Beklagten.
III.
Der Rechtsstreit ist unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die fehlenden Feststellungen nachholen kann. Der Senat sieht im derzeitigen Verfahrensstadium keinen Anlass, auf den hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch des Klägers und seines Mitpächters T. aus eigenem Recht als Jagdpächter einzugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 1064812 |
BGHR 2004, 90 |
BauR 2004, 133 |
NJW-RR 2004, 100 |
NuR 2004, 554 |
ZfBR 2004, 160 |
BrBp 2004, 217 |
GV/RP 2004, 415 |
GuT 2004, 19 |
UPR 2004, 132 |
AuUR 2004, 117 |
FuBW 2004, 745 |
FuHe 2005, 95 |