Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlung von Witwen-und Waisenrente
Leitsatz (amtlich)
Verlangt ein Träger der Rentenversicherung aufgrund des § 640 RVO vom Schädiger Ersatz der von ihm infolge des Arbeitsunfalls zu erbringenden Renten, so kann er dem Rentenversicherer entgegenhalten, daß dieser von einem bestimmten Zeitpunkt ab auch ohne den Unfall dem Verunglückten oder dessen Hinterbliebenen (ganz oder teilweise) hätte Rente zahlen müssen.
Normenkette
RVO §§ 640, 1360, 1542
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 9. Zivilsenat in Freiburg - vom 22. Januar 1970 im Feststellungsausspruch und insoweit, als es den Beklagten zur Zahlung von mehr als 9.182,80 DM nebst Zinsen verurteilt hat, sowie im Kostenpunkt aufgehoben.
In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
- Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin, die Bundesbahn-Versicherungsanstalt, zahlt seit dem 1. Juli 1963 den Hinterbliebenen des am 17. Juli 1963 bei einem Arbeitsunfall im Fuhrunternehmen des Beklagten tödlich verunglückten damals 61-jährigen Oberzugschaffners Josef L. Witwen- bzw. Waisenrente. Gestützt auf § 640 RVO verlangt sie vom Beklagten Erstattung dieser Rente einschließlich ihres Beitrages zur Rentnerkrankenversicherung.
Am 17. Juli 1963 wollte der Beklagte Fensterrahmen zu einer Baustelle fahren. Dazu ließ er die Rahmen auf seinen Tieflader aufladen, der von einem Unimog gezogen wurde, so daß ein fast 13 m langer, vierachsiger Lastzug entstand. Da der Beklagte selbst verhindert war, diesen Zug zur Baustelle und zurück zu fahren, beauftragte er damit einen seiner Arbeiter, den damals 29jährigen Baggerführer und Kraftfahrer Karl S. Dieser, den er erst zwei Tage vorher eingestellt hatte, besaß indes nur die Fahrerlaubnis der Klassen III und IV, nicht aber die der Klasse II. Der Beklagte gab S. für die Fahrt den Oberzugschaffner L. mit, der in seiner Nachbarschaft wohnte und ihm schon öfter, wenn er dienstfrei war, geholfen hatte.
Die Baustelle, auf der die Fenster abgeladen werden sollten, war nur über einen Holzabfuhrweg zu erreichen, der steil am Waldabhang entlang hinaufführte. S. fuhr zur Baustelle, wo die Fenster abgeladen wurden. Anschließend wollte er, den Zugschaffler L. neben sich als Beifahrer, den Holzabfuhrweg abwärts zur Straße zurückfahren. Dabei stieß der Unimog in einer leichten Linkskurve mit dem linken Vorderrad gegen den den Weg begrenzenden Steilhang, so daß er zum Stehen kam. Sogleich wurde er von dem nachschiebenden Tieflader hinten links hochgedrückt, bis er sich nach rechts überschlug. S. und L. gerieten unter den Unimog und kamen ums Leben.
Gegen den Beklagten wurde ein Strafverfahren durchgeführt, weil er S., der mit dem Führen dieses Zuges nicht vertraut gewesen sei, diese schwierige Aufgabe übertragen habe, ohne sich vorher dessen (angeblichen) Führerschein zeigen zu lassen. Er ist wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Erstattung ihrer bis Ende 1967 erbrachten Rentenleistungen zu verurteilen und festzustellen, daß dieser ihr auch für die anschließende Zeit erstattungspflichtig sei.
Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben.
Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag, die Klage abzuweisen, weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Soweit sich die Revision dagegen wendet, daß das Berufungsgericht das Verhalten des Beklagten als grob fahrlässig angesehen hat (§ 640 RVO), kann sie keinen Erfolg haben.
1.
Das Berufungsgericht stellt fest, daß der Holzabfuhrweg, den S. bergab gefahren ist, an der Unfallstelle nur etwa 3,40-3,50 m breit war, während der Unimog, über 3 to schwer, 1,70 m breit war und der Tieflader, mit einem Leergewicht von über 4,2 to, eine Breite von 2,52 m hatte. Der Waldweg war unbefestigt; die am Unfalltage trockene Oberfläche bestand aus 2,30-2,50 m breitem, festgefahrenem Erdreich mit Steinen und teilweise losem Kies. In Tatrichtung rechts war ein etwa 1,10 m breiter befahrbarer Humusrand, an den sich der abfallende Hang des Waldes anschloß; links verlief der 0,80-1,00 m hohe rohe Steilbord, gegen den der Unimog geraten war. Der Weg wies zunächst auf 35 m ein Gefälle von 22 %, dann auf 20 m ein solches von 25 % und schließlich an der Unfallstelle ein Gefälle von 27 % auf. S. hatte diese Strecke bei eingeschaltetem I. Gang im Schritttempo befahren. Das Berufungsgericht ist, wie es ausdrücklich hervorhebt, überzeugt, daß der Unfall auf die mangelnden Fahrkenntnisse Schäfers zurückzuführen ist. Es stellt im Anschluß an das vom Landgericht eingeholte Gutachten eines Sachverständigen fest, daß der Anprall des Unimog rd. 1 Sekunde angedauert habe; erst danach sei er durch den nachschiebenden Tieflader ganz langsam, nämlich innerhalb von 8-9 Sekunden, hochgeschoben und umgekippt worden. S. habe keinerlei Anstalten getroffen, dem zu begegnen, vor allem habe er nicht, was nahegelegen habe und den Unfall verhindert haben würde, mittels der Luftdruckbremse den auffahrenden Tieflader alsbald zum Stehen gebracht. Das Berufungsgericht schließt die Möglichkeit, daß S. plötzlich "gelähmt" gewesen sei oder einen Schwächeanfall erlitten habe, aus.
Von diesen Feststellungen ausgehend kommt das Berufungsgericht zu dem Schluß, daß der Beklagte grob fahrlässig gehandelt habe, als er S. mit dem Führen des Lastzuges betraut habe. Hätte er sich, wie von ihm zu verlangen sei, von S. dessen Führerschein vorweisen lassen, so hätte er erfahren, daß dieser nicht berechtigt war, den vierachsigen, schweren Zug zu führen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 StVZO). Da er S. erst zwei Tage vorher eingestellt hatte, habe er keine ausreichende Gelegenheit gehabt, sich von dessen Fähigkeiten ein Bild zu machen. Wenn er ihm dennoch den Zug übergeben habe, so habe er in ungewöhnlich starkem Umfang naheliegende Überlegungen unterlassen, die sich jedermann hätten aufdrängen müssen, der einem Kraftfahrer die Führung eines vierachsigen Zuges aus Unimog und Tieflader über einen ungewöhnlich steilen Holzabfuhrweg an einem Waldhang entlang anvertrauen wolle.
2.
Die Würdigung des Berufungsgerichts kann aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden. Über die Frage, ob eine Fahrlässigkeit im Einzelfall als grob anzusehen ist, hat der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu befinden. Daher kann seine Entscheidung in der Revisionsinstanz nur daraufhin geprüft werden, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt ist oder ob wesentliche Umstände unter Verletzung des § 286 ZPO nicht berücksichtigt sind. Ohne Erfolg versucht die Revision darzutun, daß dem Berufungsgericht hier solche Rechtsfehler zur Last fallen.
a)
Die Revision rügt zunächst, das angefochtene Urteil ergebe nicht inwiefern dem Beklagten auch in subjektiver, personaler Hinsicht der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden könne (§ 551 Nr. 7 ZPO). Die Rüge ist nicht begründet. Das Berufungsgericht führt aus, die Notwendigkeit, vor dieser Fahrt den Führerschein des Fahrers zu prüfen, habe sich nicht nur jedermann, sondern gerade auch dem Beklagten als Fuhrunternehmer aufdrängen müssen. Außerdem stellt das Berufungsgericht fest, daß sich der Beklagte der Schwierigkeit gerade dieser Fahrt bewußt gewesen sei und deshalb S. angewiesen hatte, erst dann nach dem Beladen des Anhängers über den Holzabfuhrweg zur Baustelle weiter zu fahren, wenn er, der Beklagte, dazu gekommen sei. Angesichts dieser Erwägungen des Berufungsgerichts kann keine Rede davon sein, daß es auf die von der Revision vermißte Prüfung überhaupt nicht eingegangen sei (vgl. BGHZ 39, 333, 337; 55, 111, 113).
b)
Entgegen der Behauptung der Revision hat das Berufungsgericht die grobe Nachlässigkeit des Beklagten nicht allein darin gesehen, daß er sich von S. nicht - nachdem dieser, wie der Beklagte unwiderlegt behauptet hat, die Frage nach dem Führerschein bejaht hatte - den Führerschein hatte vorweisen lassen. Vielmehr stützt sich das Berufungsgericht entscheidend darauf, daß S. eine Fahrt machen sollte, die besonders schwierig war und die Beherrschung des Unimogs mit angehängtem Tieflader voraussetzte. Wenn das Berufungsgericht angesichts dieser Umstände strenge Anforderungen an die Pflicht des Beklagten gestellt hat, nur durch einen geeigneten Fahrer den Lastzug führen zu lassen, so ist dagegen nichts einzuwenden.
c)
Das Berufungsgericht hat sich zwar einer Feststellung dazu enthalten, was im einzelnen die Ursache dafür gewesen ist, warum S. es zum Umkippen des Unimogs hatte kommen lassen. Im angefochtenen Urteil heißt es jedoch ausdrücklich, die ausgebliebene Reaktion S. sei auf seine mangelnde Fahrkenntnis zurückzuführen. Zu dieser Überzeugung konnte das Berufungsgericht im Hinblick auf den Hergang des Unfalls ohne Rechtsfehler gelangen. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision greifen daher nicht durch.
d)
Auch die übrigen auf die §§ 286, 282, 128 ZPO gestützten Rügen der Revision haben sich nach Prüfung als unbegründet herausgestellt. Der Senat sieht gemäß Art. 1 EntlG davon ab, dies näher zu begründen.
II.
Der Beklagte hat zur Höhe der von der Klägerin an die Witwe und das Kind des Verunglückten gezahlten Renten keine Einwendungen erhoben. Auch hat er sich nicht gegen seine grundsätzliche Verpflichtung, der Klägerin die von ihr gemäß §§ 1235 Nr. 5, 381 Abs. 2 RVO der Krankenkasse zu zahlenden Beiträge für Witwe und Waise zu erstatten, gewandt. Indes hat er geltend gemacht, die Klägerin könne die Erstattung der an die Witwe gezahlten Rente (und damit auch der Beiträge zur Rentnerkrankenversicherung) nicht über Februar 1967 hinaus verlangen. Da sie nach § 640 RVO nur die Aufwendungen ersetzt verlangen könne, die sie "infolge des Arbeitsunfalls" machen müsse, stehe ihr ein Rückgriffsanspruch hinsichtlich solcher Renten nicht mehr zu, die sie von dem Zeitpunkt ab zahlen müsse, an dem ihr Versicherter L. 65 Jahre alt geworden wäre, nämlich am ... 1967. Denn von da ab hätte sie ohnehin Rente, und zwar mehr als was sie jetzt der Witwe (die Waisenrente war nur bis Mai 1966 zu zahlen) zahle, aufwenden müssen.
Das Landgericht hat diese Frage nicht erörtert. Es hat der Klägerin die von ihr als Rückstand bis zum 31. Dezember 1967 beziffert eingeklagten Renten mit insgesamt 14.350,20 DM zugesprochen und für die Zeit ab 1. Januar 1968 festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, die "von der Klägerin infolge des tödlichen Arbeitsunfalls des Josef L. vom 17. Juli 1963 an und für dessen Hinterbliebene ... zu erbringenden Aufwendungen zu ersetzen". Das Oberlandesgericht hat die Berufung gegen diese Entscheidung des Landgerichts zurückgewiesen und ausgeführt: Die Auffassung des Beklagten, seine Ersatzpflicht ende mit dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin ohnehin hätte Rente zahlen müssen, sei unrichtig. Die Witwenrente, welche die Klägerin seit 1963 zu zahlen habe, sei, wie in BGHZ 9, 179, 188 ausgesprochen, keine Fortsetzung der Mannesrente, sondern ein neues, eigenes Recht der Hinterbliebenen.
Gegen diesen Standpunkt des Berufungsgerichts wendet sich die Revision mit Recht.
1.
Die klagende Bundesbahn-Versicherungsanstalt ist gemäß § 1360 RVO als Sonderanstalt für die Arbeiter der Bundesbahn Träger der Rentenversicherung. Der am 1. Juli 1963 in Kraft getretene § 640 RVO n.F. gewährt auch ihr einen Rückgriffsanspruch, der nach dem bis dahin geltenden § 903 RVO a.F. nur den Berufsgenossenschaften als Trägern der Unfallversicherung zustand (vgl. BGHZ 26, 16). Nach dem früheren Recht konnten die Träger der Rentenversicherung wegen ihrer Leistungen nur dann und nur insoweit Rückgriff beim Schädiger nehmen, als dies in § 1542 RVO bestimmt war, also nur kraft des auf die Landesversicherungsanstalten übergeleiteten Ersatzanspruchs des Verunglückten. Da dieser Anspruch aber dann, wenn der Rentenfall durch einen Arbeitsunfall ausgelöst worden war, in aller Regel durch das Haftungsprivileg der Unternehmer und der ihnen Gleichgestellten (§§ 898, 899 a.F.) ausgeschlossen war, hatte der Rentenversicherer keine Möglichkeit, beim Schädiger Regreß zu nehmen. Er mußte endgültig leisten; Rechtsgrund seiner Leistungspflicht war, daß der Versicherte ihm Beiträge entrichtet hatte. Demgegenüber konnten die Berufsgenossenschaften (und die Krankenkassen) nach § 903 RVO a.F. die an dem Arbeitsunfall Schuldigen ersatzpflichtig machen für alles, "was sie infolge des Unfalls nach Gesetz oder Satzung aufwenden müssen." Für sie waren die von ihnen zu erbringenden Renten stets ein Aufwand, der ihnen infolge des Unfalls erwachsen war. Daher konnte bei ihnen der Fall, daß sie von einem bestimmten Zeitpunkt an (65. Lebensjahr, mutmaßlicher Tod des Versicherten) auch ohne den Unfall hätten Leistungen erbringen müssen, nicht auftauchen. Die zu entscheidende Frage ist erst dadurch entstanden, daß der Gesetzgeber im neuen § 640 RVO das Rückgriffsrecht des bisherigen § 903 RVO sämtlichen Trägern der Sozialversicherung, also auch den Trägern der Rentenversicherung gewährt hat.
Zu Unrecht spricht das Berufungsgericht davon, die von der Klägerin aufgewandten Renten beruhten auf den §§ 589 ff. RVO. Die Witwenrente, um die es (einschließlich des Beitrages zur Krankenversicherung) geht, wird nicht gemäß §§ 589, 590 RVO gezahlt, nämlich von der Berufsgenossenschaft, der der Beklagte mit seinem Fuhrunternehmen angehört (Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen). Vielmehr zahlt die Klägerin als eine Sonderanstalt der Renten-Versicherung - und nicht, wie es im angefochtenen Urteil heißt, als Träger der Unfall-Versicherung - der Witwe gemäß § 1264 RVO Rente, allerdings nur insoweit, als sie nicht wegen ihres Zusammentreffens mit der von der Berufsgenossenschaft zu zahlenden Rente gemäß § 1279 RVO gekürzt ist.
Nicht richtig ist es vor allem, wenn das Berufungsgericht den Einwand des Beklagten unter Hinweis auf die Entscheidung des Großen Zivilsenats BGHZ 9, 179 zurückweist. Dabei übersieht es, daß dieser Beschluß allein das Rückgriffsrecht eines Sozialversicherungsträgers aus § 1542 RVO betrifft, also einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der dem Verletzten oder seinen Hinterbliebenen entstanden ist. Hier dagegen verlangt die Klägerin kraft des ihr in § 640 RVO gewährten eigenen Rechts Ersatz der Aufwendungen, die ihr selbst durch den Unfall entstanden sind. Bei diesem Ersatzanspruch stellt sich aber die Frage, ob der Rückgriffsanspruch mit dem Zeitpunkt endet, in dem der Verunglückte ohnehin (Alters-)Rente bezogen hätte, entscheidend anders.
2.
Die Antwort auf diese Frage muß im Sinne der Revision ausfallen.
a)
Das bedürfte keiner besonderen Begründung, wenn der Regreßanspruch des § 640 RVO ein Schadensersatzanspruch des allgemeinen bürgerlichen Rechts wäre, also auf Ersatz des dem Versicherungsträger durch die fortlaufenden Rentenaufwendungen entstandenen Vermögensschadens im Sinne des § 249 BGB ginge. Denn bei Schadensrentenansprüchen sind spätere Tatsachen, die den Schaden mit Sicherheit ohnehin verursacht hätten, grundsätzlich zu beachten (vgl. BGHZ 10, 6, 9; Senatsurteil vom 22. Oktober 1963 - VI ZR 187/62 - LM BGB § 840 Nr. 7 a). Kann somit festgestellt werden, daß der Verunglückte ab 1. Februar 1967 gemäß §§ 1248, 1254 RVO seine Altersrente bezogen hätte, so würde die Klägerin insoweit seitdem keinen Schaden mehr haben, den sie "infolge des Unfalls" erlitten hätte. Nun ist aber der Ersatzanspruch des § 640 RVO kein Schadensersatzanspruch im Sinne des allgemeinen bürgerlichen Rechts. Das Gesetz spricht nicht davon, daß der Schädiger (i.S. der §§ 636, 637 RVO) den dem Sozialversicherungsträger (SVT) durch den Unfall zugefügten Schaden ersetzen müsse, sondern davon, daß er dem SVT die ihm infolge des Unfalls erwachsenen Aufwendungen zu ersetzen habe. Der Rückgriff ist nicht nach den Grundsätzen des allgemeinen Haftungsrechts ausgestaltet; selbst eine entsprechende Anwendung dieses Rechts ist grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. Seitz, Die Ersatzansprüche des Sozialversicherungsträgers nach §§ 640 und 1542 RVO, 2. Aufl. S. 213, 235). Eben deshalb, weil der Rückgriffsanspruch danach kein reiner Schadensersatzanspruch ist, kann sich der Schädiger z.B. nicht auf ein Mitverschulden des Verunglückten berufen (RGZ 144, 31, 36).
Jedoch sind Ähnlichkeiten zwischen dem Rückgriffsanspruch und einem Schadensersatzanspruch nicht zu verkennen. Das Gesetz macht den Rückgriffsverpflichteten deshalb verantwortlich, weil er den Unfall und damit die Aufwendungen des SVT verschuldet hat; daher "haftet" (so § 640 RVO) er ihm auf Ersatz. Im Schrifttum wird der Rückgriffsanspruch mehrfach als ein Anspruch auf Ersatz eines Drittschadens angesehen (Sieg Betr 1960, 1327; Wussow BG 1964, 410; Brox Betr 1966, 489). Auch der Senat hat in seinem Urteil vom 27. November 1956 (VI ZR 206/55 = LM RVO § 903 Nr. 3) davon gesprochen, bei dem Anspruch aus § 903 RVO handele es sich um einen Anspruch besonderer Art auf Ersatz mittelbaren Schadens. Im Urteil vom 5. November 1957 (BGHZ 26, 16, 22) ist von einem "durch die Reichsversicherungsordnung originär geschaffenen Schadensersatzanspruch" die Rede (so auch Urt.v. 30. April 1968 - VT ZR 32/67 - VersR 1968, 641). Treffend ist die Formulierung des Reichsgerichts, durch § 903 RVO solle die Berufsgenossenschaft "schadlos" gehalten werden (RGZ 92, 296, 297). Davon spricht auch der erkennende Senat in seinen Urteilen vom 23. November 1955 (BGHZ 19, 114, 123/124) und vom 7. November 1967 - VI ZR 79/66 - VersR 1968, 64 (vgl. dazu Boiler VersR 1967, 109). Im Urteil vom 9. Januar 1968 (VI ZR 77/66 - VersR 1968, 373) hat der Senat erklärt, der Rückgriffsanspruch habe den Charakter eines Schadensersatzanspruchs des SVT, den der Sache nach der Unfallurheber geschädigt habe, indem für ihn eine Leistungspflicht entstanden sei, die ihm ohne den Unfall nicht erwachsen wäre; insofern gehe es bei § 640 RVO in gleicher Weise wie bei § 1542 RVO um eine Schadloshaltung des SVT; materiell handele es sich um den Anspruch auf Ersatz des eigenen Schadens, den § 640 RVO dem SVT als mittelbar Geschädigtem gegeben habe.
Diese Ähnlichkeit des Rückgriffsanspruchs mit dem einem Drittgeschädigten gewährten Schadensersatzanspruch geht jedoch nicht soweit, daß der SVT vom Schädiger verlangen könnte, ihn gemäß § 249 BGB so zu stellen, wie er ohne den Unfall stehen würde. Eine Differenzrechnung, wie sie § 249 BGB vorsieht, kann weder er noch der Schädiger aufmachen. Zu ersetzen sind vielmehr diejenigen Aufwendungen, die dem SVT "infolge des Unfalls" erwachsen sind. Was hierunter zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Die Klägerin will darunter alle Aufwendungen verstanden wissen, die durch den Unfall ausgelöst worden sind; die anfänglich begründete Kausalität zwischen Unfall und Rente werde durch spätere Ereignisse nicht mehr berührt. Nach der Ansicht der Revision war dies jedoch nur für die auf den § 903 RVO a.F. gestützten Rückgriffsansprüche richtig; seitdem § 640 RVO auch den Trägern der Rentenversicherung das Rückgriffsrecht zugebilligt habe, müßten die Worte "infolge des Unfalls" enger ausgelegt werden. Da der Rentenversicherungsträger häufig eines Tages auch ohne den Unfall hätte Renten zahlen müssen, wende er "infolge des Unfalls" nur das auf, was er durch die infolge des Unfalls vorzeitig ausgelöste Pflicht zur Rentenzahlung mehr als ohne den Unfall hätte zahlen müssen.
b)
Den Gesetzesmaterialien läßt sich für die streitige Frage nichts entnehmen. Schon der erste 1956/57 von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Unfallversicherung (BT-Drucks. 3318) gewährte in seinem § 795 RVO auch den Trägern der Rentenversicherung das Rückgriffsrecht, ohne daß jedoch dazu in der Begründung etwas gesagt wäre. Auch die anschließend entstandenen Gesetzesmaterialien enthalten nichts, obschon inzwischen der erkennende Senat entschieden hatte (BGHZ 26, 16), daß nach dem damals noch geltenden § 903 RVO die Rentenversicherer keinen Erstattungsanspruch hatten.
Unter diesen Umständen ist für die Auslegung des § 640 RVO der in dieser Vorschrift zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers zu ermitteln (vgl. BGHZ 46, 74, 76). Maßgebend ist vor allem der Sinn und Zweck der Vorschrift und seine Stellung im Haftungs- und Leistungssystem der Reichsversicherungsordnung (vgl. BGHZ 54, 377, 383). Der Rückgriff des SVT ist, wie der Senat schon in seinem Urteil BGHZ 26, 16 bemerkt hat, oft mit einer besonderen Härte für den Schädiger verbunden. Dieser kann nicht einwenden, daß der Verunglückte den Unfall erheblich mitverschuldet habe oder daß er, konkret gesehen, gar keinen Erwerbsschaden habe. Diese strenge, über die an sich gegebene Ersatzpflicht aus §§ 823 ff. BGB hinausgehende Haftung ist vom Gesetz gewollt. Denn auch der Versicherungsträger kann, wenn er dem Verunglückten nach dem Unfall Leistungen erbringen muß, diese Einwendungen nicht erheben; daher muß ihn der Schädiger von diesen Leistungen voll freistellen. Auf ihn aber auch die Lasten zu überwälzen, die der SVT, hier der Rentenversicherer, auch ohne den Unfall hätte tragen müssen, ist durch keinen sachlich einleuchtenden Grund gerechtfertigt. Hiervon geht auch die Entscheidung des Großen Zivilsenats BGHZ 9, 179 aus. Sie begründet den Standpunkt, daß die an die Hinterbliebenen gezahlten Renten nicht auf den nach § 1542 RVO übergegangenen Schadensersatzanspruch anzurechnen sind, gerade damit, daß der SVT mit diesem Anspruch nicht den Ersatz eigenen (sog. mittelbaren) Schadens geltend mache (a.a.O. S. 189, 193). Im Falle des § 640 RVO, um den es hier geht, macht dagegen der SVT einen in seiner Person entstandenen Anspruch geltend, der auf Erstattung seiner Aufwendungen geht. Was er aber auch ohne den Unfall hätte aufwenden müssen, kann er nicht vom Schädiger ersetzt verlangen.
aa)
So steht außer Frage, daß ein Schädiger, der den Versicherten (nur) verletzt hat, so daß ihm also die Landesversicherungsanstalt (LVA) Berufs- oder gar Erwerbsunfähigkeitsrente zahlen muß, diese nur bis zu dem Zeitpunkt zu erstatten braucht, in welchem der Verletzte sein Altersruhegeld erhält, in der Regel also nur bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres. Denn dann endet - unterstellt, daß er die Wartezeit von 180 Beitragsmonaten (§ 1248 Abs. 4 RVO) erfüllt hatte - die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente; sie ist in die Altersrente umzuwandeln (§§ 1254 Abs. 2, 1248 Abs. 6 RVO). In diesem Fall führt somit der Rückgriff aus § 640 RVO zum gleichen Ergebnis wie der Rückgriff aus § 1542 RVO (oder aus § 87 a BBG) (vgl. RGZ 80, 48; 82, 256; BGHZ 9, 194; Senatsurteile vom 27. Oktober 1959 - VI ZR 163/58 - LM BBG § 87 a Nr. 4 und vom 27. Juni 1967 - VI ZR 3/66 - LM BBG § 87 a Nr. 15). Von dem Zeitpunkt ab, von dem ab die LVA dem Verletzten ohnehin hätte Rente - und zwar mindestens ebensoviel, in der Regel sogar mehr als bisher - zahlen müssen, ist der Ursachenzusammenhang zwischen Unfall und Aufwendung der LVA "überholt" (vgl. Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 10. Aufl. TZ 1498, 1600).
Nicht anders ist zu entscheiden, wenn der Schädiger den Versicherten getötet hatte, so daß die LVA schon jetzt der (beispielsweise noch jungen) Witwe Rente zahlen muß und zwar nach § 1264 RVO bis zu ihrem Tode. Der Schädiger braucht der LVA diese Rente nur bis zu dem Zeitpunkt zu erstatten, in welchem sie auch ohne den Unfall hätte Witwenrente zahlen müssen, nämlich bis zur mittleren Lebenserwartung des Mannes. Bei dieser Fallgruppe ist zwar das "überholende" Ereignis ein hypothetisches; es ereignet sich nicht und kann sich nicht ereignen (so BGHZ 9, 194). Dennoch ist es hier, wo der Schädiger aus § 640 RVO erstattungspflichtig gemacht wird, zu berücksichtigen. Das folgt zwar nicht aus § 844 Abs. 2 BGB, der Vorschrift, mit der es der Große Zivilsenat in BGHZ 9, 179 zu tun hatte. Im Falle des § 640 RVO entspricht diese Begrenzung jedoch einer sinngerechten Gesetzesauslegung. Da die LVA vom voraussichtlichen Todeszeitpunkt des Mannes ab ohnehin hätte Witwenrente zahlen müssen - und zwar eine Rente, die in aller Regel höher geworden sein würde, als die, die sie vorzeitig seit dem Unfall zahlen muß - erwachsen ihr von da ab ihre Aufwendungen für die Rente nicht mehr "infolge des Unfalls". Somit besteht auch bei dieser Fallgruppe hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung des Rückgriffs im Ergebnis kein Unterschied zwischen dem Rückgriff aus § 1542 RVO und dem aus § 640 RVO.
bb)
Der vorliegende Fall unterscheidet sich allerdings von den vorstehend erörterten beiden Fallgruppen. Bei diesen hatte der Schädiger verlangt, daß die LVA die Rente, die sie infolge des Unfalls dem Berechtigten (dem Verletzten bzw. der Witwe des Getöteten) zu zahlen hatte, von einem bestimmten Zeitpunkt ab die Rente gegenüberstelle, die sie von da ab ohnehin jenem Berechtigten selber zu erbringen hätte. Im vorliegenden Fall dagegen muß der Rente, die die Klägerin seit dem Unfall an die Witwe zahlt, die (hypothetische) Rente gegenübergestellt werden, die sie ab 1. Februar 1967 dem Verunglückten als Altersrente zu zahlen gehabt hätte. Der Umstand, daß hier die Art der Renten und ihre Empfänger verschieden sind, schließt indes nicht aus, sie bei Ermittlung des der Klägerin "infolge des Unfalls" entstandenen Schadens als Berechnungsfaktoren einzusetzen. So steht beispielsweise diese rechtliche Verschiedenheit, wie nicht zu bezweifeln ist, einer Anrechnung nicht entgegen, wenn ein Versicherter, der bereits Altersrente von der LVA bezieht, weitergearbeitet hat, bei dieser Arbeit ums Leben kommt, und wenn nunmehr die LVA statt der Mannesrente Renten an die Hinterbliebenen zahlen muß. Soweit diese Renten nicht höher als jene sind, ist der LVA "infolge des Unfalls" kein Aufwand erwachsen, für den sie der für den Unfall Verantwortliche schadlos halten müßte. Wohl aber muß der Schädiger der Berufsgenossen schaft die Renten ersetzen, die diese nunmehr infolge des Unfalls erbringen muß, also die von ihr den Hinterbliebenen gezahlten Renten - und zwar, da er nicht aus § 1542 RVO i.V. mit §§ 823, 844 Abs. 2 BGB haftet, nicht nur bis zum mutmaßlichen Tode des von ihm getöteten Rentners, sondern solange, wie sie die Berufsgenossenschaft zahlen muß, also bis zum Tode der Witwe bzw. dem Ende der für die Waisen geltenden Bezugszeit (vgl. EüM 21 [1928] 95). Gegenüber der LVA ist er indes nicht erstattungspflichtig. Der Satz jener Entscheidung des Großen Zivilsenats, die Witwenrente sei keine Fortsetzung der Mannesrente, gilt eben nur für den durch § 1542 RVO übergeleiteten Ersatzanspruch, nicht aber für § 640 RVO, weil es dabei um den eigenen Erstattungsanspruch des Rentenversicherers geht (unrichtig daher das Urteil des Landgerichts Münster vom 22. November 1966 - 11 O 97/66 -).
c)
Die Einwendungen, welche die Klägerin gegen dieses Ergebnis vorbringt, greifen nicht durch.
Aus den Bindungsvorschriften der §§ 642 Abs. 2, 638 Abs. 1 Nr. 2 RVO läßt sich nicht herleiten, daß das Gericht nicht prüfen dürfe, ob die Aufwendungen des Sozialversicherungsträgers auch ihrem Umfang nach grundsätzlich unter das Regreßrecht fallen. Zwar darf das Gericht z.B. nicht nachprüfen, ob die Klägerin nach den Vorschriften der §§ 1263 ff. RVO der Witwe auch noch nach dem 1. Februar 1967 Rente zu zahlen hat und ob diese so hoch sein mußte, wie die Klägerin sie einklagt. Darum geht es hier aber nicht, sondern um die Frage, ob dieser der Klägerin zu Last fallende Rentenaufwand auch im Verhältnis zum Beklagten immer noch (ganz oder teilweise) "infolge des Unfalls" erbracht wird. Dies gehört aber zu der Frage, ob die Aufwendungen des SVT mit dem Unfall kausal zusammenhängen, und ist daher ohne Bindung an sozialversicherungsrechtliche Entscheidungen von den Gerichten zu prüfen (vgl. Begründung zu § 795 RVO, dem jetzigen § 640, im Entwurf 1957 - BT-Drucks. 3318 S. 143).
Vergeblich macht die Klägerin ferner geltend, daß der Rückgriff des § 640 RVO erzieherische Zwecke verfolge und sogar Strafcharakter habe. Dieser Zweck tritt hinter dem Zweck, dem SVT einen finanziellen Ausgleich für seine ihm infolge des Unfalls erwachsenen Lasten zu verschaffen, zurück (Senatsurteile vom 7. November 1967 - VI ZR 79/66 - VersR 1968, 64 und vom 9. Januar 1968 - VI ZR 77/66 - VersR 1968, 373; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl. § 640 Anm. 23). Der Ausgleichszweck rechtfertigt es aber nicht, den Schuldigen Aufwendungen erstatten zu lassen, die der Rentenversicherer ohnehin hätte erbringen müssen.
Bei dem Rückgriff aus § 640 RVO kann auch der Gedanke keine entscheidende Rolle spielen, daß die LVA, wenn sie von einem bestimmten Zeitpunkt ab auch ohne den Unfall hätte Renten gewähren müssen, dies deshalb tun muß, weil der Verunglückte dafür seit Jahren seine Beiträge aufgebracht hatte - ein Umstand, der nach ständiger Rechtsprechung einem Schädiger nicht zugute kommen kann (BGHZ 9, 186/187, 190; Senatsurteil vom 9. März 1971 - VI ZR 173/69 - LM RVO § 1542 Nr. 72). Denn bei dem Rückgriff aus § 640 RVO ist die Frage nach der Billigkeit solcher Vorteilsanrechnung anders zu beantworten als bei dem Rückgriff aus § 1542 RVO. Bei § 640 RVO geht es nicht darum, ob der Schädiger von einer an sich gegebenen allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Schadensersatzpflicht im Umfang einer von dritter Seite erbrachten Leistung freigestellt werden soll. Die Regelung der §§ 636 ff. RVO mit ihrer weitgehenden Haftungsfreistellung und der auf die Bedürfnisse des SVT abgestellten Ausgestaltung des Rückgriffs unterscheidet sich, auch von dem in BGHZ 9, 190 mit herangezogenen rechtsethischen Standpunkt aus, von den dort erörterten Fällen des übergeleiteten allgemeinen Schadensersatzanspruchs. Sie beruht darauf, daß der Schädiger mit dem Verunglückten in dem Betrieb und demgemäß im Sozialversicherungsverhältnis verbunden war, zudem für ihn die Hälfte der Beiträge gezahlt hatte. Ähnliches würde für den Arbeitskollegen eines Verunglückten gelten, wenn er es war, der dessen Tod verschuldet hatte. Sowohl er wie der Unternehmer stehen einem im Betrieb Verunglückten und dem für sie alle gemeinsamen Sozialversicherer nicht als ein Dritter gegenüber, dem die Berufung darauf, daß ein anderer den Schaden ausgeglichen hat, nicht erlaubt sein kann.
Für die Auffassung der Klägerin spricht schließlich auch nicht, daß die Reichsversicherungsordnung die Worte "infolge des Unfalls" an anderen Stellen ebenfalls und zwar in einem der Ansicht der Klägerin entsprechenden Sinne verwendet (vgl. auch § 843 Abs. 1 BGB; § 87 a BBG; § 35 BVG). Die Berufsgenossenschaft muß, wie es in § 581 RVO heißt, dem Verletzten die Rente solange gewähren, wie er "infolge des Unfalls" erwerbsunfähig ist. Hier kommt es in der Tat nur darauf an, ob der Unfall die Leistungspflicht "ausgelöst" hat; spätere Ereignisse dürfen nur im Rahmen des § 622 RVO berücksichtigt werden. Daher muß die Berufsgenossenschaft dem Verunglückten die Rente auf Lebenszeit zahlen; es spielt keine Rolle, ob er später auch ohne den Unfall (infolge Alters usw.) erwerbsunfähig geworden wäre (so schon Handbuch der Unfallversicherung Bd. I S. 256, 527). Hinsichtlich der Ersatzpflicht eines Schädigers (§ 640 RVO) wirkt sich das freilich dahin aus, daß auch er nicht einwenden kann, der inzwischen hochbetagte Verunglückte sei nicht mehr "infolge des Unfalls" erwerbsunfähig (§§ 642 Abs. 2, 638. RVO). Indes liegt die Sache bei dem Rückgriffsanspruch eines Trägers der Rentenversicherung, um den es hier geht, anders. Da dieser seiner Aufgabe entsprechend gegebenenfalls von einem bestimmten Zeitpunkt ab ohnehin Renten zahlen muß, bringt er sie von da ab nicht mehr "infolge des Unfalls" auf.
Nach alledem kann ein Schädiger, den der Träger der Rentenversicherung nach § 640 RVO ersatzpflichtig macht, diesem entgegenhalten, daß er von einem bestimmten Zeitpunkt ab auch ohne den Unfall dem Verunglückten oder dessen Hinterbliebenen (ganz oder teilweise) hätte Rente zahlen müssen. Bei diesem Auslegungsergebnis hat der Senat auch berücksichtigt, daß es Sache des Gesetzgebers gewesen wäre, bei der Ausdehnung des Rückgriffsansprüche auf den Träger der Rentenversicherung eine so weitgehende Ausgestaltung, wie sie die Klägerin für richtig hält, klar zum Ausdruck zu bringen.
3.
Nach allgemeinen Grundsätzen liegt dem Schädiger die Beweislast sowohl hinsichtlich des Zeitpunkts wie hinsichtlich des Umfangs des Wegfalls seiner Ersatzpflicht ob. Die für den Beweis einer später (hypothetisch) wirksam gewordenen "Reserveursache" maßgebenden Grundsätze gelten auch hier. Macht etwa die LVA geltend, daß der Getötete seine "Invalidisierung" hinausgeschoben hätte (§§ 1254 Abs. 2, 1248 Abs. 7 RVO i.d.F. des Gesetzes vom 9. Juni 1965 - BGBl. I 473), so muß der Schädiger dies widerlegen. Gegebenenfalls wird es der Feststellung bedürfen, welche Höhe die Altersrente im Laufe der Jahre, wäre der Getötete nicht verunglückt und hätte weiterhin Versicherungsbeiträge geleistet, erreicht haben würde. Entsprechendes gilt, wenn er eine Kürzung seiner Ersatzpflicht erreichen will. Bringt die LVA vor, daß der Verunglückte, der bei seinem Tode die Wartezeit (§ 1248 Abs. 4 RVO) noch nicht erfüllt hatte, diese auch später nicht erfüllt haben würde, so muß der Schädiger dies ausräumen. Allerdings wird bei all diesen Fragen das Gericht die erforderlichen Feststellungen nach § 287 ZPO treffen können und zu treffen haben. Bleiben aber auch dann noch - und zwar selbst dann, wenn auf den spätesten möglichen Zeitpunkt und die für den Schädiger ungünstigste Höhe der Renten abgestellt wird - Zweifel, so gehen sie zu seinen Lasten (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 1959 - VI ZR 87/58 - LM BGB § 276 [Ca] Nr. 11 = VersR 1959, 811 und vom 15. Oktober 1968 - VI ZR 226/67 - VersR 1969, 43).
III.
Im vorliegenden Falle hätte der Verunglückte am 6. Februar 1967 sein 65. Lebensjahr vollendet, so daß die Klägerin ihm vom 1. Februar 1967 ab hätte Altersrente gewähren müssen. Davon, daß diese höher gewesen sein würde als die an die Witwe zu zahlende Rente (sowie der Beitrag zur Rentnerkrankenversicherung), gehen die Parteien aus. Es ist außer Streit, daß die Klägerin die bis 31. Januar 1967 an die Witwe und (bis Mai 1966) an das Kind gezahlten Renten (einschließlich Beitrag zur Krankenversicherung) infolge des Unfalls aufgewandt hat. Daher war das angefochtene Urteil insoweit, als es den Beklagten zur Erstattung der bis dahin von der Klägerin erbrachten Leistungen verurteilt hat, zu bestätigen. Nach der von der Klägerin zu den Akten gereichten Aufstellung entfällt von den 14.350,20 DM, zu deren Zahlung der Beklagte verurteilt worden ist, ein Teil von 9.182,80 DM auf die Zeit bis zum 31. Januar 1967.
Im übrigen Umfang, vor allem auch hinsichtlich des Feststellungsausspruchs war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Sollte die Klägerin behaupten, daß der Verunglückte beantragt gehabt hätte, den Beginn der Altersrente hinauszuschieben (§ 1248 Abs. 7 RVO), oder daß er im Februar 1967 die Wartezeit nicht erfüllt hätte (§ 1248 Abs. 4 RVO), so wird dies aufzuklären sein. Gegebenenfalls ist dann die Rente, die die Klägerin der Witwe ab 1. Februar 1967 zu zahlen hat (einschließl. Beitrag zur Krankenversicherung), der Altersrente (einschließl. Beitrag zur Krankenversicherung) gegenüberzustellen, die die Klägerin dem Verunglückten für den jeweils entsprechenden Monat zu zahlen gehabt haben würde. Nur dann und nur insoweit als diese geringer sein sollte, kann der Beklagte noch zur Erstattung dieses Mehrbetrages herangezogen werden.
Unterschriften
Pehle
Dr. Bode
Dr. Weber
Dunz
Scheffen
Fundstellen
Haufe-Index 1456586 |
NJW 1972, 442 |