Entscheidungsstichwort (Thema)
Angemessene Frist zur Sicherheitsleistung bei Einräumung einer für den Besteller möglichen Beschaffung ohne schuldhaftes Verzögern
Leitsatz (amtlich)
Angemessen zur Leistung der Sicherheit ist eine Frist, die es dem Besteller ermöglicht, die Sicherheit ohne schuldhaftes Verzögern zu beschaffen. Grundsätzlich ist darauf abzustellen, was von einem Besteller zu verlangen ist, der sich in normalen finanziellen Verhältnissen befindet.
Normenkette
BGB § 648a
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 21.11.2003; Aktenzeichen 8 U 476/03) |
LG Koblenz (Urteil vom 13.03.2003) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des OLG Koblenz v. 21.11.2003 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Koblenz v. 13.3.2003 wird zurückgewiesen, soweit die Widerklage abgewiesen worden ist.
Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz i.H.v. 65.002,63 EUR. Der Beklagte macht mit der Widerklage Werklohn für nicht erbrachte Leistungen i.H.v. 48.789,91 EUR geltend.
Die Klägerin beauftragte den Beklagten am 15.5.2001 als Subunternehmer mit Erdarbeiten. Die Klägerin verpflichtete sich gegen Vorauszahlungsbürgschaft, auf den Werklohn Vorauszahlungen zu leisten.
Am 31.7.2001 verlangte der Beklagte gem. § 648a BGB Sicherheit i.H.v. 110.133,62 DM für die restlichen Arbeiten. Dafür setzte er eine Frist bis zum 2.8.2001, 12.00 Uhr. Die Klägerin teilte mit Schreiben v. 1.8.2001 mit, dass sie der Bitte auf Leistung einer Bürgschaft nachkommen werde und die Bürgschaftsausstellung in die Wege geleitet sei. Die Bürgschaft werde nach Eingang an den Beklagten weitergereicht, der um die Erklärung auf Übernahme der Bürgschaftskosten i.H.v. 2 % gebeten werde. Gleichzeitig wies die Klägerin darauf hin, dass die gesamten Erdarbeiten für den Restaushub bis 4.8.2001 abzuschließen seien. Der Beklagte kündigte mit weiterem Schreiben v. 2.8.2001 den Werkvertrag. Er stellte die Arbeiten ein und räumte die Baustelle. Die Klägerin widersprach am gleichen Tag und forderte den Beklagten auf, die Arbeiten wieder aufzunehmen. Sie teilte am 7.8.2001 mit, dass sie das Bauvorhaben abrechnen und Schadensersatz geltend machen werde.
Die Klägerin beansprucht Schadensersatz. Der Beklagte verlangt mit der Widerklage restlichen Werklohn abzgl. ersparter Aufwendungen.
Nach Erlass eines klageabweisenden Teilversäumnisurteils hat das LG den Beklagten unter Aufhebung des Versäumnisurteils zur Zahlung von 63.060 EUR verurteilt und die Widerklage abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat auf Berufung des Beklagten das Teilversäumnisurteil aufrechterhalten und die Widerklage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Schuldverhältnis sind die bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetze anwendbar (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).
I.
1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 326 Abs. 1 BGB a.F. nicht zu. Der Beklagte habe auf Grund des Schreibens v. 31.7.2001 seit dem 2.8.2001 ein den Eintritt des Verzugs hinderndes Leistungsverweigerungsrecht gehabt. Er habe zu Recht Sicherheit i.H.v. 110.133,62 DM gefordert. Die Sicherheit sei innerhalb angemessener Frist gefordert worden. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte bis zum 4.8.2001 noch ungesicherte Leistungen i.H.v. 93.133,62 DM zu erbringen gehabt habe. Auch wenn die Klägerin nicht in der Lage gewesen sei, die Bürgschaft innerhalb der gestellten Frist zu besorgen, sei es ihr unbenommen geblieben, diese später vorzulegen, dadurch das Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten zu beseitigen und dessen Schuldnerverzug zu begründen. Da die Klägerin die Bürgschaft später nicht beigebracht habe, sei das Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten nicht beseitigt worden.
Der vom Beklagten mit der Widerklage erfolgte Anspruch sei dem Grunde nach aus § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B gegeben. Im Schreiben der Klägerin v. 7.8.2001 liege eine Kündigung nach § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B. Dem Beklagten stehe der restliche Vergütungsanspruch abzgl. ersparter Aufwendungen zu, dessen Höhe noch durch Sachverständigengutachten zu klären sei.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit rechtsfehlerhaften Erwägungen hat das Berufungsgericht angenommen, der Beklagte habe der Klägerin eine angemessene Frist zur Sicherheitsleistung gesetzt.
a) Dem Unternehmer steht nach § 648a Abs. 1 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht zu, wenn er dem Besteller zur Leistung der Sicherheit eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmt hat, dass er nach dem Ablauf der Frist die Leistung verweigere und die Frist fruchtlos abgelaufen ist. Welche Frist angemessen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles bestimmen. Der Gesetzgeber hat bewusst die Dauer der zu setzenden Frist nur mit dem unbestimmten Begriff "angemessen" umschrieben. Sie soll nach der Begründung des Gesetzes so bemessen sein, dass dem Besteller ermöglicht wird, die Sicherheit ohne schuldhaftes Verzögern zu beschaffen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass i.d.R. Verhandlungen mit einem oder mehreren baufinanzierenden Kreditinstituten geführt werden müssen. Dazu wird nach der Vorstellung des Gesetzgebers i.d.R. eine Frist von sieben bis zehn Tagen erforderlich sein (BT-Drucks. 12/1836, 8).
Welche Frist danach im Einzelfall angemessen ist, obliegt der Beurteilung durch den Tatrichter. Dieser hat zu berücksichtigen, dass schuldhaftes Verzögern i.S.d. Gesetzesbegründung sich nicht allein an den konkreten Verhältnissen des jeweiligen Bestellers ausrichtet. Vielmehr ist grundsätzlich darauf abzustellen, was von einem Besteller zu verlangen ist, der sich in normalen finanziellen Verhältnissen befindet. Ein solcher Besteller handelt nur dann ohne schuldhaftes Verzögern, wenn er die Beschaffung der Sicherheit soweit wie möglich beschleunigt. Denn der Unternehmer hat ein schützenswertes Interesse daran, die Sicherheit so schnell wie möglich zu erhalten, weil er bis zu deren Erhalt eine ungesicherte Vorleistung erbringen muss.
b) Die Erwägungen des Berufungsgerichts tragen dem nicht hinreichend Rechnung. Das Berufungsgericht hat erkannt, dass die von dem Beklagten gesetzte Frist außergewöhnlich kurz bemessen war. Zu Unrecht meint es, die Frist dürfe deshalb verkürzt werden, weil der Beklagte bereits am 4.8.2001 die Arbeiten hätte fertig stellen müssen und bei einer längeren Frist der Zweck der Sicherheit verfehlt würde. Auf diesen Gesichtspunkt kommt es nicht an. Entscheidend ist, welchen Zeitraum die Klägerin ohne schuldhaftes Verzögern benötigte, die Sicherheit zu besorgen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Sicherheit in der von dem Beklagten gesetzten Frist beschaffen konnte.
c) Das Berufungsurteil kann auch nicht mit der Begründung aufrechterhalten bleiben, die Klägerin hätte später eine Sicherheit vorlegen können. Richtig ist allerdings, dass mit dem Schreiben v. 31.7.2001 eine angemessene, über den 2.8.2001 hinaus laufende Frist in Gang gesetzt worden ist. Diese ist auch nicht dadurch hinfällig geworden, dass der Beklagte am 2.8.2001 den Vertrag außerordentlich gekündigt hat. Denn ein Kündigungsgrund bestand nicht. Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Vertrages gem. §§ 648a Abs. 5 S. 1, 643 BGB lagen, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nicht vor. Die Klägerin war jedoch nach dem 2.8.2001 nicht mehr verpflichtet, eine Sicherheit zu stellen, weil der Beklagte seinerseits die Leistung endgültig verweigert hat, wie durch die unberechtigte Kündigung und die Räumung der Baustelle zum Ausdruck gekommen ist. Sie war wegen dieses grob vertragswidrigen Verhaltens des Beklagten berechtigt, ihrerseits den Vertrag außerordentlich zu kündigen. Von diesem Kündigungsrecht hat sie am 7.8.2001 Gebrauch gemacht. Dem Beklagten steht ein Anspruch aus § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B daher nicht zu.
II.
Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben. Die Widerklage ist abzuweisen. Im Übrigen wird die Sache an das Berufungsgericht zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 1343822 |
DB 2005, 1517 |
NJW 2005, 1939 |
BGHR 2005, 969 |
BauR 2005, 1009 |
EBE/BGH 2005, 158 |
IBR 2005, 369 |
WM 2005, 1380 |
ZfIR 2005, 403 |
MDR 2005, 860 |
BTR 2005, 167 |
BrBp 2005, 296 |
NJW-Spezial 2005, 360 |
NZBau 2005, 393 |
UBB 2005, 1 |
ZBB 2005, 289 |
BauRB 2005, 190 |