Leitsatz (amtlich)
Die Tonbandaufnahme einer Opernaufführung zu Zwecken der Rundfunksendung bedarf grundsätzlich der Einwilligung jedes einzelnem bei der Aufführung unmittelbar mitwirkenden ausübenden Künstlers. Soweit die Orchesterleistung in Frage steht, ist im Zweifel der Orchestervorstand berechtigt, dieses Zustimmungsrecht für die einzelnen Orchestermitglieder wahrzunehmen, Orchestermitglieder, die bei Theater- oder Orchesterunternehmen der öffentlichen Hand fest angestellt sind, sind, wenn es an einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung fehlt, in der Regel auf Grund ihres Dienstvertrages verpflichtet, Tonbandaufnahmen von Aufführungen durch Sendeunternehmen und deren Verwertung für Rundfunksendungen gegen Zahlung einer angemessenen Sondervergütung seitens ihres Arbeitgebers zu dulden.
Verfahrensgang
KG Berlin (Entscheidung vom 31.03.1958) |
LG Berlin (Entscheidung vom 08.07.1957) |
Tenor
Auf die Revisionen des Beklagten und der Nebenintervenientin werden die Urteile des 5. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 31. März 1958 und der 17. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 8. Juli 1957 aufgehoben. Die Klage wird im vollen Umfang einschließlich des noch in erster Instanz anhängigen Schadensersatzantrages abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Rechtsstreites einschließlich der Kosten der Nebenintervenientin werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Das beklagte Sendeunternehmen hat eine Aufführung der Oper "Figaros Hochzeit" in der Städtischen Oper Berlin mit Zustimmung der Bühnenleitung und des Gastdirigenten auf Tonband aufgenommen und gesendet sowie anderen Rundfunkanstalten zur Sendung überlassen. Es bezahlte hierfür 6.000,- DM an die Städtische Oper, die ihrerseits dem mitwirkenden Orchester einen Anteil von 1.500,- DM anbot.
Die klagende D. O., ein eingetragener Verein, nimmt auf Grund von Beitritts- und Abtretungserklärungen die Rechte der an dieser Opernaufführung beteiligten Mitglieder des Opernorchesters mit Ausnahme des Dirigenten wahr. Schon vor der Aufführung hatte die Klägerin allen deutschen Sendeanstalten, darunter auch dem Beklagten, mitgeteilt, Tonbandaufnahmen für Sendezwecke und Rundfunksendungen dürften nur mit Zustimmung der mitwirkenden Musiker erfolgen. Die Klägerin ist der Auffassung, diese den mitwirkenden Musikern zustehenden Zustimmungsrechte seien nicht etwa auf den Arbeitgeber des Orchesters übergegangen. Aus den Arbeitsverträgen und den Tarifverträgen und Tarifordnungen sowie der Orchester Satzung ergebe sich keine Verpflichtung der Orchestermitglieder zur Duldung von Band auf nahmen und Sendungen durch Rundfunkanstalten, zumal da diese nicht Arbeitgeber des Orchesters seien. Der Orchestervorstand habe nachweislich gegenüber der Stadt Berlin der geplanten Rundfunksendung von "Figaros Hochzeit" widersprochen.
Die Klägerin hat beantragt,
1.
den Beklagten unter Strafandrohung zu verurteilen, es zu unterlassen,
a)
Tonbänder von Opernaufführungen in der Städtischen Oper Berlin, an denen das Orchester der Städtischen Oper Berlin mitwirkt, ohne die Einwilligung der nachstehend aufgeführten Mitglieder des Orchesters aufzunehmen, solange dieselben Mitglieder des Orchesters der Städtischen Oper Berlin sind,
hilfsweise
Tonbänder von Opernaufführungen in der Städtischen Oper Berlin, an denen das Orchester der Städtischen Oper Berlin mitwirkt, ohne die Einwilligung des jeweiligen Orchestervorstandes aufzunehmen, solange sich das Orchester aus den nachstehend aufgeführten Orchestermitgliedern zusammensetzt: (es folgt die Namensliste),
b)
solche nichtgenehmigten Tonbänder zu Sendezwecken zu benutzen, und die Sendung solcher ungenehmigten Tonbänder von anderen Sendeanstalten übernehmen zu lassen,
c)
solche nichtgenehmigten Tonbänder vollständig oder in Ausschnitten zu überspielen oder sie an andere Sendeanstalten zu Sendezwecken (vollständige oder teilweise Sendungen) abzugeben;
2.
den Beklagten zu verurteilen,
der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche Vervielfältigungen (vollständige Überspielungen oder Ausschnitte) und gewerbsmäßige Verbreitungen (Sendungen und Weitergabe/der Tonbänder, ihrer Überspielungen und Ausschnitte) er von den am 4. und 11. Dezember 1955 mitgeschnittenen Tonbändern von der Aufführung "Figaros Hochzeit" in der Städtischen Oper Berlin - mit Ausnahme der den Gegenstand dieser Klage bildenden Sendung vom 15. Januar 1956 des Beklagten mit Übernahme dieser Sendung durch den Süddeutschen Rundfunk und der teilweisen Sendung durch den Bayerischen Rundfunk vom 25. Dezember 1955 - vorgenommen hat;
3.
den Beklagten zu verurteilen,
die am 4. und 11. Dezember 1955 mitgeschnittenen Tonbänder von der Aufführung "Figaros Hochzeit" in der Städtischen Oper Berlin einschließlich der sich aus der mit dem Klageantrag zu Ziff. 2 verlangten Auskunft ergebenden Überspielungen und Ausschnitte unbrauchbar zu machen.
Mit einem weiteren Antrag, über den die Vorinstanzen noch nicht entschieden haben, macht die Klägerin ferner Schadensersatzforderungen geltend.
Der beklagte Sender hat Klageabweisung beantragt. Er hat der Stadt Berlin den Streit verkündet. Diese ist auf seiten des Beklagten dem Rechtsstreit beigetreten.
Nach Ansicht des Beklagten entsteht in der Person der Orchestermusiker überhaupt kein Recht der streitigen Art. Etwaige Rechte bezüglich der Orchesterdarbietungen gebührten allenfalls dem jeweiligen Dirigenten, nicht hingegen den einzelnen Orchestermitgliedern, so daß die von dem Dirigenten und dem Bühnenunternehmer erteilte Einwilligung für den Mitschnitt ausreiche. Bei Gruppenleistungen wie Opernaufführungen könnten zudem nicht einzelne Beteiligte zum Nachteil der übrigen Mitwirkenden, wie z.B. des Chores und der Solisten, eine sachgemäße Verwertung der Leistung unterbinden. Das Klagebegehren sei aber auch deshalb unbegründet, weil die Orchestermitglieder auf Grund ihres Dienstverhältnisses verpflichtet gewesen seien, an allen Aufführungen der Städtischen Oper, insbesondere auch bei Bandaufnahmen, mitzuwirken. Seit 1948 sei es ständige Übung, daß Aufführungen der Städtischen Oper mittels Tonbandaufnahmen oder als Lifesendungen im Rundfunk übertragen würden, und zwar auf Grund der gleichen Erlaubniserteilungen wie im vorliegenden Falle. Diese Übung habe sich ohne Widerspruch der Orchestermitglieder entwickelt und sei zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden. Der Orchestervorstand habe auch in dem hier streitigen Fall nicht widersprechen. Die Nebenintervenientin trägt noch ergänzend vor, daß die Orchestermitglieder seit Jahren Sonderzuwendungen in Empfang genommen hätten, die für ihre Mitwirkung bei Bandaufnahmen und Lifesendungen verteilt worden seien. Erst kurz vor der streitigen Figaroaufführung habe das Orchester die Änderung seiner Ansicht zum Ausdruck gebracht und die Annahme eines Anteils an den Zahlungen des beklagten Senders abgelehnt.
Beide Vorinstanzen haben den Unterlassungs- und Auskunftsanträgen in vollem Umfang stattgegeben und dem Antrag auf Unbrauchbarmachung der Tonbänder mit der Maßgabe entsprochen, daß diese Bänder zu löschen sind, soweit sie Darbietungen des Orchesters enthalten.
Mit ihren Revisionen begehren der Beklagte und die Nebenintervenientin Abweisung der Klage. Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I.
1.
Die Klägerin, die als eingetragener Verein Träger von Rechten und Pflichten vermögenswerter Natur sein kann, ist nach den zutreffenden, auch von der Revision nicht angegriffenen Ausführungen des Berufungsgerichts zur Prozeßführung befugt. Denn auf Grund der Abtretungserklärungen der mitwirkenden Musiker ist sie als Treuhänderin berechtigt, jedenfalls die übertragbaren Auskunfts- und Vernichtungsansprüche im eigenen Namen im Weg der Prozeßstandschaft geltend zu machen. Dagegen könnten einer klageweisen Geltendmachung der Unterlassungsansprüche dann Bedenken entgegenstehen, wenn diese ausschließlich persönlichkeitsrechtlicher Natur und daher nach den Grundsätzen der reichsgerichtlichen Rechtsprechung nicht abtretbar wären (RG MuW 1933, 306). Wie noch darzulegen sein wird, sind die in Frage stehenden Verbietungsrechte jedoch persönlichkeitsrechtlicher und vermögensrechtlicher Natur und können daher ebenso wie urheberrechtliche Abwehransprüche Dritten zur Wahrnehmung anvertraut werden (vgl. BGHZ 15, 249 - Cosima Wagner). Daß die Klägerin, die satzungsgemäß die wirtschaftliche und berufliche Förderung der in ihr zusammengeschlossenen Musiker bezweckt, auch ein eigenes rechtliches Interesse an der Geltendmachung der Klageansprüche besitzt (BGHZ 19, 69, 71), hat das Berufungsgericht frei von Rechtsirrtum angenommen.
2.
Die von der prozessualen Prozeßführungsbefugnis zu unterscheidende sachlich-rechtliche Frage der Aktivlegitimation der Klägerin wäre dann zu verneinen, wenn diejenigen Orchestermitglieder, von denen die Klägerin ihre Sachbefugnis ableitet, über die fraglichen Rechte bereits zugunsten ihrer Arbeitgeberin, der Nebenintervenientin, vorausverfügt hätten. Einer Erörterung dieser Frage aber bedarf es erst, nachdem geklärt ist, ob einzelnen Mitgliedern eines städtischen Opernorchesters überhaupt das Recht zusteht, die Aufnahme von Opernaufführungen, an denen sie mitgewirkt haben, auf Tonbänder und die Benutzung solcher von ihnen nicht genehmigter Tonbandaufnahmen zu Rundfunksendungen zu untersagen.
II.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß dem ausübenden Künstler unabhängig davon, ob und gegebenenfalls welcher künstlerische Wert seiner Wiedergabeleistung beizumessen ist, das Recht zusteht, darüber zu entscheiden, ob seine unmittelbare Darbietung eines Werkes der Literatur oder Tonkunst auf einem Tonträger festgehalten werden darf. Dem ist im Grundsatz beizupflichten. Bedenklich aber erscheint, wenn das Berufungsgericht dieses Ergebnis aus einem sog. "Leistungsschutzrecht" des ausübenden Künstlers, dessen Notwendigkeit "allgemein anerkannt werde", herleiten will, ohne die rechtlichen Grundlagen dieses Leistungsschutzes nach geltendem Recht näher zu erörtern. Es ist zwar richtig, daß seit Jahren sowohl auf nationaler wie auf internationaler Basis unter der Bezeichnung "Leistungsschutzrecht" Bestrebungen im Gange sind, den ausübenden Künstlern, aber auch den Herstellern von Ton- und Bildträgern sowie den Sendegesellschaften gegen bestimmte ungenehmigte Ausnutzungen ihrer Leistungen durch eine gesetzliche Sonderregelung Schutz zu gewähren. Auch sehen nahezu sämtliche einschlägigen Gesetzentwürfe vor, daß unmittelbare Vorträge oder Aufführungen eines ausübenden Künstlers nicht ohne dessen ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung körperlich festgelegt oder durch Funk gesendet werden dürfen. Solange aber eine solche Sonderregelung nicht Gesetz geworden ist, bedarf es der Prüfung, ob und inwieweit die als Leistungsschutzrechte geltend gemachten Ansprüche nach der gegenwärtigen Gesetzeslage begründet sind.
Das Berufungsgericht wertet die strittigen Befugnisse der Orchestermitglieder, über die Herstellung von Tonträgern und deren Verwendung zu Funkzwecken zu entscheiden, als eine Ausstrahlung ihres Persönlichkeitsrechtes. Der Bundesgerichtshof hat auch ohne gesetzliche Sonderregelung die ungenehmigte Tonbandaufnahme eines Gespräches als einen widerrechtlichen Eingriff in das durch Art. 1, Art. 2 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht angesehen, das dem Menschen die Freiheit der Selbstbestimmung über seine individuelle Sphäre sichert, soweit dies für die Freiheit der Entfaltung seiner Persönlichkeit unerläßlich ist (BGHZ 27, 284). Auch im Schrifttum wird überwiegend davon ausgegangen, daß jede lautliche Äußerung eines Menschen als Ausdruck seiner Persönlichkeit seiner freien Selbstbestimmung unterliegt und deshalb nicht ohne seine Erlaubnis auf Tonträger aufgenommen oder durch Funk gesendet werden dürfe (vgl. hierzu auch § 18 des Ministerialentwurfes eines Gesetzes zur Neuordnung des zivilrechtlichen Persönlichkeits- und Ehrenschutzes, Begründung S. 23). Das gleiche muß grundsätzlich auch für die Darbietung eines Werkes der Tonkunst durch einen ausübenden Künstler unter Verwendung von Musikinstrumenten gelten, da auch in dieser Wiedergabeleistung, die durch seine höchstpersönlichen Fähigkeiten geprägt ist, die einmalige Individualität des Künstlers zum Ausdruck kommt. Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Wiedergabeleistung sage, zumal wenn es sich um die Gemeinschaftsleistung eines Chores oder Orchesters handele, in der Regel weder über die künstlerischen noch über die sonstigen persönlichen Verhältnisse des Mitwirkenden etwas aus. Auch die Stimme oder das äußere Erscheinungsbild eines Menschen lassen in dieser Richtung keine unmittelbaren Rückschlüsse zu. Sie gehören aber der nach seiner Eigenart einmaligen Individualsphäre des Einzelnen an, und hieraus rechtfertigt sich das Selbstbestimmungsrecht über diese Ausstrahlung der Persönlichkeit. In gleicher Weise liegt es aber auch bei den hier in Frage stehenden Wiedergabeleistungen der Mitglieder eines Opernorchesters. Auch wenn der Hörer nicht in der Lage sein sollte, bei solchen, auf eine Gesamtwirkung zielenden Gruppenleistungen die Eigenart und persönliche Färbung jeder Einzelleistung herauszuhören, ändert dies nichts daran, daß jede Einzelleistung unlösbar mit der Individualität des betreffenden Orchestermitgliedes verknüpft ist und daß das Orchester nur unter Einsatz der individuellen Fähigkeiten des Einzelnen zum Erklingen kommt. Hierin liegt auch die innere Rechtfertigung für die in § 2 Abs. 2 LitUrhG getroffene Regelung, wonach jede Festlegung der klanglichen Wiedergabe eines Werkes der Tonkunst auf einen Tonträger in der Person des vortragenden Künstlers urheberrechtlich ausgestaltete Ansprüche an der Schallvorrichtung entstehen läßt, und zwar unabhängig davon, ob sein Vortrag als "künstlerische" Leistung oder gar als eine "eigentümliche Schöpfung" zu werten ist (vgl. Urteil des Senats vom 31. Mai 1960 - I ZR 71/58 Orchester Graunke).
Das persönlichkeitsrechtliche Schutzbedürfnis jedes auch nur an einer Gruppenleistung mitwirkenden Künstlers gegen eine ungenehmigte Verwertung der gemeinsamen Darbietung ergibt sich schon daraus, daß die Qualität der Darbietung abhängig sein kann von der Kenntnis ihres Wirkungsbereiches und jeder ausübende Künstler es grundsätzlich in der Hand haben muß, zu verhindern, daß flüchtig gemeinte Darbietungen, die er nur einem fest umrissenen Kreis von Hörern oder Zuschauern zugänglich machen wollte, gegen seinen Willen einen umfassenderen, insbesondere dauernden Wirkungsbereich erhalten. Die hier strittige Festlegung seiner Leistung auf Tonband birgt zusätzlich noch besondere Gefahren in sich, weil der ausübende Künstler keinen Einfluß auf die Auswahl des Tonbandherstellers und damit die technische Qualität der Musikaufnahme nehmen kann, wenn die Tonbandaufnahme nicht seiner Erlaubnis bedarf. Auch wäre ihm dann jegliche Kontrolle darüber verwehrt, in welcher Weise seine Wiedergabeleistung mit Hilfe des Tonträgers erneut hörbar gemacht wird. In diesem Zusammenhang ist weiter zu berücksichtigen, daß Tonbandaufnahmen es ermöglichen, Kürzungen oder Zusammenschnitte mit anderen Darbietungen vorzunehmen, ja daß sogar eine völlige Entstellung der Leistung durch willkürliche Veränderung der Tonqualitäten eintreten kann. Schließlich kann der Zeitpunkt der Wiedergabe und der für sie gewählten Umgebung - beispielsweise in Kinos, Warenhäusern, Omnibussen - abträglich für ihre künstlerische Wirkung sein. Es ist hiernach dem Berufungsgericht beizupflichten, daß bereits aus persönlichkeitsrechtlichen Erwägungen davon auszugehen ist, daß jedem ausübenden Künstler unabhängig von dem Rang seiner künstlerischen Leistung und ohne Rücksicht darauf, ob seine Leistung mehr oder weniger in einer Gruppenleistung aufgeht, im Grundsatz das Recht zusteht, über Art und Umfang der Verwertung seiner Leistung selbst zu entscheiden, insbesondere Tonbandaufnahmen zu Sendezwecken sowie die Verwendung ungenehmigter Tonbandaufnahmen für Rundfunksendungen zu untersagen.
Rechtlichen Bedenken begegnet es dagegen, wenn das Berufungsgericht dieses Ergebnis auch, soweit es um die erstmalige Festlegung der Wiedergabeleistung auf einen Tonträger geht, aus § 2 Abs. 2 LitUrhG herleiten will. Das Berufungsgericht verkennt zwar nicht, daß diese Vorschrift nicht unmittelbar als Anspruchsgrundlage herangezogen werden kann, weil sie nur die Rechtslage hinsichtlich der bereits hergestellten Schallvorrichtung betrifft, nicht dagegen die Frage regelt, unter welchen Voraussetzungen die Erstfixierung einer Aufführung oder eines Vortragen zulässig ist (BGHZ 17, 266). Es meint aber, gleichwohl sei aus dieser Vorschrift zu entnehmen, daß dem ausübenden Künstler auch die Befugnis zustehe, sich gegen die Erstfestlegung seiner Leistung zur Wehr zu setzen. Dem kann nicht beigepflichtet werden. § 2 Abs. 2 LitUrhG gewährt dem ausübenden Künstler an seiner Wiedergabeleistung die Rechte eines Werkbearbeiters nur unter der Voraussetzung, daß diese bereits auf einem Tonträger festgehalten ist, weil nur durch eine solche Festlegung seine anderenfalls vergängliche Leistung von der unmittelbaren Bindung an seine Person und den flüchtigen Leistungsvorgang befreit und damit ähnlich einem Geisteswerk wiederholter Nutzung zugänglich wird (vgl. auch Urteil des Senats vom 31. Mai 1960 - I ZR 87/58- Künstlerlizenz bei öffentlicher Wiedergabe von Rundfunksendungen). Würde die lautliche Darbietung eines Werkes der Tonkunst auch ohne ihre Übertragung auf eine Schallvorrichtung stets einer Werkbearbeitung im urheberrechtlichen Sinn gleichzuachten sein, so hätte es der Sonderregelung in § 2 Abs. 2 LitUrhG nicht bedurft, weil dann den ausübenden Künstlern bereits auf Grund von Abs. 1 dieser Gesetzesbestimmung, wonach Werkbearbeiter als Urheber anzusehen sind, die ihnen gemäß Abs. 2 ausdrücklich zuerkannten Befugnisse an den von ihnen besungenen oder bespielten Schallvorrichtungen zustehen würden.
Hiermit wird zu der umstrittenen Frage, ob nicht auch ausübenden Künstlern an ihrer Wiedergabeleistung als solcher, und zwar unabhängig von ihrer Festlegung auf einen Tonträger, ein echtes Urheberrecht zustehen kann (so vor allem Troller, Jurisprudenz auf dem Holzweg S. 64 ff), nicht im Grundsatz Stellung genommen. Voraussetzung für das Eingreifen eines Werkschöpfungsschutzes müßte aber jedenfalls sein, daß die Wiedergabeleistung eine eigenpergönliche Formprägung offenbart.
Um dieses Problem aber geht es im Streitfall nicht; denn die fraglichen Mitglieder des Orchesters der Städtischen Oper Berlin nehmen das Recht, Tonbandaufnahmen von Opernaufführungen zu Sendezwecken zu untersagen, ohne Rücksicht darauf in Anspruch, ob ihrem Einzelbeitrag zu der Gruppenleistung eine schöpferische Eigenart zukommt. Insoweit aber handelt es sich nicht um ein urheberrechtliches, sondern um ein persönlichkeits-, wettbewerbs-, werk- und dienstvertragsrechtliches Problem. Aus der urheberrechtlichen Vorschrift des § 2 Abs. 2 LitUrhG, die nur die Rechtean der bereits hergestellten Schallvorrichtung betrifft, kann mithin Abschließendes für die Lösung dieser Frage nicht gewonnen werden.
Mit dem Urheberrecht verbindet die Fragestellung zwar u.a. die Tatsache, daß Gegenstand der Wiedergabeleistungen der ausübenden Künstler in der Regel Werke der Literatur und Tonkunst sind und daß das Schutzbedürfnis für die Wiedergabeleistung sich ähnlich wie für Urheberrechtsgut entwickelt hat. Der Ruf nach einem Schutz von Werken der Literatur, Tonkunst und bildenden Kunst wurde auch erst dringlich, nachdem es der Technik, insbesondere durch die Erfindung der Buchdruckerkunst, gelungen war, diese Werke in einer Vielzahl von Exemplaren zu verbreiten, ohne daß der Werkschöpfer die Möglichkeit hatte, diese Auswertung seines Geistesgutes von der Entrichtung eines Entgelts abhängig zu machen, weil solche Werke, erst einmal der Öffentlichkeit preisgegeben, sich weitgehend einer tatsächlichen Herrschaftsmacht entziehen und damit, falls nicht Ausschließlichkeitsrechte eingreifen, der unentgeltlichen Ausbeutung durch Dritte ausgeliefert sind. Bezeichnenderweise ist auch der urheberrechtliche Schutz den Umweg über das sog. Privilegienwesen gegangen, das vorwiegend den Schutz der Verwerter von Urhebergut, nicht aber der Werkschöpfer im Auge hatte, wie auch die einzige Leistungsschutzrechtsbestimmung im geltenden Recht, § 2 Abs. 2 LitUrhG, im Interesse von Verwertern der Darbietungen ausübender Künstler, nämlich der Schallplattenindustrie, erlassen wurde. Erst als auch die Wiedergabeleistung mehr und mehr dem tatsächlichen Machtbereich des ausübenden Künstlers entglitt, weil die Technik immer neue Möglichkeiten erschloß, sie ohne sein Wissen, ja sogar gegen seinen ausdrücklich erklärten Willen über den von ihm gestatteten Rahmen hinaus auszuwerten, hat sich die Frage nach Art und Umfang eines Schutzes seiner Leistung ernsthaft gestellt. Die Entwicklungsgeschichte des Urheberrechtes bietet hiernach zwar Parallelen zu dem äußeren Anlaß für die Schutzbedürftigkeit von Wiedergabeleistungen. Ein solcher Schutz muß aber seine innere Rechtfertigung anderen Gesichtspunkten entnehmen, als sie das Urheberrecht, das dem Schutz von schöpferischen Geisteswerken dient, beherrschen.
In diesem Zusammenhang gewinnen die Besonderheiten Bedeutung, die den in Frage stehenden Leistungen anhaften. Aufführung oder Vortrag eines Werkes der Literatur oder Tonkunst sind ohne körperliche Festlegung vergänglich. Sie sind nicht nur an die Zeit ihrer Darbietung, sondern auch an den Raum, in dem sie stattfinden, gebunden, soweit sie nicht mittels technischer Hilfsmittel über diesen Raum, den sie ihrer natürlichen Tonstärke nach zu füllen vermögen, ausgestrahlt werden. Sie haben, soweit eine Festlegung ausscheidet, kein den Schaffensvorgang überdauerndes "Leistungsergebnis" zum Ziel, das ohne weitere Inanspruchnahme des ausübenden Künstlers von Dritten genutzt werden könnte. Aufführung oder Vortrag sind als solche nicht wiederholbar, sondern höchstens durch erneute Leistung nachvollziehbar. Andererseits besteht vielfach selbst bei demjenigen Hörerkreis, der bereits in den Genuß der fraglichen Leistung kam, ein Bedürfnis, diesen Genuß zu wiederholen. Der ausübende Künstler aber ist, wenn sichergestellt ist, daß seine Darbietungen nur denjenigen Kreis erreichen, für den er sie bestimmt hat, in der Lage, die Nachfrage nach einer erneuten Darbietung dieser Leistung dadurch für sich auszunutzen, daß er sich hierzu nur gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung bereit findet. Die Möglichkeit, die Höhe der Vergütung von der jeweiligen Reichweite seiner Leistung abhängig zu machen, wird dem ausübenden Künstler jedoch genommen, wenn er es hinnehmen müßte, daß sein Vertragspartner oder gar Dritte, zu denen er in keinem Vertragsverhältnis steht, seine Leistungen, die üblicherweise honoriert werden, ohne ihm ein Entgelt zu zahlen, einem sehr viel umfassenderen Kreis zugänglich machen, als er selbst es bei der Darbietung gewollt hat und bei Ausbedingung der Vergütung für diese Darbietung in Betracht ziehen konnte. Dies würde nicht nur einen Eingriff in persönlichkeitsrechtliche, sondern auch in wirtschaftliche Interessen des ausübenden Künstlers bedeuten, weil damit das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung gestört wird, das normalerweise Vertragsgrundlage ist. Einen besonders einschneidenden Eingriff in die Erwerbsmöglichkeiten des ausübenden Künstlers aber stellt es dar, wenn seine Leistungen gegen seinen Willen auf Ton- oder Bildträger festgelegt und damit ohne seine erneute persönliche Inanspruchnahme beliebig oft wiederholbar und einem theoretisch unbegrenzten Hörerkreis zugänglich gemacht werden. Das gleiche Problem stellt sich bei allen stofflich nicht gebundenen, ihrer Natur nach vergänglichen Darbietungen, bei denen eine Nachfrage nach ihrer Wiederholung besteht, wie beispielsweise bei Darbietungen von Artisten oder Sportlern. Ihrer eigenmächtigen Ausnutzung außerhalb des vertraglich vorgesehenen Rahmens, der in der Regel für die Höhe des Leistungsentgeltes maßgebend ist, stehen nicht nur persönlichkeitsrechtliche, sondern auch allgemein bürgerlichrechtliche Grundsätze entgegen.
Es stellt eine sittenwidrige Vermögensschädigung dar (§ 826 BGB), eine fremde Leistung, die üblicherweise nur gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung erbracht wird, sich kostenlos unter Zuhilfenahme der technischen Errungenschaften zunutze zu machen, die es dem Leistenden verwehren, Wirkungsbereich und Art der Auswertung seiner Leistung in tatsächlicher Beziehung zu beherrschen und durch entsprechende Verträge auch Dritten gegenüber rechtswirksam abzugrenzen. Soweit nichtgestattete gewerbliche Nutzungen der Leistung in Frage stehen, liegt zugleich auch ein Verstoß gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs (§ 1 UWG) vor. Es widerspricht dem Anstandsgefühl des verständigen Gewerbetreibenden, Leistungen Dritter, die erfahrungsgemäß nur gegen eine angemessene Vergütung zur Verfügung gestellt werden, sich ohne Erlaubnis des Leistenden anzueignen und kostenlos zur Förderung des eigenen gewerblichen Gewinnstrebens auszunutzen. Für die Anwendung von § 1 UWG ist nicht erforderlich, daß der Leistende - hier der ausübende Künstler - zu dem Verwerter seiner Leistung in einem unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis steht. Auch die Gefahr der nur mittelbaren Beeinträchtigung der Erwerbsaussichten des ausübenden Künstlers durch die nichtgenehmigte Ausnutzung seiner Leistung zu gewerblichen Zwecken reicht zur Anwendung dieser Gesetzesbestimmung aus, weil die erforderliche Wechselbeziehung zwischen dem dem Verletzten zugefügten Nachteil - dem Wegfall einer Vergütung für seine persönliche Inanspruchnahme oder für die Benutzung von mit seiner Erlaubnis hergestellten Tonträgern - und dem von dem gewerblichen Verwerter seiner Leistung erstrebten Vorteil - der Förderung seines Gewerbebetriebs durch die Ausnutzung dieser Leistung - gegeben ist.
Zwar ist die "Nachbildung" von nicht unter Sonderschutz stehenden Leistungen grundsätzlich gestattet, soweit nicht aus besonderen Umständen des Einzelfalles auf ein sittenwidriges Verhalten zu schließen ist. Im Streitfall aber geht es nicht um eine "Nachahmung" der Leistungen der Orchestermitglieder, sondern um deren unmittelbare Ausnutzung in unveränderter Form. Eine solche. Verwertung geldwerter Leistungen Dritter zur Förderung des eigenen gewerblichen Gewinnstrebens verstößt, wenn es an einer Einverständniserklärung des Leistenden fehlt und hierdurch dessen eigene Erwerbsaussichten gemindert werden, gegen die Gebote des lauteren Wettbewerbs.
Hiernach ist im Grundsatz davon auszugehen, daß die Festlegung einer Opernaufführung auf Tonband zu Sendezwecken der Zustimmung jedes einzelnen ausübenden Künstlers bedarf, der unmittelbar an der Aufführung mitwirkt. Fehlt es an der erforderlichen Zustimmung, handelt es sich also um rechtswidrig hergestellte Tonbänder, so ist aus den gleichen rechtlichen Erwägungen, auf denen das Zustimmungserfordernis beruht, auch ein Anspruch der an der Aufführung mitwirkenden Künstler begründet, die Benutzung der Tonbänder zu Sende- oder zu Vervielfältigungszwecken durch Überspielen, auf andere Tonbänder zu untersagen (Klagantrag zu Ziff. 1 b und c). Ob diese Ansprüche auch auf eine entsprechende Anwendung von § 2 Abs. 2 LitUrhG gestützt werden können oder ob diese Gesetzesbestimmung auch insoweit als Klaggrundlage ausscheiden muß, weil sie nur Schallvorrichtungen betrifft, auf die der persönliche Vortrag eines Künstlers mit seinem Willen festgelegt ist, kann bei dieser Sachlage dahinstehen (vgl. hierzu BGHZ 17, 266).
III.
Eine andere Frage ist, wer bei Gruppenleistungen, wie Orchesterdarbietungen, zur Wahrnehmung des jedem einzelnen Mitwirkenden zustehenden Zustimmungsrechtes befugt ist. Nach Ansicht des Berufungsgerichts soll für die Erstfixierung ebenso wie für weitere Verfügungen über die Tonbandaufnahme regelmäßig eine einstimmige Erlaubnis sämtlicher Mitwirkender erforderlich sein; denn die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten seien in entsprechender Anwendung des § 6 LitUrhG nach den Vorschriften über die Bruchteilsgemeinschaft des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB §§ 741 ff) zu beurteilen. Sollten einzelne Mitberechtigte ihre Zustimmung willkürlich verweigern, so sei es Sache der übrigen Beteiligten, notfalls auf Erteilung der Zustimmung zu klagen.
Dieser Ansicht kann, jedenfalls soweit die einzelnen Orchestermitglieder in Frage stehen, nicht beigepflichtet werden. Ob die Vorschriften über die Bruchteilsgemeinschaft, deren Anwendung bereits für den Miturheber im Hinblick auf die Natur der Miturheberschaft als einer in der Regel auf gewolltem Zusammenwirken beruhenden besonders engen Gemeinschaft als verfehlt bezeichnet wird (vgl. Ministerialentwurf zur Urheberrechtsreform zu § 7 S. 30 ff), dann entsprechend herangezogen werden können, wenn es sich um rechtmäßig hergestellte Tonträger handelt, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Denn hier geht es zunächst nicht um die Rechte an bereits vorhandenen Tonträgern, sondern um die Befugnisse bei erstmaliger Festlegung der gemeinsamen Leistung, Solange diese Leistung aber noch nicht festgelegt ist, fehlt es an einem gemeinsamen "Vermögensgegenstand". Schon aus diesem Grunde ist des Recht eines jeden Mitwirkenden an einer Orchesterdarbietung, über Art und Umfang der Ausnutzung dieser Leistung zu bestimmten, nicht, mit den Anteilsrechten an einer Bruchteilsgemeinschaft vergleichbar. Solange ein bereits vorhandener gemeinschaftlicher Vermögensgegenstand fehlt, ist aber auch die Interessenlage zwangsläufig eine andere. Denn die Einwilligung in die Erstfixierung gemeinschaftlicher Darbietungen erfordert zumeist rasche Entscheidungen. Die Notwendigkeit, einzelne Orchestermitglieder bei Verweigerung der Einverständniserklärung zunächst auf Zustimmung verklagen zu müssen, würde praktisch zu dem unhaltbaren Ergebnis führen, daß jedes einzelne Orchestermitglied und sogar ein Ersatzspieler eine von allen übrigen Mitwirkenden gewünschte Verwertung der Aufführung durch Bandaufnahmen oder Funksendungen durch willkürliches Versagen seines Einverständnisses vereiteln und sein Zustimmungsrecht als Druckmittel für unangemessene Vergütungsansprüche verwenden könnte.
Wenn somit eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Bruchteilsgemeinschaft ausscheidet, bleibt zu prüfen, nach welchen sonstigen Rechtsgrundsätzen die Wahrnehmung des Zustimmungsrechtes bei derartigen Gruppenleistungen zu beurteilen ist. Üblicherweise werden, wenn sich mehrere zu gemeinschaftlichem Handeln zusammenfinden, aus dem ihnen Rechte erwachsen können, auch Bestimmungen über die Wahrnehmung dieser Rechte im Innen- und Außenverhältnis getroffen. Soweit dies bei Orchester- oder Chordarbietungen bislang unterblieben ist, dürfte dies auf die noch ungeklärte Rechtslage in Ansehung der Rechte der einzelnen Orchester- und Chormitglieder zurückzuführen sein. In Erkenntnis der Notwendigkeit einer klaren Regelung sehen die einschlägigen Gesetzesentwürfe für die Zukunft Bestimmungen darüber vor, wer die den einzelnen Mitwirkenden zustehenden Rechte in deren Namen, ausüben, und wahrnehmen darf. Erwogen wird insbesondere die Ermächtigung einer oder mehrerer von der Mehrheit der Beteiligten bestimmter Personen, namentlich des Orchestervorstandes (vgl. § 79 des Referentenentwurfes 1954, § 87 des Ministerialentwurfes 1959; s. ferner Rom-Entwurf Art. 5 und Monaco-Entwurf Art. 2 Abs. 8, abgedruckt bei Möhring/Elsässer, Die internationale Regelung des Rechts der ausübenden Künstler und andere sog. Nachbarrechte). So heißt es in der Amtlichen Begründung zu § 87 des Ministerialentwurfes, daß sich der Einzelne bei Ensemble-Aufführungen im Interesse der Gesamtheit der Mitwirkenden gewisse Beschränkungen gefallen lassen müsse und daß auch Rechtssicherheit und Erleichterung des Rechtsverkehrs in diesen Fällen eine einheitliche Wahrnehmung der Rechte aller Mitwirkenden durch wenige Repräsentanten des Ensembles erforderten.
Diese gesetzgeberischen Bestrebungen stehen im Einklang mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die dann heranzuziehen sind, wenn aus der besonderen Rechtsform des Orchesters oder aus einschlägigen Regelungen in der Orchestersatzung nichts herzuleiten ist. Gemeinschaftsverhältnisse der fraglichen Art sind im besonderen Maße durch den Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht. Wer sich in eine solche Gemeinschaft hineinbegibt, nimmt eine Begrenzung in der Ausübung seiner bei gemeinschaftlichen Leistungen entstehenden Rechte durch die Interessen der Mitbeteiligten in Kauf. Regelmäßig hat er sich bei Entscheidungen über die Gesamtleistung entweder dem Willen der Mehrheit oder, falls ein Organ zur Vertretung der gemeinschaftlichen Interessen von der Mehrheit oder kraft Satzung bestellt ist, dessen Entschließungen unterzuordnen. Hierbei fällt ins Gewicht, daß bei Orchesterdarbietungen der individuelle Beitrag des Einzelnen weitgehend in der Gesamtleistung aufgeht und aus diesem Grunde die Stellung eines Orchestermitgliedes eine andere ist als die des Dirigenten oder von Solisten. Dem steht nicht entgegen, daß es sich um persönlichkeitsgebundene Rechte handelt. Denn auch solche Rechte eröffnen nicht die Möglichkeit zur schrankenlosen Durchsetzung eigener Interessen, ihre Ausübung findet vielmehr ihre Grenze in den Belangen anderer, und zur Abgrenzung bedarf es sogar im besonderen Maße einer Güterabwägung (BGHZ 13, 334, 338 - Leserbriefe, BGHZ 24, 72, 79 f). Eine solche Güterabwägung gebietet freilich nur, daß lediglich die Ausübung der grundsätzlich jedem der Beteiligten zustehenden Rechte vom Entschluß der Mehrheit oder eines berufenen Organes abhängig gemacht wird. Auf die Frage, ob in Ausnahmefällen den einzelnen Mitberechtigten bei mißbräuchlicher Wahrnehmung ihres Rechtes entsprechend dem Rechtsgedanken in § 711 BGB, § 115 HGB, § 198 AktG ein Widerspruchsrecht zuzubilligen ist, braucht nicht eingegangen zu werden, da ein mißbräuchliches Handeln des Orchestervorstandes im Streitfall nicht zur Erörterung steht.
Zusammenfassend ergibt sich somit, daß dem Unterlassungsbegehren allenfalls mit der Maßgabe entsprochen werden könnte, dem Beklagten Tonbandaufnahmen ohne Einwilligung des Orchestervorstandes (Hilfsantrag zu Ziff. 1 a) sowie die Verwertung solcher vom Orchestervorstand nicht genehmigter Tonbandaufnahmen zu Sendezwecken zu verbieten (Antrag zu Ziff. 1 b und c).
IV.
Nach Ansicht des Beklagten stellt sich in diesem Zusammenhang noch die weitere Frage, ob der Orchestervorstand die Rechte der Orchestermitglieder ohne Rücksicht auf die Interessen der übrigen Mitwirkenden an der Opernaufführung, also des Dirigenten, der Solisten und des Chores, wahrnehmen kann. Bejahendenfalls hätte dies nach Meinung der Revision zur Folge, daß sich das Orchester einseitig über Wünsche der übrigen Beteiligten hinwegsetzen könnte, die womöglich ein berechtigtes Interesse daran hätten, durch Rundfunksendungen bekannt zu werden. Das Berufungsgericht nimmt auch insoweit eine Mitberechtigung an, die nach den Regeln der Bruchteilsgemeinschaft Einstimmigkeit und notfalls eine Klage auf Zustimmung erfordere.
Dieser Ansicht des Berufungsgerichts ist im Ergebnis beizutreten. Zwar kommt auch hier eine Anwendung der Regeln über die Bruchteilsgemeinschaft nicht in Betracht, da es bei der Entscheidung über die Erstfixierung an einem gemeinsamen Vermögensgegenstand fehlt. Andererseits besteht zwischen Orchester, Chor, Solisten und Dirigent aber auch keine so enge soziale Gebundenheit wie zwischen den Orchestermitgliedern untereinander. Daher muß es insoweit nach geltendem Recht regelmäßig dabei bewenden, daß jeder dieser einzelnen Beteiligten oder die jeweilig beteiligten Gruppen wie Chor, Ballett, zur selbständigen Wahrnehmung ihres Zustimmungsrechtes befugt bleiben. Aus der engen Interessenverbundenheit, die zwischen den einzelnen Gruppen besteht, läßt sich lediglich herleiten, daß sich niemand willkürlich über die Interessen und den Willen der Mitberechtigten hinwegsetzen darf und daher regelmäßig zur Zustimmung verpflichtet sein wird. Dafür, daß sich im Streitfall die Zedenten der Klägerin willkürlich den Wünschen der übrigen Berechtigten verschlossen haben, ist indessen nichts ersichtlich. Sie beanstanden lediglich, daß sie überhaupt nicht gefragt worden sind, und mutmaßen, daß die weiteren Beteiligten, wie Chor und Solisten, ebenfalls übergangen worden seien. Da auch die Revision nicht rügt, das Berufungsgericht habe substantiierte Behauptungen über eine willkürliche Versagung der Zustimmung unbeachtet gelassen, können aus den allgemeinen Erwägungen der Beklagten über Interessen anderer Mitwirkender keine durchgreifenden. Bedenken gegen das Klagebegehren hergeleitet werden. Im übrigen dürfte die Revision die Schwierigkeiten überschätzen, die sich aus dem befürchteten Interessenwiderstreit ergeben könnten, da sich ihnen weitgehend durch rechtzeitige vertragliche Abmachungen zwischen den Berechigten und durch Bestellung von Wahrnehmungsberechtigten durch alle Beteiligten vorbeugen läßt.
V.
Die bisherigen Ausführungen betrafen die Rechtslage für Orchester ganz allgemein, ohne den Einfluß des Arbeitsverhältnisses bei Orchestermitgliedern zu berücksichtigen, die bei Theater- oder Orchesterunternehmen der öffentlichen Hand festangestellt sind. Es bleibt daher zu prüfen, ob in solchen Fällen, soweit es um die Orchestermitglieder geht, die Zustimmung des Arbeitgebers zu Tonbandaufnahmen für Rundfunksendezwecke ausreicht. Daß aus dem Dienstverhältnis nicht ohne weiteres eine stillschweigende Übertragung der Rechte der Orchestermitglieder in Ansehung von Tonbandaufnahmen ihrer Leistungen auf die Nebenintervenientin als Arbeitgeberin hergeleitet werden kann, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum angenommen. Das Reichsgericht ist zwar davon ausgegangen, daß die im Auftrag von Schallplattenherstellern tätigen ausübenden Künstler in der Regel ihre Rechte an der von ihnen besungenen oder bespielten Schallplatte stillschweigend in vollem Umfang - einschließlich der Verwertung der Schallplatten bei Rundfunksendungen - an den Hersteller übertragen und dafür durch die Vergütung voll entschädigt werden (RGZ 153, 1, 8 ff). In dem vom Reichsgericht entschiedenen Fall war indessen unmittelbarer Gegenstand der Arbeitsverpflichtung die Herstellung von Schallplatten zugunsten der Plattenfirma, und die Verwendung dieser Platten auch zu Sendezwecken lag nicht außerhalb ihrer natürlichen Verwertungsmöglichkeiten. Ähnlich war die Rechtslage in der von der Revision angeführten unveröffentlichten Entscheidung des erkennenden Senats vom 8. Februar 1957 (I ZR 167/55), in der eine stillschweigende Übertragung der Rechte des Verfassers eines Filmdrehbuches zur "Auswertung des Filmes im üblichen Rahmen" angenommen wurde (vgl. auch den Beschluß des Senats in dem diesem Urteil vorangegangenen Armenrechtsverfahren, GRUR 1955, 596 - Lied der Wildbahn, ferner GRUR 1957, 611 - Bei ami). Im Streitfall ist hingegen unmittelbarer Gegenstand des Dienstvertrages nur die Pflicht zur Mitwirkung bei Opernaufführungen für das dabei anwesende Publikum. Eine stillschweigende Übertragung von Rechten der Orchestermitglieder auf ihren Arbeitgeber könnte daher allenfalls in dem Umfang angenommen werden, in dem dieser der Rechte zur Durchführung von Opernaufführungen bedarf. Dazu gehört aber Tonbandaufnahmen nicht das Recht, diese Aufführungen mittels Tonbandaufnahmen Sendeunternehmen zur Zweitverwertung zur Verfügung zu stellen.
Wenn somit auch eine vertragliche Übertragung des hier strittigen Zustimmungsrechtes nicht anzunehmen ist, so bleibt doch weiter zu untersuchen, ob das Orchester nicht kraft des durch den Dienstvertrag begründeten Treueverhältnisses gehindert ist, sein an sich bestehendes Entscheidungsrecht geltend zu machen, d.h. ob es, falls im Vertrag keine ausdrücklich entgegenstehende Abrede getroffen ist, verpflichtet ist, einen Mitschnitt der Opernaufführung zu Sendezwecken jedenfalls dann zu dulden, wenn eine angemessene Vergütung angeboten wird und wenn keine Gründe ersichtlich sind, die eine solche Duldung im Einzelfall als unzumutbar erscheinen lassen. In der amtlichen Begründung zu § 87 des Ministerialentwurfes wird eine solche Duldungspflicht nicht angenommen, wenn nicht die ausübenden Künstler im Anstellungsvertrag ihre Zustimmung ausdrücklich erteilt haben. Auch für die derzeitige Rechtslage folgt nach Ansicht des Berufungsgerichts eine solche Verpflichtung weder aus den Bestimmungen der Verträge noch aus den bisherigen Gepflogenheiten. Dem kann jedoch angesichts des Umstandes, daß diese Frage erst durch die fortschreitende Entwicklung der Technik ihre gegenwärtige Bedeutung erlangt hat, nicht beigetreten werden, mag es auch im Interesse klarer Rechtsverhältnisse wünschenswert erscheinen, die Duldungspflicht des Orchesters ausdrücklich in die Vertragsregelung aufzunehmen.
Zwar kann eine solche Duldungspflicht schwerlich aus der bisherigen Übung hergeleitet werden. Denn wenn auch bereits seit 1948 wiederholt Rundfunkübertragungen von Opernaufführungen stattgefunden haben, ohne daß das an den Erträgen dieser Übertragung beteiligte Orchester dagegen Einspruch eingelegt hat, so ist doch zu berücksichtigen, daß sich die Einsicht in die Rechte eines Orchesters bei Tonbandaufnahmen überhaupt erst allmählich entwickelt hat. Bedeutsam ist darüber hinaus, daß nach den tatsächlichem Feststellungen des Berufungsgerichts der Orchestervorstand stets vorher gefragt worden ist. Daher mag zwar aus der bisherigen Übung folgen, daß der Orchestervorstand seine Zustimmung auch künftig nicht willkürlich bei Zahlung einer angemessenen Vergütung verweigern darf, nicht jedoch beantwortet sich daraus die hier zur Entscheidung stehende Frage, ob sich eine solche Zustimmung zur Zweitverwertung überhaupt erübrigt, das Orchester also zur Duldung des Mitschnittes auch verpflichtet ist, wenn es nicht um sein Einverständnis befragt worden ist.
Mit Recht geht das Berufungsgericht ferner davon aus, daß weder aus den Bestimmungen des Tarifvertrages vom 14. Juli 1950 und der Orchestersatzung noch aus der Tarifordnung für die deutschen Kulturorchester vom 30. März 1958 unmittelbar eine Verpflichtung der Orchestermitglieder gefolgert werden kann, Bandaufnahmen und deren Sendung durch Rundfunk zu dulden. Bedenklich aber ist, wenn das Berufungsgericht aus § 3 des Normalvertrages für Solisten, Chor und Tanz, der eine Sondervergütung für Lifesendungen vorsieht, entnehmen will, daß es sich insoweit um "außervertragliche" Leistungen handele, und hieraus folgert, daß auch die Duldung des Mitschnittes von Opernaufführungen für Sendezwecke durch die Orchestermitglieder nicht in den Rahmen der Vertragspflichten des Orchesters fallen könn. Eine solche Betrachtungsweise verkennt, daß der Dienstverpflichtete kraft seiner Treuepflicht gehalten sein kann, auch andere als die vertraglich vereinbarten Leistungen im Rahmen des Vertrages als Sonderleistungen zu übernehmen, wenn besondere Umstände des Betriebes es erfordern, insbesondere dann, wenn der Dienstverpflichtete eine beamtenähnliche Stellung mit Altersversorgung erlangt, wie dies für die Orchestermitglieder von der Nebenintervenientin unwidersprochen behauptet wird. In der Regel steht ihm dann für solche Leistungen neben dem festen Gehalt, bei dem diese Leistungen nicht einberechnet sind, ähnlich wie bei Überstunden eine Sondervergütung zu (vgl. über den zusätzlichen Vergütungsanspruch eines Chormitgliedes für die Rundfunkübertragung einer Bühnenaufführung die Entscheidung des Bühnenoberschiedsgerichtes Frankfurt vom 7. Juni 1957 in Schulze, Rechtsprechung zum Urheberrecht Bd. IV SchG 1).
Wenn sich hiernach auch im Streitfall die Pflicht der Orchestermitglieder zur Duldung von Tonbandaufnahmen zu Sendezwecken nicht aus ausdrücklichen Vertragsbestimmungen entnehmen läßt, ergibt sich dies doch im Wege ergänzender Vertragsauslegung, die auch durch das Revisionsgericht erfolgen kann, sofern der Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht ausreichend geklärt ist (BGH GRUR 1959, 384, 387 - Postkalender). Dabei ist zu berücksichtigen, daß es weitgehende Übung geworden ist, Bühnenaufführungen für Rundfunk- und Fernsehsendungen zu verwerten, und daß an einer solchen Verwertung außer dem Theaterunternehmer auch die ausübenden Künstler zur Förderung ihres künstlerischen Rufes und im Hinblick auf die sich damit eröffnenden zusätzlichen Einnahmequellen ein schutzwürdiges Interesse haben können. Jeder, der als Orchestermitglied einem solchen Unternehmen beitritt, muß unter den gegenwärtigen Verhältnissen in der Regel mit einer solchen Verwertung seiner Leistungen rechnen, zumal diese Zweitverwertung keine Mehrleistung von ihm erfordert, sondern auf Grund seiner ohnehin zu erfüllenden Verpflichtungen erbracht werden kann. Will er eine solche Verwertung, die sich mehr und mehr in den allgemeinen Betriebsablauf eines größeren Bühnenunternehmens einfügt und im allgemeinen den Interessen sowohl des Unternehmens als auch der ausübenden Künstler dient, nicht durch stillschweigende Unterwerfung hinnehmen, hat er dies - jedenfalls, solange es an einer anderweiten gesetzlichen Regelung fehlt - in der Regel durch entsprechende Vertragsvorbehalte klarzustellen (vgl. auch BAG 1, 241). Hierbei fällt auch ins Gewicht, daß es sich im Streitfall um Aufführungen der Städtischen Oper Berlin handelt, die wie alle städtischen oder staatlichen Theaterunternehmen wesentlich auf Subventionen der öffentlichen Hand angewiesen ist und der es deshalb ein besonderes Anliegen sein muß, den Rundfunk- und Fernsehanstalten geeignetes Sendegut zur Verfügung zu stellen, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts ihrerseits die Aufgabe zu erfüllen haben, die Allgemeinheit in möglichst weitreichendem Umfange an kulturellen Leistungen teilnehmen zu lassen.
Unter diesem rechtlichen Blickpunkt hat das Berufungsgericht das Klagebegehren nicht geprüft. Er führt zu dem Ergebnis, daß die Orchestermitglieder auf Grund ihrer mit der Städtischen Oper Berlin geschlossenen Verträge in Ermangelung entsprechender Vorbehalte regelmäßig verpflichtet sind, Tonbandaufnahmen ihrer Darbietungen durch Sendeunternehmen anläßlich von Opernaufführungen und deren Verwendung für Rundfunksendezwecke zu dulden, soweit dem nicht gewichtige Gründe, insbesondere ernsthafte künstlerische Bedenken entgegenstehen, für diese Zweitverwertung ihrer Leistung aber eine angemessene Sondervergütung von ihrem Arbeitgeber beanspruchen können, für deren Höhe in der Regel der Umfang der Auswertung (Wiederholungssendungen, Übernahme der Sendung durch andere Sendeanstalten) maßgebend sein dürfte.
Da im vorliegenden Fall die Zahlung einer angemessenen Sondervergütung nicht im Streit steht und auch keine Bedenken vorgetragen worden sind, welche die Duldungspflicht des Orchesters als unzumutbar erscheinen lassen, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, ohne daß noch auf die weiteren von der Revision aufgeworfenen Fragen einzugehen ist, ob im konkreten Fall der streitigen Figaro-Aufführung der Orchestervorstand sogar stillschweigend seine Zustimmung erteilt hat (Verletzung von § 286 ZPO), ob der Auskunftsanspruch am mangelnden Verschulden scheitern muß und ob etwa das Löschungsbegehren im Hinblick auf die Interessen der übrigen Mitwirkenden, zu weit geht. Abzuweisen war nach den Grundsätzen der Bundfitschen-Entscheidung (BGH GRUR 1959, 552) zugleich auch der noch in erster Instanz anhängige Schadensersatzantrag.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 3018573 |
BGHZ 33, 20 - 38 |
BGHZ, 20 |
DB 1960, 1035 |
NJW 1960, 2043 |
NJW 1960, 2043-2048 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1960, 822 |
MDR 1960, 822 (Volltext mit amtl. LS) |