Normenkette

§ 25 Abs. 1 WEG, § 25 Abs. 2 WEG, § 43 WEG

 

Kommentar

Vor der Umschreibung im Grundbuch hat der Erwerber innerhalb einer vollständig und rechtlich in Vollzug gesetzten Gemeinschaft auch dann kein eigenes (das des Veräußerers verdrängendes oder daneben bestehendes) Stimmrecht, wenn sein Übereignungsanspruch durch eine Auflassungsvormerkung gesichert ist und Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr auf ihn, den Erwerber, übergegangen sind. Für das von der h.R.M. bisher anerkannte Institut des werdenden Eigentümers (begründet mit der faktischen Eingliederung in die Gemeinschaft und mit wirtschaftlichen Interessen) bestehe kein Bedürfnis im Rechtsverkehr; es sei auch keine Gesetzeslücke vorhanden, so dass eine gesetzesübergreifende Rechtsfortbildung nicht möglich sei.

Habe der im Grundbuch bis zur Eigentumsumschreibung eingetragene Veräußerer auch die Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums zu tragen (BGHZ 87/138, 142), so folge aus dieser Mitgliedschaft zwangsläufig auch das Stimmrecht als Mitverwaltungsrecht; dieses Stimmrecht könne nicht durch den Erwerber als Wohnungsanwärter verdrängt werden. Das Grundbuch schaffe somit für alle Beteiligten die gebotene Klarheit. Unterschiedliche Stimmrechte je nach Beschlussgegenständen würden auf unüberwindbare praktische Schwierigkeiten stoßen; dies sei auch nicht mit der Notwendigkeit vereinbar, das Stimmrecht an klare Voraussetzungen zu binden.

§ 25 Abs. 2 Satz 2 WEG sei auf vorliegenden Fall ebenfalls nicht anwendbar. Beim Stimmrechts-Kopfprinzip könne auch insoweit keine Verdoppelung des Stimmrechts eintreten, sodass (wie im vorliegenden Fall) auch nicht teils eigenes Stimmrecht ausgeübt werden könne und teils eine Stimmrechtsbevollmächtigung oder Ermächtigung möglich sei. Ein anteils- oder wohnungsgebundenes Stimmrecht könne allerdings durch Stimmrechtsausübungsermächtigung aufgeteilt werden; so sei auch eine Ermächtigung des Veräußerers an den Erwerber möglich. Daraus sei erkennbar, dass für einen weiten Bereich des Wohnungseigentumsrechts auch das Bedürfnis entfalle, allein aus der faktischen Eingliederung des Wohnungsanwärters und dessen wirtschaftlichen Interessen noch vor der Eigentumsumschreibung ein Stimmrecht abzuleiten.

 

Link zur Entscheidung

( BGH, Beschluss vom 01.12.1988, V ZB 6/88)

Zu Gruppe 4: Wohnungeigentumsverwaltung

Anmerkung:

Diese Grundsatzentscheidung hat sicher nicht nur Bedeutung für das Stimmrecht, sondern muss m.E. auch dahingehend verstanden werden, dass nunmehr grundsätzlich auch für Wohngeldforderungen der jeweils bei Fälligkeit im Grundbuch eingetragene Eigentümer der Gemeinschaft gegenüber zu haften hat. Ist der Veräußerer noch im Grundbuch eingetragen, haftet er allein auch für etwaige Einzelabrechnungs-Nachforderungen, wenn die entsprechende Abrechnungsgenehmigung durch Beschluss noch zu seiner Eigentumszeit erfolgte (Fälligkeit)und nicht eine rechtsgeschäftliche Erwerberhaftung wirksam vereinbart sein sollte. Eine Gesamtschuldhaftung eines Erwerbers ohne ausdrückliche Vereinbarung analog § 16 Abs. 2 WEG (so bisher die Rechtsprechung des BayObLG) wird sich nicht mehr vertreten lassen. Auch sind nunmehr in einem solchen Fall verwalterseits nicht mehr zwei getrennte Einzelabrechnungen notwendig (abgrenzend nach Kostenpositionen und abstellend auf einen Besitzübergang).

Was die Beteiligtenstellung im Sinne des § 43 WEG betrifft und etwaige gerichtliche Verfahrens-Antrags-Berechtigungen, muss in Zukunft m.E. ebenfalls -analog zum Stimmrecht - auf den Eigentumsstatus gem. Grundbuch abgestellt werden.

Auch bei Einladungs-Adressierungen zu Eigentümerversammlungen werden Verwalter allein den im Grundbuch eingetragenen Eigentümer anzuschreiben haben (also entweder noch den Veräußerer oder aber schon den Erwerber zum Versammlungszeitpunkt).

Sicher haben hier Verwalter die Schwierigkeit, nicht immer über die Grundbuchsituation informiert zu sein. Es empfehlen sich deshalb m.E. nunmehr für die Zukunft entsprechende Vereinbarungen oder auch Organisationsbeschlüsse, die den Veräußerer verpflichten, ein Eigentumsumschreibungs-Datum unverzüglich dem Verwalter zur Kenntnis zu geben. Etwaiger Mehrkostenaufwand könnte dann u.U. bei versäumter Hinweispflicht an den Veräußerer entsprechend weitergegeben werden (vgl. auch Deckert in WE Heft 2/89).

Nur ergänzend sei noch vermerkt, dass die sog. werdende Gemeinschaft (in Entstehung befindliche Wohnungseigentümergemeinschaft als Aufbaugesellschaft nach Teilung durch den Bauträger gemäß § 8 WEG) durch die Entscheidung bisher nicht in Frage gestellt wurde.

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