Leitsatz
Der BGH hat zu den Rechtsfolgen von Falschangaben des Anbieters bei Internetauktionen geurteilt. Danach haftet der Anbieter für unrichtige Angaben unter Umständen auf das komplette Erfüllungsinteresse des Erwerbers. Dies gilt auch, wenn das Erfüllungsinteresse den konkreten Geschäftsumsatz um ein Vielfaches übersteigt.
Sachverhalt
Der Anbieter bot über Ebay ein gebrauchtes Handy zum Verkauf an unter der Überschrift: "Hallo an alle Liebhaber von Vertu …". Der Startpreis betrug 1 EUR. Nach Abgabe eines Maximalgebots von 1.999 EUR erhielt der Kläger bei 782 EUR den Zuschlag. Nach Lieferung bemerkte der Kläger, dass es sich nicht um das erhoffte, schicke Original-Vertu-Handy, sondern um einen billigen Nachbau handelte. Kurzer Hand nahm er den Anbieter auf Zahlung von Schadenersatz in Anspruch. Da das Original-Vertu-Handy nach seiner Einschätzung einen Wert von ca. 24.000 EUR hat, berechnete er den Schaden unter Anrechnung des Ersteigerungsbetrages auf 23.218 EUR.
LG und OLG waren der Auffassung, der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt ernsthaft annehmen können, dass es sich bei dem angebotenen Handy um ein echtes Handy der Marke Vertu handeln könnte. Dies folge schon aus dem Startpreis von nur einem Euro. Selbst wenn der Kläger irrtümlich von der Echtheit ausgegangen sei, so folge aus dem niedrigen Startpreis ein extremes Missverhältnis zwischen Leistung Gegenleistung, sodass ein entsprechendes Rechtsgeschäft nach § 138 BGB nichtig gewesen wäre.
Bei Grundstücken und anderen hochwertigen Gegenständen – so die Richter – werde ein solches Missverhältnis bereits angenommen, wenn Wert und Gegenwert um etwa das Doppelte differierten. Nach Auffassung der BGH-Richter verkennt diese Rechtsauffassung der Vorinstanzen die Besonderheiten des Internetverkaufs über Ebay und andere Auktionsplattformen. Die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung über die Echtheit der angebotenen Ware könne nicht unter Hinweis auf den niedrigen Startpreis von nur einem Euro abgelehnt werden. Dieser niedrige Startpreis werde völlig unabhängig vom Sachwert des angebotenen Gegenstands häufig allein deshalb gewählt, um die Auktionskosten niedrig zu halten. Der erzielbare Veräußerungserlös sei vom Startpreis völlig unabhängig.
Bei Internetauktionen liege der "Kick" für Anbieter und Erwerber oft gerade in der Unkalkulierbarkeit der Angebotsverläufe und in dem möglichen Schnäppchencharakter eines Kaufs. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Regeln für die Beurteilung konventionell von Angesicht zu Angesicht geführter Verkaufsverhandlungen seien deshalb nicht ohne Weiteres auf eine Internetauktion anwendbar. Daher verfange auch die Hilfsargumentation des OLG nicht, wonach dem Kläger der Plagiatscharakter des angebotenen Mobiltelefons infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sei und er deshalb nicht geltend machen könne, von der Echtheit ausgegangen zu sein.
Der BGH hat die Sache zur erneuten Entscheidung an das OLG zurück verwiesen. Das OLG muss sich nun mit den Einzelheiten des Angebotstextes auseinandersetzen. Nach der Vorgabe der BGH-Richter kommt es allein darauf an, ob das ins Netz gestellte Angebot der Beklagten von einem verständigen User so ausgelegt werden musste, dass es sich um ein Originalhandy der Marke Vertu handelte. Nach den Vorgaben der BGH-Richter spricht der Einleitungssatz des Angebots "…an alle Liebhaber von Vertu…" für eine solche Auslegung. Das OLG habe allerdings die Gesamtheit des Angebotstextes bei der Auslegung zu würdigen.
Hinweis
Die Entscheidung des BGH dürfte erhebliche Auswirkungen auf Auktionskäufe im Netz haben. Die Anbieter müssen ihre Angebotstexte nun sorgfältig abwägen, wollen sie nicht Gefahr laufen, bei missverständlichen Formulierungen unüberschaubaren Schadensersatzforderungen der Erwerber ausgesetzt zu werden.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 28.3.2012, VIII ZR 244/10.