Leitsatz
Eheverträge entfalten regelmäßig dauerhafte Wirkung. Der BGH hat sich jetzt damit befasst, inwieweit eine Änderung der Rechtslage geeignet ist, im Ehevertrag notariell vereinbarte Unterhaltsvereinbarungen zu kippen. In dem Ehevertrag hatte sich der frühere Ehegatte zur Zahlung eines lebenslangen Unterhalts verpflichtet.
Sachverhalt
Die Ehe eines Zahnarztes und seiner Frau wurde nach 22 Jahren geschieden. Schon anlässlich der einige Jahre zuvor durchgeführten Trennung hatte das Paar notariell einen Ehevertrag geschlossen. Danach hatte sich der Zahnarzt gegenüber seiner Frau zur Zahlung eines lebenslangen Unterhalts verpflichtet. Die nicht berufstätige Ehefrau versorgte zunächst noch die beiden Kinder. Sie sollte für einen kürzeren Zeitraum 50 % der Nettoeinnahmen aus der Zahnarztpraxis, später 40 % hiervon erhalten.
Mit der Unterhaltsrechtsreform 2008 führte der Gesetzgeber die Möglichkeit der nachträglichen Befristung und Reduzierung des monatlich zu zahlenden Unterhalts ein. Dies nahm der Zahnarzt zum Anlass, gerichtlich eine Reduzierung der Unterhaltspflicht zu verlangen. Das OLG hatte für das Ansinnen des Zahnarztes kein Verständnis. Dieser habe mit seiner Ehefrau anlässlich der Trennung einen Ehevertrag geschlossen, in welchem die Eheleute die finanziellen Folgen von Trennung und Scheidung unfassend geregelt hätten. Dieses Gesamtpaket sei durch Abänderung einzelner Bestandteile nicht mehr auflösbar. Die getroffene Unterhaltsvereinbarung sei einzuhalten.
Nach Auffassung des BGH hat das OLG sich zu wenig mit der Auslegung des Ehevertrags befasst. Zwar hätten die Parteien mit Abschluss des Ehevertrags die eine umfassende finanzielle Regelung treffen wollen, die einzelnen Vereinbarungen ließen aber auch erkennen, dass die Eheleute insbesondere bei der Regelung des Unterhalts eine deutliche Nähe zur geltenden Gesetzeslage angestrebt hätten. Weder die Befristung des Unterhalts noch eine nachträgliche Reduzierung seien damals im Gesetz vorgesehen gewesen.
Nach Auffassung der Richter hatte sich die Rechtslage bereits 2006 geändert. Der BGH habe bereits mit Urteil v. 12.4.2006, XII ZR 240/03, die maßgebliche Bestimmung des § 1573 Abs. 5 BGB a.F. dahin ausgelegt, dass eine Befristung nicht nur unter ganz ungewöhnlichen Umständen möglich sei. Vielmehr sei bei einer Entscheidung über eine Befristung abzuwägen, ob die Ehe für den Unterhaltsberechtigten mit erheblichen Erwerbsnachteilen verbunden gewesen sei, z.B. durch Aufgabe einer Ausbildung, Übernahme der Kindererziehung und Ähnliches. Diese Rechtsprechung habe der Gesetzgeber 2008 übernommen. Schon mit Änderung der Rechtsprechung und erst Recht mit Änderung der Gesetzeslage sei die ursprüngliche Geschäftsgrundlage für den zwischen den Parteien geschlossenen Ehevertrag gestört worden.
Die nach § 313 BGB zu beurteilende Störung der Geschäftsgrundlage bewirke, dass eine Unterhaltsverpflichtung aus Vertrag ebenso abgeändert werden könne wie eine auf einer gerichtlichen Entscheidung beruhende Unterhaltsverpflichtung. Bei der hier getroffenen vertraglichen Unterhaltsverpflichtung sei durch Auslegung zu ermitteln, unter welchen beiderseitigen Prämissen die Vereinbarung getroffen worden sei. Dies führe eindeutig zu dem Ergebnis, dass die Eheleute eine Unterhaltsverpflichtung in Anlehnung an die seinerzeit bestehende Gesetzeslage hätten schaffen wollen. Durch die Änderung der Gesetzeslage bestehe die seinerzeitige Geschäftsgrundlage in der ursprünglichen Form nicht mehr.
Der BGH hat die Sache an die Vorinstanz zurück verwiesen. Das OLG hat zu prüfen, ob und inwieweit die Ehefrau Ehe bedingte Nachteile durch Verzicht auf eine eigene Karriere oder durch Erziehung der Kinder erlitten hat. Auf dieser Grundlage hat das OLG dann zu entscheiden, ob das Festhalten an der bisherigen Unterhaltsregelung für den Zahnarzt zumutbar und inwieweit eine Herabsetzung oder Befristung des Unterhalts Billigkeitsgesichtspunkten entsprechen würde.
Hierbei hätten die Richter auch den gesetzgeberischen Zweck der Rechtsänderung im Auge zu behalten, der darin bestehe, die finanzielle Eigenverantwortlichkeit der geschiedenen Eheleute stärker zu betonen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 25.1.2012, XII ZR 139/09.