Entscheidungsstichwort (Thema)
Stadtwerke Mainz Netze GmbH. Missbrauchsaufsicht über Trinkwasserpreise
Tenor
1. Die von der Beteiligten mit Schreiben an die Beschlussabteilung vom 07.05.2012 angebotenen Verpflichtungszusagen sind bindend.
2. Das Verfahren gegen die Beteiligte wird nach Maßgabe des § 32 b Absatz 1 Satz 2 GWB eingestellt.
3. Der Widerruf der Verfügung bleibt vorbehalten.
4. Die Gebühr für das Verfahren einschließlich der Entscheidung beträgt […] EUR.
Tatbestand
I. Sachverhalt
Rz. 1
Die Beteiligte Stadtwerke Mainz Netze GmbH ist ein 100%-iges Tochterunternehmen der allein im kommunalen Besitz befindlichen Stadtwerke Mainz AG (im Folgenden: SW Mainz). Sie versorgt ca. 240.000 Einwohner in Mainz und Umgebung, nämlich das Stadtgebiet von Mainz sowie die seit 1945 zu Wiesbaden gehörenden Stadtteile Mainz-Kostheim, Mainz-Kastel und Mainz-Amöneburg. Bis zum 31.10.2011 hatte die SW Mainz die Wasserversorgung in Mainz inne. Seit dem 01.11.2011 ist die Zuständigkeit für die Wasserversorgung sowie für deren Preisgestaltung auf die „Energienetze Rhein Main GmbH” übergegangen, die nun „Stadtwerke Mainz Netze GmbH” (im Folgenden: Beteiligte) heißt.
Rz. 2
Die Gesamtumsätze der SW Mainz bzw. der seit 2011 als Holdinggesellschaft agierenden Zentralen Beteiligungsgesellschaft der Stadt Mainz für das Geschäftsjahr 2011 betragen rd. […] Mio. EUR. Davon entfallen auf die Beteiligte rd. […] Mio. EUR. Hiervon wiederum entfallen rd. […] Mio. EUR auf den Bereich Wasserversorgung.
Rz. 3
Bereits im Oktober 2003 hatte die Beschlussabteilung die Mainzer Wasserpreise auf der Grundlage der §§ 22 Abs. 4,5 i.V.m. 103 Abs. 5,7 GWB a.F. i.V.m. 131 Abs. 8 GWB n.F. überprüft. Die damals betroffene SW Mainz hatte daraufhin den Wassergrundpreis Qn 2,5 ab dem 01. Januar 2005 auf 112 EUR abgesenkt. Außerdem war ein fünfjähriges Moratorium zur Preisstabilität vereinbart worden (Aktenzeichen B8 – 104/03). Daraufhin wurde das Verfahren vom Bundeskartellamt mit Schreiben vom 25.10.2004 eingestellt.
Rz. 4
Mit Schreiben vom 30.12.2011 hat die Beschlussabteilung erneut ein Missbrauchsverfahren wegen überhöhter Wasserpreise gegen die Beteiligte eingeleitet. Das Verfahren wird einerseits gestützt auf das Ausbeutungsverbot des § 19 Abs. 4 Nr. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in seiner aktuellen Fassung sowie auf die – aufgrund der Überleitungsvorschrift des § 131 Abs. 6 GWB für den Wassersektor fortgeltenden – Bestimmungen § 103 Abs. 5, § 103 Abs. 7 und § 22 Abs. 5 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der fünften GWB-Novelle von 1990 („GWB a.F.”).
Rz. 5
In ihrem Schreiben hat die Beschlussabteilung anerkannt, dass die SW Mainz respektive die Beteiligte seit dem 01.01.2005 weder ihre Wassergrund – noch Arbeitspreise erhöht hat. Dennoch ist vor dem Hintergrund der im Jahr 2010 ergangenen Entscheidung „Wasserpreise Wetzlar” des Bundesgerichtshofes eine erneute Überprüfung der vergleichsweise hohen Wasserpreise in Mainz geboten. Der Verdacht überhöhter Wasserpreise für die Zeit nach dem 01.01.2010 hat sich aufgrund neueren Datenmaterials, das die Beschlussabteilung aufgrund von vertieften Ermittlungen in dem Wasserpreisverfahren gegen die Berliner Wasserbetriebe im Hinblick auf die Wasserversorgung der 38 größten deutschen Städte (alle mit über 200.000 Einwohnern) gewonnen hat, ergeben. Die Stadt Mainz ist mit knapp unter 200.000 Einwohnern die Nr. 39 unter den größten deutschen Städten. Zusammen mit dem Schreiben vom 30.12.2011 wurde der Beteiligten ein Fragebogen zur Erhebung der für die weiteren Ermittlungen notwendigen Daten zugeleitet.
Rz. 6
Die von der Beteiligten gelieferten Daten haben ergeben, dass die Wasserpreise in Mainz im Jahr 2010 erheblich über den Wasserpreisen vergleichbarer Wasserversorger sowie über dem Durchschnitt der Wasserpreise (Erlöse) in den 38 größten Städten Deutschlands (alle deutschen Städte mit mehr als 200.000 Einwohnern) sowie noch deutlicher über dem Durchschnitt aller westdeutschen Städte (ohne Berlin) mit mehr als 200.000 Einwohnern lagen.
Rz. 7
Daraufhin hat die Beteiligte um Verhandlungen gebeten, um im Wege einer Zusagenlösung die Bedenken der Beschlussabteilung auszuräumen. Dazu haben ein Treffen in Bonn am 15.02.2012 und nachfolgend mehrere Telefonkonferenzen im März 2012 stattgefunden.
- Nach Verhandlungen über den Inhalt des Zusagenangebotes hat die Beteiligte mit Schreiben vom 07.05.2012 der Beschlussabteilung ein verbindliches Zusagenangebot unterbreitet, das inhaltlich die folgenden Punkte umfasst:
- Die abgabenbereinigten Durchschnittserlöse der Beteiligten werden um ca. 15% bezogen auf den abgabenbereinigten Durchschnittserlös aus dem Jahr 2010 reduziert.
- Die Preissenkung erfolgt zum 01.01.2013 und gilt bis zum 31.12.2019.
- Sofern es innerhalb des ersten Drei-Jahres-Zeitraums sowie des zweiten Vier-Jahres-Zeitraums zu Überschreitungen der Erlösobergrenze aufgrund von Abweichungen des tatsächlichen vom prognostizierten Verbrauch kommt, werden diese spätestens in dem auf den ...