Entscheidungsstichwort (Thema)

Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach § 19 GWB und Art. 82 EG-Vertrag

 

Tenor

1. Das von der Soda-Club GmbH und den mit ihr nach § 36 Abs. 2 GWB verbundenen Unternehmen (i.F.: Soda-Club) praktizierte System des Vertriebs und der Wiederbefüllung der von Soda-Club in den Verkehr gebrachten und von ihr als Mietzylinder bezeichneten CO2 – Zylinder für Trinkwasser-Besprudelungsgeräte (i.F.: „Mietzylinder”) verstößt gegen § 19 GWB und Art. 82 EG-Vertrag.

2. Unternehmen, die

  • mit Soda-Club keine Vertriebsvereinbarung getroffen haben oder
  • eine getroffene Vertriebsvereinbarung unter Einhaltung der vertraglichen Fristen gekündigt haben oder
  • die Vertriebsvereinbarung – bei Vorliegen eines wichtigen Grundes – fristlos gekündigt haben,

dürfen Soda-Club„Mietzylinder” von Endverbrauchern und vertraglich nicht (mehr) an Soda-Club gebundenen Unternehmen entgegennehmen, unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften selbst befüllen oder bei Abfüllunternehmen, welche die für eine Befüllung notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, befüllen lassen und in Verkehr bringen.

3. Endverbraucher dürfen „Mietzylinder” von Soda-Club bei Unternehmen ihrer Wahl, auch bei den in Ziffer 2. des Tenors genannten Unternehmen, tauschen bzw. wiederbefüllen lassen.

4. Um die Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1. des Tenors genannten Vorschriften abzustellen, wird Soda-Club gemäß § 32 Abs. 1 und 2 GWB untersagt, die in Ziffer 2. des Tenors aufgeführten Unternehmen an der Entgegennahme, Befüllung oder Weitergabe der sogenannten „Mietzylinder” zu hindern.

5. a) Soda-Club hat die auf ihren „Mietzylindern” angebrachten Banderolen binnen einer Frist von 2 Monaten textlich entsprechend Ziffer 2. bis 4. des Tenors anzupassen. b) Zusätzlich ist auf der Banderole der folgende Text in einem Kästchen von 4 cm Höhe und 10 cm Länge in dazu passendem Schriftgrad und Fettdruck gut lesbar aufzubringen: „Dieser Zylinder sowie alle übrigen Zylinder des derzeit umlaufenden Zylinderbestandes dürfen nicht nur von Soda-Club, sondern – unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften – auch von anderen Abfüllunternehmen befüllt werden.”

6. Die Gebühr für diese Entscheidung wird durch gesonderten Beschluss festgesetzt.

 

Tatbestand

A. Vorbemerkung

1. Diese Entscheidung betrifft das Verhalten des Unternehmens Soda-Club auf dem Markt der Befüllung von Zylindern mit CO2 zur Verwendung in Besprudelungsgeräten. Besprudelungsgeräte mit CO2-Zylinder dienen Endverbrauchern dazu, Leitungswasser mit Kohlensäure zu versetzen. Während das Besprudelungsgerät selbst lange Zeit nutzbar ist, muss der Zylinder immer wieder ausgetauscht werden, sobald er leer ist. Der Endverbraucher bringt dazu den leeren CO2-Zylinder zu einem Einzelhändler. Dieser gibt dem Endverbraucher dafür einen befüllten Zylinder. Der Endverbraucher zahlt nur für die Befüllung. Die Befüllung und Wiederbefüllung leerer CO2-Zylinder nehmen Abfüllunternehmen vor. Ursprünglich nahmen alle Einzelhändler und Abfüllunternehmen die im Markt umlaufenden Zylinder zurück, tauschten und befüllten diese (Tauschpool). Dadurch entfaltete sich auf dem Markt der Befüllung dieser Zylinder ein unverzerrter Leistungswettbewerb.

2. Dieser Wettbewerb wurde durch das Verhalten von Soda-Club, die erst 1998 durch Übernahme von SodaStream eine relevante Position im deutschen Markt aufbauen konnte, massiv beeinträchtigt. Soda-Club produziert und vertreibt Besprudelungsgeräte und ist mit einem Marktanteil von über 70 % marktbeherrschendes Abfüllunternehmen für solche CO2-Zylinder. Soda-Club erzielt den größten Teil ihres Umsatzes mit der Befüllung, die sie zentral für ganz Deutschland in Limburg durchführt.

3. Gegenstand dieser Verfügung ist, dass Soda-Club die marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt, um den verbliebenen Restwettbewerb um die Befüllung immer weiter zurück zu drängen. Dazu werden Vertriebshändler exklusiv an Soda-Club gebunden; freie Händler und Abfüllunternehmen werden an der Befüllung von Soda-Club-Zylindern gehindert. Dies wirkt sich besonders schwerwiegend aus, da angesichts der marktbeherrschenden Stellung zahlreiche leere Soda-Club-Zylinder bei freien Händlern und Abfüllunternehmen auflaufen. Weiter erschwerend kommt hinzu, dass Soda-Club Zylinder der Wettbewerber dem Markt entzieht.

4. Durch die Exklusivbindung von Einzelhändlern schieden zahlreiche Vertriebsstellen für CO2-Zylinder aus dem freien Wettbewerb um die Befüllung aus, da sich die gebundenen Händler verpflichten mussten, leere Zylinder nur noch durch Soda-Club befüllen zu lassen. Soda-Club erschwert die Beendigung der Exklusivbindung – und damit die Rückkehr in den freien Markt – dadurch, dass sie nach Beendigung des Vertriebsvertrags nur eine bestimmte Anzahl von Zylindern zurück nimmt und die in der Folge beim Händler auflaufenden Zylinder gar nicht mehr zurücknimmt.

5. Soda-Club verschließt aber nicht nur durch die Exklusivbindung zahlreicher Vertriebsstellen den Markt, sondern geht auch massiv gegen konkurrier...

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